Mythen/Goetter des Himmels/Mythentexte: Unterschied zwischen den Versionen

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| Japans klassische Mythentexte
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{{fl|D}}ie bekanntesten und bis heute wichtigsten Werke, die uns Auskunft über die ältes·ten japani·schen Mythen und Legen·den geben, sind zu·gleich die ältes·ten Zeug·nisse der ja·pa·ni·schen Li·te·ratur über·haupt: {{glossar:kojiki}} („Berichte alter Be·geben·hei·ten“, 712) und {{glossar:nihonshoki}} („Berichte über Japan“, 720, auch als ''Nihongi'' bekannt). Für beide zusammen hat sich der Ausdruck {{glossar:kiki}} eingebürgert.
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Die bekanntesten und bis heute wichtigsten Werke, die uns Auskunft über die ältesten japanischen Mythen und Legenden geben, sind zugleich die ältesten Zeugnisse der japanischen Literatur überhaupt: {{g|kojiki}} („Berichte alter Begebenheiten“, 712) und {{g|nihonshoki}} („Berichte über Japan“, 720, auch als {{g|Nihongi}} bekannt). Für beide zusammen hat sich der Ausdruck {{g|kiki}} eingebürgert.
  
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| Eine Seite aus der ''Nihon shoki'' Abschrift von Urabe Kanekata
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| Erste Seite aus der ''Nihon shoki'' Abschrift von Urabe Kanekata
| caption = Eine der ältesten frag·men·ta·rischen Ab·schrif·ten aus dem Jahr 1286. Neben dem Haupt·text finden sich zahl·reiche An·mer·kungen und An·gaben zur Lesung, die auf einer langen Tradition der „Textpflege“ inner·halb der kaiser·lichen Hof·ge·lehrten hin·deuten.
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| caption = Eine der ältesten fragmentarischen Abschriften aus dem Jahr 1286. Neben dem Haupttext finden sich zahlreiche Anmerkungen und Angaben zur Lesung, die auf einer langen Tradition der „Textpflege“ innerhalb der kaiserlichen Hofgelehrten hindeuten.
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Wie bei fast allen frühen Schrift·werken handelt es sich bei den ''kiki'' um staat·lich ge·förderte Mammut·unter·neh·mun·gen. Sie ent·standen im Auf·trag des kaiser·lichen Hofes und re·präsen·tieren daher die offi·zielle Sicht·weise der Ge·schichte des Lan·des und seiner Herrscher.  Beide Werke verstehen sich daher als historische Chroniken, doch werden sie von Berichten über das „Zeitalter der Götter“ eingeleitet, die man heute als Mythen klassifiziert. Man darf sich ''Kojiki'' und ''Nihon shoki'' also nicht als trockene Chroniken vor·stellen. Mythen, Legenden und penible Auf·zeichnungen gehen viel·mehr in·ein·ander über und ver·mischen sich.  
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Wie bei fast allen frühen Schriftwerken handelt es sich bei den ''kiki'' um staatlich geförderte Mammutunternehmungen. Sie entstanden im Auftrag des kaiserlichen Hofes und repräsentieren daher die offizielle Sichtweise der Geschichte des Landes und seiner Herrscher.  Beide Werke verstehen sich als historische Chroniken, doch werden sie von Berichten über das „Zeitalter der Götter“ eingeleitet, die man heute als Mythen klassifiziert. Man darf sich ''Kojiki'' und ''Nihon shoki'' also nicht als trockene Chroniken vorstellen. Mythen, Legenden und penible Aufzeichnungen gehen vielmehr ineinander über und vermischen sich.  
  
Die Er·zählung be·ginnt mit der Er·schaf·fung der Erde (bzw. der ja·panischen Inseln) und reicht beinahe bis zum Zeit·punkt der Ab·fassung (''Kojiki'' bis 628, ''Nihon shoki'' bis 697).  
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Die Erzählung beginnt mit der Erschaffung der Erde (bzw. der japanischen Inseln) und reicht beinahe bis zum Zeitpunkt der Abfassung (''Kojiki'' bis 628, ''Nihon shoki'' bis 697).  
Zahlreiche Gott·heiten, bzw. ihre Nach·kommen steigen im Laufe der Er·zählung auf die Erde herab und werden zu den Ahnen mensch·licher Familien. Wie sie sich von nicht-gött·lichen Menschen unter·scheiden, wird nicht be·schrieben. Ebenso wenig wie es eine Tren·nung zwischen Mythos und historischer Chronik gibt, gibt es eine markante Trenn·linie zwischen Göttern und Menschen. (Für eine genauere Inhalt·sangabe siehe das Kapitel Mythen, [[Mythen/Goetter des Himmels|Zeitalter der Götter]]).
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Zahlreiche Gottheiten steigen im Laufe der Erzählung auf die Erde herab und werden zu den Ahnen menschlicher Familien. Wie sie sich von nicht-göttlichen Menschen unterscheiden, wird nicht beschrieben. Ebenso wenig wie es eine klare Trennung zwischen Mythos und historischer Chronik gibt, gibt es eine markante Trennlinie zwischen Göttern und Menschen. Eine Zäsur stellt jedoch die Herrschaft des {{g|jinmutennou}} dar, welcher als erster Tennō gilt. Mit ihm endet das „Zeitalter der Götter“. Von seiner Herrschaft an wird die Geschichte in annalistischer Form dargestellt, d.h. mit genauen (wenn auch fiktiven) Kalenderdaten. (Für eine genauere Inhaltsangabe siehe das Kapitel Mythen, {{showTitel|Mythen/Goetter des Himmels}} und  {{showTitel|Mythen/Goetter der Erde}}).
  
