I-13
Im Lande Yamato 大倭國, im Bezirk Uta 宇太, im Dorf Nuribe 漆部里[1], lebte eine fromme Frau. Sie war eine Nebenfrau 妾 von Nuribe no miyatsuko Maro.Sie war von Geburt an fromm[2] und beschränkte sich in ihrer Nahrung. Sie gebar sieben Kinder. Sie war äußerst arm, hatte wenig zu essen und konnte [daher] ihre Kinder kaum versorgen. Sie hatten auch keine Kleidung, daher flocht sie [diese] aus Ranken 藤[3]. Sie reinigte sich jeden Tag mit einem Bad und zog das [Kleid aus] Ranken an. Regelmäßig sammelte sie Kräuter 草 auf der Flur und säuberte stets das Haus. Sie bereitete die [gesammelten] Kräuter[4] zu, rief die Kinder und setzte sich aufrecht hin. Und während sie aßen, sprach sie, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, sanft zu den Kindern[5]. So waren ihre Gedanken und ihr Leib stets auf ihre Pflicht ausgerichtet. Dies ließ sie wie eine Heilige[6] erscheinen . Als im Palast Nagara no Toyosaki regiert wurde, [7] trat sie im Jahr des Tigers mit göttlichen Wesen in Kontakt und aß magische Kräuter, welche sie im Frühling pflückte und flog zum Himmel. Wahrhaft, obgleich sie nicht der Lehre Buddhas folgte, war sie dennoch reinen Wesens, aß heilige Kräuter 仙草[8] und wurde daher von den göttlichen Wesen erhört. Im Shōjin-nyomon-kyō [9] heißt es:„[Auch] wer in der Familie verbleibt, [kann] durch das Fegen des Hofes die fünf Tugenden[10] erwerben“.
- ↑ Bohner verwendet die Bezeichnung Urushibe
- ↑ Der Ausdruck 風聲(gelesen: misao) bezeichnet Bohner zufolge den Gegensatz zu irdischen Tätigkeiten und steht taoistischem Gedankengut nahe
- ↑ Es wird hier dezidiert von der Glyzinie (Wisteria floribunda) gesprochen
- ↑ Es steht das Schriftzeichen 菜 (Gemüse) im Text
- ↑ Izumoji interpretiert diese Textstelle als: Mit einem sanften Lächeln pflegte sie zu sagen:"Bringt dem Essen größte Achtung entgegen".
- ↑ Der hier verwendete Begriff 天上客(tenjō no kyaku) bedeutet wörtlich:„ein Gast aus den himmlischen Gefilden“, beschreibt aber laut Nakamura einen taoistischen Heiligen
- ↑ Bei Bohner: Zur Zeit der Nagara no Toyosaki no Miya, im Jahre Holz-oben-Tiger
- ↑ Nakamura spricht von einer speziellen Diät für taoistische Heilige
- ↑ Sutra über die Fragen an eine lautere Laienanhängerin
- ↑ Die fünf Tugenden beziehen sich vermutlich auf die fünf Gelübe, welche buddhistische Mönche beim Eintritt in einen Orden ablegen müssen, diese können aber auch von Laien eingehalten werden. vergleiche hierzu:Gokai
Hintergrund
- Zeit: Hakuchi 5 (654)
- Ort: Dorf Nuribe 漆部 (heute: Nurube), Uda-Distrikt, Provinz Yamato (heute: Soni-mura, Nara-ken)
- Personen: Nebenfrau von Nuribe no miyatsuko Maro;
Ursache und Wirkung
Auch jemand, der keinem Mönchsorden angehört, kann von den Göttern erhört werden.
Anmerkungen
Auffallend und von den Kommentatoren einhellig angeführt sind Begriffe, die einen starken Bezug zur taoistischen Mythologie aufweisen.Die Verwendung des Begriffes misao 風声、風流 bei Bohner und Izumoji beispielweise sind von taoistischen Moralvorstellungen geprägt, und auch Nakamura merkt diese Verbindung an.
Auffällig ist weiters die häufige Erwähnung von Akten der Reinigung, welche Hinweise auf den Shintōismus geben, und somit auf einen Synkretismus zwischen sinisiertem Buddhismus und dem Kami-Glauben. Interessant ist auch die Tatasache, dass die Geschichte Nakamura zufolge auch im Konjaku Monogatari anzutreffen ist.
Auch werden sehr genaue Angaben zu Zeit und Personen gemacht. Bemerkenswert an diesen ist der relativ genaue Einblick in das Alltagsleben einer Familie, die im Umfeld des niederen Adels lebt. Vor allem die prekäre wirtschaftliche Situation der Familie wird angesprochen, aber auch Hinweise auf eine bereits bestehende Rollenverteilung zwischen Mann und Frau werden in dieser Erzählung ersichtlich.
Der Grundtenor der Geschichte, welcher vor allem die Reinheit der Frau des Nuribe no miyatsuko betont, wird auch in der Geschichte I-28 in Teilen aufgegriffen, welche den tugendhaften Ubasoku E als Protagonisten hat. Parallelen stellen zum einen die asketische Lebensweise da- Beide Protagonisten kleiden sich in Gewänder aus Ranken-, wenn auch in Geschichte I-13 die Armut nicht als freiwillige Askese erscheint. Auch das regelmäßige Reinigen mit mit einem Bad ist eine Gemeinsamkeit beider Protagonisten welche sich vor allem dadurch ähneln, dass sie in Kontakt mit himmlischen Wesen oder Göttern treten können und schließlich aufgrund ihrer Taten in den Himmel aufsteigen. Bohner sieht eine starke taoistische Prägung der Geschichte, was auch aus den, in der Geschichte verwendeten Terminologien hervorgeht.
Buddhistischer Tenor tritt vor allem gegen Ende der Geschichte zutage, wo von den fünf buddhistischen Tugenden die Rede ist und Nakamura zufolge der letzte Satz der Geschichte(bei N:„ Man kann durch ein tugendhaftes Leben und das Fegen des Hofes mit der rechten Gesinnung die fünf Tugenden erwerben“) ein abgewandeltes Zitat, welches in seinem Originalkontext das Fegen des Hofes einer Pagode fordert. Kyōkai hat die Bedeutung des Zitats also in der Art verändert, dass explizit Laienanhänger damit angesprochen werden.
Materialien
- Datei:Snkbt I-13.pdf — Originaltext in SNKBT 30
- Datei:Bohner I-13.pdf — Deutsche Übersetzung, Bohner 1934, Haupttext
- Datei:Bohner I-13A.pdf — Bohner 1934, Anmerkungen
- Datei:Nakamura I-13.pdf — Englische Übersetzung, Nakamura 1997
- I-13/Texteditionen