Alltag/Gluecksbringer: Unterschied zwischen den Versionen

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{{fl|J}}eder populäre Tempel oder Schrein bietet in·ner·halb des Schrein·areals unzählige kleine Ge·gen·stän·de zum Verkauf an, deren Zweck dem aus·län·dischen Besucher lange rätsel·haft bleibt. Es sind allesamt glücks·brin·gen·de Gegen·stände, die aber unter·schied·lichen Zwecken dienen und ver·schie·dene Be·hand·lun·gen erfahren. Neben den bereits erwähnten [[Alltag/Opfergaben|Opfer·gaben]], die meist vor Ort geopfert werden (z.B. Räu·cher·stäb·chen oder Holz und Rin·den·stücke für Feu·er·ri·tu·ale), kann man auch A·mu·let·te oder Ta·lis·ma·ne erwerben, die man bei sich behält. Jeder berühmte Ort hat seine speziell ge·stalteten Glücks·bringer, bestimmte Grund·for·men wieder·holen sich jedoch.
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{{fl|J}}eder populäre Tempel oder Schrein bietet innerhalb des Schreinareals unzählige kleine Gegenstände zum Verkauf an, deren Zweck dem ausländischen Besucher lange rätselhaft bleibt. Es sind allesamt glücksbringende Gegenstände, die aber unterschiedlichen Zwecken dienen und verschiedene Behandlungen erfahren. Neben [[Alltag/Opfergaben|Opfergaben]], die meist vor Ort dargebracht werden (z.B. Räucherstäbchen oder Holz und Rindenstücke für Feuerrituale), kann man auch Amulette oder Talismane erwerben, die man bei sich behält. Jeder berühmte Ort hat seine speziell gestalteten Glücksbringer, bestimmte Grundformen wiederholen sich jedoch.
  
 
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==Glücksbringer==
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Die häufigsten Glücks·brin·ger sind kleine Ge·gen·stän·de, die man zur Abwehr von Un·heil oder zur Er·rei·chung be·stimm·ter Wünsche bei sich trägt oder zu Hause auf·stellt. Außer·dem kann man an fast jeder größeren Ver·ehr·ungs·stätte Glücks·o·ra·kel erwerben. Derartige O·bjek·te sind zwar bereits für ein paar hundert Yen zu haben, ver·lieren ihre Wirk·kraft aber nach spä·tes·tens einem Jahr, sodass man immer wieder neue kaufen muss. Sie werden sowohl in Schreinen als auch in Tempeln an·ge·bo·ten und sind somit an keine kon·fes·sio·nel·len Grenzen gebunden.  
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Die häufigsten Glücksbringer sind kleine Gegenstände, die man zur Abwehr von Unheil oder zur Erreichung bestimmter Wünsche bei sich trägt oder zu Hause aufstellt. Außerdem kann man an fast jeder größeren Verehrungsstätte Glücksorakel erwerben. Derartige Objekte sind zwar bereits für ein paar hundert Yen zu haben, verlieren ihre Wirkkraft aber nach spätestens einem Jahr, sodass man immer wieder neue kaufen muss. Sie werden sowohl in Schreinen als auch in Tempeln angeboten und sind somit an keine konfessionellen Grenzen gebunden.  
  
=== ''O-mamori'', ''o-mikuji'', ''o-fuda'' ===
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{{g|omamori|''O-mamori''}} sind die popu·lärs·ten Glücks·brin·ger in Tem·peln und Schrei·nen. ''Mamori'' bedeu·tet wört·lich „Be·schüt·zer“ und wird manch·mal auch als „Talis·man“ über·setzt (das „''o-''“ ist hier eine hono·rative Vor·silbe). Meist han·delt es sich um kleine Beutel·chen aus Seide mit einer Auf·schrift, die ihren Zweck (Ge·sund·heit, Erfolg in Beruf oder Stu·dium, Schutz im Straßen·ver·kehr, etc. oder allg. „Schutz“) be·schreibt. ''O-mamori'' sind dazu ge·dacht, ständig mit·geführt zu werden.
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{{g|omamori|''O-mamori''}} sind die populärsten Glücksbringer in Tempeln und Schreinen. ''Mamori'' bedeutet wörtlich „Beschützer“ und wird manchmal auch als „Talisman“ übersetzt (das „''o-''“ ist hier eine honorative Vorsilbe). Meist handelt es sich um kleine Beutelchen aus Seide mit einer Aufschrift, die ihren Zweck (Gesundheit, Erfolg in Beruf oder Studium, Schutz im Straßenverkehr, etc. oder allg. „Schutz“) beschreibt. Im Inneren des Beutels befindet sich ein ''ofuda'', zumeist aus Holz, das man jedoch nicht herausnehmen darf. ''O-mamori'' sind daher transportable ''o-fuda'', dazu gedacht, ständig mitgeführt zu werden.
 
