Mythen/Goetter des Himmels/Mythentexte: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. April 2020, 10:43 Uhr
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Die bekanntesten und bis heute wichtigsten Werke, die uns Auskunft über die ältes·ten japani·schen Mythen und Legen·den geben, sind zu·gleich die ältes·ten Zeug·nisse der ja·pa·ni·schen Li·te·ratur über·haupt:
„Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)
Der Begriff „Kojiki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(„Berichte alter Be·geben·hei·ten“, 712) und
Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
Der Begriff „Nihon shoki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(„Berichte über Japan“, 720, auch als Nihongi bekannt). Für beide zusammen hat sich der Ausdruck
Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)
Der Begriff „kiki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
eingebürgert.
Werk von Urabe Kanekata. Kamakura-Zeit, 1286. e-kokuhō.
Wie bei fast allen frühen Schrift·werken handelt es sich bei den kiki um staat·lich ge·förderte Mammut·unter·neh·mun·gen. Sie ent·standen im Auf·trag des kaiser·lichen Hofes und re·präsen·tieren daher die offi·zielle Sicht·weise der Ge·schichte des Lan·des und seiner Herrscher. Beide Werke verstehen sich daher als historische Chroniken, doch werden sie von Berichten über das „Zeitalter der Götter“ eingeleitet, die man heute als Mythen klassifiziert. Man darf sich Kojiki und Nihon shoki also nicht als trockene Chroniken vor·stellen. Mythen, Legenden und penible Auf·zeichnungen gehen viel·mehr in·ein·ander über und ver·mischen sich.
Die Er·zählung be·ginnt mit der Er·schaf·fung der Erde (bzw. der ja·panischen Inseln) und reicht beinahe bis zum Zeit·punkt der Ab·fassung (Kojiki bis 628, Nihon shoki bis 697). Zahlreiche Gott·heiten, bzw. ihre Nach·kommen steigen im Laufe der Er·zählung auf die Erde herab und werden zu den Ahnen mensch·licher Familien. Wie sie sich von nicht-gött·lichen Menschen unter·scheiden, wird nicht be·schrieben. Ebenso wenig wie es eine Tren·nung zwischen Mythos und historischer Chronik gibt, gibt es eine markante Trenn·linie zwischen Göttern und Menschen. (Für eine genauere Inhalt·sangabe siehe das Kapitel Mythen, Zeitalter der Götter).
Schriftlicher Stil und inhaltliche Interessen
Im Unterschied zu anderen Mytho·logien, z.B. der griechischen, zeigen beide Chroniken, vor allem aber das Nihon shoki, eine große Be·dacht·nahme auf eine genaue Genealogie und auf die Datierung von Er·eig·nissen. Es sind dies Merk·male, die auch die spätere japanische Ge·schichts·schrei·bung aus·zeichnen und den Ein·fluss der chi·ne·sischen Ge·schichts·tradition wider·spiegeln. Dieser Ge·schichts·tradition, die zusammen mit der Schrift·lichkeit von China über·nommen wurde, ent·spricht es auch, dass wir sogar über die Autoren der Chroniken relativ gut informiert sind. Zugleich ver·deutlicht uns der Stil der Chroniken, dass wir es nicht mit der un·mittel·baren Nieder·schrift von Er·zähltem zu tun haben. Sowohl der Inhalt als auch die Art der Er·zählung sind vom Be·mühen be·stimmt, das damals noch ver·hältnis·mäßig junge ja·panische Staats·wesen zu legitimieren und zu stärken bzw. den Führungs·anspruch der
jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
Der Begriff „Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Dynastie über dieses Staats·wesen zu begründen. Herman Ooms schreibt dazu:
Es muss von Anfang an deutlich unterstrichen werden, dass unsere Kenntnisse der politischen Ent·wick·lungen im sechsten und siebenten Jahrhundert aus Quellen stammen, die von und für den Hof·adel geschrieben wurden. Die Texte, die Historiker als „Primär·quellen“ verwenden, sind daher selbst das Ergebnis einer spezifischen nar·ra·tiven Organisation. Sie bestehen fast ausschließlich aus retro·spek·tiven Annalen, die in offiziellem Auftrag hergestellt wurden. [...] Trotz dieses offi·ziell·en Charakters sind es zugleich auch die Familien·chroniken der regierenden adeligen Häuser, sodass es schwierig ist, die vielfältigen darin eingebetteten Interessen zu entflechten. Individuen, Fraktionen, Verwandtschafts·gruppen, der Hof und der Staat – Instanzen, die nahezu untrennbar verwoben waren – beeinflussten die Herstellung von Fakten durch Datenselektion, Kontextualisierung, Euphemisierung, assoziative Verbindungen und Auslassungen [...]