 
== Schriftlicher Stil und inhaltliche Interessen ==
 
== Schriftlicher Stil und inhaltliche Interessen ==
  
Im Unterschied zu anderen Mytho·logien, z.B. der griechischen, zeigen beide Chroniken, vor allem aber das ''Nihon shoki'', eine große Be·dacht·nahme auf eine genaue Genealogie und auf die Datierung von Er·eig·nissen. Es sind dies Merk·male, die auch die spätere japanische Ge·schichts·schrei·bung aus·zeichnen und den Ein·fluss der chi·ne·sischen Ge·schichts·tradition wider·spiegeln. Dieser Ge·schichts·tradition, die zusammen mit der Schrift·lichkeit von China über·nommen wurde, ent·spricht es auch, dass wir sogar über die Autoren der Chroniken relativ gut informiert sind. Zugleich ver·deutlicht uns der Stil der Chroniken, dass wir es nicht mit der un·mittel·baren Nieder·schrift von Er·zähltem zu tun haben. Sowohl der Inhalt als auch die Art der Er·zählung sind vom Be·mühen be·stimmt, das damals noch ver·hältnis·mäßig junge ja·panische Staats·wesen zu legitimieren und zu stärken bzw. den Führungs·anspruch der {{Glossar:Tennou}}-Dynastie über dieses Staats·wesen zu begründen. Herman Ooms schreibt dazu:  
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Im Unterschied zu anderen Mythologien, z.B. der griechischen, zeigen beide Chroniken, vor allem aber das ''Nihon shoki'', eine große Bedachtnahme auf eine genaue Genealogie und auf die Datierung von Ereignissen. Es sind dies Merkmale, die auch die spätere japanische Geschichtsschreibung auszeichnen und den Einfluss der chinesischen Geschichtstradition widerspiegeln. Dieser Geschichtstradition, die zusammen mit der Schriftlichkeit von China übernommen wurde, entspricht es auch, dass wir sogar über die Autoren der Chroniken relativ gut informiert sind. Zugleich verdeutlicht uns der Stil der Chroniken, dass wir es nicht mit der unmittelbaren Niederschrift von Erzähltem zu tun haben. Sowohl der Inhalt als auch die Art der Erzählung sind vom Bemühen bestimmt, das damals noch verhältnismäßig junge japanische Staatswesen zu legitimieren und zu stärken bzw. den Führungsanspruch der {{g|Tennou}}-Dynastie über dieses Staatswesen zu begründen. {{g|oomsherman}} schreibt dazu:  
  
 
{{Zitat | quelle= Ooms 2008, S. 5; Ü.: B. Scheid |text=
 
{{Zitat | quelle= Ooms 2008, S. 5; Ü.: B. Scheid |text=
Es muss von Anfang an deutlich unterstrichen werden, dass unsere Kenntnisse der politischen Ent·wick·lungen im sechsten und siebenten Jahrhundert aus Quellen stammen, die von und für den Hof·adel geschrieben wurden. Die Texte, die Historiker als „Primär·quellen“ verwenden, sind daher selbst das Ergebnis einer spezifischen nar·ra·tiven Organisation.  Sie bestehen fast ausschließlich aus retro·spek·tiven Annalen, die in offiziellem Auftrag hergestellt wurden. [...] Trotz dieses offi·ziell·en Charakters sind es zugleich auch die Familien·chroniken der regierenden adeligen Häuser, sodass es schwierig ist, die vielfältigen darin eingebetteten Interessen zu entflechten. Individuen, Fraktionen, Verwandtschafts·gruppen, der Hof und der Staat – Instanzen, die nahezu untrennbar verwoben waren – beeinflussten die Herstellung von Fakten durch Datenselektion, Kontextualisierung, Euphemisierung, assoziative Verbindungen und Auslassungen [...]
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Es muss von Anfang an deutlich unterstrichen werden, dass unsere Kenntnisse der politischen Entwicklungen im sechsten und siebenten Jahrhundert aus Quellen stammen, die von und für den Hofadel geschrieben wurden. Die Texte, die Historiker als „Primärquellen“ verwenden, sind daher selbst das Ergebnis einer spezifischen narrativen Organisation.  Sie bestehen fast ausschließlich aus retrospektiven Annalen, die in offiziellem Auftrag hergestellt wurden. [...] Trotz dieses offiziellen Charakters sind es zugleich auch die Familienchroniken der regierenden adeligen Häuser, sodass es schwierig ist, die vielfältigen darin eingebetteten Interessen zu entflechten. Individuen, Fraktionen, Verwandtschaftsgruppen, der Hof und der Staat – Instanzen, die nahezu untrennbar verwoben waren – beeinflussten die Herstellung von Fakten durch Datenselektion, Kontextualisierung, Euphemisierung, assoziative Verbindungen und Auslassungen [...]
 
