I-12: Unterschied zwischen den Versionen
K |
K |
||
Zeile 27: | Zeile 27: | ||
Mann rettet Schädel vorm Zertrampeln durch Tier und Mensch, Geist des Verstorbenen zeigt sich der guten Tat erkenntlich und übt Vergeltung aus. | Mann rettet Schädel vorm Zertrampeln durch Tier und Mensch, Geist des Verstorbenen zeigt sich der guten Tat erkenntlich und übt Vergeltung aus. | ||
|anmerkungen = | |anmerkungen = | ||
− | Die Hintergrundgeschichte von [[Dōtō]] und der Brücke ist auch auf einer Stein-Inschrift überliefert, die sich früher wohl bei der erwähnten [[Uji-Brücke]] befand, und aus der [[Kyōkai]] einige Abschnitte z.T. wörtlich übernahm (allerdings hauptsächlich Biographisches, was vermutlich anderswo genauso zu finden war). Obwohl die Inschrift ausdrücklich auf Ursache (Dōtō errichtet die Brücke) und Wirkung (er erreicht „das andere Ufer“) bezogen ist und sich daher für Kyōkais Geschichten geradezu anbietet, geht er nach den einleitenden Worten nicht mehr näher darauf ein und konzentriert die Geschichte stattdessen ganz auf [[Dōtōs|Dōtō]] Gefolgsmann und den Geist des Ermordeten. | + | Die '''Hintergrundgeschichte von [[Dōtō]] und der Brücke''' ist auch auf einer Stein-Inschrift überliefert, die sich früher wohl bei der erwähnten [[Uji-Brücke]] befand, und aus der [[Kyōkai]] einige Abschnitte z.T. wörtlich übernahm (allerdings hauptsächlich Biographisches, was vermutlich anderswo genauso zu finden war). Obwohl die Inschrift ausdrücklich auf Ursache (Dōtō errichtet die Brücke) und Wirkung (er erreicht „das andere Ufer“) bezogen ist und sich daher für Kyōkais Geschichten geradezu anbietet, geht er nach den einleitenden Worten nicht mehr näher darauf ein und konzentriert die Geschichte stattdessen ganz auf [[Dōtōs|Dōtō]] Gefolgsmann und den Geist des Ermordeten. |
Der Titel erwähnt nur den Dank des Toten, der Schluss hingegen den Dank der Toten und Lebenden, wie es auch in der Geschichte vorkommt: Zuerst wird er vom Geist des Toten verköstigt, weil er dessen Schädel einen Dienst erwiesen hat. Daraufhin ein weiteres Mal von der Mutter, weil er ihr vom Schicksal ihres Sohnes erzählte. | Der Titel erwähnt nur den Dank des Toten, der Schluss hingegen den Dank der Toten und Lebenden, wie es auch in der Geschichte vorkommt: Zuerst wird er vom Geist des Toten verköstigt, weil er dessen Schädel einen Dienst erwiesen hat. Daraufhin ein weiteres Mal von der Mutter, weil er ihr vom Schicksal ihres Sohnes erzählte. | ||
− | [[III-27]] ist eine Variante dieser Geschichte: jemand findet gegen Ende des zwölften Monats einen Schädel, hilft ihm (er entfernt Bambussprossen aus seinen Augenhöhlen und gibt ihm 餉 zu essen), worauf ihm dieser später als Lebender erscheint, ihm die Umstände seines Todes schildert (vom Onkel ermordet) und ihn für den letzten Tag dieses Monats (晦) in sein Haus einlädt, da er sich nur an diesem einem Abend bedanken kann. Dort wird der Mann zuerst vom Geist des Verstorbenen verköstigt (mit 饌) und, nachdem die Familienangehörigen angekommen sind und er ihnen die Geschichte erzählt hat, auch von diesen (mit 飲食). | + | '''[[III-27]] ist eine Variante dieser Geschichte''': jemand findet gegen Ende des zwölften Monats einen Schädel, hilft ihm (er entfernt Bambussprossen aus seinen Augenhöhlen und gibt ihm 餉 zu essen), worauf ihm dieser später als Lebender erscheint, ihm die Umstände seines Todes schildert (vom Onkel ermordet) und ihn für den letzten Tag dieses Monats (晦) in sein Haus einlädt, da er sich nur an diesem einem Abend bedanken kann. Dort wird der Mann zuerst vom Geist des Verstorbenen verköstigt (mit 饌) und, nachdem die Familienangehörigen angekommen sind und er ihnen die Geschichte erzählt hat, auch von diesen (mit 飲食). |
