Ikonographie/Myoo/Fudo: Unterschied zwischen den Versionen

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Fudō Myōō besitzt im Unterschied zu den meisten anderen ''myōō'' kein drittes Auge oder sonstige paranormale anatomische Eigenheiten. In vielen Fällen ist sein Gesicht allerdings von einer erstaunlichen Asymmetrie gekennzeichnet: Aus dem rechten Mundwinkel ragt ein Eckzahn nach oben, aus dem linken ein Eckzahn nach unten; sein rechtes Auge ist weit offen, das linke halb geschlossen. Bemerkenswert ist auch sein Zopf, der ihm über die linke Schulter hängt.
  
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{{fl|F}}{{glossar:fudoumyouou|udō}} ist der einzige unter den eso·teri·schen „{{skt:mantra}}-Königen“ ({{glossar:myouou}}), der auch im modernen Japan all·gemein bekannt und populär ist. Bei genau·erem Hin·sehen erkennt man, dass die furcht·er·regen·den Züge an·derer ''myōō'' bei Fudō meist ab·ge·schwächt sind. Er wirkt eher streng als zornig und besitzt im übrigen kein drittes Auge oder andere paranormale ana·tomi·sche Eigen·heiten. In vielen Fällen ist sein Gesicht allerdings von einer erstaun·lichen Asym·metrie ge·kenn·zeichnet: aus dem rechten Mund·winkel ragt ein Eck·zahn nach oben, aus dem linken ein Eckzahn nach unten; sein rechtes Auge ist weit offen, das linke halb ge·schlos·sen (s. Abb. unten). Be·mer·kens·wert ist auch sein Zopf, der ihm meist über die linke Schulter hängt.  
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Daneben existiert auch ein Fudō, der sich mit den Oberzähnen auf die Unterlippe beißt. Diese Ikonographie dürfte die ursprüngliche sein, da sie sich auch bei anderen zornvollen Gottheiten, sowie bei {{s|Acala}}-Darstellungen außerhalb Japans findet (s.u.). Sie wird auch als „Daishi-Stil“ bezeichnet, wobei sich Daishi auf {{g|kouboudaishi}}, also auf {{g|kuukai}}, den Begründer des {{g|Shingonshuu|Shingon}}-Buddhismus, bezieht. Kūkai dürfte sich Fudō somit nicht mit schiefen Eckzähnen, sondern mit verbissenem Mund vorgestellt haben.
  
