Exzerpt:Suzuki H 2012

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Exzerpt:

Hideo Suzuki 2012
„‚Nihon Montoku Tennō jitsuroku‘ ni miru Heian jidai shoki no iryō fukushi.“ Tezukayama gakuin daigaku ningen kagakubu kenkyū nenpō 帝塚山学院大学人間科学部研究年報 14 (2012), S. 31–45. (Exzerpt.)

Suzuki Hideo

Nach seiner Promotion an der Ōsaka daigaku daigakuin igakukei kenkyūka 大阪大学 大学院医学研究科 im Fachbereich der Psychiatrie und Neurowissenschaften war Suzuki Hideo zunächst als Professor an verschiedenen Fakultäten der Ōsaka taiiku daigaku 大阪体育大学 tätig, bis er 2011 dem Ruf an die Tezukayama gakuin daigaku 帝塚山学院大学 folgte und seitdem an der Fakultät für Humanwissenschaften unterrichtet. Seiner Forschungstätigkeit entsprangen neben diversen Veröffentlichungen zu Krankheiten, psychischer Gesundheit und Suizid im japanischen Altertum und Mittelalter unter Referenz historischer Quellen auch eine Vielzahl an Artikel, die kontemporäre Themen wie gesundheitliche Aspekte vegetarischer Ernährung oder Zusammenhänge zwischen Ernährungsgewohnheiten und psychischer Gesundheit betrachten.

Anmerkungen

Lebens- und Regierungsdaten sowie Transkriptionen wurden, da nicht im exzerpierten Werk enthalten, für ein besseres Verständnis selbstständig recherchiert und hinzugefügt. Weitere Ergänzungen sind mit dem Kürzel Anm. versehen.

Bei externen Verweisen wurde grundsätzlich deutsch- oder englischsprachigen Seiten Vorzug gegeben, jedoch im Falle mangelnden Informationsgehalts oder Inexistenz auf japanischsprachige zurückgegriffen.

Inhalt

Der Artikel „‚Nihon Montoku Tennō jitsuroku‘ ni miru Heian jidai shoki no iryō fukushi“ widmet sich diversen Krankheiten, Epidemien, der medizinischen Wohlfahrt und weiteren mehr oder weniger dem medizinischen Bereich zuzurechnenden Phänomenen der frühen Heian-Zeit auf Grundlage mehrerer Chroniken, insbesondere des Nihon Montoku Tennō jitsuroku 日本文徳天皇実録 (kurz: Montoku jitsuroku 文徳実録), welches als fünfter Teil der insgesamt sechs Werke umfassenden japanischen Reichsgeschichte Rikkokushi 六国史 die letzten neun Jahre der Herrschaft von Montoku Tennō 文徳天皇 (827–858) dokumentiert.

Einleitung

In der Einleitung erörtert Suzuki in knappen Worten die Entstehungsgeschichte des Nihon Montoku Tennō jitsuroku und weist dabei auf zwei Besonderheiten hin: Dem Werk mangele es an Aufzeichnungen über politische Gesetzgebungsprozessen; stattdessen sei es durch eine Fülle an biographischen Elementen – selbst Adelige des fünften Ranges goi 五位 des ritsuryō-Systems 律令制 finden Eingang in die Annalen –, ein Unikum im Kompendium der sechs Reichschroniken.

Epidemien und deren Handhabung

Die Interpretation von Epidemien als Wirken von Göttern sei eine seit dem Altertum in Japan existente Überzeugung. Allerlei Maßnahmen wie das Aussetzen von Festen, Generalamnestien, das Rezitieren von Sutras und Gebeten, das Aufstellen von buddhistischen Statuen oder die Darbringung von Opfergaben seien als Präventionsmaßnahmen gegen Seuchen ergriffen worden.

Epidemien im Nihon Montoku Tennō jitsuroku

An acht Stellen werde eine Seuche, die die Hauptstadtregion heimsuchte, unmissverständlich als Pocken (皰瘡 oder 疱瘡, beide: hōsō, auch imogasa) spezifiziert und die hohe Zahl an zu verzeichnenden Toten sowie die zur Linderung der Not alsbaldige Verteilung von Reis aus den Kornspeichern an die Betroffenen beschrieben.

Elf weitere Eintragungen dokumentieren die ergriffenen Gegenmaßnahmen, darunter die Lesung von Sutras, die Darbringung von Opfergaben und die Absage von Veranstaltungen.