Ooms 2008, S. 5; Ü.: B. Scheid
Man sollte sich bei der Lektüre von Kojiki oder Nihon shoki also be·wusst sein, dass uns beide Werke keinen un·mittel·baren Blick auf die älteste Mytho·logie er·möglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vor·geschichtlichen Erzähl·traditionen blicken. Be·sonders das Vor·bild der chi·ne·sischen Geschichts·schreibung einer·seits und die In·teres·sens·lage der Tennō-Dynastie anderer·seits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen.
Das be·deutet je·doch nicht, dass die mytho·logischen Er·zählungen aus·schließlich als ideo·logische Werk·zeuge zu verstehen sind. Zweifel·los ent·halten sie sehr viel „mytho·logisches All·gemein·gut“, also Er·zählungen, die tat·sächlich für das all·gemeine religiöse Welt·bild im damaligen Japan re·präsentativ sind. Der Ein·fluss oraler Traditionen lässt sich außer·dem in der Lyrik er·kennen und diese wird vor allem im Kojiki ausgibig zitiert. Aus diesem Grund wird das Kojiki oft als der „ur·sprüng·lichere“ Text angesehen. Anderer·seits bietet das Nihon shoki zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Ver·ständ·nis der großen Handlungs·zusammen·hänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, wider·sprüchliche Erzähl·traditionen gegeben haben muss, und damit in gewisser Weise einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht.
Als historische Quelle betrachtet, ist das Kojiki im Ver·gleich zum Nihon shoki un·genauer, auch werden Fest·land·kon·takte kaum und der Bud·dhis·mus gar nicht erwähnt. Offen·bar wurden diese Themen bewusst aus·ge·klammert. Das Nihon shoki ist dagegen stärker von chi·ne·sischen Ge·schichts·werken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere ja·pa·nische Forschung sieht den Unter·schied der beiden Chroniken als Re·flexion von zwei unter·schiedlichen Haltungen gegen·über China an, die zur da·maligen Zeit wahr·scheinlich gleich·zeitig vor·handen waren: Im Fall des Kojiki ein Negieren des Vor·bild·charakters von China und ein be·wusster Versuch, au·toch·thone Traditionen soweit als möglich zu be·wahren. Dies drückt sich sowohl auf sprach·licher Ebene (weniger An·leihen aus dem Chi·ne·sischen), als auch auf in·halt·licher Ebene (Aus·klammern aus·lands·bezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vor·bild an·zu·erkennen, aber ihm als gleich·rangiger Partner gegen·über zu treten (Nihon shoki). Daher ist das Nihon shoki stilistisch näher bei chi·ne·sischen Ge·schichts·werken, betont aber den von China vollkommen unberührten mytho·logischen Ursprung Japans und seiner Herrscher.
Philologische Aufarbeitung
Was die kiki-Texte bis heute zu einem unerschöpflichen Reservoir neuer Forschungen und Inter·pre·tationen macht, ist die Tat·sache, dass man in vielen Fällen weder die genaue Aus·sprache noch die genaue Be·deutung einzelner Begriffe kennt. Das liegt vor allem an der damals noch nicht standardisierten Ver·wendung der chinesischen Schrift·zeichen, die teils als Sinn·geber (also wie heute zur Wieder·gabe eines ganzen Be·griffes), teils als Laut·träger (zur laut·lichen Wieder·gabe japanischer Silben, ähnlich den modernen kana [kana (jap.) 2 japanische Silbenalphabete: hiragana (ひらがな) und katakana (カタカナ); bestehend aus 46 Zeichen]-Zeichen) verwendet wurden.
