Exzerpt:McMullin 1988

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Themengruppe Exzerpte
Behandeltes Werk
Neil McMullin 1988
„On placating the gods and pacifying the populace: The case of the Gion "Goryō" cult.“ History of Religions 27/3 (1988), S. 270 - 293. (Exzerpt.)

Behandelt werden vor allem jene Aspekte, die mit Gozu Tennō im Zusammenhang stehen.

Autor

Neil McMullin ist emeritierter Professor der Universität Toronto Mississauga (auch Erindale College) im Bereich Historische Studien.[1] Er lehrte [2] und forschte unter anderem über Themen innerhalb des Buddhismus in Japan wie beispielweise über den Gion-Kult [3] und veröffentlichte die Monografie Buddhism and the State in Sixteenth-Century Japan.[4]

Der Artikel

Die Geschichte[5] rund um das Aufeinandertreffen der Brüder Kotan Shōrai 巨旦将来 und Somin Shōrai 蘇民将来 mit einer himmlischen Gottheit bildet das mythische Herzstück des Kultes in Gion in Kyoto. Der Autor untersucht nun anhand verschiedener Variationen der berühmten Geschichte diesen Kult und fokussiert dabei auf wichtige Mythen, Rituale und Symbole, die im 9. und 10. Jahrhundert entstanden sind. (271)

Einer der bedeutsamsten Glaubensvorstellungen innerhalb des Gion-Kultes liegt in der Annahme begründet, dass Krankheit und vor allem weitreichende Seuchenepidemien von Seuchengottheiten ekijin 疫神 verursacht werden. Zudem können auch feindselige Seelen von Verstorbenen goryō 御霊 Unheil wie Krankheit, Erdbeben und Totgeburt hervorrufen. Um deren Heimsuchung abzuwehren, werden goryō-e御霊会 Rituale durchgeführt. (272–273)

Hintergründe der Legende

In der zuvor erwähnten Geschichte beschützt ein tenjin 天神 oder ein tennō 天王 die Nachfahren von Somin Shōrai, während die von ihm verursachte Seuche den älteren Bruder Kotan Shōrai und seine Familie umbringt. (274)

In der frühesten Version der Legende hat die Seuchengottheit den Namen Mutō Tenjin 武塔天神, welcher offenbar von dem koreanischen Wort mudang, welches Schamanin bedeutet, abgeleitet wird. Auf Japanisch wird er muta oder mutō ausgesprochen und kann sich auch auf Hügel oder Berge mit trapezförmigem Aussehen beziehen. Mutō ist dementsprechend eine Gottheit, die auf dem Gipfel trapezförmiger Berge wohnt. Ein frühes kultisches Zentrum im koreanischen Königreich Silla wurde soshimori genannt und lag in der Nähe solcher Hügel. Der Name lautete Ochsenkopfberg, da laut Kubota Osamu soshi Ochse und mori Kopf bedeutet. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass es im frühen Korea und Japan unter anderem üblich war, Rinder für gute Ernte und Vorbeugung gegen Krankheit zu opfern. (276–277)

In einer anderen Version der Geschichte wird Mutō mit Gozu Tennō, dem ochsenköpfigen Himmelskönig identifiziert, in einer weiteren ist Gozu Tennō Mutōs ältester Sohn. Beide Namen sind mit dem koreanischen Begriff soshimori verbunden, und mit der Zeit wurden zwei Gottheiten mit verschiedenen Namen in einer Gottheit verschmolzen, die unter mehreren Namen bekannt ist. (277)

Gozu Tennō in Verbindung mit Susanoo

Ungefähr zur Nara-Zeit gibt es erste Verknüpfungen zwischen Mutō Tenjin und Susannoo Mikoto 須佐之男命, welcher eine fundamentale Rolle in japanischen Legenden spielt und unter anderem als Berggottheit oder Agrargottheit verehrt wird. Wie genau sich diese Entwicklung vollzogen hat, ist bis heute nicht klar, es wird aber vermutet, dass sich im Jahr 877 eine große Epidemie verbreitete und Kräfte verschiedener Götter (Gozu Tennō, Susanoo, Mutō Tenjin und ähnliche ekijin), die mit Krankheiten verbunden waren, gegen die Seuche vereinigt wurden. Laut McMullin zeigte sich jedoch erst in der Kamakura-Zeit, dass Susannoo auch als Gozu Tennō explizit identifiziert wurde. (278)

