Bauten/Bekannte Schreine/Kasuga: Unterschied zwischen den Versionen

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| Kasuga Taisha: Der Schrein der Zehntausend Laternen
 
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Die meisten Nebengebäude des Schreins sind mit unzähligen metallenen Laternen ({{g|tourou}}) versehen, während entlang der Zugangswege eine noch größere Anzahl von Steinlaternen aufgestellt sind. Diese Laternen des Kasuga Schreins sind Spenden von Gläubigen, die sich über die Jahrhunderte angesammelt haben. Nur zweimal im Jahr, zu Frühlingsbeginn ({{g|setsubun}}) und zur Zeit des {{g|Bon}}-Festes im August, werden alle Laternen angezündet.
  
 
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Der prachtvolle Haupteingang des Schreins steht in merkwürdigem Kontrast zur eher bescheiden wirkenden vierfachen Haupthalle, wo die vier Ahnengötter der Adelsfamilie Fujiwara eingeschreint sind. Dieses Hauptgebäude ist von mehreren Nebengebäuden so dicht umgeben, dass man es als normaler Besucher gar nicht zu Gesicht bekommt.
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Der prachtvolle Haupteingang des Schreins steht in merkwürdigem Kontrast zu den eher bescheiden wirkenden vier Haupthallen ({{g|honden}}), wo die vier Ahnengötter der Adelsfamilie Fujiwara eingeschreint sind. Diese Hauptgebäude sind von mehreren Nebengebäuden so dicht umgeben, dass man sie als normaler Besucher gar nicht zu Gesicht bekommt.
  
 
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Der Kasuga Schrein ist mit dem Aufstieg der {{g|Fujiwara}}-Dynastie verbunden, deren Ahnherr, {{g|nakatominokamatari}}  (614–669), einer der bedeutendsten Staatsmänner des siebten Jahrhunderts war. Er half im Zuge der sog. {{g|taikanokaishin|Taika-Reform}} dabei mit, das gesamte Land als Eigentum des Staates (bzw. des Tennō) zu definieren und die ehemaligen Regionalfürsten zu Staatsbeamten umzufunktionieren. Zum Dank erhielt er „Privatland“ (das also nicht dem Tennō gehörte) in der fernen Provinz Hitachi (im Osten des heutigen Tōkyō). Um diesen Deal zu besiegeln, war offenbar die Mithilfe der Götter notwendig. Die beiden himmlischen Haudegen {{g|Takemikazuchi}} und {{g|Futsunushi}}, die schon bei der [[Mythen/Goetter der Erde|Kolonisation Izumos]] tatkräftig mitgeholfen hatten, erhielten wahrscheinlich zur Zeit des Kamatari in Hitachi zwei große Schreine.  
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Der Kasuga Schrein ist mit dem Aufstieg der {{g|Fujiwara}}-Dynastie verbunden, deren Ahnherr, {{g|nakatominokamatari}}  (614–669), einer der bedeutendsten Staatsmänner des siebten Jahrhunderts war. Er half im Zuge der sog. {{g|taikanokaishin|Taika-Reform}} dabei mit, das gesamte Land als Eigentum des Staates (bzw. des {{g|Tennou}}) zu definieren und die ehemaligen Regionalfürsten zu Staatsbeamten umzufunktionieren. Zum Dank erhielt er „Privatland“ (das also nicht dem Tennō gehörte) in der fernen Provinz {{g|hitachi}} (im Osten des heutigen Tōkyō). Um diesen Deal zu besiegeln, war offenbar die Mithilfe der Götter notwendig. Die beiden himmlischen Haudegen {{g|Takemikazuchi}} und {{g|Futsunushi}}, die schon bei der [[Mythen/Goetter der Erde|Kolonisation Izumos]] tatkräftig mitgeholfen hatten, erhielten wahrscheinlich zur Zeit des Kamatari in Hitachi zwei große Schreine.  
  
Als dann im achten Jahrhundert die neue Hauptstadt {{g|Nara}} ({{g|Heijoukyou}}) gegründet wurde, errichteten die Fujiwara am Ostrand der Stadt, am Fuße des Berges Mikasa, den Kasuga Schrein, der laut Schreinlegende im Jahr 768 gegründet wurde, wahrscheinlich aber schon länger als Kultstätte der Fujiwara fungierte.<ref>Grapard 1992, S. 27–29</ref> Anlass für die Schreingründung war der Legende zufolge, dass Takemikazuchi, der Hauptgott des Kasuga Schreins, auf einem Hirsch in die neue Hauptstadt geritten kam und hier untergebracht werden musste.<!--
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Als dann im achten Jahrhundert die neue Hauptstadt {{g|Nara}} ({{g|Heijoukyou}}) gegründet wurde, errichteten die Fujiwara am Ostrand der Stadt, am Fuße des Berges {{g|mikasayama|Mikasa}}, den Kasuga Schrein, der laut Schreinlegende im Jahr 768 entstand, wahrscheinlich aber schon länger als Kultstätte der Fujiwara fungierte.<ref>{{zitiert|Grapard 1992}}, S. 27–29.</ref> Anlass für die Schreingründung war der Legende zufolge, dass Takemikazuchi, der Hauptgott des Kasuga Schreins, auf einem Hirsch in die neue Hauptstadt geritten kam und hier untergebracht werden musste.<!--
 
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Die wichtigsten Auszüge der Legende sind in Grapard 1992, S. 26 in englischer Übersetzung wiedergegeben.
 
Die wichtigsten Auszüge der Legende sind in Grapard 1992, S. 26 in englischer Übersetzung wiedergegeben.
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In späteren Darstellungen wird diese Reise von Takemikazuchi und Futsunushi gemeinsam unternommen, doch die ursprüngliche Fassung der Legende macht deutlich, dass Takemikazuchi als letzter zu dem Ensemble der vier Hauptgötter von Kasuga stieß.  
 
