Mythen/Goetter des Himmels/Mythentexte: Unterschied zwischen den Versionen
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Man sollte sich bei der Lektüre von ''Kojiki'' oder ''Nihon shoki'' also bewusst sein, dass uns beide Werke keinen un·mittel·baren Blick auf die älteste Mytho·logie er·möglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vor·geschichtlichen Erzähl·traditionen blicken. Besonders das Vor·bild der chi·ne·sischen Geschichts·schreibung einer·seits, und die In·teres·sens·lage der Tenno-Dynastie anderer·seits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die mytho·logischen Er·zählungen aus·schließlich als ideo·logische Werk·zeuge zu verstehen sind. Zweifel·los ent·halten sie sehr viel „mytho·logisches All·gemein·gut“, also Er·zählungen, die tat·sächlich für das all·gemeine religiöse Welt·bild im damaligen Japan re·präsentativ sind. Der Ein·fluss oraler Traditionen lässt sich außer·dem in der Lyrik er·kennen und diese wird vor allem im ''Kojiki'' keines·wegs aus·gespart. Aus diesem Grund wird das ''Kojiki'' oft als der „ur·sprüng·lichere“ Text angesehen. Anderer·seits bietet das ''Nihon shoki'' zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Ver·ständ·nis der großen Handlungs·zusammen·hänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, wider·sprüchliche Erzähl·traditionen gegeben haben muss. | Man sollte sich bei der Lektüre von ''Kojiki'' oder ''Nihon shoki'' also bewusst sein, dass uns beide Werke keinen un·mittel·baren Blick auf die älteste Mytho·logie er·möglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vor·geschichtlichen Erzähl·traditionen blicken. Besonders das Vor·bild der chi·ne·sischen Geschichts·schreibung einer·seits, und die In·teres·sens·lage der Tenno-Dynastie anderer·seits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die mytho·logischen Er·zählungen aus·schließlich als ideo·logische Werk·zeuge zu verstehen sind. Zweifel·los ent·halten sie sehr viel „mytho·logisches All·gemein·gut“, also Er·zählungen, die tat·sächlich für das all·gemeine religiöse Welt·bild im damaligen Japan re·präsentativ sind. Der Ein·fluss oraler Traditionen lässt sich außer·dem in der Lyrik er·kennen und diese wird vor allem im ''Kojiki'' keines·wegs aus·gespart. Aus diesem Grund wird das ''Kojiki'' oft als der „ur·sprüng·lichere“ Text angesehen. Anderer·seits bietet das ''Nihon shoki'' zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Ver·ständ·nis der großen Handlungs·zusammen·hänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, wider·sprüchliche Erzähl·traditionen gegeben haben muss. | ||
− | Als historische Quelle betrachtet, ist das ''Kojiki'' im Vergleich zum ''Nihon shoki ''un·genauer, auch werden Fest·land·kon·takte kaum und der Bud·dhis·mus gar nicht erwähnt. Offen·bar wurden diese Themen bewusst aus·ge·klammert. Das ''Nihon shoki'' ist dagegen stärker von chi·ne·sischen Ge·schichts·werken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere ja·pa·nische Forschung sieht den Unter·schied der beiden Chroniken als Re·flexion von zwei unter·schiedlichen Haltungen gegenüber China an, die zur da·maligen Zeit wahr·scheinlich gleich·zeitig vor·handen waren: Im Fall des ''Kojiki'' ein Negieren des Vor·bild·charakters von China und ein be·wusster Versuch, au·toch·thone Traditionen soweit als möglich zu be·wahren. Dies drückt sich sowohl auf sprachlicher Ebene (weniger An·leihen aus dem Chi·ne·sischen), als auch auf in·halt·licher Ebene (Aus·klammern aus·lands·bezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vor·bild an·zu·erkennen, aber ihm als gleich·rangiger Partner | + | Als historische Quelle betrachtet, ist das ''Kojiki'' im Vergleich zum ''Nihon shoki ''un·genauer, auch werden Fest·land·kon·takte kaum und der Bud·dhis·mus gar nicht erwähnt. Offen·bar wurden diese Themen bewusst aus·ge·klammert. Das ''Nihon shoki'' ist dagegen stärker von chi·ne·sischen Ge·schichts·werken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere ja·pa·nische Forschung sieht den Unter·schied der beiden Chroniken als Re·flexion von zwei unter·schiedlichen Haltungen gegenüber China an, die zur da·maligen Zeit wahr·scheinlich gleich·zeitig vor·handen waren: Im Fall des ''Kojiki'' ein Negieren des Vor·bild·charakters von China und ein be·wusster Versuch, au·toch·thone Traditionen soweit als möglich zu be·wahren. Dies drückt sich sowohl auf sprachlicher Ebene (weniger An·leihen aus dem Chi·ne·sischen), als auch auf in·halt·licher Ebene (Aus·klammern aus·lands·bezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vor·bild an·zu·erkennen, aber ihm als gleich·rangiger Partner gegenüber zu treten (''Nihon shoki''). Daher ist das ''Nihon shoki'' stilistisch näher bei chi·ne·sischen Ge·schichts·werken, betont aber dennoch (im Unter·schied zu ver·gleich·baren chi·ne·sischen Werken) den mytho·logischen Ursprung des Landes und seiner Herrscher. |
==Philologische Aufarbeitung== | ==Philologische Aufarbeitung== |
Version vom 12. September 2010, 13:30 Uhr
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Die Mythentexte
Die bekanntesten und bis heute wichtigsten Werke, die uns Auskunft über die ältesten japanischen Mythen und Legenden geben, sind zugleich die ältesten Zeug·nisse der ja·pa·nischen Li·te·ratur überhaupt:
„Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)
Der Begriff „Kojiki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(„Berichte alter Be·geben·heiten“, 712) und
Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
Der Begriff „Nihon shoki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(„Berichte über Japan“, 720, auch als Nihongi bekannt). Wie fast alle frühen Schrift·werke handelt es sich um staat·lich ge·förderte Mammut·unter·nehmungen. Sie ent·standen im Auf·trag des kaiser·lichen Hofes und re·präsentieren daher die offizielle Sicht·weise der Ge·schichte des Landes und seiner Herrscher.
