Alltag/Kamidana: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. Juli 2020, 13:01 Uhr
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Das shintōistische Gegenstück zum butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar] ist der kamidana [kamidana (jap.) 神棚 shintōistischer Hausaltar], der Hausschrein für die kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]. Meist sind in einem solchen Miniatur·schrein o-fuda [o-fuda (jap.) お札 Amulett oder Talisman in Gestalt eines symbolischen Zeichens, meist aus Papier; auch shinsatsu; das Zeichen 札 kann auch „Geldschein“ bedeuten, wird dann aber sinojap. satsu ausgesprochen;] aufgestellt, das sind Papier·schildchen, die bestimmte kami repräsentieren. Kamidana bedeutet „Götter·regal“ — der Haus·schrein wird zumeist auf einem erhöhten Regal·brett (tana) aufgebaut. Kamidana sind zwar nicht ganz so häufig wie bud·dhis·tische Haus·altäre, in ländlicheren Gebieten, wo die Leute mehr Platz haben und über·haupt mehr für Religion und Tradition tun, sind sie jedoch meist ebenso häufig anzutreffen.
Schematische Darstellung
Oft findet man das hier ab·ge·bilde·te Schema: In der Mitte ein o-fuda von Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise], bzw. Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū], links die Gott·heit (bzw. der Schrein), mit der einen eine ganz be·son·dere, per·sön·liche Über·zeu·gung ver·bin·det, rechts die Gott·heit des lokalen Schreins (ujigami [ujigami (jap.) 氏神 Altertum: Klangottheit; heute: lokale Schutzgottheit]). Kamidana die·nen dem Ge·den·ken an diese Gott·heiten. Ihnen zu Ehren stellt man Opfer·ga·ben vor den Schrein, dem hier ab·ge·bilde·ten Vor·schlag ent·spre·chend Wasser, Reis und Salz. Da·rüber hin·aus kön·nen kamidana mit einem Götter·seil (shimenawa [shimenawa (jap.) 注連縄 shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.]) oder mit Zick·zack·papier (gohei [gohei (jap.) 御幣 Papieropfergabe, Zickzack-Papier]) ge·schmückt wer·den. Manche stellen auch einen kleinen runden Spiegel vor ihren Mi·niatur·schrein.
Miniatur-Laterne, Miniaturvasen, Spiegel, gohei-Zickzack Papier (aus Metall)
Kamidana und Butsudan
Kamidana begannen sich in der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit zu etablieren, als immer mehr Prediger aus Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū] durch die Lande zogen und bedruckte Zettel (o-fuda [o-fuda (jap.) お札 Amulett oder Talisman in Gestalt eines symbolischen Zeichens, meist aus Papier; auch shinsatsu; das Zeichen 札 kann auch „Geldschein“ bedeuten, wird dann aber sinojap. satsu ausgesprochen;]) mit den Namen der Ise-Gottheiten in der Bevölkerung verteilten. Um diese einfachen Heiligtümer aufzubewahren benützte man ein einfaches Regal, eben ein kamidana, das langsam immer aufwendiger gestaltet wurde. Ebenso wie im Fall der butsudan kam es aber erst ab der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit (1868–1912) zu einer landes·weiten Verbreitung. Zu dieser Zeit wurde die Bildung von Gläubigen·gemeinden (ujiko [ujiko (jap.) 氏子 (Mitglied einer) Schrein-Gemeinde]) um lokale Schreine stark forciert. Es gab und gibt auch Versuche, rund um die kamidana eine shin·tō·is·tische Form der Ahnen·ver·ehrung zu ent·wickeln. Dem steht allerdings der weit ver·breitete Brauch entgegen, bei einem Todes·fall den shintōistischen Haus·altar mit weißen Tüchern zu verhängen, damit die kami nicht mit der Un·rein·heit des Todes kon·frontiert werden. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass zumindest das Be·gräbnis und davon ab·ge·leitet der gesamte Bereich des To·ten·kults eher als Domäne des Bud·dhis·mus als des Shintō angesehen wird. Shintō hat eine starke Tradition, alles was mit dem Tod zu tun hat, als unrein zu erachten und zu tabuisieren. Daher ist der butsudan bei weitem beliebter, wenn es um das Gedenken an die Toten und die Ahnen geht. Da dies, wie schon gesagt, der wichtigste Bereich häus·licher Religion ist, wird dem butsudan meist mehr Bedeutung bei·ge·mes·sen als dem kamidana.
Der Gebrauch von butsudan und kamidana kann auch als ein Indiz he·ran·ge·zogen werden, ob und wie sehr sich moderne Japaner zu den tra·di·tio·nellen Religionen Japans hin·ge·zo·gen fühlen. Jüngeren quantitativen Untersuchungen zufolge besitzen 40–50% aller japanischer Haushalte ein kamidana. 35% dieser kamidana werden von ihren Besitzern täglich mit Riten bedacht, während etwa 13% mehr oder weniger als Zier·ge·gen·stand ohne rituelle Bedeutung behandelt werden. Die Auf·merk·sam·keit gegenüber den bud·dhis·tischen Altären liegt im Vergleich dazu signifikant höher: 60–80% aller Haushalte besitzen demnach einen butsudan, 56% aller butsudan werden mindestens einmal täglich rituell bedacht, und nur knapp 2% erfahren keine rituelle Zuwendung.1
Anmerkungen
- ↑ S. dazu: Michael K. Roemer, „Japanese Survey Data on Religious Attitudes, Beliefs, and Practices in the Twenty-First Century“. In: Prohl, Nelson, Handbook of Contemporary Japanese Religion (2012), 23–58.