Das Fest, an dem der Verstorbenen gedacht wird (in beiden Geschichte kommt die Familie, um deren Seelen zu verehren: 為拜諸靈) und diese wiederkehren können (wobei in [[III-27]] zumindest der Schädel auch kurz vorher schon lebendig erscheint), fand damals offenbar am letzten Tag (晦) des zwölften Monats statt, also zu Jahresende, und nicht wie heute zu Obon im Sommer. Jedenfalls ein Fest, für das man sich auch privat vorbereitete: In III-27 ist der Mann unterwegs, um für das Fest einzukaufen (為買正月物). Ob das Fest zu Neujahr und das zum Totengedenken ein Fest waren oder zwei verschiedene zum selben Zeitpunkt? | Das Fest, an dem der Verstorbenen gedacht wird (in beiden Geschichte kommt die Familie, um deren Seelen zu verehren: 為拜諸靈) und diese wiederkehren können (wobei in [[III-27]] zumindest der Schädel auch kurz vorher schon lebendig erscheint), fand damals offenbar am letzten Tag (晦) des zwölften Monats statt, also zu Jahresende, und nicht wie heute zu Obon im Sommer. Jedenfalls ein Fest, für das man sich auch privat vorbereitete: In III-27 ist der Mann unterwegs, um für das Fest einzukaufen (為買正月物). Ob das Fest zu Neujahr und das zum Totengedenken ein Fest waren oder zwei verschiedene zum selben Zeitpunkt? |
Version vom 17. Oktober 2010, 21:44 Uhr
Dōtō (道登), ein buddhistischer Gelehrter (學生)[1] aus [dem koreanischen Reich] Goguryeo (高麗)[2], war Mönch (shamon 沙門) im Gangō-Tempel (元興寺).
In [der Provinz] Yamashiro (山背) verließ er das Haus der Ema[3] (惠滿), um im zweiten Jahr der Taika大化-Periode, [einem verheißungsvollen Jahr des] Feuerpferds (丙午), die Uji-Brücke (宇治) zu errichten[4] (營). Als er unterwegs war, (entdeckte er) in einem Tal der Nara-Berge einen Schädel, der von Menschen und Tieren getreten wurde. Der Dharma-Lehrer (法師) bedauerte es und befahl seinem Gefolgsmann (從者) Maro (萬侶), ihn auf einen Baum zu legen.
Im zwölften Monat desselben Jahres, am letzten Abend (晦) [des Jahres] kam ein Mann zum Tempeltor und sprach: „Ich möchte Maro treffen, den Gefolgsmann des ehrwürdigen (大德) Dōtō.“ Maro kam heraus, um ihn zu treffen. Der Mann sprach zu ihm: „Als ich des Ehrwürdigen Mitleid erhielt, erreichte ich des Friedens Glück. Obwohl dies der Fall ist, kann ich außer heute Abend, keine Dankbarkeit zeigen (報恩).“
Unverzüglich ging er mit Maro zu seinem Haus. Durchs geschlossene Haus betraten sie das Hausinnere. Er bereitete viel Speis und Trank vor. [5] Währenddessen verspeiste er zusammen mit Maro die für ihn selbst [geopferten] Speisen (饌)[6]. Gegen Ende der Nacht [hörten sie] die Stimme eines Mannes und er sagte zu Maro: „Der Bruder, der mich tötete, ist auf den Weg hierher. Ich muss jetzt gehen.“ Verwundert befragte ihn Maro. Er antwortete: „Einst war ich zusammen mit meinem Bruder auf einer Handelsreise. Nachdem ich etwa 40 kin[7] Silber erworben hatte, tötete mich mein Bruder aus Eifersucht und beanspruchte das Silber für sich. Von da an, über viele Jahre hindurch, traten alle vorbeikommene Menschen und Tiere meinen Kopf. Weil der Ehrwürdige Erbarmen mit mir hatte und befahl, mich vom Leid zu erlösen, vergaß ich nicht auf deine Wohltat (恩). Heute Abend habe ich es [mit Dank] vergolten (報).“ [Daraufhin verschwand er.][8]
In diesem Moment kamen dessen Mutter und deren ältester Sohn ins Haus, um die Seelen (靈) aller [Verstorbenen] zu verehren. Sie entdeckten Maro und erschraken. Sie fragten, warum er gekommen war. Daraufhin berichtete Maro über das zuvor Geschehene. Die Mutter beschuldigte den ältesten Sohn: „Ah! Mein liebstes Kind wurde von dir ermordet! Es waren keine Räuber.“ Sie ließ [sich] bei Maro bedanken (禮), indem sie noch mehr Speis und Trank bereitete. Maro kam zurück und berichtete die Angelegenheit seinem Meister.
