Ikonographie/Myoo/Fudo: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 30. Mai 2021, 14:42 Uhr
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Fudō [Fudō Myōō (jap.) 不動明王 prominentester japanischer myōō (Mantra-König), wtl. „der Unbewegliche“] ist der einzige unter den eso·teri·schen „mantra [mantra (skt.) मन्त्र Gebetsformel (jap. shingon 真言)]-Königen“ (myōō [myōō (jap.) 明王 wtl. Licht-König, auch „Mantra-König“ oder „Weisheits-König“; meist zornvoll dargestellte Schutzgottheit; skt. vidyaraja]), der auch im modernen Japan all·gemein bekannt und populär ist. Bei genau·erem Hin·sehen erkennt man, dass die furcht·er·regen·den Züge an·derer myōō bei Fudō meist ab·ge·schwächt — oder unterentwickelt — sind. Er wirkt eher streng als zornig.
Ikonographie
Fudō Myōō besitzt im Unter·schied zu den meisten anderen myōō kein drittes Auge oder sonstige para·normale ana·tomi·sche Eigen·heiten. In vielen Fällen ist sein Gesicht aller·dings von einer erstaun·lichen Asym·metrie ge·kenn·zeichnet: Aus dem rechten Mund·winkel ragt ein Eck·zahn nach oben, aus dem linken ein Eck·zahn nach unten; sein rechtes Auge ist weit offen, das linke halb ge·schlos·sen (s. Abb. unten). Be·mer·kens·wert ist auch sein Zopf, der ihm meist über die linke Schulter hängt.
Da·neben existiert auch ein Fudō, der sich mit den Ober·zähnen auf die Unter·lippe beißt. Diese Ikono·graphie dürfte die ur·sprüng·liche sein, da sie sich auch bei anderen zorn·vollen Gott·heiten, sowie bei Acala-Dar·stel·lun·gen außer·halb Japans findet (s.u.). Sie wird auch als „Daishi-Stil“ be·zeichnet, wobei sich Daishi auf Kōbō Daishi [Kōbō Daishi (jap.) 弘法大師 Ehrentitel von Kūkai], also auf Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi], den Be·grün·der des Shingon [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan]-Buddhis·mus, bezieht. Kūkai dürfte sich Fudō somit nicht mit schiefem Gebiss vor·gestellt haben.
Heian-Zeit, 12. Jh. Kūkai mandara: Kōbō Daishi to Kōya-san (Katalog), Reihōkan 2006, S. 96, Abb. 38.
Späte Heian-Zeit, 12. Jh. Metropolitan Museum, New York.
Werk von Kaikei. Kamakura-Zeit, frühes 13. Jh. Burke Collection.
Die eigen·tümliche Ikono·graphie des asymmetrischen Fudō ist vor allem in Japan ver·breitet, lässt sich aber auf Yixing [Yixing (chin.) 一行 683–727; chin. Astronom, Erfinder und Mönch des esoterischen Buddhismus (mijiao), vor allem als Übersetzer des Mahāvairocana Sutra (Dainichi-kyō) und Autor des zugehörigen Kommentars (Dainichi-kyō sho) bekannt], einen chine·sischen Patri·archen des Shingon Buddhismus zurück·führen. Dieser beschrieb Fudō in seinem Kom·mentar zum Dainichi-kyō [Dainichi-kyō (jap.) 大日経 Dainichi Sutra; wichtiger Text des esoterischen Buddhismus; früheste bekannte Version aus China, 8. Jh.] fol·gender·maßen:
Er besitzt die Gestalt eines Kindes. In der rechten Hand hält er das Siegel des Schwerts der Weis·heit, in der Linken ein Lasso. Das Haar seines Kopfes ist zu einem Zopf ge·flochten, der ihm über die linke Schulter fällt. Sein linkes Auge ist halb ge·schlossen. Seine Zähne stehen hervor, sodass er sich rechts·seitig auf die Ober·lippe, links·seitig auf die Unter·lippe beißt. Die Stirn ist wellen·förmig gefurcht. Er sitzt auf einem Felsen. Sein Leib ist jugend·lich und fett. Er wirkt in höchstem Maße zornig.1
Die be·sonderen Zähne des japanischen Fudō stammen also aus kano·nischen Quellen, die sich zumindest bis nach China zurück ver·folgen lassen, doch scheinen sie sich erst nach und nach gegenüber dem Daishi-Typus durch·gesetzt zu haben.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. Smithonian Institution.