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Man sollte sich bei der Lektüre von ''Kojiki'' oder ''Nihon shoki'' also be·wusst sein, dass uns beide Werke keinen un·mittel·baren Blick auf die älteste Mytho·logie er·möglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vor·geschichtlichen Erzähl·traditionen blicken. Be·sonders das Vor·bild der chi·ne·sischen Geschichts·schreibung einer·seits und die In·teres·sens·lage der Tennō-Dynastie anderer·seits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen.
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Man sollte sich bei der Lektüre von ''Kojiki'' oder ''Nihon shoki'' also bewusst sein, dass uns beide Werke keinen unmittelbaren Blick auf die älteste Mythologie ermöglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vorgeschichtlichen Erzähltraditionen blicken. Besonders das Vorbild der chinesischen Geschichtsschreibung einerseits und die Interessenslage der Tennō-Dynastie andererseits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen.
  
Das be·deutet je·doch nicht, dass die mytho·logischen Er·zählungen aus·schließlich als ideo·logische Werk·zeuge zu verstehen sind. Zweifel·los ent·halten sie sehr viel „mytho·logisches All·gemein·gut“, also Er·zählungen, die tat·sächlich für das all·gemeine religiöse Welt·bild im damaligen Japan re·präsentativ sind. Der Ein·fluss oraler Traditionen lässt sich außer·dem in der Lyrik er·kennen und diese wird vor allem im ''Kojiki'' keines·wegs aus·gespart. Aus diesem Grund wird das ''Kojiki'' oft als der „ur·sprüng·lichere“ Text angesehen. Anderer·seits bietet das ''Nihon shoki'' zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Ver·ständ·nis der großen Handlungs·zusammen·hänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, wider·sprüchliche Erzähl·traditionen gegeben haben muss, und damit in gewisser Weise einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht.
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Das bedeutet jedoch nicht, dass die mythologischen Erzählungen ausschließlich als ideologische Werkzeuge zu verstehen sind. Zweifellos enthalten sie sehr viel „mythologisches Allgemeingut“, also Erzählungen, die tatsächlich für das allgemeine religiöse Weltbild im damaligen Japan repräsentativ sind. Der Einfluss oraler Traditionen lässt sich außerdem in der Lyrik erkennen und diese wird vor allem im ''Kojiki'' ausgibig zitiert. Aus diesem Grund wird das ''Kojiki'' oft als der „ursprünglichere“ Text angesehen. Andererseits bietet das ''Nihon shoki'' zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Verständnis der großen Handlungszusammenhänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, widersprüchliche Erzähltraditionen gegeben haben muss, und damit in gewisser Weise einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht.
  
Als historische Quelle betrachtet, ist das ''Kojiki'' im Ver·gleich zum ''Nihon shoki'' un·genauer, auch werden Fest·land·kon·takte kaum und der Bud·dhis·mus gar nicht erwähnt. Offen·bar wurden diese Themen bewusst aus·ge·klammert. Das ''Nihon shoki'' ist dagegen stärker von chi·ne·sischen Ge·schichts·werken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere ja·pa·nische Forschung sieht den Unter·schied der beiden Chroniken als Re·flexion von zwei unter·schiedlichen Haltungen gegen·über China an, die zur da·maligen Zeit wahr·scheinlich gleich·zeitig vor·handen waren: Im Fall des ''Kojiki'' ein Negieren des Vor·bild·charakters von China und ein be·wusster Versuch, au·toch·thone Traditionen soweit als möglich zu be·wahren. Dies drückt sich sowohl auf sprach·licher Ebene (weniger An·leihen aus dem Chi·ne·sischen), als auch auf in·halt·licher Ebene (Aus·klammern aus·lands·bezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vor·bild an·zu·erkennen, aber ihm als gleich·rangiger Partner gegen·über zu treten (''Nihon shoki''). Daher ist das ''Nihon shoki'' stilistisch näher bei chi·ne·sischen Ge·schichts·werken, betont aber dennoch (im Unter·schied zu ver·gleich·baren chi·ne·sischen Werken) den mytho·logischen Ursprung des Landes und seiner Herrscher.  
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Als historische Quelle betrachtet, ist das ''Kojiki'' im Vergleich zum ''Nihon shoki'' ungenauer, auch werden Festlandkontakte kaum und der Buddhismus gar nicht erwähnt. Offenbar wurden diese Themen bewusst ausgeklammert. Das ''Nihon shoki'' ist dagegen stärker von chinesischen Geschichtswerken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere japanische Forschung sieht den Unterschied der beiden Chroniken als Reflexion von zwei unterschiedlichen Haltungen gegenüber China an, die zur damaligen Zeit wahrscheinlich gleichzeitig vorhanden waren: Im Fall des ''Kojiki'' ein Negieren des Vorbildcharakters von China und ein bewusster Versuch, autochthone Traditionen soweit als möglich zu bewahren. Dies drückt sich sowohl auf sprachlicher Ebene (weniger Anleihen aus dem Chinesischen), als auch auf inhaltlicher Ebene (Ausklammern auslandsbezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vorbild anzuerkennen, aber ihm als gleichrangiger Partner gegenüber zu treten (''Nihon shoki''). Daher ist das ''Nihon shoki'' stilistisch näher bei chinesischen Geschichtswerken, betont aber den von China vollkommen unberührten mythologischen Ursprung Japans und seiner Herrscher.
  