In späteren Darstellungen wird diese Reise von Takemikazuchi und Futsunushi gemeinsam unternommen, doch die ursprüngliche Fassung der Legende macht deutlich, dass Takemikazuchi als letzter zu dem Ensemble der vier Hauptgötter von Kasuga stieß.  
  
Man nimmt an, dass sich die Fujiwara durch diese Gottheit von den {{g|Nakatomi}} abheben wollten, also von ihrem Stammhaus, mit dem sie allerdings weiterhin die Ahnengottheit {{g|amenokoyane}} und seine Gefährtin {{g|himegami}} (oder Hime-no-kami) teilten. Amenokoyane erfüllt in den Mythen vor allem rituelle Aufgaben und auch die Nakatomi waren in erster Linie Ritualisten bei Hof. Mit den beiden Schwertgottheiten aus dem fernen Hitachi im Ensemble der Ahnengottheiten suchten die Fujiwara offenbar die Legitimation für neue Befugnisse, also eine politisch aktive Rolle, die sie in der Folge auch erfolgreich verteidigten.   
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Man nimmt an, dass sich die Fujiwara durch diese Gottheit von den {{g|Nakatomi}} abheben wollten, also von ihrem Stammhaus, mit dem sie allerdings weiterhin die Ahnengottheit {{g|amenokoyane}} und seine Gefährtin {{g|himegami}} (oder Hime-no-kami) teilten. Ame no Koyane erfüllt in den Mythen vor allem rituelle Aufgaben und auch die Nakatomi waren in erster Linie Ritualisten bei Hof. Mit den beiden Schwertgottheiten aus dem fernen Hitachi im Ensemble der Ahnengottheiten suchten die Fujiwara offenbar die Legitimation für neue Befugnisse, also eine politisch aktive Rolle, die sie in der Folge auch erfolgreich verteidigten.   
  
Der Schrein war von Anfang an eng mit dem buddhistischen Tempel {{g|Koufukuji}} verwoben, der bereits 720, also zehn Jahre nach Gründung der Hauptstadt Nara errichtet worden war. Auch der Kōfuku-ji diente den Fujiwara als Familientempel. Mit der Errichtung des Kasuga Schreins entstand ein Kultkomplex, innerhalb dessen der Tempel für das Seelenheil und die Begräbnisse der jeweiligen lebende Fujiwara zuständig war, während der Schrein sich um die Ahnen oder Schutzgötter des Familienklans kümmerte.   
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Der Schrein war von Anfang an eng mit dem buddhistischen Tempel {{g|Koufukuji}} verwoben, der bereits 720, also zehn Jahre nach Gründung der Hauptstadt Nara errichtet worden war. Auch der Kōfuku-ji diente den Fujiwara als Familientempel. Mit der Errichtung des Kasuga Schreins entstand ein Kultkomplex, innerhalb dessen der Tempel für das Seelenheil und die Begräbnisse der jeweiligen lebenden Fujiwara zuständig war, während der Schrein sich um die Ahnen oder Schutzgötter des Familienklans kümmerte.   
  
 
Die Blütezeit des Schreins fällt in die {{g|Heian}}-Zeit, als die Fujiwara als erbliche Regenten des Tennō die gesamte politische Macht des Hofes monopolisierten.  
 
Die Blütezeit des Schreins fällt in die {{g|Heian}}-Zeit, als die Fujiwara als erbliche Regenten des Tennō die gesamte politische Macht des Hofes monopolisierten.  
Auch der einstmals wichtigste Tempel des Landes, der  in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene {{g|Toudaiji}} geriet damals unter den Einfluss des Kōfuku-ji–Kasuga Komplexes bzw. wurde in den Gesamtkomplex zu integriert. Ende der Heian-Zeit mussten die Fujiwara ihre dominierende politische Stellung an die neu aufgestiegenen Kriegerdynastien der {{g|Taira}} und der {{g|Minamoto}} abgeben. Dies bedeutete auch für den Kasuga Schrein, dass er sich neue Gönner suchen musste und nicht mehr exklusiv von den Fujiwara genutzt wurde. Die Errichtung eines fünften Hauptschreins mit dem Namen Wakamiya (Junger oder neuer Schrein) im Jahr 1135 kann als sichtbares Zeichen dieses strukturellen Wandels angesehen werden.<ref>Grapard 1992, S. 11.</ref>
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Auch der einstmals wichtigste Tempel des Landes, der  in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene {{g|Toudaiji}} geriet damals unter den Einfluss des Kōfuku-ji–Kasuga Komplexes bzw. wurde in den Gesamtkomplex integriert. Ende der Heian-Zeit mussten die Fujiwara ihre dominierende politische Stellung an die neu aufgestiegenen Kriegerdynastien der {{g|Taira}} und der {{g|Minamoto}} abgeben. Dies bedeutete auch für den Kasuga Schrein, dass er sich neue Gönner suchen musste und nicht mehr exklusiv von den Fujiwara genutzt wurde. Die Errichtung eines fünften Hauptschreins mit dem Namen {{g|Wakamiyajinja}} (Junger oder neuer Schrein) im Jahr 1135 kann als sichtbares Zeichen dieses strukturellen Wandels angesehen werden.<ref>Grapard 1992, S. 11.</ref>
  
 
Trotz des Bedeutungsverlustes von Kaiserhof und Fujiwara blieben Kasuga und Kōfuku-ji bis in die Edo-Zeit die religiösen Stützen der alten Aristokratie. Diese wiederum bewahrte ihre interne Hierarchie, der zufolge die Fujiwara die wichtigste Familie des Hofes darstellten, auch im Zuge ihres langsamen Niedergangs. Als Repräsentant des höfischen Adels zählte der Kasuga Schrein während des japanischen Mittelalters zusammen mit {{g|Ise}} (stellvertretend für den Tennō) und  {{g|Hachiman}} (stellvertretend für den Kriegeradel) zu den drei bedeutendsten Schreinen Japans.
 
