I-12

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SNKBT 30: 25-26, Bohner 1934: 81-82, Nakamura 1997: 123-124

Dōtō (道登), ein buddhistischer Gelehrter (學生)[1] aus [dem koreanischen Reich] Goguryeo (高麗)[2], war Mönch (shamon 沙門) im Gangō-Tempel (元興寺).

In [der Provinz] Yamashiro (山背) verließ er das Haus der Ema[3] (惠滿), um im zweiten Jahr der Taika大化-Periode, [einem verheißungsvollen Jahr des] Feuerpferds (丙午), die Uji-Brücke (宇治) zu errichten[4] (? 營). Als er unterwegs war, (entdeckte er) in einem Tal der Nara-Berg einen Schädel, der von Menschen und Tieren getreten wurde. Der Dharma-Lehrer (法師) bedauerte es und befahl seinem Gefolgsmann (從者) Maro (萬侶), ihn auf einen Baum zu legen.

Im zwölften Monat desselben Jahres, am letzten Abend (晦夕) [des Jahres] kam ein Mann zum Tempeltor und sprach: „Ich möchte Maro treffen, den Gefolgsmann des ehrwürdigen (大德) Dōtō.“ Maro kam heraus, um ihn zu treffen. Der Mann sprach zu ihm: „Als ich des Ehrwürdigen Mitleid erhielt, erreichte ich des Friedens Glück. Obwohl dies der Fall ist, kann ich außer heute Abend, keine Dankbarkeit zeigen (報恩).“

Unverzüglich ging er mit Maro zu seinem Haus. Durchs geschlossene Haus betraten sie das Hausinnere. Er bereitete viel Speis und Trank vor. [5] Währenddessen verspeiste er zusammen mit Maro die für ihn selbst [geopferten] Speisen (饌)[6]. Gegen Ende der Nacht [hörten sie] die Stimme eines Mannes und er sagte zu Maro: „„Der Brüder, der mich tötete, ist auf den Weg hierher. Ich muss jetzt gehen.“ Verwundert befragte ihn Maro. Er antwortete: „Einst war ich zusammen mit meinem Bruder auf einer Handelsreise. Nachdem ich etwa 40 kin[7] Silber erworben hatte, tötete mich mein Bruder aus Eifersucht und beanspruchte das Silber für sich. Von da an, über viele Jahre hindurch, traten alle vorbeikommene Menschen und Tiere meinen Kopf. Weil der Ehrwürdige Erbarmen mit mir hatte und befahl, mich vom Leid zu erlösen, vergaß ich nicht auf deine Wohltat (恩). Heute Abend habe ich es [mit Dank] vergolten (報).“ [Daraufhin verschwand er.][8]

In diesem Moment kamen dessen Mutter und deren ältester Sohn ins Haus, um die Seelen (靈) aller [Verstorbenen] zu verehren. Sie entdeckten Maro und erschraken. Sie fragten, warum er gekommen war. Daraufhin berichtete Maro über das zuvor Geschehene. Die Mutter beschuldigte den ältesten Sohn: „Ah! Mein liebstes Kind wurde von dir ermordet! Es waren keine Räuber.“ Sie ließ [sich] bei Maro bedanken (禮), indem sie noch mehr Speis und Trank bereitete. Maro kam zurück und berichtete die Angelegenheit seinem Meister.

Ja, wenn sich sogar das Gebein eines Toten auf diese Weise erkenntlich zeigt, wie viel mehr dann ein Lebender! Wie könnte man Dankbarkeit (恩) vergessen!



  1. 學生 Nach B/N/I ein koreanischer Mönch; nach ? ein japanischer, der in Korea studierte. Nach N, jemand der auf einer staatlichen Universität buddhistische Schriften oder chinesische Klassiker studierte.
  2. 高麗 steht verkürzt für 高句麗
  3. Nach B der Ausgangspunkt einer Reise; außerdem weist B darauf hin, dass in einer späteren Parallelgeschichte jemand aus Uji gemeint ist, bei dem Dōtō wohnte; nach ? die japanische Familie des Mönchs; nach N/I nicht eindeutig; da diese Stelle genauso in der Inschrift vorkommt, war ursprünglich vielleicht doch die Herkunft gemeint
  4. Nach ? segnete er die Brücke; nach B/I baute er sie gerade; nach N nur dasselbe Jahr, in dem er sie gebaut hatte
  5. Es gibt hier Unterschiede zwischen B/N: Bei B bereitet der Mann/oder der Verstorbene die Speise vor, bei N ist die Speise bereits fertiggestellt als sie im Hause antreffen.
  6. Generell Speise (B/N) oder eindeutig Opferspeise (?)?
  7. ein 斤 etwa 500g
  8. Als die beiden kommen, ist er wohl schon weg, wird aber nicht erwähnt


Hintergrund

  • Zeit: vielleicht 646
  • Ort: Naraberge
  • Personen: Dōtō, sein Gefolgsmann Maro, Geist des Verstorbenen sowie Mutter und älterer Brüder des Verstorbenen

Ursache und Wirkung

Mann rettet Schädel vorm Zertrampeln durch Tier und Mensch, Geist des Verstorbenen zeigt sich der guten Tat erkenntlich und übt Vergeltung aus.

Anmerkungen

Die Hintergrundgeschichte von Dōtō und der Brücke ist auch auf einer Stein-Inschrift überliefert, die sich früher wohl bei der erwähnten Uji-Brücke befand, und aus der Kyōkai einige Abschnitte z.T. wörtlich übernahm (allerdings hauptsächlich Biographisches, was vermutlich anderswo genauso zu finden war). Obwohl die Inschrift ausdrücklich auf Ursache (Dōtō errichtet die Brücke) und Wirkung (er erreicht „das andere Ufer“) bezogen ist und sich daher für Kyōkais Geschichten geradezu anbietet, geht er nach den einleitenden Worten nicht mehr näher darauf ein und konzentriert die Geschichte stattdessen ganz auf Dōtōs Gefolgsmann und den Geist des Ermordeten.

Das Fest, an dem der Verstorbenen gedacht wird und diese wiederkehren können, fand damals offenbar am letzten Tag (晦) des zwölften Monats statt, also zu Jahresende, und nicht wie heute zu Obon im Sommer.

Doppelt: Der Tote bedanke sich mit Speise, die Lebende (Mutter) mit noch mehr.

III-27 ist eine Variante dieser Geschichte: jemand findet einen Schädel, hilft ihm (er entfernt Bambussprossen aus seinen Augenhöhlen und gibt ihm 餉 zu essen), worauf ihm dieser später als Lebender erscheint, ihm die Umstände seines Todes schildert (vom Onkel ermordet) und ihn für den letzten Tag (晦) des zwölften Monats in sein Haus einlädt, da er sich nur an diesem Abend bedanken kann. Dort wird der Mann zuerst vom Geist des Verstorbenen verköstigt (mit 饌) und, nachdem die Familienangehörigen angekommen sind und er ihnen die Geschichte erzählt hat, auch von diesen (mit 飲食).

Materialien


Artikel erstellt von Patrick Suchy 18:20, 8. Okt. 2010 (CEST).