 
==Philologische Aufarbeitung==
 
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Was die ''kiki''-Texte bis heute zu einem unerschöpflichen Reservoir neuer Forschungen und Inter·pre·tationen macht, ist die Tat·sache, dass man in vielen Fällen weder die genaue Aus·sprache noch die genaue Be·deutung einzelner Begriffe kennt. Das liegt vor allem an der damals noch nicht standardisierten Ver·wendung der chinesischen Schrift·zeichen, die teils als Sinn·geber (also wie heute zur Wieder·gabe eines ganzen Be·griffes), teils als Laut·träger (zur laut·lichen Wieder·gabe japanischer Silben, ähnlich den modernen {{g|kana}}-Zeichen) verwendet wurden.
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Was die {{g|kiki}}-Texte bis heute zu einem unerschöpflichen Reservoir neuer Forschungen und Interpretationen macht, ist die Tatsache, dass man in vielen Fällen weder die genaue Aussprache noch die genaue Bedeutung einzelner Begriffe kennt. Das liegt vor allem an der damals noch nicht standardisierten Verwendung der chinesischen Schriftzeichen, die teils als Sinngeber (also wie heute zur Wiedergabe eines ganzen Begriffes), teils als Lautträger (zur lautlichen Wiedergabe japanischer Silben, ähnlich den modernen {{g|kana}}-Zeichen) verwendet wurden.
  
Erst seit dem 17. Jh. gibt es systematische Bemühungen, eine all·ge·mein·gültige Lesart der ''kiki'' zu re·konstruieren und diese der All·gemein·heit zu·gänglich zu machen. Davor wurden die alten Chroniken Jahr·hunderte lang inner·halb weniger Priester- und Ge·lehrten·dynastien geheim weiter gegeben. Selbst wenn Außen·stehende sie zu Gesicht be·kamen, wussten sie damit nichts an·zu·fangen. Interessanter·weise wurde dem ''Nihon shoki'' durch viele Jahr·hunderte hin·durch die größere Bedeutung bei·ge·messen. Erst durch die Wirkung des Gelehrten {{glossar:motoorinorinaga}} (1730–1801), dem wichtigsten Repräsentanten der {{glossar:edo}}-zeitlichen {{glossar:kokugaku}} (wtl. „Nationale Lehre“, s. Kapitel Geschichte, [[Geschichte/Kokugaku|Kokugaku]]) erhielt das ''Kojiki'' eine Aufwertung.
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Erst seit dem 17. Jahrhundert gibt es systematische Bemühungen, eine allgemeingültige Lesart der ''kiki'' zu rekonstruieren und diese der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Davor wurden die alten Chroniken Jahrhunderte lang innerhalb weniger Priester- und Gelehrtendynastien geheim weiter gegeben. Selbst wenn Außenstehende sie zu Gesicht bekamen, wussten sie damit nichts anzufangen. Interessanterweise wurde dem ''Nihon shoki'' durch viele Jahrhunderte hindurch die größere Bedeutung beigemessen. Erst durch die Wirkung des Gelehrten {{g|motoorinorinaga}} (1730–1801), dem wichtigsten Repräsentanten der {{g|edo}}-zeitlichen {{g|kokugaku}} (wtl. „Nationale Lehre“, s. Kapitel Geschichte, {{showTitel|Geschichte/Kokugaku}}) erhielt das ''Kojiki'' eine Aufwertung.
  
