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| Im Schrein von Kashima gibt es einen runden Stein, der aus der Erde herausragt. Man nennt ihn {{g|Kanameishi|Kaname-ishi}} („Schlussstein“) und meinte früher, dies sei der Stein, den Kashima Daimyōjin fest auf den Kopf des Erd·beben-Welses gedrückt halten müsse, damit dieser die Erde nicht erschüttern könne. Dieser Stein spielt in vielen ''namazu-e'' eine wichtige Rolle.<ref> | | Im Schrein von Kashima gibt es einen runden Stein, der aus der Erde herausragt. Man nennt ihn {{g|Kanameishi|Kaname-ishi}} („Schlussstein“) und meinte früher, dies sei der Stein, den Kashima Daimyōjin fest auf den Kopf des Erd·beben-Welses gedrückt halten müsse, damit dieser die Erde nicht erschüttern könne. Dieser Stein spielt in vielen ''namazu-e'' eine wichtige Rolle.<ref> |
− | Der Kaname-Stein galt schon seit alter Zeit als Heilig·tum des Kashima Schreins und findet sich u.a. im der frühesten ja·pa·nischen Gedicht·sam·mlung {{g|Manyoushuu}} erwähnt. Die Beziehung zum Erd·beben-Wels ist aber sicher erst in der Edo-Zeit entstanden. Im übrigen gibt es auch in anderen Schreinen Kaname-Steine, unter anderem im Katori Schrein, der nur wenige Kilometer vom Kashima Schrein entfernt liegt und als eine Art Zwil·ling des·selben angesehen werden kann. Auch der Katori Schrein wurde in den Wels-Glauben integriert, doch ganz offen·sichtlich weniger erfolg·reich als der Kashima Schrein. | + | Der Kaname-Stein galt schon seit alter Zeit als Heilig·tum des Kashima Schreins und findet sich u.a. im der frühesten ja·pa·nischen Gedicht·sam·mlung {{gb|Manyoushuu}} erwähnt. Die Beziehung zum Erd·beben-Wels ist aber sicher erst in der Edo-Zeit entstanden. Im übrigen gibt es auch in anderen Schreinen Kaname-Steine, unter anderem im Katori Schrein, der nur wenige Kilometer vom Kashima Schrein entfernt liegt und als eine Art Zwil·ling des·selben angesehen werden kann. Auch der Katori Schrein wurde in den Wels-Glauben integriert, doch ganz offen·sichtlich weniger erfolg·reich als der Kashima Schrein. |
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| Das häufige Vor·kommen des [[Ikonographie/Waechtergoetter/Wind und Donner|Donner·gottes]] hängt mit einer Yin Yang-Symbolik zusammen: Abge·sehen vom Wels gab es auch etwas abstrak·tere Er·klä·rungen für Erdbeben, die die Ursachen dafür in einem Un·gleich·ge·wicht von Yin und Yang erblickten: Im speziellen würde das Feuer (Yang) unter·irdisch das Wasser (Yin) an Stärke über·treffen, während es für gewöhn·lich nur im Himmel die Vor·herr·schaft genieße. Aus dieser un·ge·wöhn·lichen Konstellation von Yin und Yang würden im Himmel Gewitter und auf der Erde ein Beben entstehen.<ref>Smits 2006, S. 1051.</ref> (Diese Erklärungen sind im Grunde nicht allzu weit von der Natur·wissen·schaft entfernt.) Der Erdbeben-Wels wurde also wahr·schein·lich von Gebil·de·teren als Sinn·bild für die Kräfte des Yin, der Donner·gott als Sinnbild des Yang angesehen.<ref> | | Das häufige Vor·kommen des [[Ikonographie/Waechtergoetter/Wind und Donner|Donner·gottes]] hängt mit einer Yin Yang-Symbolik zusammen: Abge·sehen vom Wels gab es auch etwas abstrak·tere Er·klä·rungen für Erdbeben, die die Ursachen dafür in einem Un·gleich·ge·wicht von Yin und Yang erblickten: Im speziellen würde das Feuer (Yang) unter·irdisch das Wasser (Yin) an Stärke über·treffen, während es für gewöhn·lich nur im Himmel die Vor·herr·schaft genieße. Aus dieser un·ge·wöhn·lichen Konstellation von Yin und Yang würden im Himmel Gewitter und auf der Erde ein Beben entstehen.<ref>Smits 2006, S. 1051.</ref> (Diese Erklärungen sind im Grunde nicht allzu weit von der Natur·wissen·schaft entfernt.) Der Erdbeben-Wels wurde also wahr·schein·lich von Gebil·de·teren als Sinn·bild für die Kräfte des Yin, der Donner·gott als Sinnbild des Yang angesehen.<ref> |
− | Dennoch blieben Zweifel, was es mit dem Wels und dem Stein auf sich habe. 1664 versuchte der gelehrte Daimyō {{g|Tokugawamitsukuni}}, in dessen Domäne der Kashima Schrein damals lag, dem Geheimnis des Kashima Steins auf den Grund zu kommen, und ließ eine Grabung durch·führen, die al·ler·dings zu keinem Erfolg führte, weil die Grube sich auf mysteriöse Weise immer wieder mit Erde füllte. ([http://ja.wikipedia.org/wiki/%E8%A6%81%E7%9F%B3 Kanameishi] Wikipedia, jap.) | + | Dennoch blieben Zweifel, was es mit dem Wels und dem Stein auf sich habe. 1664 versuchte der gelehrte Daimyō {{gb|Tokugawamitsukuni}}, in dessen Domäne der Kashima Schrein damals lag, dem Geheimnis des Kashima Steins auf den Grund zu kommen, und ließ eine Grabung durch·führen, die al·ler·dings zu keinem Erfolg führte, weil die Grube sich auf mysteriöse Weise immer wieder mit Erde füllte. ([http://ja.wikipedia.org/wiki/%E8%A6%81%E7%9F%B3 Kanameishi] Wikipedia, jap.) |