Bildquelle: e-kokuhō [2010/8]
Dennoch darf man sich Kojiki und Nihon shoki nicht als trockene Chroniken vorstellen. Mythen, Legenden und penible Auf·zeichnungen gehen viel·mehr in·ein·ander über und ver·mischen sich. Die Er·zählung be·ginnt mit der Er·schaf·fung der Erde (bzw. der ja·panischen Inseln) und reicht beinahe bis zum Zeit·punkt der Abfassung (Kojiki bis 628, Nihon shoki bis 697).
Zahlreiche Gottheiten, bzw. ihre Nachkommen steigen im Laufe der Er·zählung auf die Erde herab und werden zu den Ahnen mensch·licher Familien. Wie sie sich von nicht-gött·lichen Menschen unter·scheiden, wird nicht be·schrieben. Ebenso wenig wie es eine Tren·nung zwischen Mythos und historischer Chronik gibt, gibt es eine markante Trenn·linie zwischen Göttern und Menschen. (Für eine genauere Inhalt·sangabe siehe das Kapitel Mythen, Zeitalter der Götter).
Schriftlicher Stil
Im Unterschied zu anderen Mythologien, z.B. der griechischen, zeigen beide Chroniken, vor allem aber das Nihon shoki, eine große Be·dacht·nahme auf eine genaue Genealogie und auf die Datierung von Er·eig·nissen. Es sind dies Merk·male, die auch die spätere japanische Geschichts·schreibung aus·zeichnen und den Ein·fluss der chi·ne·sischen Ge·schichts·tradition wider·spiegeln. Dieser Ge·schichts·tradition, die zusammen mit der Schrift·lichkeit von China über·nommen wurde, ent·spricht es auch, dass wir sogar über die Autoren oder besser Kompilatoren der Chroniken relativ gut informiert sind. Zugleich ver·deutlicht uns der Stil der Chroniken, dass wir es nicht mit der un·mittelbaren Nieder·schrift von Er·zähltem zu tun haben. Sowohl der Inhalt als auch die Art der Er·zählung sind vom Be·mühen bestimmt, das damals noch ver·hältnis·mäßig junge ja·panische Staats·wesen zu legitimieren und zu stärken, bzw. den Führungs·anspruch der
jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
Der Begriff „Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Dynastie über dieses Staats·wesen zu begründen.
Man sollte sich bei der Lektüre von Kojiki oder Nihon shoki also bewusst sein, dass uns beide Werke keinen un·mittel·baren Blick auf die älteste Mytho·logie er·möglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vor·geschichtlichen Erzähl·traditionen blicken. Besonders das Vor·bild der chi·ne·sischen Geschichts·schreibung einer·seits, und die In·teres·sens·lage der Tenno-Dynastie anderer·seits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die mytho·logischen Er·zählungen aus·schließlich als ideo·logische Werk·zeuge zu verstehen sind. Zweifel·los ent·halten sie sehr viel „mytho·logisches All·gemein·gut“, also Er·zählungen, die tat·sächlich für das all·gemeine religiöse Welt·bild im damaligen Japan re·präsentativ sind. Der Ein·fluss oraler Traditionen lässt sich außer·dem in der Lyrik er·kennen und diese wird vor allem im Kojiki keines·wegs aus·gespart. Aus diesem Grund wird das Kojiki oft als der „ur·sprüng·lichere“ Text angesehen. Anderer·seits bietet das Nihon shoki zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Ver·ständ·nis der großen Handlungs·zusammen·hänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, wider·sprüchliche Erzähl·traditionen gegeben haben muss.