Trotz des Bedeutungsverlustes von Kaiserhof und Fujiwara blieben Kasuga und Kōfuku-ji bis in die Edo-Zeit die religiösen Stützen der alten Aristokratie. Diese wiederum bewahrte ihre interne Hierarchie, der zufolge die Fujiwara die wichtigste Familie des Hofes darstellten, auch im Zuge ihres langsamen Niedergangs. Als Repräsentant des höfischen Adels zählte der Kasuga Schrein während des japanischen Mittelalters zusammen mit {{g|Ise}} (stellvertretend für den Tennō) und  {{g|Hachiman}} (stellvertretend für den Kriegeradel) zu den drei bedeutendsten Schreinen Japans.
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Die mittelalterliche Anlage des Kasuga Schreins und die Vorstellungen, die man sich von seinen Göttern machte, lassen sich anhand sogenannter Schrein-{{s|Mandala|Mandalas}} rekonstruieren, von denen gerade in diesem Fall besonders viele und vielfältige Exemplare angefertigt wurden.
 
Die mittelalterliche Anlage des Kasuga Schreins und die Vorstellungen, die man sich von seinen Göttern machte, lassen sich anhand sogenannter Schrein-{{s|Mandala|Mandalas}} rekonstruieren, von denen gerade in diesem Fall besonders viele und vielfältige Exemplare angefertigt wurden.
Kasuga Mandalas existieren in verschiedenen Versionen, die frühesten stammen aus der {{g|Kamakura}}-Zeit. Wie erwähnt war der Schrein damals gezwungen, nach neuen Unterstützern zu suchen und tat dies, indem er die Verehrung seiner Götter mit der Verehrung der entsprechenden ''honji'' Buddhas gleichsetzte und sie in Form vom Mandalas popularisierte. Ein solcher Übergang vom Ahnenkult zur ''kami''-Verehrung im Dienst des Buddhismus ist allerdings kein vereinzeltes Phänomen, sondern lässt sich bereits in der Heian-Zeit häufig feststellen.
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Kasuga Mandalas existieren in verschiedenen Versionen, die frühesten stammen aus der {{g|Kamakura}}-Zeit. Wie erwähnt war der Schrein damals gezwungen, nach neuen Unterstützern zu suchen und tat dies, indem er die Verehrung seiner Götter mit der Verehrung der entsprechenden {{g|honji}} Buddhas gleichsetzte und sie in Form vom Mandalas popularisierte. Ein solcher Übergang vom Ahnenkult zur ''kami''-Verehrung im Dienst des Buddhismus ist allerdings kein vereinzeltes Phänomen, sondern lässt sich bereits in der Heian-Zeit häufig feststellen.
  
 
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Das oben abgebildete Beispiel zeigt die Haupt- und Nebengötter des Schreins in Nara zusammen mit den ihnen entsprechenden Ur-Buddhas. Die  vergleichsweise realistischen Figuren repräsentieren die Erscheinungsformen einer Gottheit als ''kami'' ({{g|suijaku}}), die darüber schwebenden {{s|Buddha}}-Figuren sind die jeweiligen buddhistischen Urformen ({{g|honji}}). Die Hauptgottheit des Schreins ist in der obersten Reihe zu erkennen. Sie ist hier lediglich als „Erster Schrein“ (Ichi-no-miya) ausgewiesen, ihr Eigenname ({{g|Takemikazuchi|Takemikazuchi}}) wird nicht genannt. Die Figur „Erster Schrein“ wird von zwei ''honji'' Buddhas flankiert, nämlich {{g|Shaka}} und {{g|Kannon}}. Direkt darunter — von der Mitte nach außen in abnehmender Rangfolge — erkennt man die Götter der weiteren Teilschreine von Kasuga (inklusive diverser Nebenschreine), jeweils mit den zuständigen Buddhas oder {{s|Bodhisattva|Bodhisattvas}} darüber.
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Das oben abgebildete Beispiel zeigt die Haupt- und Nebengötter des Schreins in Nara zusammen mit den ihnen entsprechenden Ur-Buddhas. Die  vergleichsweise realistischen Figuren repräsentieren die Erscheinungsformen einer Gottheit als ''kami'' ({{g|suijaku}}), die darüber schwebenden {{s|Buddha}}-Figuren sind die jeweiligen buddhistischen Urformen ({{g|honji}}). Die Hauptgottheit des Schreins ist in der obersten Reihe zu erkennen. Sie ist hier lediglich als „Erster Schrein“ ({{g|ichinomiya}}) ausgewiesen, ihr Eigenname ({{g|Takemikazuchi|Takemikazuchi}}) wird nicht genannt. Die Figur „Erster Schrein“ wird von zwei ''honji'' Buddhas flankiert, nämlich {{g|Shaka}} und {{g|Kannon}}. Direkt darunter — von der Mitte nach außen in abnehmender Rangfolge — erkennt man die Götter der weiteren Teilschreine von Kasuga (inklusive diverser Nebenschreine), jeweils mit den zuständigen Buddhas oder {{s|Bodhisattva|Bodhisattvas}} darüber.
  
 
Im Mittelteil des Mandalas nimmt die realistische Abbildung des Kasuga Schreins den prominentesten Platz ein. Zwischen der Götterwelt und dem Schrein erkennt man den heiligen Berg Mikasa, auf dessen Gipfel, etwas herausvergrößert, ein Hirsch zu sehen ist (s. Abb. oben). Er ist Bote ({{g|otsukai}}) und Sinnbild des Kasuga Schreins. Unterhalb der Schreinanlage, teilweise von Wolken verdeckt, ist die Tempelanlage des {{g|koufukuji}} zu sehen, von dem vor allem die Pagode zu erkennen ist. Der Kōfuku-ji fungierte zwar als eine Art Supervisor des Kasuga Schreins, auf den Mandalas wird diese Rolle aber unterschiedlich stark hervorgehoben.
 