   
 
   
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{{g|omikuji|''O-mikuji''}} sind eine Kombination von Opfergabe und Orakel. Es sind Lose mit einer Weissagung, die einem Gutes oder weniger Gutes vorhersagt. Sie werden typischerweise in Schreinen verkauft, fallweise aber auch in buddhistischen Tempeln. Die Lose werden nach dem Kauf meist an Bäumen innerhalb des religiösen Areals aufgehängt: Bei positiven Vorhersagen um sicher zu gehen, dass sie sich auch erfüllen, bei negativen, damit sie sich mit Hilfe der {{g|Kami}} nicht erfüllen. Rund um berühmte Schreine sind die Bäume oft ganz weiß von den vielen Zetteln, die die Besucher dort angebunden haben.
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{{g|omikuji|''O-mikuji''}} sind eine Kom·bination von Opfer·gabe und Orakel. Es sind Lose mit einer Weis·sa·gung, die einem Gutes oder weniger Gutes vor·her·sagt. Sie werden typi·scherweise in Schreinen ver·kauft, fall·weise aber auch in bud·dhis·tischen Tempeln. Die Lose werden nach dem Kauf meist an Bäumen in·ner·halb des reli·giösen Areals aufge·hängt: Bei posi·tiven Vor·her·sagen um sicher zu gehen, dass sie sich auch er·fül·len, bei negativen, damit sie sich mit Hilfe der {{g|Kami}} nicht erfül·len. Rund um be·rühmte Schreine sind die Bäume oft ganz weiß von den vielen Zetteln, die die Be·su·cher dort an·ge·bun·den haben.
 
 
 
{{g|ofuda|''O-fuda''}} (oder {{g|shinsatsu}}) sind im All·ge·mei·nen Papier·streifen oder kleine Holz·täfel·chen mit einer Inschrift. Sie haben eine sehr ähn·liche Funktion wie ''o-mamori'', sind aber eher dazu be·stimmt, an fixen Orten auf·gestellt oder an·ge·bracht zu werden. Oft findet man sie an einem [[Alltag/Ahnenkult|Haus·altar]] oder [[Alltag/Kamidana|Haus·schrein]], wo sie die ver·ehrte Gott·heit eines Schreins oder ein für einen Tempel wichtiges {{s|Sutra}} reprä·sen·tieren. ''O-fuda'' können aber auch wie kleine Pla·kate irgend·wo aufge·klebt werden. Pas·sio·nierte [[Alltag/Pilgerschaft|Pilger]] führen oft solche from·men Auf·kleber mit sich, um sie an den er·reich·ten Pilger·stätten anzu·bringen.
 
  
 
=== Engimono ===
 
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{{g|engimono|''Engimono''}} sind meist Figuren, die irgend eine glücks·brin·gen·de Be·deutung haben. Sie können als Zier·gegen·stände an jedem be·liebi·gen Platz auf·ge·stellt werden. Ein cha·rak·te·ris·tisches Bei·spiel sind die so·ge·nann·ten {{g|Daruma}}-Figuren. Sie stellen in stili·sierter Form den indischen Mönch Bo·dhi·dharma dar. Er soll in Medi·tation er·starrt sein, daher werden Arme und Beine weg·gelassen. Beim Kauf sind beide Augen weiß. Man malt dann dem ''daruma'' selbst ein Auge, während man sich auf einen Wunsch kon·zentriert, oder man lässt das Auge — gegen weiteres Geld — von einem Mönch aufmalen. Geht der Wunsch in Er·fül·lung, bekommt der ''daruma'' ein zweites Auge. Zu be·stimm·ten Anläs·sen, bei·spiels·weise zu Neujahr, ver·an·stalten manche Tempel so·ge·nann·te ''daruma''-Märkte (''daruma ichi''). Dabei werden alle alten ''darumas'' in einem großen Feuer verbrannt und neue verkauft.
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{{g|engimono|''Engimono''}} sind meist Figuren, die irgend eine glücksbringende Bedeutung haben. Sie können als Ziergegenstände an jedem beliebigen Platz aufgestellt werden. Ein charakteristisches Beispiel sind die sogenannten {{g|Daruma}}-Figuren. Sie stellen in stilisierter Form den indischen Mönch Bodhidharma dar. Er soll in Meditation erstarrt sein, daher werden Arme und Beine weggelassen. Beim Kauf sind beide Augen weiß. Man malt dann dem ''daruma'' selbst ein Auge, während man sich auf einen Wunsch konzentriert, oder man lässt das Auge — gegen weiteres Geld — von einem Mönch aufmalen. Geht der Wunsch in Erfüllung, bekommt der ''daruma'' ein zweites Auge. Zu bestimmten Anlässen, beispielsweise zu Neujahr, veranstalten manche Tempel sogenannte ''daruma''-Märkte (''daruma ichi''). Dabei werden alle alten ''darumas'' in einem großen Feuer verbrannt und neue verkauft.
  