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Im Westen erhielt die Mythologie zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur große Aufmerksamkeit. Die ersten Übersetzungen von ''Kojiki'' und ''Nihon shoki'' entstanden bereits Ende des 19. Jahrhundert in Japan, wo Pioniere wie {{g|Chamberlainbasilhall}}, {{g|astonwilliamgeorge}} oder {{g|Florenzkarl}} sowohl untereinander als auch mit Kokugaku-Gelehrten in regem Austausch standen. Noch heute gelten die Übersetzungen dieser Gelehrten als Standardwerke. 
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* [[Mythen/Goetter_des_Himmels|Götter des Himmels]]
 
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Im Westen erhielt die Mythologie zu Beginn der wissen·schaftlichen Aus·einan·der·setzung mit der japanischen Kultur im 19. Jh. große Auf·merk·sam·keit. Noch heute gelten {{g|astonwilliamgeorge|Astons}} Über·setzung des ''Nihon shoki'' von 1896 und {{g|Chamberlainbasilhall|Chamberlains}} Über·setzung des ''Kojiki'' als Standardwerke:
 
 
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Seither sind andere Themen in den Vordergrund ge·treten. Nach dem 2. WK hat sich der all·ge·meine Trend in der Japanologie immer mehr hin zur Gegen·wart verlagert. Geschichte und Religion stehen nicht mehr im Zentrum der wissen·schaftlichen Aus·einan·der·setzung und selbst inner·halb dieser Bereiche nimmt die Mytho·logie wiederum nur einen ge·ringen Stellen·wert ein. Dennoch gibt es mit der im Jahr 2000 ver·storbenen {{g|Naumannnelly |Nelly Naumann}} eine Expertin, deren Be·deutung weit über den deutschen Sprach·raum hin·aus·geht. Naumanns Thesen zur Mythologie finden sich neben zahlreichen Aufsätzen in:
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Seither sind andere Themen in den Vordergrund getreten. Nach dem 2. WK hat sich der allgemeine Trend in der Japanologie immer mehr hin zur Gegenwart verlagert. Geschichte und Religion stehen nicht mehr im Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und selbst innerhalb dieser Bereiche nimmt die Mythologie wiederum nur einen geringen Stellenwert ein. Dennoch gibt es mit der im Jahr 2000 verstorbenen {{gb|Naumannnelly |Nelly Naumann}} eine Expertin, deren Bedeutung weit über den deutschen Sprachraum hinausgeht. Naumanns Thesen zur Mythologie finden sich neben zahlreichen Aufsätzen in:
 
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* [http://www.uni-tuebingen.de/kultur-japans/ka/KiKi/KiKi.htm ''KiKi'' 記紀, ''Kojiki - Nihonshoki''], Klaus Antoni (dt.)<br/>Zusammenstellung von online-Textausgaben, Übersetzungen und Materialien.
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<!--* [https://web.archive.org/web/20110806055828/https://uni-tuebingen.de/kultur-japans/ka/KiKi/KiKi.htm ''KiKi'' 記紀, ''Kojiki - Nihonshoki''], Klaus Antoni (dt.)<br/>Zusammenstellung von online-Textausgaben, Übersetzungen und Materialien.-->
*[http://sunsite.berkeley.edu/jhti/Kojiki.html Kojiki (Ancient Records and Myths)], Delmer Brown (en.)<br/>Einführender Artikel; Teil der Japanese Historical Text Initiative ''[http://sunsite.berkeley.edu/jhti/ JHTI]''.
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*[https://jhti.berkeley.edu/Kojiki.html Kojiki (Ancient Records and Myths)], Delmer Brown (en.)<br/>Einführender Artikel; Teil der Japanese Historical Text Initiative ''[https://jhti.berkeley.edu/ JHTI]''.
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Aktuelle Version vom 22. Oktober 2024, 12:58 Uhr

Japans klassische Mythentexte

Die bekanntesten und bis heute wichtigsten Werke, die uns Auskunft über die ältesten japanischen Mythen und Legenden geben, sind zugleich die ältesten Zeugnisse der japanischen Literatur überhaupt: Kojiki [Kojiki (jap.) 古事記 „Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)] („Berichte alter Begebenheiten“, 712) und Nihon shoki [Nihon shoki (jap.) 日本書紀 Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)] („Berichte über Japan“, 720, auch als Nihongi [Nihongi (jap.) 日本記 Kurzbezeichnung für Nihon shoki] bekannt). Für beide zusammen hat sich der Ausdruck kiki [kiki (jap.) 記紀 Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)] eingebürgert.

Nihonshoki kanekata.jpg
1 Erste Seite aus der Nihon shoki Abschrift von Urabe Kanekata
Bei diesem Manuskript handelt es sich um eine der ältesten fragmentarischen Abschriften des Nihon shoki aus dem Jahr 1286 durch den Priester und Hofgelehrten Urabe Kanekata. Neben dem Haupttext finden sich zahlreiche Anmerkungen und Angaben zur Lesung, die auf eine lange Tradition der „Textpflege“ innerhalb der kaiserlichen Hofgelehrten hindeuten.
Werk von Urabe Kanekata. Kamakura-Zeit, 1286. e-kokuhō.
Eine der ältesten fragmentarischen Abschriften aus dem Jahr 1286. Neben dem Haupttext finden sich zahlreiche Anmerkungen und Angaben zur Lesung, die auf einer langen Tradition der „Textpflege“ innerhalb der kaiserlichen Hofgelehrten hindeuten.