Auf bild·lichen Dar·stellun·gen wird Fudō außer·dem häufig von (zwei oder acht) jugend·lichen Begleitern (dōji [dōji (jap.) 童子 wtl. Knabe; oft Begleiterfigur („Page“) einer buddhistischen Gestalt, manchmal auch „böser Knabe“ = Dämon (z.B. → Shuten Dōji)]) umringt. Dieses Gefolge scheint eine japa·nische Innova·tion zu sein, die die starke Be·ziehung des japa·nischen Buddhis·mus zu diesem myōō unter·streicht. In den ältesten in·dischen Quellen wird Acala/Fudō lediglich als Bote oder Gefolgs·mann eines Buddhas geschi·ldert, im esote·rischen Bud·dhismus Japans erhält er hingegen selbst ein Gefolge und wird in manchen Texten sogar als Person·ifizierung der Weis·heit des Dainichi Nyorai [Dainichi Nyorai (jap.) 大日如来 Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“] inter·pretiert. Diese Bevor·zugung geht möglicher·weise auf die beson·dere Ver·ehrung des Fudō durch Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi], den Be·grün·der des for·mali·sier·ten mikkyō [mikkyō (jap.) 密教 esoterischer Buddhismus, Tantrismus; wtl. geheime Lehre; Gegenstück zu kengyō; in Japan vor allem durch den Shingon, aber auch durch Teile des Tendai Buddhismus vertreten], zurück.
Fudō/Acala außerhalb Japans
Königreich Xi Xia, 1226. Himalayan Art, Museum of Tibet, Lhasa.
Die obigen Ab·bildun·gen zeigen einen tibe·tischen Acala [Acala (skt.) अचल „Unbeweglich“, Beinamen des in Japan wichtigsten Mantra-Königs (jap. Fudō 不動)] (Fudō) aus dem zwölften bzw. drei·zehnten Jahr·hundert. Dieser Acala ent·spricht in Haltung und Gestus dem Grund·typ der zorn·vollen Ge·stalten des tibe·tischen Tantrismus [tantra (skt.) तन्त्र „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)] (s.a. Vajrapani), hat aber dennoch einige be·merkens·werte Ge·mein·sam·keiten mit dem japani·schen Fudō, nämlich die dunkle Haut, das Schwert, ein Seil (allerdings verknotet mit einer Schlange) und die ver·bissene Unter·lippe. Laut Himalayan Art war Acala vom elften bis zum drei·zehnten Jahr·hundert in der Himalaya Region populär. Später scheint er von anderen zorn·vollen Gestal·ten über·fügelt worden zu sein.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Aus dem Daini·chikyō sho, einem Kom·mentar zum Dainichi-kyō erstellt zwischen 724 und 727 von Yixing (683–727). In weiterer Folge werden den auf·gezählten Eigen·schaften präzise symbo·lische Be·deutungen zuge·schrieben (nach Sawa Ryūken, Mikkyō daijiten, S. 1955; für ein ähnliches Zitat aus dem Dainichi-kyō s. Kreiner und Steineck 2008, S. 15–16). Das Dainichi-kyō wurde 724 ins Chinesische über·tragen und beruht entweder auf einem (verlorenen) indischen Original oder auf einer Zu·sammen·fassung mehrerer Texte des indischen eso·teri·schen Buddhis·mus durch die Über·setzer Śubhakara·siṃha und Yixing (Digital Dictionary of Buddhism). Es zählt zu den zentralen Texten der Shingon-shū.
Internetquellen
- Himalayan Art, Shelley and Donald Rubin Foundation
Literatur
Bilder
- ^ Älteste erhaltene Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) Japans.
839. Tōji Kōdō Ritai Mandara. - ^ Fudō Myōō (skt. Acala); man erkennt hier gut den „verbissenen Typ“, der sich fest auf die Unterlippe beißt.
Werk von Kaikei. 1203. Bildquelle: unbekannt. - ^ Fudō Myōō (skt. Acala); „Asymmetrischer Typ“ mit schiefen Zähnen und asymmetrischen Augen. Dieser Typ ist heute der bekannteste.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) des Saidai-ji in Nara.
Broschüre Saidaiji no bunka, Nara: Saidaiji. Abb. 73. - ^ Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) des Hanshū-in in Kyōto.
