Geschichte/Honji suijaku: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 26. Mai 2020, 15:49 Uhr
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Als die ersten bud·dhis·tischen Mönche ihre Lehre in Japan zu ver·breiten be·gannen, stellten sie zwar die Exis·tenz der ein·hei·mischen kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] nicht in Zweifel, sahen sie aber als den Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] unter·legen an. Ebenso hatte der Bud·dhis·mus auch die indischen Götter ein·ge·stuft: Sie galten als un·er·leuch·tet und im Kreis·lauf der Wieder·ge·burten (Samsara [Saṃsāra (skt.) संसार „Beständiger Fluss“, Kreislauf der Wiedergeburten, Diesseits (jap. Rinne 輪廻)]) ge·fangen. Um·ge·kehrt wurden Buddhas und Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] von den ja·pa·nischen Laien zu·nächst als fremde kami ein·ge·stuft. Gegen·über dem Über·legen·heits·an·spruch der Bud·dhis·ten regte sich bereits nach den ersten Tempel·grün·dungen Wider·stand (siehe Alter·tum). Von bud·dhis·tischer Seite begeg·nete man diesem an·fäng·lichen Miss·trauen mit ver·schie·denen Versuchen, den kami-Glauben stär·ker in den Bud·dhis·mus zu in·te·grie·ren. Dabei lassen sich, histo·risch auf einan·der folgend, unter·schied·liche Strategien beobach·ten, die in der Folge genauer vorgestellt werden.
Bekehrung der kami
Die historisch älteste Stratgie, die man schon im siebenten Jahrhundert (also in der Frühzeit des japanischen Buddhismus) antrifft, ist die „Bekehrung“ einheimischer Gottheiten: Kami gelten als erleuch·tungs·bedürftige Wesen, die wie die Menschen in den Gebur·ten·kreis·lauf ver·strickt sind und einen Drang nach Er·lösung verspüren. Der Bud·dhis·mus über·nimmt die Auf·gabe, ihnen dazu zu ver·helfen. Frühe bud·dhis·tische Legen·den zeigen, dass diese Auf·gabe häufig von um·her·wan·dernden bud·dhis·tischen Asketen über·nommen wurde. In diesen Le·gen·den wird zum Beispiel erzählt, dass eine lokale Gott·heit einem vor·bei·zie·henden Wander·mönch im Traum er·scheint und ihm das Leid ihres un·er·lösten Zu·stan·des klagt. Um das Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)] der Gott·heit dauer·haft durch die ent·spre·chen·den bud·dhis·tische Riten und Sutrenlesungen [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)] zu ver·bessern, ver·an·lasst der Mönch die Er·rich·tung eines Tem·pels neben dem ur·sprüng·lichen Heilig·tum der Gottheit.
Ein gut dokumentiertes Beispiel stellt die Gottheit des Tado [Tado Taisha (jap.) 多度大社 Shintō-Schrein in der Stadt Kuwana in der Präfektur Mie] Schreins in der Nähe des Ise Schreins dar. Diese Gottheit offenbarte sich Ende der Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]-Zeit einem Mönch namens Mangan Zenji [Mangan Zenji (jap.) 満願禅師 „Meditations-Meister Mangan“; buddhistischer Mönch der Nara-Zeit] und bat ihn um bud·dhis·tische Belehrung. Mangans Belehrung funktionierte so gut, dass die Gottheit schließlich zu einem Bodhisattva [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] wurde.
Aus heutiger Perspektive kann man annehmen, dass in Fällen wie diesem zunächst eine Schrein·gottheit verehrt wurde, die dann von einem buddhistischen Mönch erfolgreich für die Verbreitung des Bud·dhis·mus instrumentalisiert wurde. Schon um das Jahr 700 führten derartige Interpretationen zur Er·rich·tung großer ge·mein·samer Kult·stät·ten, etwa in Usa [Usa (jap.) 宇佐 Region im Norden der Insel Kyūshū, bekannt für den Usa Hachiman Schrein.], Kyūshū, wo die Gott·heit Hachiman [Hachiman (jap.) 八幡 Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen] zusam·men mit Miroku Bosatsu [Miroku (jap.) 弥勒 Bodhisattva Maitreya, „Buddha der Zukunft“] (Bodhisattva Maitreya [Maitreya (skt.) मैत्रेय „Der Freundliche, der Liebevolle“, Buddha der Zukunft (jap. Miroku 弥勒)]) verehrt wurde.