 
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Ein ähnliches Objekt, das vor allem den Erfolg von Ge·schäfts·lokalen fördern soll, ist die „Win·kende Katze“ ({{g|manekineko}}), die man sehr häufig in den Aus·lagen von Ge·schäf·ten und Res·tau·rants sehen kann. Die ''maneki neko'' hält typischer·weise eine alte Gold·münze in der Pfote, auf der der un·wahr·schein·lich hohe Betrag „''senman ryō''“ (10 Millionen Ryō) ver·zeich·net ist. Katzen zählen zu den·jeni·gen Tieren, denen magische, mit·unter auch gefähr·liche Kräfte und Fähig·keiten nach·gesagt werden. Ähnliche Eigen·schaf·ten besitzen auch Füchse, {{g|Tanuki}}, Schlangen und andere Tiere, die eben·falls als ''engimono'' in Tempeln, Schreinen und Souvenir·läden zu erwerben sind. Siehe dazu auch „{{showTitel|Mythen/Verwandlungskuenstler}}“ (Kap. Mythen).
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Ein ähnliches Objekt, das vor allem den Erfolg von Geschäftslokalen fördern soll, ist die „Winkende Katze“ ({{g|manekineko}}), die man sehr häufig in den Auslagen von Geschäften und Restaurants sehen kann. Die ''maneki neko'' hält typischerweise eine alte Goldmünze in der Pfote, auf der der unwahrscheinlich hohe Betrag „''senman ryō''“ (10 Millionen Ryō) verzeichnet ist. Katzen zählen zu denjenigen Tieren, denen magische, mitunter auch gefährliche Kräfte und Fähigkeiten nachgesagt werden. Ähnliche Eigenschaften besitzen auch Füchse, {{g|Tanuki}}, Schlangen und andere Tiere, die ebenfalls als ''engimono'' in Tempeln, Schreinen und Souvenirläden zu erwerben sind. Siehe dazu auch „{{showTitel|Mythen/Verwandlungskuenstler}}“ (Kap. Mythen).
  
 
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== Diesseitiges Wohlergehen (''genze riyaku'') ==
 
== Diesseitiges Wohlergehen (''genze riyaku'') ==
  
Der Zweck all dieser kleinen Opfer·gaben und Talismane ist stets an einen bestimmten Wunsch an die Gott·heit bzw. an bestimmte, mit der Gott·heit as·so·zi·ierte glücks·bringende Effekte gebunden. Die meisten großen Schreine und Tempel spezial·isieren sich auf bestimmte Lebens·bereiche, in denen sie und ihre Glücks·bringer besonders effektiv sind: Manche bringen Reich·tum, manche Gesund·heit, manche Erfolg in der Liebe und viele helfen bei Prüfungen. Fast immer haben sie jedoch ein dies·seits·be·zo·genes Ziel. D.h. es geht um in·di·vidu·elles Glück in diesem Leben. Ja·pa·nische Religion im All·gemeinen und Shintō im Be·sonderen widmet sich dem welt·lichen Glück der Gläubigen in man·nig·facher Weise. Der ja·pa·nische Fach·aus·druck dafür ist {{g|genzeriyaku}} („Gewinn oder Belohnung [für religiöse Handlungen] in dieser Welt/diesem Leben“).
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Der Zweck all dieser kleinen Opfergaben und Talismane ist stets an einen bestimmten Wunsch an die Gottheit bzw. an bestimmte, mit der Gottheit assoziierte glücksbringende Effekte gebunden. Die meisten großen Schreine und Tempel spezialisieren sich auf bestimmte Lebensbereiche, in denen sie und ihre Glücksbringer besonders effektiv sind: Manche bringen Reichtum, manche Gesundheit, manche Erfolg in der Liebe und viele helfen bei Prüfungen. Fast immer haben sie jedoch ein diesseitsbezogenes Ziel. D.h. es geht um individuelles Glück in diesem Leben. Japanische Religion im Allgemeinen und Shintō im Besonderen widmet sich dem weltlichen Glück der Gläubigen in mannigfacher Weise. Der japanische Fachausdruck dafür ist {{g|genzeriyaku}} („Gewinn oder Belohnung [für religiöse Handlungen] in dieser Welt/diesem Leben“).
  