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Da·neben existiert auch ein Fudō, der sich mit den Ober·zähnen auf die Unter·lippe beißt. Diese Ikono·graphie dürfte die ur·sprüng·liche sein, da sie sich auch bei anderen zorn·vollen Gott·heiten, sowie bei Acala-Dar·stel·lun·gen außer·halb Japans findet (s.u.). Sie wird auch als „Daishi-Stil“ bezeichnet, wobei sich Daishi auf {{glossar:kouboudaishi}}, also den Be·grün·der des {{g|Shingonshuu|Shingon}}-Buddhis·mus, bezieht.
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Die eigentümliche Ikonographie des asymmetrischen Fudō ist vor allem in Japan verbreitet, lässt sich aber auf {{g|Yixing}}, einen chinesischen Patriarchen des Shingon Buddhismus zurückführen. Dieser beschrieb Fudō in seinem Kommentar zum  {{g|Dainichikyou}} folgendermaßen:
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Er besitzt die Gestalt eines Kindes. In der rechten Hand hält er das Siegel des Schwerts der Weisheit, in der Linken ein Lasso. Das Haar seines Kopfes ist zu einem Zopf geflochten, der ihm über die linke Schulter fällt. Sein linkes Auge ist halb geschlossen. Seine Zähne stehen hervor, sodass er sich rechtsseitig auf die Oberlippe, linksseitig auf die Unterlippe beißt. Die Stirn ist wellenförmig gefurcht. Er sitzt auf einem Felsen. Sein Leib ist jugendlich und fett. Er wirkt in höchstem Maße zornig.<!--
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Aus dem ''Dainichikyō sho'', einem Kommentar zum {{gb|Dainichikyou}} erstellt zwischen 724 und 727 von Yixing (683–727). In weiterer Folge werden den aufgezählten Eigenschaften präzise symbolische Bedeutungen zugeschrieben (nach Sawa Ryūken, ''Mikkyō daijiten'', S. 1955; für ein ähnliches Zitat aus dem ''Dainichi-kyō'' s. Kreiner und Steineck 2008, S. 15–16).
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Das ''Dainichi-kyō'' wurde 724 ins Chinesische übertragen und beruht entweder auf einem (verlorenen) indischen Original oder auf einer Zusammenfassung mehrerer Texte des indischen esoterischen Buddhismus durch die Übersetzer Śubhakarasiṃha und Yixing (Digital Dictionary of Buddhism). Es zählt zu den zentralen Texten der {{gb|shingonshuu}}.
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Die besonderen Zähne des japanischen Fudō stammen also aus kanonischen Quellen, die sich zumindest bis nach China zurück verfolgen lassen, doch scheinen sie sich erst nach und nach gegenüber dem Daishi-Typus durchgesetzt zu haben.
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Die eigen·tümliche Ikono·graphie des Fudō ist vor allem in Japan verbreitet, lässt sich aber auf das {{glossar:Dainichikyoo}} zurück·führen. Dort wird Fudō fol·gender·maßen beschreiben:
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Auf bildlichen Darstellungen wird Fudō außerdem häufig von (zwei oder acht) jugendlichen Begleitern ({{g|douji}}) umringt. Dieses Gefolge scheint eine japanische Innovation zu sein, die die starke Beziehung des japanischen Buddhismus zu diesem ''myōō'' unterstreicht. In den ältesten indischen Quellen wird Acala/Fudō lediglich als Bote oder Gefolgsmann eines Buddhas geschildert, im esoterischen Buddhismus Japans erhält er hingegen selbst ein Gefolge und wird in manchen Texten sogar als Personifizierung der Weisheit des {{g|Dainichinyorai}} interpretiert.
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Diese Bevorzugung geht möglicherweise auf die besondere Verehrung des Fudō durch den bereits erwähnten Schulgründer {{g|Kuukai}} zurück.
Ein Gesicht, zwei Arme, mit einem Schwert und einem Seil in den Händen, die Haare über die linke Schulter herab·fallend, mit zor·nigem Blick ruhig auf einem Fels sitzend, von lodern·den Flammen umgeben. Die Stirn zeigt wellen·förmige Furchen, der Körper ist rund wie der eines Kindes.<ref>
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Nach Tomoe Steineck, „Die Struktur des bild·lichen Aus·drucks im Geheimen Buddhis·mus.“ (Kreiner und Steineck 2008, S. 15–16.)
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==Volksreligion==
Das ''Dainichi-kyō'' lässt sich bis ins China des achten Jahr·hunderts zurück·ver·folgen und beruht entweder auf einem (verlorenen) indischen Original oder auf einer Zu·sammen·fassung mehrere Texte des indischen eso·teri·schen Buddhis·mus.
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Die typischen Merk·male des Fudō stammen also aus kano·nischen Quellen. Lediglich die asy·metri·schen Zähne stellen offen·bar eine japa·nische Inno·vation dar, die im übrigen an Japans ältester Fudō-Statue (s.o.) noch nicht zu erkennen ist. Auf bild·lichen Dar·stellun·gen wird Fudō außer·dem häufig von (zwei oder acht) jugend·lichen Begleitern ({{glossar:douji}}) umringt. Auch dieses Gefolge scheint eine japa·nische Innova·tion zu sein, die die starke Be·ziehung des japa·nischen Buddhis·mus zu diesem ''myōō'' unter·streicht. Diese Bevor·zugung  geht möglicher·weise auf die beson·dere Ver·ehrung des Fudō durch {{glossar:Kuukai}}, den Be·grün·der des for·mali·sier·ten {{glossar:mikkyou}}, zurück.  
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Fudō wird u.a. von den synkretistischen Bergasketen ({{g|yamabushi}}) besonders verehrt und gerne in den Mittelpunkt von Feuerriten ({{g|goma}}) gestellt. Daher findet man in den Zentren des ''yamabushi''-Kultes ({{g|shugendou}}) häufig Darstellungen des Fudō, mitunter auch als überdimensionale Felsskulpturen. Eines dieser Zentren befindet sich auf der Halbinsel {{g|kunisakihantou|Kunisaki}} in Kyūshū, wo z.B. ein „Fudō im Fluss“ anzutreffen ist.  
  