Wie bei fast allen frühen Schriftwerken handelt es sich bei den kiki um staatlich geförderte Mammutunternehmungen. Sie entstanden im Auftrag des kaiserlichen Hofes und repräsentieren daher die offizielle Sichtweise der Geschichte des Landes und seiner Herrscher. Beide Werke verstehen sich als historische Chroniken, doch werden sie von Berichten über das „Zeitalter der Götter“ eingeleitet, die man heute als Mythen klassifiziert. Man darf sich Kojiki und Nihon shoki also nicht als trockene Chroniken vorstellen. Mythen, Legenden und penible Aufzeichnungen gehen vielmehr ineinander über und vermischen sich.

Die Erzählung beginnt mit der Erschaffung der Erde (bzw. der japanischen Inseln) und reicht beinahe bis zum Zeitpunkt der Abfassung (Kojiki bis 628, Nihon shoki bis 697). Zahlreiche Gottheiten steigen im Laufe der Erzählung auf die Erde herab und werden zu den Ahnen menschlicher Familien. Wie sie sich von nicht-göttlichen Menschen unterscheiden, wird nicht beschrieben. Ebenso wenig wie es eine klare Trennung zwischen Mythos und historischer Chronik gibt, gibt es eine markante Trennlinie zwischen Göttern und Menschen. Eine Zäsur stellt jedoch die Herrschaft des Jinmu Tennō [Jinmu Tennō (jap.) 神武天皇 wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)] dar, welcher als erster Tennō gilt. Mit ihm endet das „Zeitalter der Götter“. Von seiner Herrschaft an wird die Geschichte in annalistischer Form dargestellt, d.h. mit genauen (wenn auch fiktiven) Kalenderdaten. (Für eine genauere Inhaltsangabe siehe das Kapitel Mythen, Die Götter des Himmels (Zeitalter der Götter, Teil 1) und Die Götter der Erde (Zeitalter der Götter, Teil 2)).

Schriftlicher Stil und inhaltliche Interessen

Im Unterschied zu anderen Mythologien, z.B. der griechischen, zeigen beide Chroniken, vor allem aber das Nihon shoki, eine große Bedachtnahme auf eine genaue Genealogie und auf die Datierung von Ereignissen. Es sind dies Merkmale, die auch die spätere japanische Geschichtsschreibung auszeichnen und den Einfluss der chinesischen Geschichtstradition widerspiegeln. Dieser Geschichtstradition, die zusammen mit der Schriftlichkeit von China übernommen wurde, entspricht es auch, dass wir sogar über die Autoren der Chroniken relativ gut informiert sind. Zugleich verdeutlicht uns der Stil der Chroniken, dass wir es nicht mit der unmittelbaren Niederschrift von Erzähltem zu tun haben. Sowohl der Inhalt als auch die Art der Erzählung sind vom Bemühen bestimmt, das damals noch verhältnismäßig junge japanische Staatswesen zu legitimieren und zu stärken bzw. den Führungsanspruch der Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]-Dynastie über dieses Staatswesen zu begründen. Herman Ooms [Ooms, Herman (west.) 1937–2023; belgisch-amerikanischer Japanologe, lehrte u.a. an der University of California, Los Angeles] schreibt dazu:

Es muss von Anfang an deutlich unterstrichen werden, dass unsere Kenntnisse der politischen Entwicklungen im sechsten und siebenten Jahrhundert aus Quellen stammen, die von und für den Hofadel geschrieben wurden. Die Texte, die Historiker als „Primärquellen“ verwenden, sind daher selbst das Ergebnis einer spezifischen narrativen Organisation. Sie bestehen fast ausschließlich aus retrospektiven Annalen, die in offiziellem Auftrag hergestellt wurden. [...] Trotz dieses offiziellen Charakters sind es zugleich auch die Familienchroniken der regierenden adeligen Häuser, sodass es schwierig ist, die vielfältigen darin eingebetteten Interessen zu entflechten. Individuen, Fraktionen, Verwandtschaftsgruppen, der Hof und der Staat – Instanzen, die nahezu untrennbar verwoben waren – beeinflussten die Herstellung von Fakten durch Datenselektion, Kontextualisierung, Euphemisierung, assoziative Verbindungen und Auslassungen [...]

Ooms 2008, S. 5; Ü.: B. Scheid

Man sollte sich bei der Lektüre von Kojiki oder Nihon shoki also bewusst sein, dass uns beide Werke keinen unmittelbaren Blick auf die älteste Mythologie ermöglichen, sondern dass wir durch verschiedene Filter auf die vorgeschichtlichen Erzähltraditionen blicken. Besonders das Vorbild der chinesischen Geschichtsschreibung einerseits und die Interessenslage der Tennō-Dynastie andererseits sind solche Filter, die die Chroniken sowohl stilistisch als auch inhaltlich prägen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die mythologischen Erzählungen ausschließlich als ideologische Werkzeuge zu verstehen sind. Zweifellos enthalten sie sehr viel „mythologisches Allgemeingut“, also Erzählungen, die tatsächlich für das allgemeine religiöse Weltbild im damaligen Japan repräsentativ sind. Der Einfluss oraler Traditionen lässt sich außerdem in der Lyrik erkennen und diese wird vor allem im Kojiki ausgibig zitiert. Aus diesem Grund wird das Kojiki oft als der „ursprünglichere“ Text angesehen. Andererseits bietet das Nihon shoki zu vielen Episoden gleich mehrere Varianten an, was das Verständnis der großen Handlungszusammenhänge zwar erschwert, zugleich aber auch zeigt, dass es zu einem Thema oft mehrere, widersprüchliche Erzähltraditionen gegeben haben muss, und damit in gewisser Weise einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht.