Ja, wenn sich sogar das Gebein eines Toten auf diese Weise erkenntlich zeigt, wie viel mehr dann ein Lebender! Wie könnte man Dankbarkeit (恩) je vergessen!
- ↑ 學生 Nach B/N/I ein koreanischer Mönch; nach G ein japanischer, der in Korea studierte. Nach N, jemand der auf einer staatlichen Universität buddhistische Schriften oder chinesische Klassiker studierte.
- ↑ 高麗 steht verkürzt für 高句麗
- ↑ Nach B der Ausgangspunkt einer Reise; außerdem weist B darauf hin, dass in einer späteren Parallelgeschichte im Konjaku monogatarishū jemand aus Uji gemeint ist, bei dem Dōtō wohnte; nach G die japanische Familie des Mönchs; nach N/I nicht eindeutig; Da diese Stelle genauso in der Inschrift vorkommt, war ursprünglich vielleicht doch die Herkunft gemeint.
- ↑ Nach G segnete er die Brücke; nach B/I baute er sie gerade; nach N nur dasselbe Jahr, in dem er sie gebaut hatte
- ↑ Es gibt hier Unterschiede zwischen B/N: Bei B bereitet der Mann/oder der Verstorbene die Speise vor, bei N ist die Speise bereits fertiggestellt als sie im Hause antreffen.
- ↑ Nach Nihon Kokugo Daijiten 供え物. Bei B und N generell Speise, bei G Opferspeise.
- ↑ ein 斤 etwa 500g
- ↑ Als die beiden kommen, ist er wohl schon weg, wird aber nicht erwähnt. In der Version im Konjaku monogatarishū ist dies und anderes (nach B) eindeutiger und ausführlicher.
Hintergrund
- Zeit: vielleicht 646, später: letzter Tag des Jahres
- Ort: Naraberge, Nara (Gangō-Tempel, Haus des Ermordeten)
- Personen: Dōtō, sein Gefolgsmann Maro, Geist des Verstorbenen sowie Mutter und älterer Bruder des Verstorbenen
Ursache und Wirkung
Mann rettet Schädel vorm Zertrampeln durch Tier und Mensch, Geist des Verstorbenen zeigt sich der guten Tat erkenntlich und übt Vergeltung aus.
Anmerkungen
Die Hintergrundgeschichte von Dōtō und der Brücke ist auch auf einer Stein-Inschrift überliefert, die sich früher wohl bei der erwähnten Uji-Brücke befand, und aus der Kyōkai einige Abschnitte z.T. wörtlich übernahm (allerdings hauptsächlich Biographisches, was vermutlich anderswo genauso zu finden war). Obwohl die Inschrift ausdrücklich auf Ursache (Dōtō errichtet die Brücke) und Wirkung (er erreicht „das andere Ufer“) bezogen ist und sich daher für Kyōkais Geschichten geradezu anbietet, geht er nach den einleitenden Worten nicht mehr näher darauf ein und konzentriert die Geschichte stattdessen ganz auf Dōtō Gefolgsmann und den Geist des Ermordeten.