Heian-Zeit, 9. Jh. Saichō to tendai no kokuhō, 2005, Abb. 123 (Ausstellungskatalog von Schätzen des Tendai Buddhismus). - ^ Frühe Darstellung des Fudō Myōō (skt. Acala).
Heian-Zeit, 9. Jh. Kōyasan, Kōya: Kongobuji, 1998. S. 35. - ^ Fudō Myōō (skt. Acala) auf einem stilisierten, sanduhrförmigen Felsen sitzend. Rote Haare, schwarzblaue Haut. Schwert und Seil. Im Flammennimbus deuten sich Vogelköpfe an. Frühes Beispiel des „assymetrischen Typs“ mit schiefem Mund, assymmtrischen Eckzähnen und einem halb geschlossenen Auge. Gemessen an anderen Beispielen milder Gesichtsausdruck.
Heian-Zeit, 12. Jh. Kūkai mandara: Kōbō Daishi to Kōya-san (Katalog), Reihōkan 2006, S. 96, Abb. 38. - ^ In dieser Darstellung aus der späten Heian-Zeit ist der Charakter eines trotzigen Kindes, der ja auch in den klassischen Beschreibungen angedeutet wird, gut zu erkennen.
Späte Heian-Zeit, 12. Jh. Metropolitan Museum, New York.
- ^ Fudō Myōō (skt. Acala) mit eingelegten Glasaugen. Werk von Kaikei, einem Repräsentanten der Kei-Schule.
Werk von Kaikei. 1203. Bildquelle: unbekannt. - ^ Fudō Myōō von Kaikei bzw. aus der Werkstatt der Kei-Schule. Stilistisch eng verwandt mit dem berühmten Fudō des Daigo-ji, der 1203 datiert ist. Besonders auffallend die hervorquellenden Augen, die aus Glas bestehen und innen in die Statue eingelegt wurden.
Werk von Kaikei. Kamakura-Zeit, frühes 13. Jh. Burke Collection. - ^ Fudō Myōō (skt. Acala) vom Tempel #75 der Shikoku-Pilgerroute.
Shikoku Henro Shashinshū. - ^ Rezenter Fudō Myōō (skt. Acala), mit assymetrischen Gesichtszügen.
Shikoku Henro Shashin-shū. - ^ Einer von insgesamt acht knabenhaften Begleitern des Fudō Myōō. Die Figur ist dank der realistischen Darstellung des Bildhauers Unkei bekannter als der Fudō, zu dem sie gehört.
Werk von Unkei. Kamakura-Zeit, 1197. Kōyasan, Kōya: Kongobuji, 1998. S. 37. - ^ Fudō Myōō als stehende Figur, begleitet von jugendlichen Gehilfen namens Kongara Dōji und Seitaka Dōji.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. Smithonian Institution. - ^ Tibetische Abbildung des Acala, jap. Fudō Myōō.
Tibet, 12. Jh. Himalayan Art. - ^ Laut Beschreibung auf Himalayan Art stammt dieses Bild des Acala aus dem chinesischen Vasallenstaat Xi Xia (Tangutien) im Grenzgebiet zwischen China und Tibet, das seit Dschingis Khan zu China gehört.
Königreich Xi Xia, 1226. Himalayan Art, Museum of Tibet, Lhasa.
Glossar
- Dainichi-kyō 大日経 ^ Dainichi Sutra; wichtiger Text des esoterischen Buddhismus; früheste bekannte Version aus China, 8. Jh.
- Dainichi Nyorai 大日如来 ^ Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
- dōji 童子 ^ wtl. Knabe; oft Begleiterfigur („Page“) einer buddhistischen Gestalt, manchmal auch „böser Knabe“ = Dämon (z.B. → Shuten Dōji)
- Kunisaki-hantō 国東半島 ^ Halbinsel Kunisaki, Präfektur Ōita, Kyūshū; Region im Hinterland des Usa Hachiman-gū, bekannt für ihre zahlreichen Tempel und Steinskulpturen
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
- Yixing (chin.) 一行 ^ 683–727; chin. Astronom, Erfinder und Mönch des esoterischen Buddhismus (mijiao), vor allem als Übersetzer des Mahāvairocana Sutra (Dainichi-kyō) und Autor des zugehörigen Kommentars (Dainichi-kyō sho) bekannt