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| ''Drei Figuren im Rausch'' | | ''Drei Figuren im Rausch'' |
Namazu-e Erdbeben als Satire
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Im Nordosten Tōkyōs gibt es den alt·ehr·würdigen Kashima Schrein [Kashima Jingū (jap.) 鹿島神宮 Shintō-Schrein in Kashima, Präfektur Ibaraki], der dem Schwert·gott Takemikazuchi [Takemikazuchi (jap.) 建御雷 Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt] geweiht ist. In der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit war dieser Gott als Kashima Daimyōjin [Kashima Daimyōjin (jap.) 鹿島大明神 Gottheit des Kashima Schreins (Präfektur Ibaraki, n.-östl. von Tokyo); identisch mit dem Schwertgott Takemikazuchi; Ahnengottheit der Fujiwara] bekannt und galt als der Hüter des Erd·bebens. Erd·beben wurden nach einem in dieser Zeit ver·brei·teten Glauben von einem großen Wels (namazu [namazu (jap.) 鯰 Namazu oder Wels; in der Edo-Zeit als Erdbebengott von religiöser Bedeutung]) hervor·gerufen, der unter der Erde haust. Als es im Jahre 1855 wieder einmal zu einem großen Erd·beben kam, erfreuten sich Bilder dieses Welses binnen kürzester Zeit einer erstaun·lichen Belieb·theit. Sie stellten Wels und Gott in den unter·schied·lichsten Konstel·lationen dar. Anfangs als bild·liche Er·klä·rung des Bebens oder als Glücks·bringer gedacht, fand man in den Wels·bildern (namazu-e [namazue (jap.) 鯰絵 Bild des Erdbeben-Welses; vor allem nach dem Ansei Erdbeben von 1855 sehr populär]) bald auch ein Mittel, um ge·sell·schaft·liche Um- und Miss·stände dar·zustellen, was ansonsten bedingt durch strenge Zensur nicht möglich war.
Motive der namazu-e
Der Stein von Kashima
Im Schrein von Kashima gibt es einen runden Stein, der aus der Erde herausragt. Man nennt ihn Kaname-ishi [kaname-ishi (jap.) 要石 wtl. „Schlussstein“; Stein im Schrein von Kashima, mit dem der Erdbeben-Wels ruhig gehalten wird; auch: yōseki] („Schlussstein“) und meinte früher, dies sei der Stein, den Kashima Daimyōjin fest auf den Kopf des Erd·beben-Welses gedrückt halten müsse, damit dieser die Erde nicht erschüttern könne. Dieser Stein spielt in vielen namazu-e eine wichtige Rolle.1
Im oberen Teil des Bildes sieht man den „Schluss·stein“ des Kashima Schreins umgeben von einem Zaun und einem torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami]. Im unteren Bild·teil sieht man den Gott von Kashima, der den Wels (wieder) in seiner Gewalt hat.
Rund um die beiden sind Werk·zeuge und Geld·münzen zu sehen, welche die Wieder·aufbau·arbeiten nach dem Erd·beben symbo·lisieren.
Talisman gegen Erdbeben
Das Bild zeigt den Gott von Kashima, der mit seinem Schwert den Erd·beben-Wels im Zaum hält. Ihm zu Seite der Donner·gott, der mit einem Hammer das Schwert wie einen Pflock in den Kopf des Fisches treibt. Auch im Schwanz des Fisches ist ein Schwert zu erkennen. Dies ist viel·leicht eine An·spielung auf die Mythe der Schlange Yamata no Orochi [Yamata no Orochi (jap.) 八岐大蛇 Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt], die in alter Zeit von Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu] zur Strecke gebracht wurde. Die kleinen Welse, die sich ehr·furchts·voll nieder·werfen, reprä·sentieren frühere Erd·beben ähnlicher Stärke in Kyōto (1830), Odawara (1853), Shinano (1847) und Ise (1854). Das Siegel·zeichen links oben trägt die Inschrift „Kashima“. Darüber sind Stern·bilder angedeutet. Dadurch reiht sich das Bild in den Kontext der Yin-Yang [onmyō (jap.) 陰陽 jap. für „Yin und Yang“; auch in'yō, on'yō]-Praktiken ein.
Wie der Bild·titel andeutet, ist diese Ab·bildung als Talisman (o-mamori [o-mamori (jap.) お守り Talisman, schutzbringender Gegenstand]) gegen Erd·beben gedacht. Der Bild·text liefert dafür eine deut·liche Erklärung:
Das Orakel des Kashima Ahnen·schreins besagt: „Solange ich auf diesem Boden weile, soll kein Halm auf den Bergen, Flüssen, Gräsern und Bäumen und kein Sand·korn an den Gestaden der blauen See Schaden nehmen, auch wenn die Erde bebt.“ Wer diesen Spruch morgens und abends sagt, wird ohne Fehl vor allen Übeln und Gefahren, vor Feuer, Wasser und Erd·beben gefeit sein. Und wer den Zettel, wo dies steht, an den Pfeilern in Ost und West, Süd und Nord anbringt, dessen Haus wird nicht einstürzen und nicht zerstört werden.