Shingō 賑給 (auch shinkyū)

Shingō beschreibt einen Aspekt der staatlichen Fürsorge unter dem ritsuryō-System der Heian-Zeit, im Zuge dessen Lebensmittel und Kleidung an Alte, Kranke und Bedürftige verteilt wurden. Als Anlass dienten diverse Festivitäten und wichtige Begebenheiten wie die Inthronisation eines neuen Kaisers, der Wechsel der Ära sowie Epidemien und Hungersnöte.

Das erste shingō wurde nach Aufzeichnungen des Nihon shoki unter der Regentschaft von Jitō Tennō 持統天皇 (645–703, Lebensdaten) durchgeführt. Das Shoku Nihongi 続日本紀 listet insgesamt 30 Fälle von landesweiten shingō, das Montoku jitsuroku weitere 33. Sieben dieser 33 hatten als Auslöser Hungersnöte, sechs weitere Epidemien, davon in drei Fällen Pocken, in zwei Durchfallerkrankungen, zudem eine weitere nicht-spezifizierte Epidemie. Shingō erfüllten nicht nur eine Rolle als Element des wohlfahrtsstaatlichen Systems zur Unterstützung der Mittellosen, sondern dienten auch als effektives Mittel zur Aufrechterhaltung des Systems.

Sieben der im vorherigen Abschnitt erwähnten acht Pockenepidemien traten zwischen Feber und Mai auf, eine weitere im September. Die Verteilung der Hungersnöte innerhalb des Kalenderjahres (alle zwischen Feber und Juli) lässt auf einen starken Zusammenhang zu Epidemien schließen. Auch dem Shoku Nihon kōki 続日本後紀, der vierte Teil der Reichschroniken, zufolge waren Seuchen in vielen Fällen die Ursache von Hungersnöten.

Pocken

Nach einer kurzen Beschreibung der typischen Symptome und der hohen Infektiosität der Pocken werden die Umstände der einzelnen Epidemien sowie die Veränderung in ihrer Benennung näher erläutert.

Die erste Pockenepidemie Japans findet sich in einem Eintrag von 735 im Shoku Nihongi. Die Pocken traten in diesem Alter zuerst in Tsukushi (eine alte Bezeichnung für Kyushu, aber auch für eine ehemalige Provinz im Norden Kyushus) auf und breiteten sich allmählich ostwärts aus, um schließlich im ganzen Land zu wüten. In weiterer Folge wird anhand der Quelle die katastrophale Situation im Land beschrieben und verschiedene Maßnahmen, um der Plage Herr zu werden (Geldopfer, Kräutersude, Anweisungen an Tempel, bestimmte Sutras zu verlesen).

Für das Jahr 763 wird eine weitere Pockenepidemie u. a. in Iga no Kuni 伊賀国 (Anm: ehemalige Provinz im Westen der heutigen Präfektur Mie), Mino no Kuni 美濃国 (Anm: ehemalige Provinz im Süden der heutigen Präfektur Gifu), Settsu no Kuni 摂津国 (Anm: ehemalige Provinz entsprechend der heutigen Präfektur Hyogo und dem nördlichen Teil Osakas) und die daraufhin erfolgten shingō beschrieben.

Das Montoku jitsuroku dokumentiert eine weitere Pockenepidemie im Jahr 853 in der Kansai-Region, auf die erneut mit Getreidespenden reagiert wurde.

Als Bezeichnungen für die Epidemie finden sich im Shoku Nihongi, einem historischen Zeugnis der Nara-Zeit, 疫 eki, 疫気 ekiki, 疫瘡 ekisō, 豌豆瘡 endōsō und 裳瘡 mogasa. Die während der Heian-Zeit im Nihon kōki 日本後紀 und Shoku Nihon kōki verwendeten Termini für Pocken lauten 疫 eki, 疫病 ekibyō, 疫癘 ekirei, 疫気 ekiki und 疾疫 shitsueki. Im Muntoku jitsuroku wiederum werden Pocken als 皰瘡 oder 疱瘡 festgehalten.

Die Nomenklatur von psychischen Erkrankungen

Ein weiterer Abschnitt des Artikels widmet sich der im Muntoku jitsuroku lokalisierbaren Bezeichnungen für psychische Krankheiten. Suzuki akzentuiert beispielsweise den Gebrauch des Begriffes 狂者 kyōsha anstatt von 癲狂 tenkyō, der damals typischen Bezeichnung für psychische Störungen, und die zwei Bedeutungen von tenkyō – Wahn und Epilepsie.