''Genze riyaku'' hat in der ja·pa·nischen Religion eine lange Tradition, wird aber auch durch sehr un·mittel·bare gesell·schaft·liche Voraus·setzungen unter·stützt: In Japan gibt es keine Kirchen·steuer und kaum staat·liche Un·ter·stü·tzung von Religion (Ausnahme: Steuer·enthebung). Religiöse Insti·tutionen sind ähnlich wie kom·mer·ziel·le Unter·nehmen auf direkte, frei·willige Zu·wen·dungen an·gewiesen. Es gibt zweier·lei Dienst·leistungen, aus denen religiöse Insti·tutionen Ein·nahmen lukrieren: a) Große Zere·monien, die aus Anlass wichtiger Schicksals·abschnitte voll·zogen werden (Hochzeit, Geschäfts·gründung, Hausbau, Begräbnis). Hierbei entscheidet oft die tradi·tionelle Zu·gehörig·keit der Familie, welche religiöse Insti·tution die Zeremonie voll·zieht. b) Kleine religiöse Hand·lungen als spiri·tuelle Rück·versicher·ungen, die dem all·täg·lichen Leben zugute kommen sollen. Sie wirken zwar oft spieler·isch, werden aber doch von vielen ernst genommen. Lokale Traditionen und Legenden spielen eine wichtige Rolle für die Glaub·haftig·keit glücks·bringender Effekte, doch werden beständig neue Legenden und Tra·ditionen ge·schaffen. Es ist ein offener Markt, der nur von einem immer dünner wer·den·den religiösen Vor·ver·ständ·nis der All·gemein·heit reguliert wird und immer mehr nach In·nova·tionen verlangt.
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''Genze riyaku'' hat in der japanischen Religion eine lange Tradition, wird aber auch durch sehr unmittelbare gesellschaftliche Voraussetzungen unterstützt: In Japan gibt es keine Kirchensteuer und kaum staatliche Unterstützung von Religion (Ausnahme: Steuerenthebung). Religiöse Institutionen sind ähnlich wie kommerzielle Unternehmen auf direkte, freiwillige Zuwendungen angewiesen. Es gibt zweierlei Dienstleistungen, aus denen religiöse Institutionen Einnahmen lukrieren: a) Große Zeremonien, die aus Anlass wichtiger Schicksalsabschnitte vollzogen werden (Hochzeit, Geschäftsgründung, Hausbau, Begräbnis). Hierbei entscheidet oft die traditionelle Zugehörigkeit der Familie, welche religiöse Institution die Zeremonie vollzieht. b) Kleine religiöse Handlungen als spirituelle Rückversicherungen, die dem alltäglichen Leben zugute kommen sollen. Sie wirken zwar oft spielerisch, werden aber doch von vielen ernst genommen. Lokale Traditionen und Legenden spielen eine wichtige Rolle für die Glaubhaftigkeit glücksbringender Effekte, doch werden beständig neue Legenden und Traditionen geschaffen. Es ist ein offener Markt, der nur von einem immer dünner werdenden religiösen Vorverständnis der Allgemeinheit reguliert wird und immer mehr nach Innovationen verlangt.
Die Re·ligio·sität, die sich in ''genze riyaku ''wider·spiegelt, wirkt auf christ·lich geprägte Europäer oft irri·tie·rend oder zumindest ober·flächlich. Sie schließt aber spi·ri·tuelle Tiefe keines·wegs aus, wenn sie diese auch nicht un·bedingt erfordert. Zu·gleich gerät sie mit modernem Konsum·verhalten nicht in Wider·spruch. Daher sieht man in Japan viel mehr ange·wand·te Religion im Alltags·leben als in Europa. Da die ja·pa·nische Religion durch den tradi·tion·ell hohen Stellen·wert von ''genze riyaku'' auf Fle·xibi·li·tät eingestellt ist, hat sie unter dem per·manenten Wandel einer kapital·istischen Konsum·gesellschaft weit weniger zu leiden, als etwa das Chris·ten·tum im Westen.
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Die Religiosität, die sich in ''genze riyaku ''widerspiegelt, wirkt auf christlich geprägte Europäer oft irritierend oder zumindest oberflächlich. Sie schließt aber spirituelle Tiefe keineswegs aus, wenn sie diese auch nicht unbedingt erfordert. Zugleich gerät sie mit modernem Konsumverhalten nicht in Widerspruch. Daher sieht man in Japan viel mehr angewandte Religion im Alltagsleben als in Europa. Da die japanische Religion durch den traditionell hohen Stellenwert von ''genze riyaku'' auf Flexibilität eingestellt ist, hat sie unter dem permanenten Wandel einer kapitalistischen Konsumgesellschaft weit weniger zu leiden, als etwa das Christentum im Westen.
  