Wels und Donner, Yin und Yang
Dieses Bild zeigt im Gesicht des Welses die Zer·stö·run·gen, die das Erd·beben angerichtet hat. Man erkennt auch das Feuer, das als Folge·er·schei·nung von Erdbeben sehr gefürch·tet war (und ist).
Unter dem Wels sieht man drei Gott·heiten, die mit der Ursache des Bebens in Ver·bin·dung stehen: Rechts oben reitet der Gott von Kashima eilig herbei. Er war nämlich wie jedes Jahr im Zehnten Monat (Kannazuki [Kannazuki (jap.) 神無月 „Monat ohne Götter“; volkstümlicher Beiname des 10. Monats, in dem sich die Götter Japans alle nach Izumo begeben sollen]) beim Götter·tref·fen in Izumo [Izumo (jap.) 出雲 alter Namen der Präfektur Shimane in West-Japan; auch kurz für Izumo Taisha]. Neben ihm der Donner·gott, der mit dem Feuer in Verbin·dung steht. Sein Donnern wird scherz·haft als Furz dargestellt.
An den „Schluss·stein“ gelehnt schläft Ebisu [Ebisu (jap.) 恵比寿 Glücksgott der Händler und Fischer; andere Schreibung: 夷 oder 戎; Grundbedeutung wahrscheinlich „Fremder“ oder „Barbar“], der den Gott von Kashima vertreten sollte.
Das häufige Vor·kommen des Donner·gottes hängt mit einer Yin Yang-Symbolik zusammen: Abge·sehen vom Wels gab es auch etwas abstrak·tere Er·klä·rungen für Erdbeben, die die Ursachen dafür in einem Un·gleich·ge·wicht von Yin und Yang erblickten: Im speziellen würde das Feuer (Yang) unter·irdisch das Wasser (Yin) an Stärke über·treffen, während es für gewöhn·lich nur im Himmel die Vor·herr·schaft genieße. Aus dieser un·ge·wöhn·lichen Konstellation von Yin und Yang würden im Himmel Gewitter und auf der Erde ein Beben entstehen.2 (Diese Erklärungen sind im Grunde nicht allzu weit von der Natur·wissen·schaft entfernt.) Der Erdbeben-Wels wurde also wahr·schein·lich von Gebil·de·teren als Sinn·bild für die Kräfte des Yin, der Donner·gott als Sinnbild des Yang angesehen.3
Die Rolle der Gott·heiten ist al·ler·dings im Ver·hält·nis zu Yin und Yang nicht ganz eindeutig. Der Wels lässt sich zweifellos leicht als Yin, das sich aufbäumt, oder als über·schüssiges Yin inter·pretieren. Er wird durch Raijin [Raijin (jap.) 雷神 Donnergott; auch Rai-ten], den „Donner·gott“, und Takemi·kazuchi, den Gott von Kashima, der seinem alten Namen nach ebenfalls ein Gewitter·gott (Kazuchi) ist, im Zaum gehalten. Die Gewitter·götter sind beide „gute“ Yang-Kräfte, die dem Yin-Wels ent·gegen·treten. Es müsste aber im Grunde noch einen „guten“ Yin-Gott geben, der sich um die Brände, den Über·schuss an Yang-Energie, kümmert. Soweit lässt sich das Yin Yang-Schema aber nicht in den Figuren der Volks·religion wieder·finden.
Das Beben als Glücksfall
Das Beben von 1855 zeichnete sich offen·bar dadurch aus, dass in erster Linie die Anwesen von Daimyōs [Daimyō (jap.) 大名 Territorialfürst, Titel des Kriegeradels] und die Lager·häuser von Groß·händlern betroffen waren. In der Folge entstand eine starke Nach·frage nach Tischlern und Zimmer·leuten, was insgesamt den eher einfacheren Schichten der Stadt·bevölkerung zugute kam. Es gab also eine Umver·teilung des Reich·tums in Richtung der Armen. Dies wird in den Wels·bildern teil·weise mit offener Sympathie für die einfachen Leute dar·gestellt, sodass der Namazu sogar manchmal als Wohl·täter erscheint.
Seppuku des Namazu
Der Erdbeben-Wels ist von einem Pfeil des Gottes von Kashima getrof·fen worden und begeht — gleich einem vor·bild·lichen Samurai in aus·sichts·loser Lage — Selbst·mord durch seppuku [seppuku (jap.) 切腹 ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“] (Harakiri). Aus dem Bauch des Welses strömen ovale Geld·münzen. Im Hinter·grund, unter·halb des Gottes, sind links die ver·stor·benen Opfer des Bebens, rechts die Ge·schä·digten (Groß·händler, Daimyōs, etc.) zu sehen. Dem Text ist zu ent·nehmen, dass sie ange·sichts des Selbst·opfers des Namazu zur Ver·söhnung bereit sind.
Daikoku und Namazu
Nachdem der Gott von Kashima (Bildmitte) den Wels wieder unter Kontrolle gebracht hat, tritt der Glücks·gott Daikoku [Daikoku (jap.) 大黒 Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten] auf den Plan und lässt Geld regnen, das den einfachen Bauar·beitern zugute kommt. Der Text des Bildes gibt ein „Erd·beben-Abwehr-Lied“, in welchem die Arbeiter sich freuen, dass sie nun ins Bordell gehen können (s.u.).