 
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Auch in den Tempeln der [[Alltag/Pilgerschaft/Shikoku|Shikoku-Pilgerroute]], die überwiegend dem Shingon Buddhismus angehören, ist Fudō in mannigfachen, oft (unfreiwillig?) komischen Varianten anzutreffen.
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==Fudō/Acala außerhalb Japans==
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Die obigen Abbildungen zeigen einen tibetischen {{s|acala}} (Fudō) aus dem zwölften bzw. dreizehnten Jahrhundert. Dieser Acala entspricht in Haltung und Gestus dem Grundtyp der zornvollen Gestalten des tibetischen {{s|tantra|Tantrismus}} (s.a. [[Ikonographie/Myoo/Vajrapani | Vajrapani]]), hat aber dennoch einige bemerkenswerte Gemeinsamkeiten mit dem japanischen Fudō, nämlich die dunkle Haut, das Schwert, ein Seil (allerdings verknotet mit einer Schlange) und die verbissene Unterlippe. Laut ''Himalayan Art'' war Acala vom elften bis zum dreizehnten Jahrhundert in der Himalaya Region populär. Später scheint er von anderen zornvollen Gestalten überfügelt worden zu sein.
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Aktuelle Version vom 24. August 2024, 16:26 Uhr

Portraits von Fudō Myōō

Fudō [Fudō Myōō (jap.) 不動明王 prominentester japanischer myōō (Mantra-König), wtl. „der Unbewegliche“] ist der einzige unter den esoterischen „mantra [mantra (skt.) मन्त्र Gebetsformel (jap. shingon 真言)]-Königen“ (myōō [myōō (jap.) 明王 wtl. Licht-König, auch „Mantra-König“ oder „Weisheits-König“; meist zornvoll dargestellte Schutzgottheit; skt. vidyaraja]), der auch im modernen Japan allgemein bekannt und populär ist. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die furchterregenden Züge anderer myōō bei Fudō meist abgeschwächt — oder unterentwickelt — sind. Er wirkt meist eher schlecht gelaunt als zornig. In manchen Texten wird sein Aussehen als „jugendlich und fett“ beschrieben.

Fudo tnm.jpg
1 Fudō Myōō mit schiefem Gesicht
Fudō Myōō (skt. Acala) stehend. Frühes Beispiel des „assymetrischen Typs“ mit schiefem Mund, assymmtrischen Eckzähnen und einem halb geschlossenen Auge. Die Statue ist — typisch für die Heian-Zeit — aus einem Stamm geschnitzt. Innen ist sie zwar ausgehöhlt, besitzt aber noch keine eingelegten Augen.
Heian-Zeit, 11. Jh. Bernhard Scheid, flickr, 2024.

Ikonographie

Fudō Myōō besitzt im Unterschied zu den meisten anderen myōō kein drittes Auge oder sonstige paranormale anatomische Eigenheiten. In vielen Fällen ist sein Gesicht allerdings von einer erstaunlichen Asymmetrie gekennzeichnet: Aus dem rechten Mundwinkel ragt ein Eckzahn nach oben, aus dem linken ein Eckzahn nach unten; sein rechtes Auge ist weit offen, das linke halb geschlossen. Bemerkenswert ist auch sein Zopf, der ihm über die linke Schulter hängt.