 
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* [http://tencoo.fc2web.com/jinja/digmenu.html#COLE Digital Photo Gallery Shintō Shrines & Temples], Hatada Isao (jap., tlw. en.)<br/>Bilder von Tempeln und Schreinen mit Schwerpunkt auf der religiösen Alltagskultur. Siehe insbesondere "Charms" und "Votive pictures".
 
* [http://tencoo.fc2web.com/jinja/digmenu.html#COLE Digital Photo Gallery Shintō Shrines & Temples], Hatada Isao (jap., tlw. en.)<br/>Bilder von Tempeln und Schreinen mit Schwerpunkt auf der religiösen Alltagskultur. Siehe insbesondere "Charms" und "Votive pictures".

Version vom 28. Mai 2021, 11:23 Uhr

Glücksbringer und diesseitiges Wohlergehen

Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Alltag/Gluecksbringer.

Jeder populäre Tempel oder Schrein bietet innerhalb des Schreinareals unzählige kleine Gegenstände zum Verkauf an, deren Zweck dem ausländischen Besucher lange rätselhaft bleibt. Es sind allesamt glücksbringende Gegenstände, die aber unterschiedlichen Zwecken dienen und verschiedene Behandlungen erfahren. Neben Opfergaben, die meist vor Ort dargebracht werden (z.B. Räucherstäbchen oder Holz und Rindenstücke für Feuerrituale), kann man auch Amulette oder Talismane erwerben, die man bei sich behält. Jeder berühmte Ort hat seine speziell gestalteten Glücksbringer, bestimmte Grundformen wiederholen sich jedoch.

Miko kasuga.jpg
1 Glücksverkauf
Schreinpriesterinnen beim Verkauf von Glücksbringern (o-mikuji) am Kasuga Taisha.
Brian Mcmorrow, 2004.

Objekte

Die häufigsten Glücksbringer sind kleine Gegenstände, die man zur Abwehr von Unheil oder zur Erreichung bestimmter Wünsche bei sich trägt oder zu Hause aufstellt. Außerdem kann man an fast jeder größeren Verehrungsstätte Glücksorakel erwerben. Derartige Objekte sind zwar bereits für ein paar hundert Yen zu haben, verlieren ihre Wirkkraft aber nach spätestens einem Jahr, sodass man immer wieder neue kaufen muss. Sie werden sowohl in Schreinen als auch in Tempeln angeboten und sind somit an keine konfessionellen Grenzen gebunden.

O-fuda

Vorlage:Sidebox3 O-fuda [o-fuda (jap.) お札 Amulett oder Talisman in Gestalt eines symbolischen Zeichens, meist aus Papier; auch shinsatsu; das Zeichen 札 kann auch „Geldschein“ bedeuten, wird dann aber sinojap. satsu ausgesprochen;] (oder shinsatsu [shinsatsu (jap.) 神札 Amulett oder Talisman aus Papier; formelle Bezeichnung für o-fuda]), wtl. „[göttliche] Zettel“, sind Papierstreifen oder kleine Holztäfelchen mit einer Inschrift. Die Inschrift ist üblicherweise der Name einer Gottheit, deren Wirkkraft ofuda verkörpern. Sie sind dazu bestimmt, an fixen Orten aufgestellt oder angebracht zu werden. Oft findet man sie an einem Hausaltar oder Hausschrein, wo sie die verehrte Gottheit eines Schreins oder ein für einen Tempel wichtiges sutra [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)] repräsentieren. O-fuda können aber auch wie kleine Plakate irgendwo aufgeklebt werden. Passionierte Pilger führen oft solche frommen Aufkleber mit sich, um sie an den erreichten Pilgerstätten anzubringen.