Ursprünge des Gozu Tennō und des Kultes in Gion

Die Ursprünge des Kultes um Gozu Tennō liegen im Dunkeln. Manche Legenden bezeichnen Indien als Herkunft und identifizieren Gozu Tennō als Schutzgottheit des palastartigen Anwesens Jetavana von Siddhartha Gautama. Dieses wird als Gion shōja 祇園精舎 auf Japanisch übersetzt und inspirierte den Namen des kultischen Zentrums in Gion. Auch wird gesagt, dass Gozu Tennō auf einem heiligen indischen Berg wohnte, auf dem der Baum „candana“ wuchs, der weiterverarbeitend als fiebersenkendes Mittel eingesetzt wurde. Der Berg war wie ein Ochsenkopf geformt und wurde als Ochsenkopfberg (auf Japanisch gozusan 牛頭山) bezeichnet. In seiner indischen Herkunft wird Gozu Tennō somit vor allem als Schutzgottheit und mit Medizin assoziiert. (277)

Eine weitere Ähnlichkeit lässt sich im frühen Japan feststellen, bei dem ein gewisses Öl namens soyu aus Rinderhaut gepresst und in eine Salbe weiterverarbeitend auf den Körper einer Person aufgetragen wurde, um eine Infizierung mit Krankheiten zu verhindern. (278)

Wann und wie von welchen Akteuren die vielen erwähnten Seuchengottheiten schließlich im Gion-Kult vereinigt wurden und sich in Kyoto verorteten, ist bis heute unbekannt. Interessant ist, dass die früheste Version der Legende im Bingo fudoki 備後風土記 [6] vorkommt, nicht in einer aus der Gegend um Kyoto. (281) Eine Theorie besagt, dass Menschen mit koreanischen Vorfahren sich in und um Bingo niederließen und Rituale gegen die Abwehr von Krankheiten praktizierten, welche vermutlich Vorläufer des Gion-Kultes sind. Laut Shiga Takeshi verehrte das Seefahrervolk Hata (auf Koreanisch „Meer“), welches vor der Nara-Zeit nach Japan kam, Gozu Tennō. (281)

Ein weiterer Bericht beschreibt die Errichtung eines Schreins für Gozu Tennō in der Provinz Harima (heutige Provinz Hyōgo) im 8. Jahrhundert von Kibi no Makibi 吉備真吉備, der einige Jahre in China verbrachte, Korea besuchte und so in Kontakt mit einem Kult um Gozu Tennō kam. Der Kultplatz wurde im Laufe der Zeit versetzt und schließlich im Jahr 877 in Kyoto lokalisiert. Diese Theorie wird als „Harima-Transfer“ bezeichnet, gilt jedoch in der Wissenschaft als umstritten. (281–282)

Generell dominiert der Konsens, dass das kultische Zentrum in Gion vermutlich im Jahr 867 vom buddhistischen Mönch Ennyo aufgebaut wurde oder er eine Gottheit, die mit einem Wassereinigungsritual verknüpft war, vom Kasuga-Schrein in Nara in den Gion-Schrein verlegte. (282–283)

Ambivalente Gottheit

Im 10. Jahrhundert veränderte sich die Einstellung gegenüber verstorbenen Seelen, je nachdem in welcher Beziehung sie zu einer Familie standen, wurden sie gefürchtet oder als Schutzgeister shugoryō 守御霊 beurteilt. Gozu Tennō veränderte damit seinen Status als Anführer von ekijin und nahm auch heilende und schützende Charakteristiken an: Er wurde zum Anführer der Schutzgottheiten shugo-shin 守護神, die Menschen vor Seuchen beschützen. (291)

Anmerkungen

  1. Profil von Neil McMullin
  2. Artikel über Neil McMullin
  3. eine Auswahl seiner Publikationen
  4. Princeton University Press
  5. hier ist die Geschichte kurz nachzulesen
  6. Eine Chronik der Provinz Bingo 備後, welche in der Nara-Zeit entstand. In diesem Bericht besucht die Gottheit Susanoo einen reichen und armen Bruder und erklärt zu Ende der Erzählung der ärmeren Familie ein Ritual, um von Krankheit verschont zu bleiben.