Im Mittelteil des Mandalas nimmt die realistische Abbildung des Kasuga Schreins den prominentesten Platz ein. Zwischen der Götterwelt und dem Schrein erkennt man den heiligen Berg Mikasa, auf dessen Gipfel, etwas herausvergrößert, ein Hirsch zu sehen ist (s. Abb. oben). Er ist Bote ({{g|otsukai}}) und Sinnbild des Kasuga Schreins. Unterhalb der Schreinanlage, teilweise von Wolken verdeckt, ist die Tempelanlage des {{g|koufukuji}} zu sehen, von dem vor allem die Pagode zu erkennen ist. Der Kōfuku-ji fungierte zwar als eine Art Supervisor des Kasuga Schreins, auf den Mandalas wird diese Rolle aber unterschiedlich stark hervorgehoben.
 
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Aktuelle Version vom 20. Oktober 2023, 17:39 Uhr

Kasuga Taisha Der Schrein der Zehntausend Laternen

Der Kasuga [Kasuga Taisha (jap.) 春日大社 Kasuga Schrein, Nara; ehemals Ahnenschrein der Fujiwara] Schrein ist der bekannteste und repräsentativste Schrein der alten Hauptstadt Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]. Den meisten Touristen bleiben vor allem zwei Eindrücke aus Kasuga in Erinnerung: die zahmen Hirsche, die sich zwischen Kasuga und den benachbarten Tempeln Kōfuku-ji [Kōfuku-ji (jap.) 興福寺 Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara] und Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] tummeln, und die vielgestaltigen Laternen, die die Wege und Gebäude der Schreinanlage säumen. Der Schrein ist aber auch aufgrund seiner historischen Verbindung zu den Fujiwara [Fujiwara (jap.) 藤原 mächtigste Adelsfamilie im jap. Altertum], dem mächtigsten Adelshaus des japanischen Altertums, von besonderem Interesse.

Kasuga7.jpg
1 Laternen an den Schreingebäuden
Bronzelaternen (tōrō) mit Familienwappen in der Form eines Wilden-Wein-Blattes
Salvador Busquets Artigas, flickr, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).

Laternen

Kasuga5.jpg
2
Laternen (tōrō) in Seitengängen des Kasuga Taisha.
Bohuslav Kotal, flickr, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
Kasuga2.jpg
3
Laternen (tōrō) des Kasuga Taisha. Die gold-glänzenden sind neueren Datums.
Rómulo Rejón, flickr 2008.
Ältere und neuere Laternen
Kasuga1.jpg
4
Metallene Laternen (tōrō) des Kasuga Taisha.
Bildquelle: Matthias Scommoda, 2004, über Internet Archive.
Kasuga6.jpg
5
Die Laterne (tōrō) im Vordergrund hat ein Datum eingeschrieben: Enpō 4 (= 1676).
Edo-Zeit, 1676. Mark Boucher, flickr, 2005.
Ähnliche Grundform, individuelle Details
Kasuga lanterns3.jpg
6 Hirschmotiv
Der Hirsch als Symbol des Schreins ist auch auf vielen Laternen (tōrō) zu finden.
Yamada Ryoko, flickr, 2005.
Kasuga4.jpg
7 Widmungstext
Die Grundform ist gleich, doch jede Laterne (tōrō) ist ein Einzelstück.
Owen Murray, flickr, 2007.
Kasuga dark.jpg
8 Laterne mit Widmung aus der Edo-Zeit
Viele Laternen (tōrō) haben einen Text in das Muster eingebaut, der Namen des Spenders und Datum der Spende enthält.
Edo-Zeit, 1666. Bohuslav Kotal, flickr 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
Kasuga lanterns1.jpg
9
Beleuchtete Kasuga-Laterne (tōrō)
Perrin Lindelauf, flickr, 2005.
Kasuga lanterns2.jpg
10
Kasuga-Laterne (tōrō) mit Chrysanthemen Motiv
Bildquelle: unbekannt.
Erleuchtete Laternen
Kasuga3.jpg
11
Steinlaternen (tōrō) des Kasuga Schreins
Roy Chan, flickr, 2008.
Kasuga toro.jpg
12
Steinlaternen (ishi tōrō) des Kasuga Taisha
Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
Steinlaternen an den Zugangswegen
Kasuga reh.jpg
13 Kasuga-Reh
Reh zwischen den Steinlaternen (tōrō) des Kasuga Taisha.
Salvador Busquets Artigas, flickr, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
Kasuga manto.jpg
14 Laternenpflege
Als Vorbereitung für das Laternenfest werden die Steinlaternen (tōrō) mit Papier verklebt.
Bildquelle: unbekannt.

Die meisten Nebengebäude des Schreins sind mit unzähligen metallenen Laternen (tōrō [tōrō (jap.) 灯篭 Laterne, meist Stein oder Metall]) versehen, während entlang der Zugangswege eine noch größere Anzahl von Steinlaternen aufgestellt sind. Diese Laternen des Kasuga Schreins sind Spenden von Gläubigen, die sich über die Jahrhunderte angesammelt haben. Nur zweimal im Jahr, zu Frühlingsbeginn (setsubun [setsubun (jap.) 節分 „Trennung der Jahreszeiten“; trad. letzter Tag einer der vier Jahreszeiten; heute meist letzter Tag des Winters (3. Februar)]) und zur Zeit des Bon [Bon (jap.) Bon-Fest (Ahnenfest); in der Alltagssprache meist O-bon]-Festes im August, werden alle Laternen angezündet.

Hauptgebäude

Kasuga.jpg
15 Der imposante Eingang zum inneren Schreinbereich
Eingang zum innersten Bereich des Kasuga Schreins, normalerweise für die Öffentlichkeit gesperrt.
Tabi Photo, 2011/12/4.

Der prachtvolle Haupteingang des Schreins steht in merkwürdigem Kontrast zu den eher bescheiden wirkenden vier Haupthallen (honden [honden (jap.) 本殿 Hauptgebäude eines Schreins]), wo die vier Ahnengötter der Adelsfamilie Fujiwara eingeschreint sind. Diese Hauptgebäude sind von mehreren Nebengebäuden so dicht umgeben, dass man sie als normaler Besucher gar nicht zu Gesicht bekommt.