Fudo unkei.jpg
2
Fudō Myōō (skt. Acala) des Meisterbildhauers Unkei. „Asymmetrischer Typ“ mit schiefen Zähnen und asymmetrischen Augen, die hier aus Kristall angefertigt und nachträglich in die Statue eingefügt wurden.
Werk von Unkei (1150?–1224). Kamakura-Zeit, 1189. Bildquelle: unbekannt.
Fudo saidaiji.jpg
3
Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) des Saidai-ji in Nara.
Broschüre Saidaiji no bunka, Nara: Saidaiji. Abb. 73.
Fudō Portraits, asymmetrischer Typ

Daneben existiert auch ein Fudō, der sich mit den Oberzähnen auf die Unterlippe beißt. Diese Ikonographie dürfte die ursprüngliche sein, da sie sich auch bei anderen zornvollen Gottheiten, sowie bei Acala [Acala (skt.) अचल „Unbeweglich“, Beinamen des in Japan wichtigsten Mantra-Königs (jap. Fudō 不動)]-Darstellungen außerhalb Japans findet (s.u.). Sie wird auch als „Daishi-Stil“ bezeichnet, wobei sich Daishi auf Kōbō Daishi [Kōbō Daishi (jap.) 弘法大師 Ehrentitel von Kūkai], also auf Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi], den Begründer des Shingon [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan]-Buddhismus, bezieht. Kūkai dürfte sich Fudō somit nicht mit schiefen Eckzähnen, sondern mit verbissenem Mund vorgestellt haben.

Fudo toji.jpg
4 Japans ältester Fudō, 839
Älteste erhaltene Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) Japans.
839. Tōji Kōdō Ritai Mandara.
Fudo daigoji detail.jpg
5 Fudō (Kaikei), 1203
Fudō Myōō (skt. Acala); man erkennt hier gut den „verbissenen Typ“, der sich fest auf die Unterlippe beißt.
Werk von Kaikei. 1203. Bildquelle: unbekannt.
Fudo tendai 10jh.jpg
6
Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) des Hanshū-in in Kyōto.
Heian-Zeit, 9. Jh. Saichō to tendai no kokuhō, 2005, Abb. 123 (Ausstellungskatalog von Schätzen des Tendai Buddhismus).
Fudo koya.jpg
7
Frühe Darstellung des Fudō Myōō (skt. Acala).
Heian-Zeit, 9. Jh. Kōyasan, Kōya: Kongobuji, 1998. S. 35.
Ältere Fudōs, verbissen (Daishi-Typ)
Fudo kongobuji.jpg
8
Fudō Myōō (skt. Acala) auf einem stilisierten, sanduhrförmigen Felsen sitzend. Rote Haare, schwarzblaue Haut. Schwert und Seil. Im Flammennimbus deuten sich Vogelköpfe an. Frühes Beispiel des „assymetrischen Typs“ mit schiefem Mund, assymmtrischen Eckzähnen und einem halb geschlossenen Auge. Gemessen an anderen Beispielen milder Gesichtsausdruck.
Heian-Zeit, 12. Jh. Kūkai mandara: Kōbō Daishi to Kōya-san (Katalog), Reihōkan 2006, S. 96, Abb. 38.
Fudo stehend.jpg
9
In dieser Darstellung aus der späten Heian-Zeit ist der Charakter eines trotzigen Kindes, der ja auch in den klassischen Beschreibungen angedeutet wird, gut zu erkennen.
Späte Heian-Zeit, 12. Jh. Metropolitan Museum, New York.
Fudō der späten Heian-Zeit
Fudo daigoji2.jpg
10 Kaikei, 1203
Fudō Myōō (skt. Acala) mit eingelegten Glasaugen. Werk von Kaikei, einem Repräsentanten der Kei-Schule.
Werk von Kaikei. 1203. Bildquelle: unbekannt.
Fudo kaikei 2b.jpg
11 Kaikei, undatiert
Fudō Myōō von Kaikei bzw. aus der Werkstatt der Kei-Schule. Stilistisch eng verwandt mit dem berühmten Fudō des Daigo-ji, der 1203 datiert ist. Besonders auffallend die hervorquellenden Augen, die aus Glas bestehen und innen in die Statue eingelegt wurden.
Werk von Kaikei. Kamakura-Zeit, frühes 13. Jh. Burke Collection.
Fudō von Kaikei, um 1200