Abtransport des Reichtums
Ein Erd·beben-Wels schüttelt einen reichen Kaufmann, bis er Geld erbricht, um das sich Hand·werker und Bauarbeiter raufen. Der Wels mahnt den Kauf·mann, in Zukunft mehr Mit·leid mit den Arbeitern zu haben. Die Arbeiter wiederum meinen, dass es besser ist, das Geld im Bordell auszu·geben, da sowieso bald wieder ein Erd·beben kommt.
Die neuen Freudenviertel
Notdürftig maskierte Erd·beben-Welse besichtigen ein Bordell und werden von den dortigen Damen an den Bärten heran·gezogen. Die Prosti·tuierten sind von den namazu offen·sichtlich angetan.
Das Bild trägt den Titel „Unter·schlupf der Strapazen und Feuers·brünste“. „Unterschlupf“ oder „Leih·wohnung“ (jap. karitaku [karitaku (jap.) 仮宅 „vorläufige Wohnung“, Unterschlupf, billiges Bordell (Edo-Zeit)]) war zu dieser Zeit ein Euphe·mismus für billige Bordelle. Diese waren als Ersatz für das vom Erd·beben zerstörte Nobel-Freuden·viertel Yoshiwara [Yoshiwara (jap.) 吉原 Freudenviertel des Edo-zeitlichen Tōkyō] errichtet worden, allerdings waren sie kosten·günstiger. Somit wurde dank des Erd·bebens die Prosti·tution in Edo weiter ver·breitet und allgemein er·schwing·licher. Auch das ein „positiver“ Effekt für die ärmere Be·völ·kerung, der in einem Lied, das auf mehreren namazu-Bildern zu finden ist (s.o.), deutlich hervor·gehoben wird:
Der Wassergott hat uns das Leben gerettet // Jetzt gehen wir zu den Huren (Rokubu), wie ist das schön!
Mizukami no / tsuge ni inochi o / tasukarite // rokubu no uchi ni / iru zo ureshiki
Das Götterpferd von Ise
Dieses Bild zeigt, wie die Gott·heit von Ise [Ise Jingū (jap.) 伊勢神宮 kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū], hier als Pferd dar·ge·stellt, den Erd·be·ben-Wels be·siegt.
Der dem Bild ein·ge·schrie·bene Text be·rich·tet davon, dass die Gott·heit von Ise im Zuge des Erd·be·bens als weißes Pferd durch die Straßen der Stadt galop·pierte und all jene, die zu ihr bete·ten, vor Unheil be·wahrte. Das Pferd soll zu diesem Zweck ein·zelne Haare ausge·streut haben.
Die Kashima Gottheit spielt hier die ambi·va·lente Rolle eines Kriegers, der sein Pferd nicht im Zaum halten kann. Wie in ande·ren Bil·dern auch ver·kör·pert Kashima hier das Sho·gunat, das mit den Ver·hält·nis·sen nicht mehr zurecht kommt.
Die kaiser·liche Ahnen·gott·heit aus Ise, Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise], war im dama·ligen Edo eben·so exo·tisch und unbe·kannt wie der Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels] in Kyōto. Man wusste ein wenig von ihrer Rolle als Ahnen- und Sonnen·gott·heit, doch weder waren ihre Mythen all·gemein be·kannt, noch herrsch·te Einig·keit, ob es sich um eine männ·liche oder weib·liche Gott·heit handelte. Dennoch erfreu·ten sich in dieser Zeit Wall·fahrt·en nach Ise einer wach·sen·den Beliebt·heit. Diese Wall·fahr·ten stan·den im Zusam·men·hang mit dem Schlag·wort yonaoshi [yonaoshi (jap.) 世直し Welterneuerung; „Weltsanierung“; gesamtgesellschaftliche Umwälzung] („Welt·er·neue·rung“ oder „Welt·gesun·dung“). Yonaoshi fußte zwar auf keiner so kon·kreten poli·tischen Vision wie etwa die franzö·sische Revolution, beinhaltete aber eine diffuse Kritik an den bestehenden Verhält·nissen, durch die sich das Tokugawa Shōgunat zurecht bedroht fühlte. Yonaoshi war unter anderm mit Wall·fahr·ten nach Ise verbunden, was sich auch im Glauben an die Wohl·taten des Götter·pferdes ausdrückte. Darin kün·digte sich eine neue Auf·wer·tung des Tennō an, die schließ·lich im Jahr 1868 in Gestalt der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Restau·ration zu einer voll·kom·men neuen poli·tischen Ordnung führen sollte.
Während in diesem Bild das Pferd bzw. die dadurch sym·bo·lisierte Gottheit Ama·terasu als Gottheit der Welt·er·neue·rung (yonaoshi no kami) gedeutet werden kann, gibt es auch Beispiele, in denen der Erd·beben·wels selbst zum Welt·er·neuerer avanciert. Es war also keines·wegs aus·ge·macht, welche Rolle welcher Gottheit in den Wels·bildern zukommt.