Kasuga honden.jpg
16 Die vierfache Haupthalle (honden)
Die vier aneinander gefügten Schreingebäude für die Hauptgötter des Kasuga Taisha. Sie bilden den Grundtyp des sogenannten Kasuga-Stils, der in zahlreichen klein dimensionierten Schreinbauten Anwendung findet.
Bildquelle: unbekannt.

Ähnlich wie in vielen alten Schreinen herrscht auch in Kasuga das Prinzip der regelmäßigen Erneuerung (shikinen sengū [shikinen sengū (jap.) 式年遷宮 periodische Schreinverlegung bzw. -erneuerung; zumeist, aber nicht nur, auf Ise bezogen]), wenn es auch nicht ganz so umfassend durchgeführt wird wie in Ise [Ise Jingū (jap.) 伊勢神宮 kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū] und eher auf eine Reparatur als einen Neubau hinausläuft. Die heutigen Hauthallen stammen aus dem Jahr 1863, andere Gebäude gehen sogar auf die Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit zurück.

Schreingeschichte

Kasuga hirschmandala.jpg
17 Kasuga Gottheiten
Auf den Hirschen sind die Götter von Kashima und Katori zu sehen, die sich von der östlichen Kantō-Region auf den Weg zum Kasuga Schrein in Nara machen. Unter ihnen sind zwei Angehörige der Fujiwara Familie zu sehen, welche die Götter begleiteten und in Nara zu Priestern des Kasuga Schreins wurden. Die Legende erzählt genau genommen nur davon, dass Takemikazuchi, der Gott von Kashima, in den Jahren 766–68 auf diese Weise nach Nara übersiedelte, doch da der Kashima Schrein in der Nähe des Katori Schreins liegt und dessen Gottheit Futsunushi auch zu den Göttern des Kasuga Schreins zählt, war es für die mittelalterlichen Künstler offenbar logisch, dass sie die Reise gemeinsam antraten.
Muromachi Zeit, 14. Jh. Nara National Museum.

Der Kasuga Schrein ist mit dem Aufstieg der Fujiwara [Fujiwara (jap.) 藤原 mächtigste Adelsfamilie im jap. Altertum]-Dynastie verbunden, deren Ahnherr, Nakatomi no Kamatari [Nakatomi no Kamatari (jap.) 中臣鎌足 614–669; Staatsmann und Ahnherr der Fujiwara] (614–669), einer der bedeutendsten Staatsmänner des siebten Jahrhunderts war. Er half im Zuge der sog. Taika-Reform [Taika no Kaishin (jap.) 大化改新 „Reformen des großen Wandels“; politischer Umschwung unter Kaiser Kōtoku im Jahre 646; Zentralisierung des Landes und Sinisierung des Staatssystems] dabei mit, das gesamte Land als Eigentum des Staates (bzw. des Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]) zu definieren und die ehemaligen Regionalfürsten zu Staatsbeamten umzufunktionieren. Zum Dank erhielt er „Privatland“ (das also nicht dem Tennō gehörte) in der fernen Provinz Hitachi [Hitachi (jap.) 常陸 Provinz Hitachi; eine der historischen Provinzen Japans, heute die Präfektur Ibaraki] (im Osten des heutigen Tōkyō). Um diesen Deal zu besiegeln, war offenbar die Mithilfe der Götter notwendig. Die beiden himmlischen Haudegen Takemikazuchi [Takemikazuchi (jap.) 建御雷 Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt] und Futsunushi [Futsunushi (jap.) 経津主 Mythologischer Schwertgott], die schon bei der Kolonisation Izumos tatkräftig mitgeholfen hatten, erhielten wahrscheinlich zur Zeit des Kamatari in Hitachi zwei große Schreine.

Als dann im achten Jahrhundert die neue Hauptstadt Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] (Heijō-kyō [Heijō-kyō (jap.) 平城京 urspr. Name der Stadt Nara; wtl. Stadt der Friedensburg]) gegründet wurde, errichteten die Fujiwara am Ostrand der Stadt, am Fuße des Berges Mikasa [Mikasa-yama (jap.) 御蓋山 Heiliger Berg östlich von Nara, an dessen Fuß der Kasuga Taisha errichtet wurde; auch Kasuga-yama], den Kasuga Schrein, der laut Schreinlegende im Jahr 768 entstand, wahrscheinlich aber schon länger als Kultstätte der Fujiwara fungierte.1 Anlass für die Schreingründung war der Legende zufolge, dass Takemikazuchi, der Hauptgott des Kasuga Schreins, auf einem Hirsch in die neue Hauptstadt geritten kam und hier untergebracht werden musste.2 In späteren Darstellungen wird diese Reise von Takemikazuchi und Futsunushi gemeinsam unternommen, doch die ursprüngliche Fassung der Legende macht deutlich, dass Takemikazuchi als letzter zu dem Ensemble der vier Hauptgötter von Kasuga stieß.

Man nimmt an, dass sich die Fujiwara durch diese Gottheit von den Nakatomi [Nakatomi (jap.) 中臣 Adelsgeschlecht der Antike] abheben wollten, also von ihrem Stammhaus, mit dem sie allerdings weiterhin die Ahnengottheit Ame no Koyane [Ame no Koyane (jap.) 天児屋/天児屋根 mytholog. Gottheit; Ahnengottheit der Fujiwara] und seine Gefährtin Himegami [Himegami (jap.) 比売神 wtl. „göttliche Gemahlin oder Tochter“; oft anonymes weibl. Gegenstück zu einer männl. Schreingottheit] (oder Hime-no-kami) teilten. Ame no Koyane erfüllt in den Mythen vor allem rituelle Aufgaben und auch die Nakatomi waren in erster Linie Ritualisten bei Hof. Mit den beiden Schwertgottheiten aus dem fernen Hitachi im Ensemble der Ahnengottheiten suchten die Fujiwara offenbar die Legitimation für neue Befugnisse, also eine politisch aktive Rolle, die sie in der Folge auch erfolgreich verteidigten.