Die eigentümliche Ikonographie des asymmetrischen Fudō ist vor allem in Japan verbreitet, lässt sich aber auf Yixing [Yixing (chin.) 一行 683–727; chin. Astronom, Erfinder und Mönch des esoterischen Buddhismus (mijiao), vor allem als Übersetzer des Mahāvairocana Sutra (Dainichi-kyō) und Autor des zugehörigen Kommentars (Dainichi-kyō sho) bekannt], einen chinesischen Patriarchen des Shingon Buddhismus zurückführen. Dieser beschrieb Fudō in seinem Kommentar zum Dainichi-kyō [Dainichi-kyō (jap.) 大日経 Dainichi Sutra; wichtiger Text des esoterischen Buddhismus; früheste bekannte Version aus China, 8. Jh.] folgendermaßen:

Er besitzt die Gestalt eines Kindes. In der rechten Hand hält er das Siegel des Schwerts der Weisheit, in der Linken ein Lasso. Das Haar seines Kopfes ist zu einem Zopf geflochten, der ihm über die linke Schulter fällt. Sein linkes Auge ist halb geschlossen. Seine Zähne stehen hervor, sodass er sich rechtsseitig auf die Oberlippe, linksseitig auf die Unterlippe beißt. Die Stirn ist wellenförmig gefurcht. Er sitzt auf einem Felsen. Sein Leib ist jugendlich und fett. Er wirkt in höchstem Maße zornig.1

Die besonderen Zähne des japanischen Fudō stammen also aus kanonischen Quellen, die sich zumindest bis nach China zurück verfolgen lassen, doch scheinen sie sich erst nach und nach gegenüber dem Daishi-Typus durchgesetzt zu haben.

Fudōs Gefolge

Seitaka doji.jpg
12 Seitaka Dōji
Einer von insgesamt acht knabenhaften Begleitern des Fudō Myōō. Die Figur ist dank der realistischen Darstellung des Bildhauers Unkei bekannter als der Fudō, zu dem sie gehört.
Werk von Unkei. Kamakura-Zeit, 1197. Kōyasan, Kōya: Kongobuji, 1998. S. 37.
Fudo doji.jpg
13 Fudō und dōji
Fudō Myōō als stehende Figur, begleitet von jugendlichen Gehilfen namens Kongara Dōji und Seitaka Dōji.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. Smithonian Institution.
Fudōs jugendliche Begleiter

Auf bildlichen Darstellungen wird Fudō außerdem häufig von (zwei oder acht) jugendlichen Begleitern (dōji [dōji (jap.) 童子 wtl. Knabe; oft Begleiterfigur („Page“) einer buddhistischen Gestalt, manchmal auch „böser Knabe“ = Dämon (z.B. → Shuten Dōji)]) umringt. Dieses Gefolge scheint eine japanische Innovation zu sein, die die starke Beziehung des japanischen Buddhismus zu diesem myōō unterstreicht. In den ältesten indischen Quellen wird Acala/Fudō lediglich als Bote oder Gefolgsmann eines Buddhas geschildert, im esoterischen Buddhismus Japans erhält er hingegen selbst ein Gefolge und wird in manchen Texten sogar als Personifizierung der Weisheit des Dainichi Nyorai [Dainichi Nyorai (jap.) 大日如来 Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“] interpretiert. Diese Bevorzugung geht möglicherweise auf die besondere Verehrung des Fudō durch den bereits erwähnten Schulgründer Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi] zurück.

Volksreligion

Kawanaka fudo.jpg
14 Fudō im Fluss
Fudō Myōō mit zwei kindlichen Begleitern, Kongara Dōji und Seitaka Dōji. Die Felsskulptur befindet sich auf der Halbinsel Kunisaki unweit des Tempels Maki Ōdō, wo eine lange Zeit vergessene, prachtvolle Fudō-Triade aus der Heian-Zeit aufbewahrt wird.
Walk Japan.