Der Titel erwähnt nur den Dank des Toten, der Schluss hingegen den Dank der Toten und Lebenden, wie es auch in der Geschichte vorkommt: Zuerst wird er vom Geist des Toten verköstigt, weil er dessen Schädel einen Dienst erwiesen hat. Daraufhin ein weiteres Mal von der Mutter, weil er ihr vom Schicksal ihres Sohnes erzählte.
III-27 ist eine Variante dieser Geschichte: jemand findet gegen Ende des zwölften Monats einen Schädel, hilft ihm (er entfernt Bambussprossen aus seinen Augenhöhlen und gibt ihm 餉 zu essen), worauf ihm dieser später als Lebender erscheint, ihm die Umstände seines Todes schildert (vom Onkel ermordet) und ihn für den letzten Tag dieses Monats (晦) in sein Haus einlädt, da er sich nur an diesem einem Abend bedanken kann. Dort wird der Mann zuerst vom Geist des Verstorbenen verköstigt (mit 饌) und, nachdem die Familienangehörigen angekommen sind und er ihnen die Geschichte erzählt hat, auch von diesen (mit 飲食).
Das Fest, an dem der Verstorbenen gedacht wird (in beiden Geschichte kommt die Familie, um deren Seelen zu verehren: 為拜諸靈) und diese wiederkehren können (wobei in III-27 zumindest der Schädel auch kurz vorher schon lebendig erscheint), fand damals offenbar am letzten Tag (晦) des zwölften Monats statt, also zu Jahresende, und nicht wie heute zu Obon im Sommer. Jedenfalls ein Fest, für das man sich auch privat vorbereitete: In III-27 ist der Mann unterwegs, um für das Fest einzukaufen (為買正月物). Ob das Fest zu Neujahr und das zum Totengedenken ein Fest waren oder zwei verschiedene zum selben Zeitpunkt?
Die Einführung von Buddhismus brachte nicht nur neue Bräuche und Zeremonien mit sich, sondern ließ die bereits existierende schintoistischen Bräuche und Rituale mit der buddhistischen Tradition verschmelzen, in dem sie diesen neue Bedeutung zuschrieb. Ein gutes Beispiel wäre Ōharae 大祓, ein Ritual, das ursprünglich zum Purifizieren der religiösen Verunreinigungen kegare 穢れ diente. Eine weitere Veränderung erfolgte in der Wahrnehmung von den Verstorbenen, die früher als einer der Gründe für kegare 穢れ, religiöse Verunreinigung, verstanden wurde. Mit der Einführung von Buddhismus gewannen auch die Verstorbenen eine neue Bedeutung – sie wurden nur nicht ausschließlich die Quellen der Verunreinigung kegare 穢れ, sondern auch zu Objekten der Verehrung. Die Verehrung oder, besser gesagt, Rettung von Verstorbenen (seiner Überreste) wird in dieser Geschichte (sowie in der Geschichte III-27) als gute Tat verstanden and es erfolgt die karmische Vergeltung. [1]
In den beiden Erzählungen, I-12 und III-27, gilt der Schädel als Träger der Seele des Verstorbenen. Es übereinstimmt mit der damaligen Überzeugung, dass die Knochen auch nach dem das Fleisch verfault und der Leichnam verbrannt wird, Träger der Seele des Verstorbenen bleiben. Aus diesem Grund wurden die Überreste der Knochen auch nach der Kremation der Leiche vergraben. Bei dem Vergleich von wunderbaren Erzählungen über die Seelen der Verstorbenen mit den Erzählungen von dem buddhistischen Geist oder dem dharma-Wesen erfährt man interessante Parallele. Ähnlich wie die Knochen die Träger der Seele des Verstorbenen sind, verkörpern die heilige Schriften und Skulpturen den Buddha. [2]
Fußnoten
Materialien
- Datei:Snkbt I-12.pdf — Originaltext in SNKBT 30
- Datei:Bohner I-12.pdf — Deutsche Übersetzung, Bohner 1934, Haupttext
- Datei:Bohner I-12A.pdf — Bohner 1934, Anmerkungen
- Datei:Nakamura I-12.pdf — Englische Übersetzung, Nakamura 1997
- I-12/Text