Der Schrein war von Anfang an eng mit dem buddhistischen Tempel Kōfuku-ji [Kōfuku-ji (jap.) 興福寺 Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara] verwoben, der bereits 720, also zehn Jahre nach Gründung der Hauptstadt Nara errichtet worden war. Auch der Kōfuku-ji diente den Fujiwara als Familientempel. Mit der Errichtung des Kasuga Schreins entstand ein Kultkomplex, innerhalb dessen der Tempel für das Seelenheil und die Begräbnisse der jeweiligen lebenden Fujiwara zuständig war, während der Schrein sich um die Ahnen oder Schutzgötter des Familienklans kümmerte.

Die Blütezeit des Schreins fällt in die Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit, als die Fujiwara als erbliche Regenten des Tennō die gesamte politische Macht des Hofes monopolisierten. Auch der einstmals wichtigste Tempel des Landes, der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] geriet damals unter den Einfluss des Kōfuku-ji–Kasuga Komplexes bzw. wurde in den Gesamtkomplex integriert. Ende der Heian-Zeit mussten die Fujiwara ihre dominierende politische Stellung an die neu aufgestiegenen Kriegerdynastien der Taira [Taira (jap.) Kriegerfamilie, die im 12. Jh. um die pol. Vorherrschaft in Japan kämpfte; auch Heike] und der Minamoto [Minamoto (jap.) Kriegerfamilie, die 1185 eine neue Herrschaftsdynastie begründete: Kamakura Shōgunat, 1185–1333] abgeben. Dies bedeutete auch für den Kasuga Schrein, dass er sich neue Gönner suchen musste und nicht mehr exklusiv von den Fujiwara genutzt wurde. Die Errichtung eines fünften Hauptschreins mit dem Namen Wakamiya Jinja [Wakamiya Jinja (jap.) 若宮神社 wtl. „Junger Schrein“; bedeutendster Nebenschrein des Kasuga Taisha, gegr. 1135; später entstandene Schreine dieses Namens finden sich in ganz Japan] (Junger oder neuer Schrein) im Jahr 1135 kann als sichtbares Zeichen dieses strukturellen Wandels angesehen werden.3

Trotz des Bedeutungsverlustes von Kaiserhof und Fujiwara blieben Kasuga und Kōfuku-ji bis in die Edo-Zeit die religiösen Stützen der alten Aristokratie. Diese wiederum bewahrte ihre interne Hierarchie, der zufolge die Fujiwara die wichtigste Familie des Hofes darstellten, auch im Zuge ihres langsamen Niedergangs. Als Repräsentant des höfischen Adels zählte der Kasuga Schrein während des japanischen Mittelalters zusammen mit Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū] (stellvertretend für den Tennō) und Hachiman [Hachiman (jap.) 八幡 Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen] (stellvertretend für den Kriegeradel) zu den drei bedeutendsten Schreinen Japans.

Kasuga Mandalas

Kasuga hirsch.jpg
18 Hirsch-Mandala
Schrein-Mandala des Kasuga Taisha, der hier lediglich durch einen Hirsch, das Botentier der Kasuga-Götter, repräsentiert ist. Aus dem Sattel des Hirsches wächst ein Baum, dessen Zweige die fünf Hauptschreingötter verkörpern.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. Nara National Museum.
Kasuga miya mandara.jpg
19 Miya-Mandala
Schreine von Kasuga Taisha mit den fünf Hauptgöttern in buddhistischer Gestalt (honji). Im Vordergrund steht die Pagoden des Kōfuku-ji.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. Bildquelle: Blätter zur japanischen Geschichte und Religion, Niels Gülberg, 2009.

Die mittelalterliche Anlage des Kasuga Schreins und die Vorstellungen, die man sich von seinen Göttern machte, lassen sich anhand sogenannter Schrein-Mandalas [maṇḍala (skt.) मण्डल „Kreis“, schematische Darstellung der kosmischen Ordnung (jap. mandara 曼荼羅)] rekonstruieren, von denen gerade in diesem Fall besonders viele und vielfältige Exemplare angefertigt wurden. Kasuga Mandalas existieren in verschiedenen Versionen, die frühesten stammen aus der Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit. Wie erwähnt war der Schrein damals gezwungen, nach neuen Unterstützern zu suchen und tat dies, indem er die Verehrung seiner Götter mit der Verehrung der entsprechenden honji [honji (jap.) 本地 (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku] Buddhas gleichsetzte und sie in Form vom Mandalas popularisierte. Ein solcher Übergang vom Ahnenkult zur kami-Verehrung im Dienst des Buddhismus ist allerdings kein vereinzeltes Phänomen, sondern lässt sich bereits in der Heian-Zeit häufig feststellen.

Kasugamandala 1.jpg
20 Kasuga Mandara (Detail), 14. Jh.
Darstellung der Götter des Kasuga Schreins in kami-Form (suijaku), unterste Reihe, und darüber in Buddha-Form (honji). Die oberste Gottheit (ganz oben) wurde offenbar zwei Buddha-Gestalten, Shaka (re.) und Kannon (li.) zugeordnet.
14. Jh. Bildquelle: Victor Harris, Shintō (Tōkyō: Seikandō bunko, 2001), S. 167.

Das oben abgebildete Beispiel zeigt die Haupt- und Nebengötter des Schreins in Nara zusammen mit den ihnen entsprechenden Ur-Buddhas. Die vergleichsweise realistischen Figuren repräsentieren die Erscheinungsformen einer Gottheit als kami (suijaku [suijaku (jap.) 垂迹 wtl. kami-Spur (eines Buddha); buddh. Bezeichnung für → kami]), die darüber schwebenden Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)]-Figuren sind die jeweiligen buddhistischen Urformen (honji [honji (jap.) 本地 (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku]). Die Hauptgottheit des Schreins ist in der obersten Reihe zu erkennen. Sie ist hier lediglich als „Erster Schrein“ (Ichi-no-miya [Ichi-no-miya (jap.) 一宮 „Erster Schrein“; oberste Shintō-Schreine der früheren Provinzen Japans]) ausgewiesen, ihr Eigenname (Takemikazuchi [Takemikazuchi (jap.) 建御雷 Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt]) wird nicht genannt. Die Figur „Erster Schrein“ wird von zwei honji Buddhas flankiert, nämlich Shaka [Shaka (jap.) 釈迦 Buddha Shakyamuni, der historische Buddha; auch Shaka Nyorai] und Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt]. Direkt darunter — von der Mitte nach außen in abnehmender Rangfolge — erkennt man die Götter der weiteren Teilschreine von Kasuga (inklusive diverser Nebenschreine), jeweils mit den zuständigen Buddhas oder Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] darüber.