Kami als buddhistische Schutzgötter
Sobald der Buddhismus zu einem festen Bestandteil der japanischen Religion geworden war (also etwa ab der Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]-Zeit) wurden kami, die bereits ein gut etabliertes Verhältnis zum Bud·dhis·mus besaßen, zu Be·schüt·zern des Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. hō 法)] erklärt. Die Bekehrung der kami muss in solchen Fällen nicht spezifisch betont werden, sondern wird selbstverständlich vorausgesetzt. Große Tempel er·richten inner·halb des Tempel·areals Schreine für solche kami. In diesen Fällen wurde — historisch gesehen — wohl zuerst ein Tempel errichtet, der anschließend durch eine neu eingeführte Gottheit beschützt werden sollte. Auch hierfür stellt Hachiman eines der frühesten Beispiele dar:
Hachiman und der Tōdaiji
Als Mitte des achten Jahrhun·derts der Große Buddha des Tōdaiji in Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] errich·tet wurde, baute man inner·halb des Tempel·areals auch einen Zweig·schrein für Hachiman [Hachiman (jap.) 八幡 Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen]. Dies geschah der Legende nach auf·grund eines von Hachiman selbst ge·äußerten Wunsches. Zuvor hatte Hachiman gelobt, dass er mit seinem eigenen Körper das Schmelzen des Metalls zur Er·richtung der Statue sicher·stellen werde. Auch ein Goldfund in Nordjapan (749), der die Ver·gol·dung der Statue möglich machte, wurde mit Hachiman in Ver·bin·dung gebracht. In der Folge erhielt Hachiman (ähnlich wie der zuvor erwähnte Gott von Tado) den Titel eines Bodhisattva [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)], also eines erleuchteten bud·dhis·tischen Wesens. Hachiman konnte also der damaligen Vorstellung zufolge die höchste Stufe der Er·leuch·tung vor der end·gültigen Buddha·schaft errin·gen und blieb doch seinem Wesen nach ein einheimischer Gott. Der Unterschied zur vorherigen Stufe besteht darin, dass die Bodhisattvaschaft Hachimans nicht aufgrund der Hilfe eines kon·kreten Mönchs erfolgte, sondern quasi spontan. Das hatte letztlich zur Folge, dass man ihm einen höheren Status zubilligte als z.B. der Gottheit des Tado Schreins. Das Beispiel des Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] führte in der frühen Heian-Zeit dazu, dass eine Reihe großer Tempel (etwa Daian-ji [Daian-ji (jap.) 大安寺 einer der Sieben Große Tempel von Nara, err. 729, geht auf ältere Vorgänger zurück] und Yakushi-ji [Yakushi-ji (jap.) 薬師寺 Tempel des Yakushi Nyorai in Nara] in Nara, oder Jingo-ji [Jingo-ji (jap.) 神護寺 Tempel nordwestlich von Kyōto, gegr. um 800; wtl. Tempel des göttlichen Schutzes] und Tōji [Tōji (jap.) 東寺 Ost-Tempel in Kyōto, eig. Kyōō Gokoku-ji (Tempel des Königs der Lehre zum Schutz des Landes)] in Kyōto) Hachiman ebenfalls als Schutz·gott·heit installier·ten.
Hachiman galt außerdem als Inkarnation des mytho·logischen Herrschers Ōjin [Ōjin Tennō (jap.) 応神天皇 auch Homuda Wake 誉田別; mytholog. Herrscher, offiziell der 15. Tennō; trad. Lebensdaten: 200–310, r. 270–310] und damit als Ahnen·gottheit des Kaiser·hauses. Hachiman als Schutzgott zu haben bedeutete daher wohl auch eine privilegierte Beziehung zum kaiserlichen Hof. Auch die Shōgune [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)] des Mittel·alters ver·zichteten nicht auf seinen Bei·stand und konstruier·ten ihre Ab·stam·mungs·linien so, dass auch sie sich als Nach·kommen des Hachiman be·zeich·nen konnten. Hachiman wurde daher in weiterer Folge zur Ahnen·gott·heit des Krieger·adels. In dieser Funktion wurde er auch um Glück in der Schlacht an·ge·rufen und mutierte so in späterer Zeit auch zum Kriegsgott, wobei er aber seinen Titel Bodhisattva bis zum Beginn der Moderne behielt. Erst die sogenannte „Trennung von kami und Buddhas“ Anfang der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit führte zur Ab·erken·nung bud·dhis·tischer Titel für ein·hei·mische Gottheiten.