Fudō wird u.a. von den synkretistischen Bergasketen (yamabushi [yamabushi (jap.) 山伏 Bergasket, wtl. der in den Bergen schläft; Praktikant des Shugendō]) besonders verehrt und gerne in den Mittelpunkt von Feuerriten (goma [goma (jap.) 護摩 buddh. Feuerritus, skt. Homa]) gestellt. Daher findet man in den Zentren des yamabushi-Kultes (Shugendō [Shugendō (jap.) 修験道 gemischt-rel. Bergkult, Orden der yamabushi]) häufig Darstellungen des Fudō, mitunter auch als überdimensionale Felsskulpturen. Eines dieser Zentren befindet sich auf der Halbinsel Kunisaki [Kunisaki-hantō (jap.) 国東半島 Halbinsel Kunisaki, Präfektur Ōita, Kyūshū; Region im Hinterland des Usa Hachiman-gū, bekannt für ihre zahlreichen Tempel und Steinskulpturen] in Kyūshū, wo z.B. ein „Fudō im Fluss“ anzutreffen ist.

Fudo zentsuji.jpg
15
Fudō Myōō (skt. Acala) vom Tempel #75 der Shikoku-Pilgerroute.
Shikoku Henro Shashinshū.
Fudo modern.jpg
16
Rezenter Fudō Myōō (skt. Acala), mit assymetrischen Gesichtszügen.
Shikoku Henro Shashin-shū.
Moderne Fudōs, asymmetrisch

Auch in den Tempeln der Shikoku-Pilgerroute, die überwiegend dem Shingon Buddhismus angehören, ist Fudō in mannigfachen, oft (unfreiwillig?) komischen Varianten anzutreffen.

Fudō/Acala außerhalb Japans

Acala 12jh.jpg
17 Acala, Tibet (12. Jh.)
Tibetische Abbildung des Acala, jap. Fudō Myōō.
Tibet, 12. Jh. Himalayan Art.
Acala xixia 1226.jpg
18 Acala, Xi Xia (13. Jh.)
Laut Beschreibung auf Himalayan Art stammt dieses Bild des Acala aus dem chinesischen Vasallenstaat Xi Xia (Tangutien) im Grenzgebiet zwischen China und Tibet, das seit Dschingis Khan zu China gehört.
Königreich Xi Xia, 1226. Himalayan Art, Museum of Tibet, Lhasa.

Die obigen Abbildungen zeigen einen tibetischen Acala [Acala (skt.) अचल „Unbeweglich“, Beinamen des in Japan wichtigsten Mantra-Königs (jap. Fudō 不動)] (Fudō) aus dem zwölften bzw. dreizehnten Jahrhundert. Dieser Acala entspricht in Haltung und Gestus dem Grundtyp der zornvollen Gestalten des tibetischen Tantrismus [tantra (skt.) तन्त्र „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)] (s.a. Vajrapani), hat aber dennoch einige bemerkenswerte Gemeinsamkeiten mit dem japanischen Fudō, nämlich die dunkle Haut, das Schwert, ein Seil (allerdings verknotet mit einer Schlange) und die verbissene Unterlippe. Laut Himalayan Art war Acala vom elften bis zum dreizehnten Jahrhundert in der Himalaya Region populär. Später scheint er von anderen zornvollen Gestalten überfügelt worden zu sein.

Verweise

Fußnoten

  1. Aus dem Dainichikyō sho, einem Kommentar zum Dainichi-kyō erstellt zwischen 724 und 727 von Yixing (683–727). In weiterer Folge werden den aufgezählten Eigenschaften präzise symbolische Bedeutungen zugeschrieben (nach Sawa Ryūken, Mikkyō daijiten, S. 1955; für ein ähnliches Zitat aus dem Dainichi-kyō s. Kreiner und Steineck 2008, S. 15–16). Das Dainichi-kyō wurde 724 ins Chinesische übertragen und beruht entweder auf einem (verlorenen) indischen Original oder auf einer Zusammenfassung mehrerer Texte des indischen esoterischen Buddhismus durch die Übersetzer Śubhakarasiṃha und Yixing (Digital Dictionary of Buddhism). Es zählt zu den zentralen Texten der Shingon-shū.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Josef Kreiner, Tomoe Steineck (Hg.), Tempelschätze des heiligen Berges Daigo-ji: Der Geheime Buddhismus in Japan. München: Prestel, 2008. [Ausstellungskatalog.]