Kegare 穢れ

Anschließend erfolgt eine umfangreiche Beschreibung der verschiedenen Arten von kegare 穢れ (hygienisch unreine Dinge; Dinge, die nicht zwangsweise unrein sind, aber gemeinhin als ekelerregend empfunden werden; der Tod; alle Schäden, die die Natur anrichtet; Dinge, die die Ordnung des menschlichen Soziallebens stören) und deren registrierter Fälle im Muntoku jitsuroku, etwa der Tod eines Pferdes im Inneren des kaiserlichen Palastes im Jahr 850.

Es wird davon ausgegangen, dass kegare durch Verlassen der Quelle auf andere Orte und Personen übertragen werden könne und solch ein Transfer nicht nur durch das Betreten verunreinigter Orte und den Umgang mit „verunreinigten Menschen“ erfolge, sondern auch durch an verunreinigten Orten zubereitete Speisen oder dort aufbewahrte Kleidung und Dokumente.

Bei der Betrachtung der Übertragung von kegare seien die örtliche Begebenheit zu berücksichtigen, an der kegare auftritt. Mauern oder Zäune verhindern das Eindringen von Verunreinigungen von außen und können so den umschlossenen Raum rein halten. Jedoch trete auch der gegenteilige Effekt zutage: Wenn kegare innerhalb eines umschlossenen Bereichs auftritt, werde der gesamte umschlossene Raum unrein.

Maßnahmen gegenüber kegare variierten jedoch: Während einem auf 851 datierten Eintrag des Muntoku jitsuroku zufolge ein Frühlingsfest trotz Anwesenheit von Verunreinigungen durchgeführt wurde, musste 854 das Kamo (no) matsuri 賀茂祭 wegen kegare abgesagt werden.

Zen'eki 禅病

Als zen’eki werden alle wahnhaften Gedanken und Wahnvorstellungen sowie Krankheiten definiert, die im Zusammenhang mit zazen 座禅 auftreten. Nach der vorherrschenden Meinung liege die erste Erwähnung dieses Begriffs in der frühen Kamakura-Zeit im Jashō mondō shō 邪正問答鈔 des Mönchs Myōe 明恵 (1173–1232) vor. Suzukis Recherche habe jedoch ergeben, dass dieser Ausdruck bereits in einer Biographie von Tachibana no Kachiko 橘 嘉智子(786–850), auch als Danrin Kōgō 檀林皇后 bekannt, Gemahlin von Saga Tennō 嵯峨天皇 (786–842), im Montoku jitsuroku zu finden sei.

Suizid

Das Montoku jitsuroku verzeichne ebenso wie das Shoku Nihon kōki keine Einträge über Suizide, indessen protokolliere das Nihon shoki 32, das Shoku Nihongi fünf und das Nihon kōki vier Fälle. Da Selbsttötungen jedoch ein pathologisches Phänomen und einer Gesellschaft im Allgemeinen inhärent seien, könne die Absenz unter der im Shoku Nihon kōki dokumentierten Herrschaft Ninmyō Tennōs 仁明天皇 (Regentschaft 833–850) oder während der im Montoku jitsuroku festgehaltenen Herrschaft Montoku Tennōs (Regentschaft 850–858) nur schwer nachvollzogen werden. Daher sei zu untersuchen, ob dies den Tatsachen entspreche oder ob es auf Umstände in den Kompilierungsprozessen der beiden Werke zurückzuführen ist.

Diverses

Die abschließenden Kapitel befassen sich mit den im Montoku jitsuroku erwähnten Fällen von:

  • Hautkrankheiten: Berichte über verschiedene Arten von Effloreszenzen (u. a. 二禁 nikin, die damalige Bezeichnung für odeki おでき Furunkel, Eiterbeule; 悪瘡 akusō maligne Tumore)
  • Hochwüchsigkeit: vier Fälle, beispielsweise soll Danrin Kōgō eine Körpergröße von etwa 188 cm erreicht haben.
  • Missbildungen: kein Fall für Menschen in Evidenz; für Tiere zwei: ein Kalb mit zwei Köpfen und ein Rind mit einer fehlenden Extremität
  • Kinderreichtum: ein Bericht über eine Frau, die 853 bei einer Geburt zumindest drei Kinder zur Welt brachte