Sannō, der Schutzgott des Klosterbergs Hiei
Ein weiteres Beispiel einer durch und durch vom Buddhismus ge·präg·ten ein·heimischen Gottheit ist Sannō [Sannō (jap.) 山王 Wtl. „Bergkönig“; Schutzgott des Tendai-Klosters auf Berg Hiei], der Schutz·gott des Klos·ter·bergs Hiei:
Als Saichō [Saichō (jap.) 最澄 767–822; Gründer des Tendai-Buddhismus; auch bekannt als Dengyō Daishi], der Begründer der Tendai-Schule [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai], das Kloster Enryaku-ji [Enryaku-ji (jap.) 延暦寺 Haupttempel des Hiei Klosterbergs] auf Berg Hiei [Hiei-zan (jap.) 比叡山 Klosterberg Hiei bei Kyōto, traditionelles Zentrum des Tendai Buddhismus] grün·dete, wählte er diesen Ort nicht zu·fällig. Erstens war er hier geboren, zweitens befand sich etwa 150 Jahre zuvor am öst·lichen Fuße des Berges der Palast des Tenchi-Tennō [Tenji Tennō (jap.) 天智天皇 626–672; 38. Kaiser Japans; (r. 661–672); Eigenname: Naka-no-Ōe]. Von dieser Zeit kündete noch der Hie Schrein [Hie Taisha (jap.) 日吉大社 Schutzschrein des Tendai-Tempelkomplexes von Berg Hiei bei Kyōto; auch bekannt als Hiyoshi Taisha oder Sannō Schrein] (später auch als „Hiyoshi Schrein“ bekannt), der mehreren Berggottheiten geweiht war. Saichō erklärte diese kami kollek·tiv zu Schutz·göttern seines Klos·ters und gab ihnen den Namen Sannō [Sannō (jap.) 山王 Wtl. „Bergkönig“; Schutzgott des Tendai-Klosters auf Berg Hiei], wtl. „Berg·könig“. Diesen Namen borgte er von einem chi·ne·sischen Vorbild: Auch im Stamm·kloster des Tiantai [Tiantai (chin.) 天台 chin. Vorläufer des Tendai Buddhismus; urspr. Name eines chin. Klosterbergs (Tiantai-shan)] Bud·dhis·mus in China wurde eine lokale Gott·heit als „Berg·könig“ und Schutz·gott des dortigen Klosters ver·ehrt. In der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit ent·wickelte sich der nun·mehrige Hie/Sannō Schrein parallel zur Klos·ter·anlage auf Berg Hiei zu einem weit·läufigen Schrein·kom·plex. Der Schrein wurde von Priestern be·treut, die zwar selbst keine bud·dhis·tsichen Weihen er·hiel·ten, aber der Aufsicht von Tendai-Mönchen unter·standen. Sannō Schreine ent·stan·den in der Folge auch in Zu·sammen·hang mit anderen Tendai-Klöstern, sodass aus Sannō eine allge·meine Schutz·gott·heit des Tendai Bud·dhis·mus wurde. Umgekehrt gingen — wie wir gleich sehen werden — ent·schei·dende Impulse in den bud·dhis·tischen Inter·pre·tations·modellen der kami vom Tendai Bud·dhismus aus.
Honji suijaku — kami als Manifestationen von Buddhas
Vorlage:Sidebox3 Die Beförderung einzelner kami in den Rang bud·dhis·tischer Schutz·götter bedeutete zweifellos eine Auf·wer·tung der kami aus buddhis·tischer Sicht. Man kann diese Funktion als ein Indiz für die zuneh·mende Japanisierung des Bud·dhis·mus in Japan werten. Hinter dieser Japanisierung erkennt man das Be·dürf·nis vieler gläubiger japani·scher Bud·dhisten der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit, ihre kami mit Bodhisattvas und Buddhas auf die gleiche Stufe zu stellen. Aus diesem Be·dürf·nis ent·wickelte sich all·mählich eine weitere Inter·pre·tation, die so·ge·nannte honji [honji (jap.) 本地 (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku] suijaku [suijaku (jap.) 垂迹 wtl. kami-Spur (eines Buddha); buddh. Bezeichnung für → kami] Konzep·tion. Laut dieser Konzep·tion sind gewisse kami (nicht unbedingt alle) im Grunde Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] oder Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] die sich zum Zwecke der Bekeh·rung (oder Missio·nierung) vor·über·gehend in kami-Gestalt mani·fes·tieren.