Im Mittelteil des Mandalas nimmt die realistische Abbildung des Kasuga Schreins den prominentesten Platz ein. Zwischen der Götterwelt und dem Schrein erkennt man den heiligen Berg Mikasa, auf dessen Gipfel, etwas herausvergrößert, ein Hirsch zu sehen ist (s. Abb. oben). Er ist Bote (o-tsukai [o-tsukai (jap.) お使い wtl. Bote; auch: Götterbote, häufig in Tiergestalt]) und Sinnbild des Kasuga Schreins. Unterhalb der Schreinanlage, teilweise von Wolken verdeckt, ist die Tempelanlage des Kōfuku-ji [Kōfuku-ji (jap.) 興福寺 Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara] zu sehen, von dem vor allem die Pagode zu erkennen ist. Der Kōfuku-ji fungierte zwar als eine Art Supervisor des Kasuga Schreins, auf den Mandalas wird diese Rolle aber unterschiedlich stark hervorgehoben.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Grapard 1992, S. 27–29.
  2. Die wichtigsten Auszüge der Legende sind in Grapard 1992, S. 26 in englischer Übersetzung wiedergegeben.
  3. Grapard 1992, S. 11.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Allan Grapard, The Protocol of the Gods: A Study of the Kasuga Cult in Japanese History. Berkeley und Los Angeles: University of California Press, 1992.
Victor Harris (Hg.), Shintō: The Sacred Art of Ancient Japan. London: The British Museum, 2001.
Inoue Nobutaka 井上 順孝, e.a. (Hg.), Shintō jiten 神道事典. Tokyo: Kōbundō, 1994.
Royall Tyler, The Miracles of the Kasuga Deity. New York: Columbia University Press, 1990.
Susan Tyler, The Cult of Kasuga Seen Through Its Art. Ann Arbor: Center for Japanese Studies, University of Michigan, 1992.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Kasuga7.jpg
    Bronzelaternen (tōrō) mit Familienwappen in der Form eines Wilden-Wein-Blattes
    Salvador Busquets Artigas, flickr, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
  2. ^ 
    Kasuga5.jpg
    Laternen (tōrō) in Seitengängen des Kasuga Taisha.
    Bohuslav Kotal, flickr, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
  3. ^ 
    Kasuga2.jpg
    Laternen (tōrō) des Kasuga Taisha. Die gold-glänzenden sind neueren Datums.
    Rómulo Rejón, flickr 2008.
  4. ^ 
    Kasuga1.jpg
    Metallene Laternen (tōrō) des Kasuga Taisha.
    Bildquelle: Matthias Scommoda, 2004, über Internet Archive.
  5. ^ 
    Kasuga6.jpg
    Die Laterne (tōrō) im Vordergrund hat ein Datum eingeschrieben: Enpō 4 (= 1676).
    Edo-Zeit, 1676. Mark Boucher, flickr, 2005.
  6. ^ 
    Kasuga lanterns3.jpg
    Der Hirsch als Symbol des Schreins ist auch auf vielen Laternen (tōrō) zu finden.
    Yamada Ryoko, flickr, 2005.
  7. ^ 
    Kasuga4.jpg
    Die Grundform ist gleich, doch jede Laterne (tōrō) ist ein Einzelstück.
    Owen Murray, flickr, 2007.
  8. ^ 
    Kasuga dark.jpg
    Viele Laternen (tōrō) haben einen Text in das Muster eingebaut, der Namen des Spenders und Datum der Spende enthält.
    Edo-Zeit, 1666. Bohuslav Kotal, flickr 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
  9. ^ 
    Kasuga lanterns1.jpg
    Beleuchtete Kasuga-Laterne (tōrō)
    Perrin Lindelauf, flickr, 2005.
  10. ^ 
    Kasuga lanterns2.jpg
    Kasuga-Laterne (tōrō) mit Chrysanthemen Motiv
    Bildquelle: unbekannt.
  11. ^ 
    Kasuga3.jpg
    Steinlaternen (tōrō) des Kasuga Schreins
    Roy Chan, flickr, 2008.
  1. ^ 
    Kasuga toro.jpg
    Steinlaternen (ishi tōrō) des Kasuga Taisha
    Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
  2. ^ 
    Kasuga reh.jpg
    Reh zwischen den Steinlaternen (tōrō) des Kasuga Taisha.
    Salvador Busquets Artigas, flickr, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
  3. ^ 
    Kasuga manto.jpg
    Als Vorbereitung für das Laternenfest werden die Steinlaternen (tōrō) mit Papier verklebt.
    Bildquelle: unbekannt.
  4. ^ 
    Kasuga.jpg
    Eingang zum innersten Bereich des Kasuga Schreins, normalerweise für die Öffentlichkeit gesperrt.
    Tabi Photo, 2011/12/4.
  5. ^ 
    Kasuga honden.jpg
    Die vier aneinander gefügten Schreingebäude für die Hauptgötter des Kasuga Taisha. Sie bilden den Grundtyp des sogenannten Kasuga-Stils, der in zahlreichen klein dimensionierten Schreinbauten Anwendung findet.
    Bildquelle: unbekannt.
  6. ^ 
    Kasuga hirschmandala.jpg
    Auf den Hirschen sind die Götter von Kashima und Katori zu sehen, die sich von der östlichen Kantō-Region auf den Weg zum Kasuga Schrein in Nara machen. Unter ihnen sind zwei Angehörige der Fujiwara Familie zu sehen, welche die Götter begleiteten und in Nara zu Priestern des Kasuga Schreins wurden. Die Legende erzählt genau genommen nur davon, dass Takemikazuchi, der Gott von Kashima, in den Jahren 766–68 auf diese Weise nach Nara übersiedelte, doch da der Kashima Schrein in der Nähe des Katori Schreins liegt und dessen Gottheit Futsunushi auch zu den Göttern des Kasuga Schreins zählt, war es für die mittelalterlichen Künstler offenbar logisch, dass sie die Reise gemeinsam antraten.