O-mamori

Omamori.jpg
2 O-mamori
Traditionelle Glücksbringer (o-mamori).
Bildquelle: unbekannt.

O-mamori [o-mamori (jap.) お守り Talisman, schutzbringender Gegenstand] sind die populärsten Glücksbringer in Tempeln und Schreinen. Mamori bedeutet wörtlich „Beschützer“ und wird manchmal auch als „Talisman“ übersetzt (das „o-“ ist hier eine honorative Vorsilbe). Meist handelt es sich um kleine Beutelchen aus Seide mit einer Aufschrift, die ihren Zweck (Gesundheit, Erfolg in Beruf oder Studium, Schutz im Straßenverkehr, etc. oder allg. „Schutz“) beschreibt. Im Inneren des Beutels befindet sich ein ofuda, zumeist aus Holz, das man jedoch nicht herausnehmen darf. O-mamori sind daher transportable o-fuda, dazu gedacht, ständig mitgeführt zu werden.

O-mikuji

Vorlage:Sidebox3 O-mikuji [o-mikuji (jap.) 御籤/おみくじ Glückslos, Glücksorakel; auch mikuji] sind eine Kombination von Opfergabe und Orakel. Es sind Lose mit einer Weissagung, die einem Gutes oder weniger Gutes vorhersagt. Sie werden typischerweise in Schreinen verkauft, fallweise aber auch in buddhistischen Tempeln. Die Lose werden nach dem Kauf meist an Bäumen innerhalb des religiösen Areals aufgehängt: Bei positiven Vorhersagen um sicher zu gehen, dass sie sich auch erfüllen, bei negativen, damit sie sich mit Hilfe der kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] nicht erfüllen. Rund um berühmte Schreine sind die Bäume oft ganz weiß von den vielen Zetteln, die die Besucher dort angebunden haben.

Engimono

Daruma auge.jpg

Engimono [engimono (jap.) 縁起物 Glücksbringer] sind meist Figuren, die irgend eine glücksbringende Bedeutung haben. Sie können als Ziergegenstände an jedem beliebigen Platz aufgestellt werden. Ein charakteristisches Beispiel sind die sogenannten Daruma [Daruma (jap.) 達磨 Spitzname des Mönchs Bodhidharma; Bezeichnung der daruma-Puppe als Glücksbringer]-Figuren. Sie stellen in stilisierter Form den indischen Mönch Bodhidharma dar. Er soll in Meditation erstarrt sein, daher werden Arme und Beine weggelassen. Beim Kauf sind beide Augen weiß. Man malt dann dem daruma selbst ein Auge, während man sich auf einen Wunsch konzentriert, oder man lässt das Auge — gegen weiteres Geld — von einem Mönch aufmalen. Geht der Wunsch in Erfüllung, bekommt der daruma ein zweites Auge. Zu bestimmten Anlässen, beispielsweise zu Neujahr, veranstalten manche Tempel sogenannte daruma-Märkte (daruma ichi). Dabei werden alle alten darumas in einem großen Feuer verbrannt und neue verkauft.

Daruma takayama.jpg
3
daruma-Puppe.
Bildquelle: unbekannt.
Daruma und hokora.jpg
4
Eine etwas verwitterte daruma-Figur neben einem Miniaturschrein (hokora). Die Figur hat nur ein Auge bemalt, was bedeutet, dass der an sie gerichtete Wunsch noch nicht in Erfüllung gegangen ist.
El-Branden Brazil, flickr 2007 (mit freundlicher Genehmigung).
Daruma-Puppen als religiöse Opfergaben
Darumaichi.jpg
5 Daruma-Markt
Daruma-Puppen mit noch unbemalten Augen als Glücksbringer.
Craig Howitt, flickr 2005.
Daruma3.jpg
6 Daruma-Neujahrskarte
Neujahrskarte mit Daruma-Motiv.
Werk von David Bull. 1999. David Bull.