Das ken-Spiel
Der Erdbeben-Wels ist oft in eine Gruppe aus drei Figuren ein·gebun·den, die durch seltsame, auffällige Gesten charakterisiert sind. Diese Figuren spielen das soge·nannte ken [ken (jap.) 拳 wtl. Faust; auch Bez. für das Spiel „Schere-Stein-Papier“, ken-Spiel]-Spiel, das hierzu·lande als „Stein-Schere-Papier“ bekannt ist. Dieses Spiel ist in Japan auch heute noch sehr beliebt, erlebte in der Edo-Zeit aber einen beson·deren Boom. Statt mit den geläu·figen Hand·gesten wurde es auch mit ver·schie·denen Körper·hal·tungen gespielt. Diese drückten alle möglichen allego·rischen Figuren aus, die immer eines gemein·sam hatten: A besiegt B, B besiegt C, C besiegt A. Viele ukiyo-e [ukiyo-e (jap.) 浮世絵 „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit]-Drucke stellen Varianten des Spiels mit immer wech·selnden Figuren dar, deren Kräfte·gleich·gewicht auch als satirischer Kommentar der aktuellen gesell·schaft·lichen Situation gelesen werden kann. Sepp Linhart, der diesem Thema eine umfang·reiche Studie gewidmet hat (Linhart 1998), deutet die ken-Bilder daher als Ausdruck der spezi·fi·schen gesell·schaft·lichen Span·nungen der späten Edo-Zeit, als soziale oder wirt·schaft·liche Interes·sens·gruppen auf allen Ebenen sich gegen·seitig in einer höchst labilen Patt-Situation hielten, bis es schließ·lich zum Umbruch in Form der Meiji-Restau·ration (1868) kam.
Namazu und Amida
Bereits das älteste erhaltene Namazu-Motiv stellt eine ken-Spiel-Situation dar. Hinter·grund ist das Erd·beben im Tempel·komplex Zenkō-ji [Zenkō-ji (jap.) 善光寺 Tempel in Nagano] in Nagano (damals Shinano oder Shinshū) im Jahr 1847. Dieses Beben fand genau zu dem Zeit·punkt statt, als der Tempel seine berühmte Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] Statue4 aus·stellte und damit zahl·reiche Pilger aus dem ganzen Land anzog. Viele Pilger fielen dem Beben zum Opfer, doch der Tempel selbst blieb weit·gehend unversehrt, was als Wunder des Amida ange·sehen wurde. Das Bild zeigt den Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] Amida (der in späteren Bildern durch den Gott von Kashima ersetzt werden wird), den Erdbeben-Wels und eine Geisha. Wie beim ken-Spiel üblich ist jeder von ihnen einem über·legen, dem anderen unter·legen: Amida ist stärker als namazu, namazu ist stärker als Geisha, Geisha ist stärker als Amida, was vielleicht als Seiten·hieb auf den Bud·dhis·mus zu verstehen ist. Große bud·dhis·tische Tempel boten nämlich Ende der Edo-Zeit stets auch Vergnü·gungs- und Freuden·vier·teln Platz — so auch der Zenkō-ji in Nagano.
Erdbeben-ken
Das Bild zeigt den Donner·gott, den Wels und das Feuer, die von einem Wirten mit Sake [Sake (jap.) 酒 Reiswein] verköstigt werden. Die von den Figuren ein·ge·nom·menen Gesten gehen auf das soge·nannte „Fuchs-ken“ (kitsune [kitsune (jap.) 狐 Fuchs; Botentier der Gottheit Inari]-ken) zurück: Der Fuchs (erhobene Hände = Ge·spenster·geste) ver·zaubert den Bürger·meister, der Bürger·meister (Hände auf den Ober·schen·keln) komman·diert den Jäger, der Jäger (ange·deu·tetes Gewehr) erschießt den Fuchs. Auf dieser Abbildung entspricht also der Wels dem Fuchs, der Donner dem Bürger·meister und das Feuer dem Jäger: die drei Kräfte heben sich wechsel·seitig auf.5 Der dem Bild einge·schrie·bene Lied·text schließt mit dem Satz: „Jetzt wird die Welt Stück für Stück wieder heil, kommt und macht Geld!“6
Drei Figuren im Rausch
Ein Reicher, eine Geisha und ein Hand·werker verzehren zusammen einen Wels. Der Text besagt: „Der Reiche, ein zorniger Trinker; der Hand·werker, ein fröhlicher Trinker; die Geisha, eine weinende Trinkerin.“ Noch einmal wird hier satirisch auf die vom Erd·beben betrof·fenen Berufs·gruppen angespielt. In der Darstellung nehmen die drei Figuren wieder die Hal·tungen des ken-Spiels an.