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

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    Fudo tnm.jpg
    Fudō Myōō (skt. Acala) stehend. Frühes Beispiel des „assymetrischen Typs“ mit schiefem Mund, assymmtrischen Eckzähnen und einem halb geschlossenen Auge. Die Statue ist — typisch für die Heian-Zeit — aus einem Stamm geschnitzt. Innen ist sie zwar ausgehöhlt, besitzt aber noch keine eingelegten Augen.
    Heian-Zeit, 11. Jh. Bernhard Scheid, flickr, 2024.
  2. ^ 
    Fudo unkei.jpg
    Fudō Myōō (skt. Acala) des Meisterbildhauers Unkei. „Asymmetrischer Typ“ mit schiefen Zähnen und asymmetrischen Augen, die hier aus Kristall angefertigt und nachträglich in die Statue eingefügt wurden.
    Werk von Unkei (1150?–1224). Kamakura-Zeit, 1189. Bildquelle: unbekannt.
  3. ^ 
    Fudo saidaiji.jpg
    Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) des Saidai-ji in Nara.
    Broschüre Saidaiji no bunka, Nara: Saidaiji. Abb. 73.
  4. ^ 
    Fudo toji.jpg
    Älteste erhaltene Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) Japans.
    839. Tōji Kōdō Ritai Mandara.
  5. ^ 
    Fudo daigoji detail.jpg
    Fudō Myōō (skt. Acala); man erkennt hier gut den „verbissenen Typ“, der sich fest auf die Unterlippe beißt.
    Werk von Kaikei. 1203. Bildquelle: unbekannt.
  6. ^ 
    Fudo tendai 10jh.jpg
    Statue des Fudō Myōō (skt. Acala) des Hanshū-in in Kyōto.
    Heian-Zeit, 9. Jh. Saichō to tendai no kokuhō, 2005, Abb. 123 (Ausstellungskatalog von Schätzen des Tendai Buddhismus).
  7. ^ 
    Fudo koya.jpg
    Frühe Darstellung des Fudō Myōō (skt. Acala).
    Heian-Zeit, 9. Jh. Kōyasan, Kōya: Kongobuji, 1998. S. 35.
  8. ^ 
    Fudo kongobuji.jpg
    Fudō Myōō (skt. Acala) auf einem stilisierten, sanduhrförmigen Felsen sitzend. Rote Haare, schwarzblaue Haut. Schwert und Seil. Im Flammennimbus deuten sich Vogelköpfe an. Frühes Beispiel des „assymetrischen Typs“ mit schiefem Mund, assymmtrischen Eckzähnen und einem halb geschlossenen Auge. Gemessen an anderen Beispielen milder Gesichtsausdruck.
    Heian-Zeit, 12. Jh. Kūkai mandara: Kōbō Daishi to Kōya-san (Katalog), Reihōkan 2006, S. 96, Abb. 38.
  9. ^ 
    Fudo stehend.jpg
    In dieser Darstellung aus der späten Heian-Zeit ist der Charakter eines trotzigen Kindes, der ja auch in den klassischen Beschreibungen angedeutet wird, gut zu erkennen.
    Späte Heian-Zeit, 12. Jh. Metropolitan Museum, New York.
  1. ^ 
    Fudo daigoji2.jpg
    Fudō Myōō (skt. Acala) mit eingelegten Glasaugen. Werk von Kaikei, einem Repräsentanten der Kei-Schule.
    Werk von Kaikei. 1203. Bildquelle: unbekannt.
  2. ^ 
    Fudo kaikei 2b.jpg
    Fudō Myōō von Kaikei bzw. aus der Werkstatt der Kei-Schule. Stilistisch eng verwandt mit dem berühmten Fudō des Daigo-ji, der 1203 datiert ist. Besonders auffallend die hervorquellenden Augen, die aus Glas bestehen und innen in die Statue eingelegt wurden.
    Werk von Kaikei. Kamakura-Zeit, frühes 13. Jh. Burke Collection.
  3. ^ 
    Seitaka doji.jpg