Vorlage:Sidebox3 Ein ähnliches Objekt, das vor allem den Erfolg von Geschäftslokalen fördern soll, ist die „Winkende Katze“ (maneki neko [maneki neko (jap.) 招き猫 winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg]), die man sehr häufig in den Auslagen von Geschäften und Restaurants sehen kann. Die maneki neko hält typischerweise eine alte Goldmünze in der Pfote, auf der der unwahrscheinlich hohe Betrag „senman ryō“ (10 Millionen Ryō) verzeichnet ist. Katzen zählen zu denjenigen Tieren, denen magische, mitunter auch gefährliche Kräfte und Fähigkeiten nachgesagt werden. Ähnliche Eigenschaften besitzen auch Füchse, tanuki [tanuki (jap.) Tanuki; Marderhund], Schlangen und andere Tiere, die ebenfalls als engimono in Tempeln, Schreinen und Souvenirläden zu erwerben sind. Siehe dazu auch „Verwandlungskünstler (Tiergötter und Götterboten, Teil 2)“ (Kap. Mythen).

Manekineko schrein.jpg
7 Manekineko Schrein, Shikoku
Schrein in Shikoku mit einer überwältigenden Anzahl von Winke-Katzen (maneki neko).
MAGphoto, 2008.

Diesseitiges Wohlergehen (genze riyaku)

Der Zweck all dieser kleinen Opfergaben und Talismane ist stets an einen bestimmten Wunsch an die Gottheit bzw. an bestimmte, mit der Gottheit assoziierte glücksbringende Effekte gebunden. Die meisten großen Schreine und Tempel spezialisieren sich auf bestimmte Lebensbereiche, in denen sie und ihre Glücksbringer besonders effektiv sind: Manche bringen Reichtum, manche Gesundheit, manche Erfolg in der Liebe und viele helfen bei Prüfungen. Fast immer haben sie jedoch ein diesseitsbezogenes Ziel. D.h. es geht um individuelles Glück in diesem Leben. Japanische Religion im Allgemeinen und Shintō im Besonderen widmet sich dem weltlichen Glück der Gläubigen in mannigfacher Weise. Der japanische Fachausdruck dafür ist genze riyaku [genze riyaku (jap.) 現世利益 (religiöse) Belohnung in diesem Leben] („Gewinn oder Belohnung [für religiöse Handlungen] in dieser Welt/diesem Leben“).

Genze riyaku hat in der japanischen Religion eine lange Tradition, wird aber auch durch sehr unmittelbare gesellschaftliche Voraussetzungen unterstützt: In Japan gibt es keine Kirchensteuer und kaum staatliche Unterstützung von Religion (Ausnahme: Steuerenthebung). Religiöse Institutionen sind ähnlich wie kommerzielle Unternehmen auf direkte, freiwillige Zuwendungen angewiesen. Es gibt zweierlei Dienstleistungen, aus denen religiöse Institutionen Einnahmen lukrieren: a) Große Zeremonien, die aus Anlass wichtiger Schicksalsabschnitte vollzogen werden (Hochzeit, Geschäftsgründung, Hausbau, Begräbnis). Hierbei entscheidet oft die traditionelle Zugehörigkeit der Familie, welche religiöse Institution die Zeremonie vollzieht. b) Kleine religiöse Handlungen als spirituelle Rückversicherungen, die dem alltäglichen Leben zugute kommen sollen. Sie wirken zwar oft spielerisch, werden aber doch von vielen ernst genommen. Lokale Traditionen und Legenden spielen eine wichtige Rolle für die Glaubhaftigkeit glücksbringender Effekte, doch werden beständig neue Legenden und Traditionen geschaffen. Es ist ein offener Markt, der nur von einem immer dünner werdenden religiösen Vorverständnis der Allgemeinheit reguliert wird und immer mehr nach Innovationen verlangt. Die Religiosität, die sich in genze riyaku widerspiegelt, wirkt auf christlich geprägte Europäer oft irritierend oder zumindest oberflächlich. Sie schließt aber spirituelle Tiefe keineswegs aus, wenn sie diese auch nicht unbedingt erfordert. Zugleich gerät sie mit modernem Konsumverhalten nicht in Widerspruch. Daher sieht man in Japan viel mehr angewandte Religion im Alltagsleben als in Europa. Da die japanische Religion durch den traditionell hohen Stellenwert von genze riyaku auf Flexibilität eingestellt ist, hat sie unter dem permanenten Wandel einer kapitalistischen Konsumgesellschaft weit weniger zu leiden, als etwa das Christentum im Westen.