Wieso ein Wels? Vom Propheten zum Monster und zurück
Der Wels ist eine arten·reiche Spezies von Fischen, die eines gemeinsam haben: Sie halten sich vorwiegend am Grund von Gewässern auf und sind daher selten zu sehen. Schon in alter Zeit wurde es als Zeichen von bevor·stehender Gefahr gedeutet, wenn Welse an der Ober·fläche von Gewässern gesichtet wurden. Tat·säch·lich scheinen Welse besonders sensibel auf seismische, thermische und elektro·statische Verän·derungen ihrer Umgebung zu reagieren. So wurde der Wels zunächst zu einem positiven Künder von Erdbeben. Doch wurde der Prophet offenbar mit der Zeit als Ver·ur·sacher der Gefahr, die er ankündigte, angesehen. Dabei kam eine klassische chinesische Vorstellung ins Spiel, die einen unter·irdischen Drachen (ryū [ryū (jap.) 竜/龍 Drache; schlangenähnliches imaginäres Tier mit großer Affinität zum Wasser]) als Ver·ur·sacher von Erd·beben ansah. Dieser Drache wurde offen·bar Anfang der Edo-Zeit in der Region um den Biwa See erstmals als Wels umgedeutet. Von dort breitete sich die Vor·stel·lung ent·lang der Tōkaidō-Route in den Osten des Landes aus.7
Interessanter·weise werden die zu Monstern (yōkai [yōkai (jap.) 妖怪 Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster]) gewordenen namazu in den Erd·beben·bildern von 1855 sehr rasch wieder verniedlicht. Mit der Popularität, die sie im Laufe des Ansei-Erdbebens erhalten, stellt sich eine gewisse Vertrautheit ein, und sie entwickeln immer humor·vollere Züge, bis sie schließ·lich lediglich als liebens·werte Schlingel erscheinen. Diese Tendenz zur Verniedlichung lässt sich im übrigen bei vielen Geister·wesen beobachten, seien es nun Dämonen wie tengu [tengu (jap.) 天狗 wtl. Himmelshund; vogelartiger oder geflügelter Kobold, meist in den Bergen] und oni [oni (jap.) 鬼 Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister], magisch begabte Tiere wie kitsune [kitsune (jap.) 狐 Fuchs; Botentier der Gottheit Inari] und tanuki [tanuki (jap.) 狸 Tanuki; Marderhund] oder Figuren aus der Totenwelt wie der strenge Richter Enma [Enma (jap.) 閻魔 skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen] und die Hungergeister gaki [gaki (jap.) 餓鬼 Hungergeist; skt. preta]. Dieser Hang, dem Schreck·lichen durch Humor den Stachel zu nehmen, scheint zwar in der Edo-Zeit besonders ausgeprägt gewesen zu sein, lässt sich jedoch viel weiter zurück·ver·folgen, nämlich bis zu den Schrein·festen, die seit der Heian-Zeit zur Besänf·ti·gung grollender Geister onryō [onryō (jap.) 怨霊 Rachegeist] abgehalten werden. Es geht in allen Fällen darum, sich mit der Gott·heit (=Ursache) einer Kata·strophe anzu·freunden, sich vertraut zu machen und die Gottheit von ihren feind·lichen Absichten abzu·bringen, indem sie in eine fröhliche, heile Welt ein·ge·bun·den wird. Die Erd·beben·bilder sind daher nicht (nur) als zynischer Ausdruck von Galgen·humor oder als polit·ische Satire zu verstehen, sondern reihen sich wohl auch in eine lange religiöse Tradition ein, Unheil und Katastro·phen durch rituell insze·nierte Fröh·lich·keit abzuwenden.
Das Bild be·in·haltet viele der Motive, die in den voran gegangenen Dar·stellungen einzeln her·vor·gehoben sind. Es sind hier zwei Namazu zu sehen, die zwei unter·schied·liche Beben in der Kantō Region (Shinano 1847 und Edo 1855) versinn·bild·lichen. Rechts oben die beiden Gott·heiten, die nicht genug aufgepasst haben: Kashima und der Donnergott.
Verweise
Fußnoten
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Der Kaname-Stein galt schon seit alter Zeit als Heilig·tum des Kashima Schreins und findet sich u.a. im der frühesten ja·pa·nischen Gedicht·sam·mlung Manyōshū erwähnt. Die Beziehung zum Erd·beben-Wels ist aber sicher erst in der Edo-Zeit entstanden. Im übrigen gibt es auch in anderen Schreinen Kaname-Steine, unter anderem im Katori Schrein, der nur wenige Kilometer vom Kashima Schrein entfernt liegt und als eine Art Zwil·ling des·selben angesehen werden kann. Auch der Katori Schrein wurde in den Wels-Glauben integriert, doch ganz offen·sichtlich weniger erfolg·reich als der Kashima Schrein.
- ↑ Smits 2006, S. 1051.
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Dennoch blieben Zweifel, was es mit dem Wels und dem Stein auf sich habe. 1664 versuchte der gelehrte Daimyō Tokugawa Mitsukuni, in dessen Domäne der Kashima Schrein damals lag, dem Geheimnis des Kashima Steins auf den Grund zu kommen, und ließ eine Grabung durch·führen, die al·ler·dings zu keinem Erfolg führte, weil die Grube sich auf mysteriöse Weise immer wieder mit Erde füllte. (Kanameishi Wikipedia, jap.)
- ↑ Diese Statue spielt auch im Zusam·men·hang mit Hideyoshi's Großem Buddha eine Rolle.
- ↑ Es gibt von diesem Motiv mehrere Versionen, aus denen deutlich wird, dass das Feuer mit seinen blonden Haaren auch auf die Europäer und Ameri·kaner anspielt, die zu diesem Zeit·punkt als mili·tärische Gefahr empfunden wurden. Andere Namazue enthalten auch explizite Bezüge auf die gewaltsame Öffnung von Japans Häfen durch den ameri·kanischen Admiral Perry in den Jahren 1853–54.
- ↑ Kore kara dandan yo ga naori, kane mōkete, sā kinasē. (Miyata und Takada 1995, S. 324)
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Siehe Yōkai: Monsters, Giant Catfish, & Symbolic Representation in Popular Culture (Gregory Smits)
Internetquellen
Siehe auch Internetquellen
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Literatur
Siehe auch Literaturliste
Miyata Noboru 宮田登, Takada Mamoru 高田衛 (Hg.), Namazue: Shinsai to Nihon bunka 鯰絵―震災と日本文化. Tokyo: Ribun Shuppan, 1995.