    Muromachi Zeit, 14. Jh. Nara National Museum.
  7. ^ 
    Kasuga hirsch.jpg
    Schrein-Mandala des Kasuga Taisha, der hier lediglich durch einen Hirsch, das Botentier der Kasuga-Götter, repräsentiert ist. Aus dem Sattel des Hirsches wächst ein Baum, dessen Zweige die fünf Hauptschreingötter verkörpern.
    Kamakura-Zeit, 14. Jh. Nara National Museum.
  8. ^ 
    Kasuga miya mandara.jpg
    Schreine von Kasuga Taisha mit den fünf Hauptgöttern in buddhistischer Gestalt (honji). Im Vordergrund steht die Pagoden des Kōfuku-ji.
    Kamakura-Zeit, 14. Jh. Bildquelle: Blätter zur japanischen Geschichte und Religion, Niels Gülberg, 2009.
  9. ^ 
    Kasugamandala 1.jpg
    Darstellung der Götter des Kasuga Schreins in kami-Form (suijaku), unterste Reihe, und darüber in Buddha-Form (honji). Die oberste Gottheit (ganz oben) wurde offenbar zwei Buddha-Gestalten, Shaka (re.) und Kannon (li.) zugeordnet.
    14. Jh. Bildquelle: Victor Harris, Shintō (Tōkyō: Seikandō bunko, 2001), S. 167.
  10. ^ 
    Kasugamandala 4.jpg
    Schreinmandala (mandara) des Kasuga Taisha.
    Kamakura-Zeit, 14. Jh. Bildquelle: Victor Harris, Shintō (Tōkyō: Seikandō bunko, 2001), S. 167.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Ame no Koyane 天児屋/天児屋根 ^ mytholog. Gottheit; Ahnengottheit der Fujiwara
  • Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
  • Bon^ Bon-Fest (Ahnenfest); in der Alltagssprache meist O-bon
  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • Fujiwara 藤原 ^ mächtigste Adelsfamilie im jap. Altertum
  • Futsunushi 経津主 ^ Mythologischer Schwertgott
  • Hachiman 八幡 ^ Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen
  • Heian 平安 ^ auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
  • Heijō-kyō 平城京 ^ urspr. Name der Stadt Nara; wtl. Stadt der Friedensburg
  • Himegami 比売神 ^ wtl. „göttliche Gemahlin oder Tochter“; oft anonymes weibl. Gegenstück zu einer männl. Schreingottheit
  • Hitachi 常陸 ^ Provinz Hitachi; eine der historischen Provinzen Japans, heute die Präfektur Ibaraki
  • honden 本殿 ^ Hauptgebäude eines Schreins
  • honji 本地 ^ (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku
  • Ichi-no-miya 一宮 ^ „Erster Schrein“; oberste Shintō-Schreine der früheren Provinzen Japans
  • Ise 伊勢 ^ vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū
  • Ise Jingū 伊勢神宮 ^ kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
  • Kamakura 鎌倉 ^ Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
  • Kannon 観音 ^ auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
  • Kasuga Taisha 春日大社 ^ Kasuga Schrein, Nara; ehemals Ahnenschrein der Fujiwara
  • Kōfuku-ji 興福寺 ^ Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara
  • maṇḍala (skt.) मण्डल ^ „Kreis“, schematische Darstellung der kosmischen Ordnung (jap. mandara 曼荼羅)
  • Mikasa-yama 御蓋山 ^ Heiliger Berg östlich von Nara, an dessen Fuß der Kasuga Taisha errichtet wurde; auch Kasuga-yama
  • Minamoto^ Kriegerfamilie, die 1185 eine neue Herrschaftsdynastie begründete: Kamakura Shōgunat, 1185–1333
  • Nakatomi 中臣 ^ Adelsgeschlecht der Antike
  • Nakatomi no Kamatari 中臣鎌足 ^ 614–669; Staatsmann und Ahnherr der Fujiwara
  • Nara 奈良 ^ Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō
  • o-tsukai お使い ^ wtl. Bote; auch: Götterbote, häufig in Tiergestalt
  • setsubun 節分 ^ „Trennung der Jahreszeiten“; trad. letzter Tag einer der vier Jahreszeiten; heute meist letzter Tag des Winters (3. Februar)
  • Shaka 釈迦 ^ Buddha Shakyamuni, der historische Buddha; auch Shaka Nyorai
  • shikinen sengū 式年遷宮 ^ periodische Schreinverlegung bzw. -erneuerung; zumeist, aber nicht nur, auf Ise bezogen
  • suijaku 垂迹 ^ wtl. kami-Spur (eines Buddha); buddh. Bezeichnung für → kami
  • Taika no Kaishin 大化改新 ^ „Reformen des großen Wandels“; politischer Umschwung unter Kaiser Kōtoku im Jahre 646; Zentralisierung des Landes und Sinisierung des Staatssystems
  • Taira^ Kriegerfamilie, die im 12. Jh. um die pol. Vorherrschaft in Japan kämpfte; auch Heike
  • Takemikazuchi 建御雷 ^ Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
  • Tōdaiji 東大寺 ^ Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel
  • tōrō 灯篭 ^ Laterne, meist Stein oder Metall
  • Wakamiya Jinja 若宮神社 ^ wtl. „Junger Schrein“; bedeutendster Nebenschrein des Kasuga Taisha, gegr. 1135; später entstandene Schreine dieses Namens finden sich in ganz Japan