Vorlage:WmaxX

Verweise

Verwandte Themen

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen

  • Digital Photo Gallery Shintō Shrines & Temples, Hatada Isao (jap., tlw. en.)
    Bilder von Tempeln und Schreinen mit Schwerpunkt auf der religiösen Alltagskultur. Siehe insbesondere "Charms" und "Votive pictures".
  • Daruma-Museum, Gabriele Greve
    Wissenswertes, Unterhaltsames und Kurioses sowie zahlreiche weiterführende Links zu Daruma &Co.
  • Cyber Shrine, Kikutake Yuji
    Hier bietet Electric Samurai mikuji-Lose auch online in englischer Übersetzung an.


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Ian Reader, George J. Tanabe, Jr, Practically Religious: Wordly Benefits and the Common Religion of Japan. Honolulu: University of Hawaii Press, 1998.
Michael Pye, Katja Triplett (Hg.), Streben nach Glück: Schicksalsdeutung und Lebensgestaltung in japanischen Religionen. Berlin: Lit, 2007.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Miko kasuga.jpg
    Schreinpriesterinnen beim Verkauf von Glücksbringern (o-mikuji) am Kasuga Taisha.
    Brian Mcmorrow, 2004.
  2. ^ 
    Omamori.jpg
    Traditionelle Glücksbringer (o-mamori).
    Bildquelle: unbekannt.
  3. ^ 
    Daruma takayama.jpg
    daruma-Puppe.
    Bildquelle: unbekannt.
  4. ^ 
    Daruma und hokora.jpg
    Eine etwas verwitterte daruma-Figur neben einem Miniaturschrein (hokora). Die Figur hat nur ein Auge bemalt, was bedeutet, dass der an sie gerichtete Wunsch noch nicht in Erfüllung gegangen ist.
    El-Branden Brazil, flickr 2007 (mit freundlicher Genehmigung).
  1. ^ 
    Darumaichi.jpg
    Daruma-Puppen mit noch unbemalten Augen als Glücksbringer.
    Craig Howitt, flickr 2005.
  2. ^ 
    Daruma3.jpg
    Neujahrskarte mit Daruma-Motiv.
    Werk von David Bull. 1999. David Bull.
  3. ^ 
    Manekineko schrein.jpg
    Schrein in Shikoku mit einer überwältigenden Anzahl von Winke-Katzen (maneki neko).
    MAGphoto, 2008.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Bodhidharma (skt.) बोधिधर्म ^ legendärer buddh. Mönch aus Indien, in China aktiv; gilt als Begründer des Chan (Zen) Buddhismus (jap. Daruma 達磨 oder Bodaidaruma 菩提達磨)
  • Daruma 達磨 ^ Spitzname des Mönchs Bodhidharma; Bezeichnung der daruma-Puppe als Glücksbringer
  • daruma だるま ^ Glücksbringer aus Pappmaché, der dem Zen-Patriarchen Daruma (skt. Bodhidharma) nachempfunden ist
  • daruma ichi 達磨市 ^ spezielle Tempel-Märkte, die daruma-Figuren zum Kauf anbieten
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • engimono 縁起物 ^ Glücksbringer
  • genze riyaku 現世利益 ^ (religiöse) Belohnung in diesem Leben
  • hebi^ Schlange
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • kitsune^ Fuchs; Botentier der Gottheit Inari
  • maneki neko 招き猫 ^ winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg
  • o-fuda お札 ^ Amulett oder Talisman in Gestalt eines symbolischen Zeichens, meist aus Papier; auch shinsatsu; das Zeichen 札 kann auch „Geldschein“ bedeuten, wird dann aber sinojap. satsu ausgesprochen;
  • o-mamori お守り ^ Talisman, schutzbringender Gegenstand
  • o-mikuji 御籤/おみくじ ^ Glückslos, Glücksorakel; auch mikuji
  • ryō^ vormoderne Währungseinheit; bestand in der Edo-Zeit aus ovalen Goldmünzen von ca. 17 Gramm
  • senman ryō 千万両 ^ „10 Millionen ryō“; Goldmünzen der maneki neko
  • shinsatsu 神札 ^ Amulett oder Talisman aus Papier; formelle Bezeichnung für o-fuda
  • sūtra (skt.) सूत्र ^ „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)
  • tanuki^ Tanuki; Marderhund
  • yakudoshi 厄年 ^ Unglücksjahr, kritisches Alter; laut Tradition bei Männern das 25., 42. und 61. Jahr, bei Frauen das 19., 33. und 37. Jahr