Muromachi-Zeit, 1447. Nara National Museum.
Hon [hon (jap.) 本 „Original“, „Ursprung“] und jaku [jaku (jap.) 迹 „Spur“, „Fährte“; „Vermächtnis“] sind in der Tendai-Philo·sophie ge·bräuch·liche Termini, um die absolute Wahr·heit von ihrer histo·rischen Er·scheinungs·form (z.B. den absoluten Dharma von den Lehren des histo·rischen Buddhas) zu unter·scheiden (s. a. upāya/hōben). Die Tendai-Lehre unter·scheidet bei·spiels·weise zwischen der „originalen Lehre“ und der „abgebil·deten Lehre“. Diese Dicho·tomie wird nun in Japan auch auf die Gott·heiten über·tragen (was in China nicht oder nicht konsequent geschah). Früheste Er·klä·rungen dieser Art ent·stam·men — kein Wunder — der Tendai-Schule: kami werden als „Spuren des Höchsten Buddha“ be·zeich·net, wo·raus sich der technische Terminus suijaku (wtl. „herab·gelas·sene Spur“) ent·wickelt. Ein weiterer Begriff in diesem Zu·sam·men·hang ist der kami-Titel gongen [gongen (jap.) 権現 wtl. „vorläufige Erscheinung“ (vgl. gon); buddh. Titel für kami], was soviel wie pro·viso·rische oder vor·läufige Er·schei·nung bedeutet. Ein gongen ist also die vor·läufige oder pro·viso·rische Er·schei·nungs·form eines Buddhas oder Bodhisattvas in der Ge·stalt eines kami. Die Gott·heit des Hie Sannō Schreins, Sannō Gongen [Sannō Gongen (jap.) 山王権現 Gottheit des Sannō Schreins], ist ein frühes Beispiel für diesen buddhistischen kami-Titel.
Eine analoge Erklärung für die Tatsache, dass Buddhas nicht in ihrer un·mittel·baren Gestalt in Er·schei·nung treten, ent·wickelte sich aus der poetischen (letztlich von Laotse [Laozi (chin.) 老子 trad. Schreibung: Laotse; Lao Tse, Lao-tzu; wtl. „alter Knabe“; legendärer Philosoph und Begründer des Daoismus] entlehn·ten) Metapher vom „gedämpften Licht, das sich dem Staub an·gleicht“ (wakō dōjin [wakō dōjin (jap.) 和光同塵 Angleichung der Buddhas an die kami; wtl. „das Licht dämpfen und sich dem Staub angleichen“]). Gemäß dieser Vor·stel·lung ist das Licht der Buddhas so hell, dass es die ge·wöhn·lichen Sterb·lichen nicht schauen können. Um aber dennoch mit den Sterb·lichen kom·muni·zieren zu können, hätten Buddhas und Bodhisattvas ihr Licht gedämpft und es „dem Staub der Erde ange·glichen“ und das Ergeb·nis sei die Er·schei·nungs·form der kami gewesen. Dies ist eine gängige Alter·native zur eigent·lichen honji-suijaku Metapher, welche die kami als sichtbare „Spur“ begreift, die die Buddhas auf Erden hinter·lassen haben.
Im zehnten und elften Jahrhun·dert finden sich Beispiele für die ganz kon·krete Über·ein·stim·mung bestimmter Buddhas oder Bodhisattvas mit be·stimmten kami, wie sie für die voll ent·wickelte honji suijaku Konzep·tion typisch sind. Meist findet eine Über·ein·stim·mung der kami mit Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt], Yakushi Nyorai [Yakushi Nyorai (jap.) 薬師如来 Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru], Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] oder Shaka Nyorai [Shaka Nyorai (jap.) 釈迦如来 jap. Name des historischen Buddha, Shakyamuni] statt. Wie schon in früheren Fällen, grün·den sich diese Über·ein·stim·mungen zu·meist auf Traum·bot·schaf·ten oder Offen·barun·gen be·rühmter Mönche und werden in Schrein- oder Tempel·chroniken (so·ge·nannten engi [engi (jap.) 縁起 Tempel- oder Schrein-Chronik]) fest·ge·halten. Mit dem Beginn der Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit (um 1200) festigen sich die kami-Buddha Zuordnun·gen in den meis·ten größeren Schreinen (siehe auch Ikonographie, kami).