Als historische Quelle betrachtet, ist das Kojiki im Vergleich zum Nihon shoki un·genauer, auch werden Fest·land·kon·takte kaum und der Bud·dhis·mus gar nicht erwähnt. Offen·bar wurden diese Themen bewusst aus·ge·klammert. Das Nihon shoki ist dagegen stärker von chi·ne·sischen Ge·schichts·werken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere ja·pa·nische Forschung sieht den Unter·schied der beiden Chroniken als Re·flexion von zwei unter·schiedlichen Haltungen gegenüber China an, die zur da·maligen Zeit wahr·scheinlich gleich·zeitig vor·handen waren: Im Fall des Kojiki ein Negieren des Vor·bild·charakters von China und ein be·wusster Versuch, au·toch·thone Traditionen soweit als möglich zu be·wahren. Dies drückt sich sowohl auf sprachlicher Ebene (weniger An·leihen aus dem Chi·ne·sischen), als auch auf in·halt·licher Ebene (Aus·klammern aus·lands·bezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vor·bild an·zu·erkennen, aber ihm als gleich·rangiger Partner gegenüber zu treten (Nihon shoki). Daher ist das Nihon shoki stilistisch näher bei chi·ne·sischen Ge·schichts·werken, betont aber dennoch (im Unter·schied zu ver·gleich·baren chi·ne·sischen Werken) den mytho·logischen Ursprung des Landes und seiner Herrscher.
Philologische Aufarbeitung
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Mythen/Goetter_des_Himmels/Mythentexte.
Was die Texte bis heute zu einem unerschöpflichen Reservoir neuer Forschungen und Inter·pre·tationen macht, ist die Tat·sache, dass man in vielen Fällen weder die genaue Aus·sprache noch die genaue Be·deutung einzelner Begriffe kennt. Das liegt vor allem an der damals noch nicht standardisierten Ver·wendung der chinesischen Schrift·zeichen, die teils als Sinn·geber (also wie heute zur Wieder·gabe eines ganzen Be·griffes), teils als Laut·träger (zur laut·lichen Wieder·gabe japanischer Silben, ähnlich den modernen kana-Zeichen) verwendet wurden.
Erst seit dem 17. Jh. gibt es systematische Bemühungen, eine allgemeingültige Lesart zu rekonstruieren und diese der All·gemein·heit zu·gänglich zu machen. Davor wurden die alten Chroniken Jahr·hunderte lang innerhalb weniger Priester- und Gelehrten·dynastien geheim weiter gegeben. Selbst wenn Außen·stehende sie zu Gesicht bekamen, wussten sie damit nichts an·zu·fangen. Interessanter·weise wurde dem Nihon shoki durch viele Jahr·hunderte hin·durch die größere Bedeutung bei·ge·messen. Erst durch die Wirkung des Gelehrten
Der Begriff „Motoori Norinaga“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(1730—1801), dem wichtigsten Repräsentanten der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-zeitlichen
„Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
Der Begriff „kokugaku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(wtl. „Nationale Lehre“, s. Kapitel Geschichte, Kokugaku) erhielt das Kojiki eine Aufwertung.
Weiterführende Literatur
Im Westen erhielt die Mythologie zu Beginn der wissen·schaftlichen Aus·einan·der·setzung mit der japanischen Kultur im 19. Jh. große Auf·merk·sam·keit. Noch heute gelten Astons Über·setzung des Nihon shoki von 1896 und Chamberlains Über·setzung des Kojiki als Standardwerke:
Im deutschsprachigen Raum machte sich etwa zur gleichen Zeit Karl Florenz an die Über·setzung der alten Chroniken:
Seither sind andere Themen in den Vordergrund getreten. Nach dem 2. WK hat sich der allgemeine Trend in der Japanologie immer mehr hin zur Gegen·wart verlagert. Geschichte und Religion stehen nicht mehr im Zentrum der wissen·schaftlichen Aus·einan·der·setzung und selbst innerhalb dieser Bereiche nimmt die Mytho·logie wiederum nur einen geringen Stellen·wert ein. Dennoch gibt es mit der im Jahr 2000 verstorbenen Nelly Naumann eine Expertin, deren Be·deutung weit über den deutschen Sprachraum hinausgeht. Naumanns Thesen zur Mythologie finden sich neben zahlreichen Aufsätzen in:
Im deutschen Sprachraum wurden Naumanns Forschungen u.a. von Klaus Antoni weitergeführt. S. z.B.:
Links
- KiKi 記紀, Kojiki - Nihonshoki, Klaus Antoni (dt.)
Zusammenstellung von online-Textausgaben, Übersetzungen und Materialien. - Kojiki (Ancient Records and Myths), Delmer Brown (en.)
Einführender Artikel; Teil der Japanese Historical Text Initiative JHTI.Letzte Überprüfung der Linkadressen: Aug. 2010