Erst seit dem 17. Jh. gibt es systematische Bemühungen, eine all·ge·mein·gültige Lesart der kiki zu re·konstruieren und diese der All·gemein·heit zu·gänglich zu machen. Davor wurden die alten Chroniken Jahr·hunderte lang inner·halb weniger Priester- und Ge·lehrten·dynastien geheim weiter gegeben. Selbst wenn Außen·stehende sie zu Gesicht be·kamen, wussten sie damit nichts an·zu·fangen. Interessanter·weise wurde dem Nihon shoki durch viele Jahr·hunderte hin·durch die größere Bedeutung bei·ge·messen. Erst durch die Wirkung des Gelehrten
Der Begriff „Motoori Norinaga“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(1730–1801), dem wichtigsten Repräsentanten der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-zeitlichen
„Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
Der Begriff „kokugaku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(wtl. „Nationale Lehre“, s. Kapitel Geschichte, Kokugaku) erhielt das Kojiki eine Aufwertung.
Verweise
Verwandte Themen
Internetquellen
- KiKi 記紀, Kojiki - Nihonshoki, Klaus Antoni (dt.)
Zusammenstellung von online-Textausgaben, Übersetzungen und Materialien. - Kojiki (Ancient Records and Myths), Delmer Brown (en.)
Einführender Artikel; Teil der Japanese Historical Text Initiative JHTI.
Literatur
Im Westen erhielt die Mythologie zu Beginn der wissen·schaftlichen Aus·einan·der·setzung mit der japanischen Kultur im 19. Jh. große Auf·merk·sam·keit. Noch heute gelten Astons [Aston, William George (west.) 1841–1911; brit. Diplomat und Pionier der Japanologie; Übersetzer des Nihon shoki] Über·setzung des Nihon shoki von 1896 und Chamberlains [Chamberlain, Basil Hall (west.) 1850–1935, brit. Pionier der Japanforschung] Über·setzung des Kojiki als Standardwerke:
Im deutschsprachigen Raum machte sich etwa zur gleichen Zeit Karl Florenz [Florenz, Karl (west.) 1865–1939; Pionier der deutschen Japanforschung] an die Über·setzung der alten Chroniken:
Seither sind andere Themen in den Vordergrund ge·treten. Nach dem 2. WK hat sich der all·ge·meine Trend in der Japanologie immer mehr hin zur Gegen·wart verlagert. Geschichte und Religion stehen nicht mehr im Zentrum der wissen·schaftlichen Aus·einan·der·setzung und selbst inner·halb dieser Bereiche nimmt die Mytho·logie wiederum nur einen ge·ringen Stellen·wert ein. Dennoch gibt es mit der im Jahr 2000 ver·storbenen Nelly Naumann [Naumann, Nelly (west.) 1922–2000; deutsche Japanologin und Mythenforscherin] eine Expertin, deren Be·deutung weit über den deutschen Sprach·raum hin·aus·geht. Naumanns Thesen zur Mythologie finden sich neben zahlreichen Aufsätzen in:
Im deutschen Sprachraum wurden Naumanns Forschungen u.a. von Klaus Antoni weitergeführt. S. z.B.:
Zum geschichtlichen Hintergrund zur Zeit der Abfassung der Mythen:
Glossar
- Aston, William George (west.) ^ 1841–1911; brit. Diplomat und Pionier der Japanologie; Übersetzer des Nihon shoki
- Chamberlain, Basil Hall (west.) ^ 1850–1935, brit. Pionier der Japanforschung
- Florenz, Karl (west.) ^ 1865–1939; Pionier der deutschen Japanforschung
- Jinmu Tennō 神武天皇 ^ wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)
- kiki 記紀 ^ Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)
- Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
- Ooms, Herman (west.) ^ 1937–2023; belgisch-amerikanischer Japanologe, lehrte u.a. an der University of California, Los Angeles
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Mythen/Goetter_des_Himmels/Mythentexte.
- ^ Bei diesem Manuskript handelt es sich um eine der ältesten fragmentarischen Abschriften des Nihon shoki aus dem Jahr 1286 durch den Priester und Hofgelehrten Urabe Kanekata. Neben dem Haupttext finden sich zahlreiche Anmerkungen und Angaben zur Lesung, die auf eine lange Tradition der „Textpflege“ innerhalb der kaiserlichen Hofgelehrten hindeuten.
Werk von Urabe Kanekata. Kamakura-Zeit, 1286. e-kokuhō. - ^ Erstes Blatt einer frühen, Edo-zeitlichen Druckversion des Kojiki mit handschriftlichen Notizen von Motoori Norinaga.
Werk von Motoori Norinaga. Edo-Zeit. Museum of Motoori Norinaga.