Hermann Bohner

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Hermann Bohner (1884–1963), Japanologe, Autor einer deutschen Übersetzung des Nihon ryōiki.

Leben

Hermann Bohner wurde 1884 in Abokobi im heutigen Ghana geboren, die Familie stammte aus dem süddeutschen Raum. Sein Vater gehörte der Basler Mission an, einem evangelischen Missionsorden, der dem sog. Pietismus zugerechnet wird und in Westafrika sehr aktiv war. Hermann Bohner wuchs getrennt von den Eltern in Deutschland auf, studierte u.a. Evangelische Theologie und Philosophie in Tübingen, und schloss seine Studien 1914 als ausgebildeter Missionar ab. Daraufhin trat er als Lehrer in den Dienst der Evangelischen Mission in Tsingtao (Quingdao), das damals deutsche Kolonie war. Hier kam er in Kontakt mit dem eminenten Sinologen und Übersetzer Richard Wilhelm (der gleichfalls Missionar war) und studierte unter seiner Anleitung Chinesisch.

Etwa ein halbes Jahr nach Bohners Ankunft in China begann der Erste Weltkrieg. Bohner wurde in Tsingtao eingezogen und geriet nach einem Monat in japanische Kriegsgefangenschaft (Tsingtao wurde 1914 von Briten und Japanern erobert). Die nächsten sechs Jahre verbrachte Bohner überwiegend im Kriegsgefangenenlager Bandō auf der Insel Shikoku, wo die Gefangenen ein verhältnismäßig angenehmes Leben führen konnten und u.a. eine Lagerzeitung unterhielten, für die Bohner häufig schrieb. Außerdem erlernte er Japanisch im Selbststudium.

Nach seiner Freilassung kehrte Bohner nicht nach Deutschland zurück, sondern entschloss sich weiter in Japan zu bleiben, wo er den Rest seines Lebens verbringen sollte. Er fand eine Stelle als Deutschlehrer in Osaka und heiratete Hanna Blumhardt, eine Verwandte Richard Wilhelms, die ebenfalls aus einer deutschen Missionarsfamilie stammte. Ab den 30er Jahren entfaltete Bohner eine rege Publikationstätigkeit japanologischer Schriften und Übersetzungen und erwarb sich den Ruf eines führenden Gelehrten auf dem Gebiet der japanischen Geschichte und Literatur. Er scheint aber nie Japanologie unterrichtet zu haben, sondern blieb an seiner Sprachschule in Osaka, wo er schließlich zum Professor befördert wurde. Versuche, an einer deutschen Universität Fuß zu fassen, gab es sowohl während der Nazi-Zeit als auch nach dem Krieg, sie scheiterten aber aus verschiedenen, offenbar eher persönlichen als politischen Gründen.

Werk

Die Übersetzung des Ryōiki war Bohners erstes größeres Übersetzungswerk und erschien im Jahr 1934. Im Jahr darauf veröffentlichte Bohner seine wesentlich bekanntere Übersetzung des Jinnō shōtōki 神皇正統記 („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, 1339 von Kitabatake Chikafusa), der er eine umfangreiche begleitende Studie beifügte. Es folgten Übersetzungen mit Studien über den Prinzregenten Shōtoku Taishi und über den Mönch Kūkai. Besonders die Studie des Jinnō shōtōki ist von einer großen Begeisterung für die nationalen Bewegungen sowohl des damaligen Japan als auch Deutschlands getragen. Dabei zitiert Bohner ausführlich aus Arthur Moeller van den Brucks Das Dritte Reich (1923), ein Werk das auch den Nationalsozialismus in seinen Anfängen prägte. Die Beschäftigung mit dem Jinnō shōtōki entsprach überdies genau dem Zeitgeist, wurde es doch als eine Art Klassiker des japanischen Nationalstolzes angesehen. Bohner scheint aber nie Mitglied der NSDAP gewesen zu sein, noch wurde er sonst politisch aktiv. Dennoch ist sein Denken stark von nationalistischen Idealen geprägt. Bohner wird daher gern als national-romantischer Schwärmer charakterisiert.

Nachdem Krieg wandte sich Bohner dem Studium des Zen-Buddhismus und der japanischen Tee-Kultur zu und verfasste auch dazu zahlreiche Übersetzungen und Studien.

Sprache

Bohners Prosa ist zum einen von dem Bemühen geprägt, den japanischen Originaltext möglichst wortgetreu wiederzugeben. Aus heutiger Sicht erschwert dies das Verständnis, wenn er sogar japanische Orts- und Personennamen ins Deutsche überträgt (z.B. „Himmlische Jungfrau des Glücklichen Omens“ für die buddhistische Gottheit Kichijō tennyo 吉祥天女, Ryōiki II-14). Auch bemüht sich Bohner mehr als dies heute üblich ist, die Satzkonstruktion des Originals beizubehalten, was ihn häufig zu kaum mehr verständlichen Partizipialkonstruktionen verleitet. Andererseits befleißigt er sich einer alter- und volkstümelnden Sprache, durch die er sicherlich bewusst Assoziationen mit deutschen Märchenmotiven evoziert. Dadurch wirken die Geschichten oft wesentlich naiver, als sie etwa in Nakamuras englischer Übersetzung erscheinen, was jedoch Bohners Sicht der Nara-Zeit durchaus entspricht (s. Einleitung zur Übersetzung, S. 17).

Dennoch bietet Bohners Übersetzung auch eine bemerkenswerte Fülle an Informationen und sein Hang zur Genauigkeit nötigt Respekt ab. Wo heutige Übersetzungen dazu neigen, unverständliche Details in eleganten „freien“ Übersetzungen unter den Tisch zu kehren, geht Bohner jedem einzelnen Begriff nach, auch wenn dies die Verständlichkeit der Übersetzung schmälert.

Man muss sich daher bei Bohner seiner sehr stark von eigenen Interpretationen gefärbten Sichtweise bewusst bleiben, darf seine Genauigkeit und Kenntnis jedoch nicht unterschätzen.

Quellen

  • Adi Meyerhofer, Biographie Hermann Bohner [2018/2]
  • Wikipedia, Hermann Bohner (großteils vom selben Autor)
  • Michael Wachutka, “A Living Past as the Nation’s Personality”: Hermann Bohner’s comparison of Kitabatake Chikafusa’s Jinnō shōtōki with Arthur Moeller van den Bruck’s Das Dritte Reich. In: Bernhard Scheid, Shinto Studies and Nationalism (Sammelband in Arbeit).