Sichtbares Zeichen dieser kom·bina·torischen Praxis sind die in vielen Schreinen er·haltenen „Hängebuddhas“ (kakebotoke [kakebotoke (jap.) 懸仏 wtl. „Hängebuddha“; Relief des „Urbuddhas“ (honji) einer Shintō-Gottheit, meist an der Rückseite von Bronze-Spiegeln gefertigt, welche in Schreinen dieser Gottheit aufgehängt wurden]). Es handelt sich dabei um metal·lene Spiegel, die die Schrein·gott·heit re·prä·sen·tieren und an deren Rück·seite ein Relief des je·weiligen honji-Buddhas angebracht ist. Die Spiegel ver·danken ihren Namen der Tatsache, dass sie zu·meist an der Außen·seite der Schreine aufgehängt wurden.
Kombinatorische Praxis
Die honji suijaku Kon·zep·tion bleibt das ganze Mittel·alter hin·durch bis in die Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit für die japanische Religion prägend und führt zu einer Viel·zahl von syn·kre·tis·tischen Kombi·nationen: nicht nur werden einzelne Buddha oder Bodhisattva Gestal·ten mit diver·sen kami über·ein·ge·stimmt, es kommt auch zu ganzen Ketten von Identi·fika·tionen, an deren Ende nicht selten histo·rische Persön·lich·keiten (etwa Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi] oder Shōtoku Taishi [Shōtoku Taishi (jap.) 聖徳太子 574–622; Prinz Shōtoku; kaiserlicher Regent]) stehen. Diese gelten dann z.B. als Er·schei·nungen von kami, die ihrer·seits wieder Er·schei·nungen von Buddhas sind. Auch nicht-bud·dhis·tische Gott·heiten aus Indien und China haben in diesen Reihen Platz. Die honji suijaku Konzep·tion exis·tiert jedoch nicht in Form einer sys·tema·tisch kodi·fizier·ten Lehr·meinung, sondern setzt sich aus un·zähligen Einzel·theorien zu·sammen, die meist in Legen·den von Tempeln und Schreinen zum Ausdruck kommen.
Man darf sich daher nicht erwar·ten, dass allgemeine Über·ein·kunft da·rüber herrschte, welcher Gott nun die „Spur“ welchen Buddhas sei. Im Gegen·teil: Selbst inner·halb ein und des·selben Schrein·kom·plexes exis·tieren oft mehrere, wider·sprüch·liche Identi·fika·tionen. Offen·bar war es durch·aus möglich mehr als eine Identi·fika·tion für wahr zu halten. All das macht die religiöse Situation des Mittel·alters ver·wirrend und un·über·sicht·lich. Die Religions·ge·schichte hat sich daher auf die bud·dhis·tischen Refor·mer dieser Zeit konzen·triert, die klarere Linien vorgeben und cha·rakte·ristischer·weise den kami ver·gleichs·weise wenig Beach·tung schen·ken. Die Gedan·ken dieser Refor·mer, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, sind vom heutigen Stand·punkt aus leich·ter nach·voll·zieh·bar. Wie wir jedoch aus der Literatur des Alter·tums und des ja·pa·nischen Mittel·alter wissen, erschien den Japanern des Mittel·alters das „geschickte Mittel“ der poly·morphen Er·schei·nung als Buddha, kami, Heiliger oder gar Gespenst zum Zwecke der Verbreitung des Buddha-Dharma durchaus plausibel.
Allgemein lässt sich sagen, dass mit der honji suijaku Konzep·tion eine Auf·wer·tung der kami statt·findet: Sie steigen von un·er·leuch·teten Außen·seitern des bud·dhis·tischen Pantheons zu — zuge·geben meist zweit·ran·gigen — Er·schei·nungs·formen der Buddhas selbst auf. Dies erleich·tert es gläubigen Buddhis·ten, neben den Buddhas auch den kami Vereh·rung zukom·men zu lassen.
In der letzten Phase der An·glei·chung von kami und Buddhas versuch·ten manche bud·dhis·tischen Denker, beide als absolut gleich·wertig, sozusagen als zwei Seiten einer Medaille, dar·zu·stel·len. Diese Inter·pre·tation wird heute als Ryōbu Shintō [Ryōbu Shintō (jap.) 両部神道 Shintō-Interpretation des Mittelalters; wtl. „Shintō der beiden Teile“], wtl. „Shintō der beiden Teile“, bezeich·net. Sie ent·stand aller·dings erst in der Kamakura-Zeit und wird daher unter dem Stich·wort Shintō des Mittelal·ters genauer behandelt.