Als historische Quelle betrachtet, ist das Kojiki im Vergleich zum Nihon shoki ungenauer, auch werden Festlandkontakte kaum und der Buddhismus gar nicht erwähnt. Offenbar wurden diese Themen bewusst ausgeklammert. Das Nihon shoki ist dagegen stärker von chinesischen Geschichtswerken beeinflusst, z.T. wird daraus sogar zitiert. Die neuere japanische Forschung sieht den Unterschied der beiden Chroniken als Reflexion von zwei unterschiedlichen Haltungen gegenüber China an, die zur damaligen Zeit wahrscheinlich gleichzeitig vorhanden waren: Im Fall des Kojiki ein Negieren des Vorbildcharakters von China und ein bewusster Versuch, autochthone Traditionen soweit als möglich zu bewahren. Dies drückt sich sowohl auf sprachlicher Ebene (weniger Anleihen aus dem Chinesischen), als auch auf inhaltlicher Ebene (Ausklammern auslandsbezogener Themen) aus. Zum anderen der Versuch, China zwar als Vorbild anzuerkennen, aber ihm als gleichrangiger Partner gegenüber zu treten (Nihon shoki). Daher ist das Nihon shoki stilistisch näher bei chinesischen Geschichtswerken, betont aber den von China vollkommen unberührten mythologischen Ursprung Japans und seiner Herrscher.

Philologische Aufarbeitung

Kojikiden.jpg
2 Norinagas Kojiki
Erstes Blatt einer frühen, Edo-zeitlichen Druckversion des Kojiki mit handschriftlichen Notizen von Motoori Norinaga.
Werk von Motoori Norinaga. Edo-Zeit. Museum of Motoori Norinaga.

Was die kiki [kiki (jap.) 記紀 Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)]-Texte bis heute zu einem unerschöpflichen Reservoir neuer Forschungen und Interpretationen macht, ist die Tatsache, dass man in vielen Fällen weder die genaue Aussprache noch die genaue Bedeutung einzelner Begriffe kennt. Das liegt vor allem an der damals noch nicht standardisierten Verwendung der chinesischen Schriftzeichen, die teils als Sinngeber (also wie heute zur Wiedergabe eines ganzen Begriffes), teils als Lautträger (zur lautlichen Wiedergabe japanischer Silben, ähnlich den modernen kana [kana (jap.) 2 japanische Silbenalphabete: hiragana (ひらがな) und katakana (カタカナ); bestehend aus 46 Zeichen]-Zeichen) verwendet wurden.

Erst seit dem 17. Jahrhundert gibt es systematische Bemühungen, eine allgemeingültige Lesart der kiki zu rekonstruieren und diese der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Davor wurden die alten Chroniken Jahrhunderte lang innerhalb weniger Priester- und Gelehrtendynastien geheim weiter gegeben. Selbst wenn Außenstehende sie zu Gesicht bekamen, wussten sie damit nichts anzufangen. Interessanterweise wurde dem Nihon shoki durch viele Jahrhunderte hindurch die größere Bedeutung beigemessen. Erst durch die Wirkung des Gelehrten Motoori Norinaga [Motoori Norinaga (jap.) 本居宣長 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)] (1730–1801), dem wichtigsten Repräsentanten der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-zeitlichen kokugaku [kokugaku (jap.) 国学 „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete] (wtl. „Nationale Lehre“, s. Kapitel Geschichte, Kokugaku: Back to the roots) erhielt das Kojiki eine Aufwertung.

Im Westen erhielt die Mythologie zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur große Aufmerksamkeit. Die ersten Übersetzungen von Kojiki und Nihon shoki entstanden bereits Ende des 19. Jahrhundert in Japan, wo Pioniere wie Basil Hall Chamberlain [Chamberlain, Basil Hall (west.) 1850–1935, brit. Pionier der Japanforschung], William George Aston [Aston, William George (west.) 1841–1911; brit. Diplomat und Pionier der Japanologie; Übersetzer des Nihon shoki] oder Karl Florenz [Florenz, Karl (west.) 1865–1939; Pionier der deutschen Japanforschung] sowohl untereinander als auch mit Kokugaku-Gelehrten in regem Austausch standen. Noch heute gelten die Übersetzungen dieser Gelehrten als Standardwerke.