    Einer von insgesamt acht knabenhaften Begleitern des Fudō Myōō. Die Figur ist dank der realistischen Darstellung des Bildhauers Unkei bekannter als der Fudō, zu dem sie gehört.
    Werk von Unkei. Kamakura-Zeit, 1197. Kōyasan, Kōya: Kongobuji, 1998. S. 37.
  4. ^ 
    Fudo doji.jpg
    Fudō Myōō als stehende Figur, begleitet von jugendlichen Gehilfen namens Kongara Dōji und Seitaka Dōji.
    Kamakura-Zeit, 14. Jh. Smithonian Institution.
  5. ^ 
    Kawanaka fudo.jpg
    Fudō Myōō mit zwei kindlichen Begleitern, Kongara Dōji und Seitaka Dōji. Die Felsskulptur befindet sich auf der Halbinsel Kunisaki unweit des Tempels Maki Ōdō, wo eine lange Zeit vergessene, prachtvolle Fudō-Triade aus der Heian-Zeit aufbewahrt wird.
    Walk Japan.
  6. ^ 
    Fudo zentsuji.jpg
    Fudō Myōō (skt. Acala) vom Tempel #75 der Shikoku-Pilgerroute.
    Shikoku Henro Shashinshū.
  7. ^ 
    Fudo modern.jpg
    Rezenter Fudō Myōō (skt. Acala), mit assymetrischen Gesichtszügen.
    Shikoku Henro Shashin-shū.
  8. ^ 
    Acala 12jh.jpg
    Tibetische Abbildung des Acala, jap. Fudō Myōō.
    Tibet, 12. Jh. Himalayan Art.
  9. ^ 
    Acala xixia 1226.jpg
    Laut Beschreibung auf Himalayan Art stammt dieses Bild des Acala aus dem chinesischen Vasallenstaat Xi Xia (Tangutien) im Grenzgebiet zwischen China und Tibet, das seit Dschingis Khan zu China gehört.
    Königreich Xi Xia, 1226. Himalayan Art, Museum of Tibet, Lhasa.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Acala (skt.) अचल ^ „Unbeweglich“, Beinamen des in Japan wichtigsten Mantra-Königs (jap. Fudō 不動)
  • Dainichi-kyō 大日経 ^ Dainichi Sutra; wichtiger Text des esoterischen Buddhismus; früheste bekannte Version aus China, 8. Jh.
  • Dainichi Nyorai 大日如来 ^ Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
  • dōji 童子 ^ wtl. Knabe; oft Begleiterfigur („Page“) einer buddhistischen Gestalt, manchmal auch „böser Knabe“ = Dämon (z.B. → Shuten Dōji)
  • Fudō Myōō 不動明王 ^ prominentester japanischer myōō (Mantra-König), wtl. „der Unbewegliche“
  • goma 護摩 ^ buddh. Feuerritus, skt. Homa
  • Kōbō Daishi 弘法大師 ^ Ehrentitel von Kūkai
  • Kunisaki-hantō 国東半島 ^ Halbinsel Kunisaki, Präfektur Ōita, Kyūshū; Region im Hinterland des Usa Hachiman-gū, bekannt für ihre zahlreichen Tempel und Steinskulpturen
  • Kūkai 空海 ^ 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi
  • mantra (skt.) मन्त्र ^ Gebetsformel (jap. shingon 真言)
  • myōō 明王 ^ wtl. Licht-König, auch „Mantra-König“ oder „Weisheits-König“; meist zornvoll dargestellte Schutzgottheit; skt. vidyaraja
  • Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
  • Shugendō 修験道 ^ gemischt-rel. Bergkult, Orden der yamabushi
  • tantra (skt.) तन्त्र ^ „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)
  • yamabushi 山伏 ^ Bergasket, wtl. der in den Bergen schläft; Praktikant des Shugendō
  • Yixing (chin.) 一行 ^ 683–727; chin. Astronom, Erfinder und Mönch des esoterischen Buddhismus (mijiao), vor allem als Übersetzer des Mahāvairocana Sutra (Dainichi-kyō) und Autor des zugehörigen Kommentars (Dainichi-kyō sho) bekannt