Sepp Linhart, Ken no bunkashi 拳の文化史. Tokyo: Kadokawa Shoten, 1998. [Kulturgeschichte des Ken-Spiels.]
Sepp Linhart, „Kawaraban: Enjoying the News when News was Forbidden“. In: Susanne Formanek und Sepp Linhart (Hg.), Written Texts – Visual Texts. Woodblock-printed Media from Premodern Japan. Amsterdam: Hotei Publishing, 2005, 231–250.
Gregory Smits, „Shaking up Japan: Edo Society and the 1855 Catfish Picture Prints“.
Journal of Social History 39/4 (2006), 1045–1078. (
Online.)
Bilder
Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite
- a b Die beiden Welse (namazu) in der Bildmitte tragen die Schriftzeichen für „Shinshū“ und „Edo“. Dies bezieht sich auf das sog. Zenkō-ji Erdbeben in Shinano (Shinshū, heute Nagano, 1847) und das Erdbeben in Edo (1855). Der groß geschriebene Text ist ein „Erdbeben-Abwehr-Lied“, in dem die neuen Freudenviertel, die nach dem Erdbeben errichtet wurden, gefeiert werden.
Ganz oben sieht man den verzweifelten Gott von Kashima Kashima Daimyōjin, darunter den Donnergott. Die meisten Bürger der Stadt sind wütend auf die namazu, manche aber zweifeln.
(Bilderläuterung: Literatur:Miyata Takada 1995, S. 266–267.)
Edo-Zeit, 1855. Tokyo Archive, Tōkyō Metropolitan Library.
- ^ Im oberen Teil des Bildes sieht man den „Schlussstein“ (kaname-ishi) des Schreins Kashima Jingū umgeben von einem Zaun und einem torii. Mit Hilfe dieses Steins, der weit ins Erdreich hinunterreichen soll, gelang es dem Gott von Kashima — dem Volksglauben der Edo-Zeit zufolge — den Erdbebenwels (namazu) im Erdinneren in Zaum zu halten.
Im unteren Bildteil sieht man den Gott von Kashima, der auch als Schwertgott bekannt ist, und den Wels in figurativer Gestalt. Rund um die beiden sind Werkzeuge und Geldmünzen zu sehen, welche den Wiederaufbau nach dem Erdbeben symbolisieren.
Edo-Zeit. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tōkyō: Ribun Shuppan, 1995, S. 105.
- ^ Der Bildtext des namazue lautet:
Erdbebenschutz
Das Orakel des Kashima Ahnenschreins besagt: „Solange ich auf diesem Boden weile, soll kein Halm auf den Bergen, Flüssen, Gräsern und Bäume und kein Sandkorn an den Gestaden der blauen See Schaden nehmen, auch wenn die Erde bebt.“ Wer diesen Spruch morgens und abends sagt, wird ohne Fehl vor allen Übeln und Gefahren, vor Feuer, Wasser und Erdbeben gefeit sein. Und wer den Zettel, wo dies steht, an den Pfeilern in Ost und West, Süd und Nord anbringt, dessen Haus wird nicht einstürzen und nicht zerstört werden.
Edo-Zeit, 1855. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tōkyō: Ribun Shuppan, 1995, S. 110 und 262.
- ^ Oben: Der Erdbeben-Wels (namazu) und die Zerstörungen,
die er anrichtet.Bildmitte: Der Gott von Kashima reitet eilig herbei. Links der Donnergott.Unten: Der „Schlussstein“ (kaname-ishi) und der schlafende Gott Ebisu, der den Gott von Kashima vertreten sollte.//Obwohl Ebisu oft als lachender, jugendlicher Glücksgott dargestellt wird, gibt es auch Legenden, denen zufolge er alt und schwerhörig ist und aus diesem Grund den alljährlichen Aufruf an die Götter, sich im Oktober in Izumo zu versammeln, nicht hört (oder hören will). Er bleibt daher als „Haushüter-Gott“ (rusugami) in seiner Heimatregion. Doch auch diese Aufgabe erfüllte er im 10. Monat 1855, als der Erdbebenwels das große Ansei-Beben verursachte, nicht sorgfältig genug.
Edo-Zeit, 1844. Tokyo Archive, Tōkyō Metropolitan Library.
- ^ Der Erdbeben-Wels (namazu), der das Erdbeben von 1855 hervorgerufen hat, ist von einem Pfeil des Gottes Kashima Daimyōjin getroffen worden und begeht Selbstmord durch seppuku (harakiri). Im Hintergrund, unterhalb des Gottes, sind links die verstorbenen Opfer des Bebens, rechts die Geschädigten (Großhändler, Daimyōs, etc.) zu sehen. Aus dem Bauch des Welses strömt Geld (das offenbar den Armen zugute kommt).
Edo-Zeit, 1855. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tokyo: Ribun Shuppan, 1995, S. 9. - ^ Welsbild (namazue, das das Erdbeben von 1855 thematisiert. Bildinhalt: Nachdem der Gott von Kashima, Kashima Daimyōjin, (Bildmitte) den Wels (namazu) wieder unter Kontrolle gebracht hat, tritt der Glücksgott Daikoku auf den Plan und lässt Geld regnen, das den einfachen Bauarbeitern zugute kommt. Der Text ist ein „Erdbeben-Abwehr-Lied“, welches besagt:
- Der Wassergott (Mizu-kami) hat uns das Leben gerettet, jetzt gehen wir zu den Huren (rokubu), wie schön!
