Gion Matsuri
Das Gion Matsuri 祇園祭 (auch Gion goryō-e 祇園御霊会 oder Gion-e 祇園会) wird jeden Juli in Kyoto gefeiert. Es zählt gemeinsam mit dem Kanda Matsuri 神田祭 in Tokyo und dem Tenjin Matsuri 天神祭 in Osaka zu den drei großen matsuri Japans.
Geschichte
Das Gion Matsuri hat seinen Ursprung in der Heian Zeit (784 bzw. 794 bis 1185). Im Jahr 869 grassierte eine Epidemie in Japan, von der man glaubte, dass sie von Gozu Tennō 牛頭天王 als Strafe geschickt worden war. Auf Befehl des Kaisers Seiwa 清和天皇 (850 – 880, Regierungszeit: 858 – 876) am 7. Tag des 6. Monat des Jahres 869 66 hoko 鋒 (Hellebarden), die die Provinzen des Landes symbolisierten, aufgestellt und verbrannt. Danach wurde symbolisch Susanoo no Mikoto 須佐之男命 in einem mikoshi 神輿 (tragbarer Schrein) in den Garten des Schreinsees des damaligen Gion-Schreins 祇園社, dessen Name sich von Gion Shōja 祇園精舎 [1] herleitet und dadurch mit Gozu Tennō in Verbindung gebracht wurde (McMullin 1988: 277), getragen und es wurde ein goryō-e 御霊会 (Ritual zur Besänftigung dergoryō) durchgeführt. Seit dem Jahr 970 wurde das Gion Goryō-e am 14. Tag des 6. Monats zu Ehren Gozu Tennōs abgehalten, um neuerliche Epidemien abzuwenden.
Durch den Ōnin-Krieg 応仁の乱 (1467 – 1477) wurde die Fortführung des Gion Matsuri vorläufig unterbrochen um später wieder zu neuer Blüte zu gelangen. Seit dem 17. Jahrhundert wurden auch importierte Teppiche aus Persien und Europa zur Dekoration verwendet.
Seit der Meiji-Zeit wird das Gion Matsuri im Juli veranstaltet, mit der yamabokojunkō als dem Höhepunkt am 17. und am 24. Juli. Seit 1966 wird die Parade aufgrund von Verkehrsproblemen nur mehr am 17. Juli abgehalten (Roemer 2007: 196).
Das Gebiet des Gion-Schreins, der seit der Meiji-Zeit 明治時代 (1868 – 1912) den Namen Yasaka-Schrein 八坂神社 trägt, aber nach wie vor als Veranstalter des Gion Matsuri gilt, liegt am östlichen Ende der Shijō dōri 四条通, die durch den Bezirk Shimogyō 下京区 in Kyoto verläuft. Auch die yamabokochō befinden sich in der Gegend um die Shijō dōri. Dass sich das Gion Matsuri gerade in diesem Viertel Kyotos entwickelt hat, ist wohl kein Zufall. Die japanische Historikerin Wakita Haruko führt als Grund die Tatsache an, dass Shimogyō schon zu dieser Zeit das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der damaligen Hauptstadt Japans war (Wakita 1997: 1044). McMullin argumentiert, dass sich das Gion Matsuri auch aus einem weiteren Grund im Gion-Schrein, der am Fuß eines Hügels steht, entwickelt haben könnte. Laut ihm waren Hügel von alters her Orte, von denen man glaubte, dass sich an ihnen Gottheiten niederließen. Die Gottheit des Gion Schreins, die ursprünglich Mutō Tenjin 武塔天神 hieß und später mit Susanoo no Mikoto und Gozu Tennō assoziiert wurde, bevorzugte Hügel in Trapezform, so wie jenen, an dessen Fuß sich der Gion- bzw. Yasaka-Schrein befindet (McMullin 1988: 276). Beide Erklärungsversuche sind nicht von der Hand zu weisen, zumal religiöse Anlagen in Japan häufig am Fuß von Hügeln oder Bergen zu finden sind, wirtschaftliche Faktoren aber nicht außer Acht gelassen werden sollten.
Auch der Zeitpunkt seines Entstehens in einer Zeit, in der die hygienischen Zustände in den urbanen Gebieten Japans ein Ausbreiten von Seuchen begünstigten, lässt nicht weiter verwundern. McMullin argumentiert, dass Desaster wie Seuchen als ein „Barometer für politische Ungerechtigkeit“ gesehen werden können und Veranstaltungen wie öffentliche goryō-e ein Ventil für die unzufriedene Bevölkerung darstellten (McMullin 1988: 272-273).
Wichtige Veranstaltungen des Gion Matsuri
Der Höhepunkt des Gion Matsuri ist zwar die yamabokojunkō, die am 17. Juli zwischen 9 und 14 Uhr stattfindet, das matsuri dauert aber vom 1. bis zum 29. Juli.
