Goryō

Aus Kamigraphie
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Goryō 御霊 sind feindselige Seelen Verstorbener, die Unheil und Krankheit verursachen. Oft handelt es sich dabei um Personen, die ihren Status und ihre Macht verloren haben und nach dem Tod auf Rache sinnen.

Entstehung und Entwicklung

Goryō 御霊 finden ihre erste Erwähnung im Nihon sandai jitsuroku 日本三代実録, wo von einem goryō-e 御霊会 berichtet wird, dass 863 vom Kaiserhof ausgetragen wurde [1]. Die Ursprünge der goryō lassen sich jedoch viel früher, bereits vor der Nara-Zeit vermutet [2], finden. Die Blütezeit der goryō Verehrung, auch goryō-shin 御霊神 Zeitalter genannt, beginnt Mitte des 8. und endet im 12. Jahrhundert [3]. Die Entstehung des Glaubens an goryō ist generell sehr unklar, aber man kann davon ausgehen, dass er sich aus unterschiedlichen Glaubensvorstellungen herausentwickelt hat. Zum einen von einheimischem Volksglauben und Traditionen innerhalb Japans, aber auch aus Volktraditionen die Festland-Einwanderer von China und Korea her importierten [4]. Klar zu sehen ist das an Chinesischen Totenriten, bei dem der Geist eins Verstorbenen zu einem Rachegeist werden konnte, wenn nicht die korrekten Begräbnisriten vollzogen wurden [5].

Diese unterschiedlichen Einflüsse und Volkstraditionen vereinten sich am Ende der Nara- und Anfang der Heian-Zeit, die durch Unruhen und politische Veränderung gekennzeichnet war. Gerade in Nara und Kyoto, spätere Zentren des goryō shinko 御霊信仰, sah man einen großen Anstieg der Bevölkerung, was zu engeren Platzverhältnissen und schnellere Verbreitung von Krankheiten führte [6]. Noch dazu gab es in der Nara und Heian-Zeit durch politische Machtspiele der Führungsschicht eine Vielzahl an verärgerten Geistern, die es zu besänftigen galt [7]. Zu ebendieser Zeit wurde das goryō-e von 863 ausgetragen. Es war 6 goryō gewidmet, allesamt Mitglieder der Führungsschicht und alle durch die politischen Machenschaften des Fujiwara Clans ums Leben gekommen[8]. Der Fujiwara Clan enteignete den goryō shinko für ihre eigenen Zwecke, um die Bevölkerung besser kontrollieren zu können. Während es bereits vor der Nara-Zeit Epidemien-Götter und krankheitsauslösende Geister gab, wurden erst in der späten Nara-Zeit spezifische Personen identifiziert, denen man die Schuld anhängen konnte. Die Identifizierung wurde wiederum von der Oberschicht aus festgelegt. Es wurde signalisiert, dass die Feinde der Fujiwara, lebend oder geisterhaft, auch die Feinde des Volkes waren [9].

Der goryō Glaube, ursprünglich aus Volkstümlichen Traditionen entstanden und von der Oberschicht für ihre Zwecke angepasst, verbreitet sich nach unten [10]. Auch wenn das Ende der Nara-Zeit den Anfang des höfischen goryō Glaubens kennzeichnet, so gab es inoffizielle, private goryō-e die vom Volk abgehalten wurden, als Reaktion auf Situationen und ein Versuch, Abhilfe bei Katastrophen zu finden. Diese Volks-goryō-e hatten zudem nicht nur die Funktion, Epidemien und Desaster zu bekämpfen, sondern auch, um Kritik an der Regierung und der Führungsschicht zu üben. Man legte die Schuld Adeligen Geistern vor, die durch Adelige gestorben waren und wegen poltischen Machtspielen einen Groll hegten. Das dies als Kritik aufzufassen war, lässt sich auch daran erkennen, dass es Bemühungen der Regierung gab, private, vom Volk abgehaltenen goryō-e zu verbieten und zu unterdrücken [11].

Eine große Veränderung, die sich ins 10. Jahrhundert beobachten lässt, ist die Beziehung der Menschen zu den goryō, ähnlich wie auch bei den ekijin 疫神 und anderen Göttern und Geistern. Von bösartigen, gefürchteten Rachegeistern, die es zu besänftigen galt, wurden sie zu quasi-Gottheiten goryō-shin, die als Beschützergeister fungierten [12] Auch heute noch werden Feste zu Ehren von goryō abgehalten, wie zum Beispiel das Gion Matsuri.

Goryō und Nenbutsu

Durch die Verbreitung der goryō veränderte sich der Glaube durch unterschiedliche Einflüsse. Über die Jahre hinweg verändert sich auch, wer goryō werden konnte. Anfangs waren es nur Adelige und Mitglieder der Führungsschicht, die ihre Rache im großen Stil ausüben konnten. Beeinflusst durch die Vorstellungen des Buddhismus eröffnete sich die Möglichkeit, dass auch jemand aus dem Volk zu einem goryō werden könnte. Nur durch den Willen, besonders im Moment des Todes, sollte sich ein Leben nach dem Tod eröffnen können. Hōri sieht eine Verbindung zwischen den Kult der goryō und des nenbutsu 念仏 [13]. Hierbei würde die Gemeinsamkeit in der Manifestation des Willens eines Menschens liegen, der je nach Glauben zu einem Rachegeist werden könnte, oder aber ins Reine Land des Amida Buddhas aufsteigen könnte [14].

Verweise

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Warren 2014: 55
  2. McMullin1998: 273-4
  3. Hōri 1994: 72
  4. McMullin 1998: 273-4
  5. Hōri 1994: 42-43
  6. McMullin 1998: 285
  7. Warren 2014: 58
  8. McMullin 1998: 288
  9. McMullin 1998: 286-9
  10. McMullin 1998: 285
  11. McMullin 1998: 284-286
  12. McMullin1998: 292
  13. Anrufung des Amida Buddhas, Teil des Amida Buddhismus
  14. Hōri 1994: 116-117

Quellen

  • Ichirō Hori 1994
    Folk religion in Japan: Continuity and change. Chicago: Chicago UP 1994.
  • Neil McMullin 1988
    „On placating the gods and pacifying the populace: The case of the Gion "Goryō" cult.“ History of Religions 27/3 (1988), S. 270 - 293. (Exzerpt.)
  • Elizabeth Moriarty 1972
    „The communitarian aspects of Shintou matsuri.“ Asian Folklore Studies 31/2 (1972), S. 91-140. (Exzerpt.)
  • Bernhard Scheid 2012
    „Shinto shrines: Traditions and transformations.“ In: John Nelson, Inken Prohl (Hg.), Handbook of Contemporary Japanese Religions. Leiden: Brill 2012.
  • Yonei Teruyoshi, Goryō(Stand 2012/8/18). Aus: Encyclopedia of Shinto (Akademische HP/ Online-Enzyklopädie, Kokugakuin University, Tokyo).