Bilderläuterung: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tōkyō: Ribun Shuppan, 1995, S. 319–320.
Edo-Zeit, 1855. Tokyo Archive, Tōkyō Metropolitan Library.
- ^ Ein Erdbeben-Wels (namazu) schüttelt einen reichen Kaufmann, bis er Geld erbricht, um das sich die Armen raufen. Der Wels mahnt den Kaufmann, in Zukunft mehr Mitleid mit den Armen zu haben. Die Armen wiederum meinen, dass es besser ist, das Geld im Bordell auszugeben, da sowieso bald wieder ein Erdbeben kommt.
Edo-Zeit, 1855. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tokyo: Ribun Shuppan, 1995, S. 225 und 299 (#90). - ^ Notdürftig maskierte Erdbeben-Welse (namazu) besichtigen ein Bordell und werden von den dortigen Damen an den Bärten herangezogen. Das Bild trägt den Titel „Unterkunft der Strapazen und Feuersbrünste“. Unter „Unterkunft“ oder „Leihwohnung“ (jap. karitaku) verstand man zu dieser Zeit billige Bordelle. Diese waren als Ersatz für das vom Erdbeben zerstörte Nobel-Freudenviertel Yoshiwara errichtet worden. Somit wurde dank des Erdbebens die Prostitution in Edo weiter verbreitet und allgemein erschwinglicher. Auch das ein „positiver“ Effekt für die ärmere Bevölkerung.
Edo-Zeit, wahrscheinlich 1855. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tōkyō: Ribun Shuppan, 1995, S. 227 und 314. - ^ Dieses Bild zeigt, wie die Gottheit von Ise, hier als Pferd dargestellt, den Erdbebenwels (namazu) besiegt. Es entstand in der Folge des großen Erdbebens von 1855 (Ansei 2), das vor allem in Edo (Tōkyō) großen Schaden anrichtete. Der dem Bild eingeschriebene Text berichtet davon, dass die Gottheit von Ise im Zuge des Erbebens als weißes Pferd (uma) durch die Straßen der Stadt gallopierte und all jene, die zu ihr beteten, vor Unheil bewahrte. Zur gleichen Zeit erfreuten sich Wallfahrten nach Ise einer großen Beliebtheit. Es kündigte sich darin bereits eine neue Aufwertung des Tennō an, die schließlich im Jahr 1868 in Gestalt der Meiji-Restauration vollzogen wurde.
Edo-Zeit, 1855. National Diet Library. - ^ Das älteste erhaltene namazu-Motiv stellt eine Ken-Spiel-Situation dar. Von diesem Motiv gibt es einige Varianten, die alle von Utagawa Kuniteru 歌川国輝 (1808–1876) angefertigt wurden.
Hintergrund ist das Erdbeben im Tempel Zenkō-ji in Nagano (damals Shinano oder Shinshū) im Jahr 1847. Dieses Beben fand genau zu dem Zeitpunkt statt, als der Tempel seine berühmte Amida-Statue ausstellte und damit zahlreiche Pilger aus dem ganzen Land anzog. Viele Pilger fielen dem Beben zum Opfer, doch der Tempel selbst blieb weitgehend unversehrt, was als Wunder des Amida angesehen wurde.
Das Bild zeigt den Buddha Amida (der in späteren Bildern durch den Gott von Kashima ersetzt werden wird), den Erdbeben-Wels und eine Geisha. Wie beim Ken-Spiel üblich ist jeder von ihnen einem überlegen, dem anderen unterlegen: Amida ist stärker als Namazu, Namazu ist stärker als Geisha, Geisha ist stärker als Amida, was vielleicht als Seitenhieb auf den Buddhismus zu verstehen ist. Große buddhistische Tempel boten nämlich Ende der Edo-Zeit stets auch Vergnügungs- und Freudenvierteln Platz — so auch der Zenkō-ji in Nagano.
Der Text enthält zum einen ein „Ken-Lied“, das humoristisch auf die Ereignisse Bezug nimmt, zum anderen eine Kurzdarstellung der Zerstörungen im Nachrichtenstil. Wie die meisten Welsbilder zählt auch dieses zum Genre der kawaraban, einer Art Zeitung der späten Edo-Zeit.
Bilderläuterung: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tōkyō: Ribun Shuppan, 1995, S. 240–41 (#2)
Werk von Utagawa Kuniteru (1808–1876). Edo-Zeit. Bildquelle: University of Tōkyō Library.
- ^ Das Bild illustriert ein Sprichwort der Edo-Zeit: „Die größten Gefahren sind: Erdbeben, Gewitter, Feuer — und Väter.“ Donnergott Raijin, Erdbeben-Wels (namazu) und Feuer spielen ken, der Vater bewirtet sie dabei.
Edo-Zeit. University of Tōkyō Library. - ^ Ein Reicher, eine Geisha und ein Handwerker verzehren zusammen einen Wels (namazu). Der Text besagt: Der Reiche, ein zorniger Trinker; der Handwerker, ein fröhlicher Trinker; die Geisha, eine weinende Trinkerin. Noch einmal wird hier satirisch auf die vom Erdbeben betroffenen Berufsgruppen angespielt. In der Darstellung nehmen die drei unbewusst Haltungen ein, die den Gesten des ken-Spiels ähneln.
Edo-Zeit. Bildquelle: University of Tōkyō Library.
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