Am Morgen des 1. Juli findet das kippu iri 吉符入り statt. Dies kann als Eröffnungszeremonie bezeichnet werden, die den Beginn der religiösen Rituale kennzeichnet.
Am 2. Juli um 10 Uhr vormittags wird die Reihenfolge der yamaboko für die Parade bestimmt. Bis auf die Naginata Hoko 長刀鋒, die die Parade traditionell anführt, wird die Reihenfolge per Losentscheid bestimmt. Die zu diesem Zweck durchgeführte Lotterie heißt kujitorishiki 鬮取り式 . Ihr sitzt der Bürgermeister von Kyoto vor. Dieser Brauch begann im Jahr 1500 als die Tradition der yamaboko nach dem Ende des Ōnin-Kriegs wieder belebt wurde. In der Edo-Zeit (1600 - 1868) fand die kujitorishiki im Rokkakudō 六角道, einem Tempel in Kyoto, unter der Aufsicht des vom Shogunat eingesetzten Militärgouverneurs statt. In der Meiji-Zeit (1868 - 1912) ging diese Aufgabe an die Stadtverwaltung Kyotos über. Heutzutage nehmen an dieser Zeremonie neben dem Bürgermeister und dem Oberpriester des Yasaka-Schreins 八坂神社 u.a. der Vorsitzende des Unterstützungskommitees des Gion Matsuri, der Vorsitzende des Yamabokoverbands sowie jeweils ein Vertreter der yamabokochō teil.
Der Zusammenbau der yamaboko findet zwischen dem 10. und 14. Juli in den yamabokochō statt. Dieser Teil des matsuri wird yamabokotate 山鉾建て genannt. Nach dem die hoko fertig zusammengebaut sind, unternehmen die jeweiligen Verantwortlichen eine Testfahrt mit dem Festwagen. Bei dieser hikizome 曳き初め (erstes Ziehen) sind nur Personen anwesend, die in irgendeiner Form in das Gion Matsuri involviert sind.
Der 16. Juli wird yoi yama 宵山 genannt. An diesem Tag, und auch an den beiden Tagen davor, kommen viele Menschen in das Viertel von Kyoto, wo die yamaboko aufgebaut werden, um die Schätze der einzelnen yamaboko zu bewundern. Darunter einige Teppiche aus Europa aus dem 16. Jahrhundert.
Am 17. Juli findet schließlich die yamabokojunkō 山鉾巡行 statt, die große Parade. Sie dauert von 9 Uhr morgens bis ca. 14 Uhr und führt durch die Shijō Dōri, die Kawaramachi Dōri und die Oike Dōri.
Am späten Nachmittag des 17. Juli findet das shinkōsai 神幸祭, eine Zeremonie, bei der die Gottheiten des Yasaka-Schreins, nämlich Gozu Tennō, seine Frau Kushiinada Hime 奇稲田姫 und ihre acht Kinder, in drei mikoshi vom Schrein in ein otabishō 御旅所, einen temporären Aufbewahrungsort, an der Ecke Shijō dōri 四条道 und Teramachi dōri 寺町道 gebracht werden.
Am 24. Juli werden diese drei mikoshi wieder in den Schrein zurückgebracht und die Gottheiten nehmen in einer Zeremonie, die kankōsai 還幸祭 heißt, wieder ihren Platz im Yasaka-Schrein ein.
Am 24. Juli findet auch die hanagasajunkō 花傘巡航 statt. Diese Prozession wurde nach der Zusammenlegung von saki und ato no matsuri junkō (siehe yamabokojunkō eingeführt und ähnelt der orignialen Form den Gion Goryō-e.
Verwandte Seiten
Literatur
- Hirayama Toshijirō 平山敏治郎 1972„Gion matsuri.“ Encyclopaedia Japonica. (Bd. 5.) Tokyo: Shogakukan 1972, S. 324 - 325. (Erste Auflage 1968.)
- Wakita Haruko 脇田晴子 1997„Fêtes et communautés urbaines dans le Japon medieval: La fête de Gion à Kyoto.“ Annales Histoires, Science Sociales 52/5 (1997), S. 1039-1056.
Anmerkungen
- ↑ Gion Shōja ist der japanische Name von Jetavana, ein Hain in Indien, in dem sich das Kloster befand, dessen Beschützer Gosirsa Devaraja bzw. Gozu Tennō war.
Links
- Gion Matsuri 祇園祭 (Offizielle HP, KYOTO GIONMATSURI VOLUNTEER 京都・祇園祭ボランティア).
- Gion Matsuri auf Japanese Religions (Akademische HP/ Datenbank-Projekt, Michael K. Roemer und Studenten).