Verweise

Verwandte Themen

Internetquellen

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Literatur

Siehe auch Literaturliste

William George Aston (Ü.), Nihongi: Chronicles of Japan from the Earliest Times to A.D. 697. Rutland, Vt: Tuttle, 1972. (Online.) [Erste Ausgabe: London 1896.]
Basil Hall Chamberlain (Ü.), Kojiki: Records of Ancient Matters. Tokyo: Tuttle, 1981. (Online.) [Erste Auflage 1919, basierend auf einer ersten Übersetzung aus dem Jahr 1883.]
Karl Florenz (Ü.), Japanische Mythologie: Nihongi, „Zeitalter der Götter“, nebst Ergänzungen aus anderen alten Quellenwerken. Tokyo: Hobunsha, 1901. (Online.) [Supplement der „Mittheilungen“ der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens.]
Karl Florenz (Ü.), Die historischen Quellen der Shinto-Religion. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1919. [Übersetzungen von Kojiki und Nihon shoki (in Auszügen) sowie Kogo shūi (ganz).]

Seither sind andere Themen in den Vordergrund getreten. Nach dem 2. WK hat sich der allgemeine Trend in der Japanologie immer mehr hin zur Gegenwart verlagert. Geschichte und Religion stehen nicht mehr im Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und selbst innerhalb dieser Bereiche nimmt die Mythologie wiederum nur einen geringen Stellenwert ein. Dennoch gibt es mit der im Jahr 2000 verstorbenen Nelly Naumann eine Expertin, deren Bedeutung weit über den deutschen Sprachraum hinausgeht. Naumanns Thesen zur Mythologie finden sich neben zahlreichen Aufsätzen in:

Nelly Naumann, Die einheimische Religion Japans, Teil 1: Bis zum Ende der Heian Zeit. Leiden: Brill, 1988.
Nelly Naumann, Die Mythen des alten Japan. München: Beck, 1996.

Im deutschen Sprachraum wurden Naumanns Forschungen u.a. von Klaus Antoni weitergeführt. S. z.B.:

Klaus Antoni, Der weiße Hase von Inaba: Vom Mythos zum Märchen. Analyse eines japanischen "Mythos der ewigen Wiederkehr" vor dem Hintergrund altchinesischen und zirkumpazifischen Denkens. Wiesbaden: Steiner, 1982. (Online.)
Klaus Antoni, Miwa - Der Heilige Trank: Zur Geschichte und religiösen Bedeutung des alkoholischen Getränkes (sake) in Japan. Wiesbaden: Steiner, 1988. (Online.)
Klaus Antoni (Ü.), Kojiki: Aufzeichnungen alter Begebenheiten. Berlin: Verlag der Weltreligionen (Insel Verlag), 2012. [Mit einer begleitenden Studie und ausführlichen Text-Anmerkungen.]

Zum geschichtlichen Hintergrund zur Zeit der Abfassung der Mythen:

Herman Ooms, Imperial Politics and Symbolism in Ancient Japan: The Tenmu Dynasty, 650–800. Honolulu: University of Hawaii Press, 2008.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Nihonshoki kanekata.jpg
    Bei diesem Manuskript handelt es sich um eine der ältesten fragmentarischen Abschriften des Nihon shoki aus dem Jahr 1286 durch den Priester und Hofgelehrten Urabe Kanekata. Neben dem Haupttext finden sich zahlreiche Anmerkungen und Angaben zur Lesung, die auf eine lange Tradition der „Textpflege“ innerhalb der kaiserlichen Hofgelehrten hindeuten.
    Werk von Urabe Kanekata. Kamakura-Zeit, 1286. e-kokuhō.
  1. ^ 
    Kojikiden.jpg
    Erstes Blatt einer frühen, Edo-zeitlichen Druckversion des Kojiki mit handschriftlichen Notizen von Motoori Norinaga.
    Werk von Motoori Norinaga. Edo-Zeit. Museum of Motoori Norinaga.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Aston, William George (west.) ^ 1841–1911; brit. Diplomat und Pionier der Japanologie; Übersetzer des Nihon shoki
  • Chamberlain, Basil Hall (west.) ^ 1850–1935, brit. Pionier der Japanforschung
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • Florenz, Karl (west.) ^ 1865–1939; Pionier der deutschen Japanforschung
  • Jinmu Tennō 神武天皇 ^ wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)
  • kana ^ 2 japanische Silbenalphabete: hiragana (ひらがな) und katakana (カタカナ); bestehend aus 46 Zeichen
  • kiki 記紀 ^ Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)
  • Kojiki 古事記 ^ „Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)
  • kokugaku 国学 ^ „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
  • Motoori Norinaga 本居宣長 ^ 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)
  • Nihongi 日本記 ^ Kurzbezeichnung für Nihon shoki
  • Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
  • Ooms, Herman (west.) ^ 1937–2023; belgisch-amerikanischer Japanologe, lehrte u.a. an der University of California, Los Angeles
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels