Alltag/Matsuri/Phalluskulte: Unterschied zwischen den Versionen

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===Tagata und Ōagata Jinja===
 
===Tagata und Ōagata Jinja===
  
Der bereits erwähnte Tagata Schrein im Norden Nagoyas, der jährlich Mitte März einen Phallus-Umzug veranstaltet, besitzt ein Gegenstück im nahe gelegenen {{glossar:ooagatajinja|Ōagata}} Schrein, wo zur gleichen Zeit ein riesiger Reiskuchen (''mochi'') umhergetragen wird. Der Reiskuchen ähnelt entfernt einem weiblichen Geschlechtsorgan. Im Ōagata Schrein befinden sich außerdem mehrere Vagina-artige Steine, während der Tagata Schrein Phallus-artige Steine aufbewahrt. Beide Schreine sind bereits in den {{glossar:Engishiki}}, einem Dokument aus dem 10. Jh. erwähnt, ob damals aber schon ein Fruchtbarkeitskult vorhanden war, ist nicht bekannt.
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Der bereits erwähnte Tagata Schrein im Norden Nagoyas, der jährlich Mitte März einen Phallus-Umzug veranstaltet, besitzt ein Gegenstück im nahe gelegenen {{glossar:ooagatajinja|Ōagata}} Schrein, wo zur gleichen Zeit ein riesiger Reiskuchen (''mochi'') umhergetragen wird. Der Reiskuchen ähnelt entfernt einem weiblichen Geschlechtsorgan. Im Ōagata Schrein befinden sich außerdem mehrere Vagina-artige Steine, während der Tagata Schrein Phallus-artige Steine aufbewahrt. Beide Schreine sind bereits in den {{glossar:Engishiki}}, einem Dokument aus dem zehnten Jahrhundert erwähnt, ob damals aber schon ein Fruchtbarkeitskult vorhanden war, ist nicht bekannt.
  
 
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Version vom 13. September 2010, 10:26 Uhr

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Phallus-Kulte in Fruchtbarkeitsriten, Volksbräuchen und Shunga

In früherer Zeit waren Phallus-Kulte und Riten mit offenkundig sexuellen Anspielungen offenbar ein häufiges Phänomen in Japan. Besonders zu Frühlingsbeginn, vor dem Auspflanzen oder Säen, wurden Zeremonien und Tänze abgehalten, in denen die Bitten um ein reiches Erntejahr durch die Verehrung überdimensionaler männlicher oder weiblicher Geschlechtsorgane sowie durch rituell angedeutete Geschlechtsakte ausgedrückt wurden. Der Einfluss Europas führte im neunzehnten Jahrhundert jedoch zu einem Rückgang solcher Fruchtbarkeitsriten. Einer der Väter der westlichen Japanforschung, W. G. Aston, schrieb im Jahr 1896:

Besonders vor der Revolution 1868 sind wohl allen Reisenden in Japan die zahlreichen Hinweise auf einen Phallus-Kult aufgefallen. In den letzten Jahren hat sich die Regierung zwar nach Kräften bemüht, diese besonders derbe Form der Naturverehrung zu unterdrücken, doch exisistiert sie nach wie vor an abgelegenen Orten [...].

Ich selbst war einmal Zeuge eines phallischen Umzugs in einer Ortschaft ein paar Meilen nördlich von Tokyo. Ein Phallus von mehreren Fuß Länge, in grellem Scharlachrot bemalt, wurde da auf einer Art Bahre von johlenden, lachenden Kulis mit erhitzten Gesichtern in abrupten Zickzack-Bewegungen von einer Seite der Straße zur anderen schlingernd einhergetragen.

Zitiert aus Astons Nihongi (Teil 1, S. 11-12), Ü: B. Scheid

Phallus matsuri3.jpg

Sichtlich angeheiterte Mitglieder der Schreingemeinde des Tagata Schreins tragen den Verehrungsgegenstand ihres Schreinfestes, einen 2,5m langen, 400kg schweren Phallus, auf ihren Schultern...

Phallus matsuri2.jpg

... weibliche Mitglieder tragen verkleinerte Abbilder hinterher.
Bilder: Peter Thoeny 1998 [2010/9]

Astons Beschreibung passt ziemlich genau auf das Fruchtbarkeitsfest (

hōnen matsuri 豊年祭 (jap.)

Erntebitt-Fest, Fruchtbarkeitsfest

Ritus

Der Begriff „hōnen matsuri“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

) des

Tagata Jinja 田縣神社 (jap.)

Schrein bei Nagoya, bekannt für seine (männlich konnotierten) Fruchtbarkeitsriten (hōnen matsuri)

Schrein

Der Begriff „Tagata Jinja“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

  • Phallus matsuri3.jpg

Geographische Lage

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Geographische Lage von Tagata Jinja; s.a. Geo-Glossar

Schreins im Raum Nagoya, welches heute zu den bekanntesten seiner Art zählt. Obwohl derartige Umzüge, wie Aston andeutet, den Anschein einer besonders archaischen Form von Naturverehrung tragen, ist es auch möglich, dass Phalluskulte und religiöse Zeremonien sexuellen Inhalts gerade in der unruhigen Zeit des frühen neunzehnten Jahrhunderts einen besonderen Aufschwung erfuhren. Jedenfalls erfreuten sich in dieser Zeit die sogenannten

shunga 春画 (jap.)

wtl. „Frühlingsbilder“; Gemälde und Druckwerke mit expliziten sexuellen Darstellungen

Bild

Der Begriff „shunga“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

  • Daruma shunga.jpg
  • Bobome.jpg
  • Tengu shunga.jpg
  • Wagojin hokusai.jpg
  • Shunga kunisada.jpg
  • Kappa shunga.jpg
  • Shunga toyokuni.jpg
  • Shunga kanaya kuniyoshi.jpg
(„Frühlingsbilder“), Pornographien mit grotesk überproportionalen Genitaldarstellungen, besonderer Beliebtheit. Die phantisievollsten Meister des Shunga-Genres schufen vereinzelt sogar Bilder von Fruchtbarkeitsgöttern, die wiederum die Form von Genitalien haben und von Fruchtbarkeitsriten inspiriert zu sein scheinen.

Auf dieser Seite folgen zum einen Beispiele für Fruchtbarkeitskulte und phallische Bräuche, die heute noch in Japan zu finden sind, zum anderen Shunga Motive mit Bezügen zur japanischen Götter- und Sagenwelt. Ob zwischen den beiden Phänomenen eine nähere Beziehung besteht, sei vorläufig dahin gestellt, fest steht, dass beide eine erstaunliche hohe Toleranz gegenüber sexuell konnotierten Themen in der religiösen Landschaft des vormodernen (und bis zu einem gewissen Grad auch des heutigen) Japan belegen.

Phallus- und Fruchtbarkeits-Kulte

Tagata und Ōagata Jinja

Der bereits erwähnte Tagata Schrein im Norden Nagoyas, der jährlich Mitte März einen Phallus-Umzug veranstaltet, besitzt ein Gegenstück im nahe gelegenen

Ōagata Jinja 大縣神社 (jap.)

Schrein bei Nagoya, bekannt für seine Fruchtbarkeitsriten (hōnen matsuri)

Schrein

Der Begriff „Ōagata Jinja“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Geographische Lage

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Geographische Lage von Ōagata Jinja; s.a. Geo-Glossar

Schrein, wo zur gleichen Zeit ein riesiger Reiskuchen (mochi) umhergetragen wird. Der Reiskuchen ähnelt entfernt einem weiblichen Geschlechtsorgan. Im Ōagata Schrein befinden sich außerdem mehrere Vagina-artige Steine, während der Tagata Schrein Phallus-artige Steine aufbewahrt. Beide Schreine sind bereits in den

Engishiki 延喜式 (jap.)

„Bestimmungen der Engi Ära“; Gesetzeswerk mit zahlreichen religionspol. Bestimmungen, v.a. zum Schreinzeremoniell, aus dem 10. Jh.

Text

Der Begriff „Engishiki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

, einem Dokument aus dem zehnten Jahrhundert erwähnt, ob damals aber schon ein Fruchtbarkeitskult vorhanden war, ist nicht bekannt.

Inyoseki tagata.jpg Himeishi oagata.jpgTagata banner.jpg Himenomiya.jpg

Steine und Festival-Banner des Tagata (li.) und des Ōagata Schreins (re.).

Tenteko Matsuri

Beim Tenteko Matsuri in Nishio-shi, ebenfalls im Großraum Nagoya, binden sich Männer Phallusattrappen ans Gesäß und vollführen damit suggestive Auf- und Ab-Bewegungen.

Tenteko1.jpg

Sechs rot gekleidete, vermummte Männer stehen im Mittelpunkt des Umzugs.

Tenteko2.jpg

Die Phallusattrappen sind aus Rettichen geschnitzt und so konstruiert, dass sie auf- und abwippen können.
Bilder: Okada Y. 2008 (2008/11)

Kanamara Matsuri

In Kawasaki südlich von Tokyo gibt es den Glossar:Kanamarajinja, der ehemals von Prostituierten zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten aufgesucht wurde. Er leitet seinen Ursprung von einer Sage her, in der ein Dämon mithilfe eines Eisenpenis (kanamara) aus der Vagina eines Mädchens ausgetrieben wird. In den letzten Jahren hat sich daraus ein

matsuri(jap.)

religiöses (Volks-)Fest

Ritus

Der Begriff „matsuri“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Fuchsmaske.jpg
  • Asakusa sanja.jpg
  • Gion 2005.jpg
  • Luck.jpg
  • Tenno matsuri.jpg
  • Fukagawa matsuri wada.jpg
im Stil einer Love-Parade entwickelt, bei dem der Verehrungsgegenstand von Transvestiten getragen wird. Der Schrein hat sich zudem der Bekämpfung von Aids verschrieben (s. auch das Beispiel eines Votivtäfelchens, ema).

Phallus matsuri kanamara.jpg

Bild und weitere Informationen: Greggman (2006/1)

Yin Yang Steine

Wie schon an den obigen Beispielen erkennbar, gehen Fruchtbarkeitskulte oft von Steinen aus, die die Natur mit suggestiven Formen ausgestattet hat. Solche Steine oder Felsen nennt man vielsagend „Yin Yang Steine“ (inyō-seki). Sie werden meist mit einem

shimenawa 注連縄 (jap.)

shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.

Gegenstand

Der Begriff „shimenawa“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Kamidana2018.jpg
  • Iyo futami2.jpg
  • Iyo futami11.jpg
  • Luck.jpg
  • Iyo futami10.jpg
  • Reisgott kyushu.jpg
  • Torii kyoto.jpg
  • Naginata chigo.jpg
  • Wedrocks.jpg
  • Iyo futami3.jpg
  • Iyo futami9.jpg
  • Yokozuna.jpg
  • Shinboku atsuta.jpg
  • Tsurugaoka ginkgo.jpg
  • Shimekazari.jpg
  • Iyo futami1.jpg
  • Shimenawa gohei.jpg
  • Shimenawa hokkaido.jpg
  • Nenchugyoji.jpg
  • Jichinsai.jpg
  • Iyo futami4.jpg
  • Kusunoki kumano.jpg
  • Koshinto karuizawa nagano.jpg
  • Izumo shimenawa miko.jpg
  • Iyo futami7b.jpg
  • Yokozuna hakuho.jpg
  • Inyoseki1.jpg
  • Miyajidake shimenawa.jpg
  • Shinboku tsurugaoka.jpg
  • Meotoiwa.jpg
  • Shinboku kurama.jpg
  • Iyo futami13.jpg
  • Iyo futami6.jpg
  • Shimenawa izumo.jpg
  • Iyo futami5.jpg
  • Iyo futami7.jpg
  • Fertility festival.jpg
  • Iyo futami14.jpg
als heiliges Objekt gekennzeichnet oder in einen kleinen Schrein gestellt. Bei solchen Kultstätten soll ehemals um Kindersegen, leichte Geburt oder Genesung von Kinder- und Frauenkrankheiten gebetet worden sein. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist in der Region Miyazaki, Kyushu zu besichtigen:

Inyoseki1.jpg

Bild: Photo Miyazaki, Morimori (2006/2)

Inyouseki2.jpg

Es berdarf tatsächlich nicht allzu großer Phantasie, um hier ein männliches und ein weibliches Geschlechtsorgan im Felsen zu erkennen.

Mara Kannon

In der etwas abgelegenen Präfektur Yamaguchi (W-Honshū) gibt es einen buddhistischen Tempel mit dem seltsamen Namen Mara Kannon (Mara ist ein Dämon des Bösen im Buddhismus, aber auch ein Wort für „Penis“,

Kannon 観音 (jap.)

auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt

Buddha

Der Begriff „Kannon“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Koyasu kannon.jpg
  • Hiroshige asakusa fischer.jpg
  • Nio sugimoto a.jpg
  • Guanyin 12c.jpg
  • Yokawa kannon.jpg
  • Hokekyo 25.jpg
  • Sanjusangendo.jpg
  • Hyakushaku kannon.jpg
  • Yumedono2.jpg
  • Fukukensaku kannon.jpg
  • Senju kannon.jpg
  • Juichimen kannon.jpg
  • Ofuna kannon.jpg
  • Amida spinner.jpg
  • Byakue kannon.jpg
  • Bato kamuriki.jpg
  • Fujin 33.jpg
  • Bishamon hokekyo.jpg
  • Mantoe kannon.jpg
  • Nyoirin jukkansho.jpg
  • Kasugamandala 1.jpg
  • Sendai kannon.jpg
  • Maria kannon.jpg
  • Nyoirin kannon.jpg
  • Kannon fresco horyuji.jpg
  • Koya kannon.jpg
  • Sanjusangendo2.jpg
  • Nyoirin kannon 14c.jpg
  • Nio sugimoto un.jpg
ist der Bodhisattva des Mitgefühls). Der Tempel behauptet von sich, führend auf dem Gebiet des Phallus-Kultes zu sein:
Marakannon.jpg Marakannon2.jpg
Marakannon3.jpg Marakannon4.jpg
Eindrücke des Mara-Kannon Tempels in Yamaguchi
Mehr dazu: Chindera Dai-Dōjō (2007/5)

Konsei-sama

Reste ähnlicher Phalluskulte lassen sich schließlich auch in Nordjapan finden. In der Stadt Tōno, Präfektur Akita, die schon für den Pionier der japanischen Volkskunde

Yanagita Kunio 柳田国男 (jap.)

1875–1962; Begründer der jap. Volkskunde

Gelehrte Person

Der Begriff „Yanagita Kunio“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

eine Fundgrube an religiösen Volksbräuchen darstellte, wird in mehreren Schreinen eine Gottheit namens

Konsei-sama 金精様 (jap.)

phallische, als Gottheit verehrte Steinformationen in Nord-Japan

Der Begriff „Konsei-sama“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

verehrt, die als Phallus gedacht wird. Oft handelt es sich um natürliche Steinformationen, die an Phalli manchmal aber auch an eine Vulva erinnern.

Konseisama.jpg

Hauptheiligtum des Konsei-Schreins in Yamasaki, Tōno-shi, Akita-ken
Bild und weitere Informationen: Okada Kenji 2008 (2008/11)

Yama no kami

In ländlichen Gegenden werden häufig anonyme Berggottheiten (

yama no kami 山の神 (jap.)

wtl. „Berggottheit“; meist annonyme, manchmal sexuell konnotierte Lokalgottheit

Der Begriff „yama no kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

yama no kami) verehrt. Das Beispiel unten zeigt einen etwas vernachlässigten Seitenschrein des Yaegaki Jinja in Matsue, Präfektur Shimane (die Gegend des

Izumo Taisha 出雲大社 (jap.)

Großschrein von Izumo (Präfektur Shimane)

Schrein

Der Begriff „Izumo Taisha“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Izumo detail.jpg
  • Izumo honden2.jpg
  • Izumo shimenawa miko.jpg
  • Izumo honden3.jpg
  • Priester izumo.jpg
  • Izumo honden.jpg
  • Izumo haiden.jpg
  • Izumo rekonstr.jpg
  • Izumo taisha.jpg
  • Izumo bird2008.jpg
  • Izumo taisha2.jpg
  • Izumo taisha3.jpg
  • Izumo plan.gif
  • Izumo zentralpfeiler.jpg
  • Izumo ausgrabung.jpg
  • Shimenawa izumo.jpg

Geographische Lage

Die Karte wird geladen …
Geographische Lage von Izumo Taisha; s.a. Geo-Glossar

), der einer anonymen Berggottheit gewidmet ist. Bergottheiten sind in Japan grundsätzlich weiblich, werden aber, wie man sieht, ggf. auch mit Phalluskulten bedacht.

yamanokami

Yama-no-kami Jinja, Matsue, Shimane-ken.
Bildquelle unbekannt. Information: Inyōseki Kenkyūkai (2009/9)

Wegegötter

Ähnlich den sogenannten „Marterln“ im alpinen Raum gibt es in ländlichen Gegenden Japans immer wieder einfache Steinskulpturen, die zur Kennzeichnung von Wegen und Kreuzungen dienen oder den Rand eines Dorfes bewachen. Diese Statuen werden im allgemeinen

dōsojin 道祖神 (jap.)

Wegegott, auch sae no kami; volksrel. Figuren, manchmal in phallischer Form

Der Begriff „dōsojin“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

  • Dosojin miyagi 1893.jpg
  • Koshinto omiya.jpg

(„Ahnengötter der Wege“) oder „Wegegötter“ genannt. Bisweilen besitzen sie eine phallische Form ähnlich den oben angeführten Beispielen. In vielen Fällen wird aber auch ein menschliches Paar dargestellt, manchmal in zärtlicher, manchmal in intimer Umarmung. In diesen Fällen spricht man auch von

wagōjin 和合神 (jap.)

wtl. „Götter der Harmonie“; paarweise repräsentierte, oft sexuell konnotierte Gottheiten

Der Begriff „wagōjin“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

  • Wagojin hokusai.jpg

wagōjin 和合神, Göttern der (ehelichen) Harmonie. Ursprung und Geschichte dieser Wegegötter liegen weitgehend im Dunklen, es scheint sie aber bereits sehr lange zu geben. Rezente Beispiele stammen zumeist aus der Edo-Zeit. Viele Autoren vermuten sehen den Ursprung der Wegegötter in einem ursprünglichen Phalluskult, angesichts der Vielzahl der dargestellten Motive, zu denen auch buddhistische Gottheiten zählen, erscheint mir diese Annahme jedoch fraglich. Zweifellos gibt es aber eine große Gruppe von Wegegöttern mit offenen oder angedeuteten sexuellen Konnotationen.

dosojin dosojin

Weggötter aus dem Raum Miyazaki, Kyushu.
Der umgebende Stein ist hier deutlich in phallischer Form gehalten.
Bildquelle: Photo Miyazaki, Morimori (2009/8)

Weggötter in intimer Umarmung
Beispiel aus der Präfektur Gifu, Kurabuchi-mura.
Bildquelle: Kurabuchi no dōsojin (2009/8)

dosojin dosojin

Weggötter mit Sakeschalen,
ein Symbol ehelicher Verbundenheit
Präfektur Gifu, Shimosuwa Jinja, Datierung: 1788.
Bildquelle: Kurabuchi no dōsojin (2009/8)

Weggötter aus dem Raum Fujinomiya, Präfektur Shizuoka, unweit des Fuji-san. Datierung 1801.
Dieses Paar ist von einer charakteristischen Blütenform umrahmt, die als Vulva gedeutet werden kann.
Bildquelle: Kaze ni fukarete (2009/8)

Shunga

Die besondere Faszination an den menschlichen Geschlechtsorganen, die in der japanischen Volkreligion kaum tabuisiert wird, findet sich auch in den Edo-zeitlichen Shunga („Frühlingsbilder“) wieder. Beides, Phalluskulte und erotische Bilder, kennt man natürlich auch aus anderen vormodernen Kulturen, es scheint jedoch in der Edo-Zeit zu einem besonderen Boom auf beiden Gebieten gekommen zu sein, der sich auch in der Literatur dieser Zeit — unter anderem in Werken von Ihara Saikaku, etwa Kōshoku ichidai otoko („Der größte Liebhaber“, 1682) oder Nanshoku ōkagami („Spiegel der männlichen Liebe“, 1687) — erkennen lässt. Fast alle bekannten Ukiyoe-Meister übten sich in der Anfertigung von Frühlingsbildern. Meist beschränkten sie sich dabei auf die Darstellung kopulierender Paare, deren primäre Geschlechtsmerkmale grotesk vergrößert sind. Manche Meister suchten aber nach etwas ausgefalleneren Motiven. Darunter befanden sich auch die „Götter der ehelichen Harmonie“, oder andere an die Wegegötter erinnernde Figuren, die von den Ukiyoe-Meistern auf bizarre Genitalien reduziert wurden. Ihre Inspiration holten sich diese Werke zweifellos aus der Volkreligion.

  1. ^  
    Dosojin miyagi 1893.jpg
    Ein aus Stein gefertigter Wegegott (dōsojin) aus Nordjapan, auf dem zwei Phalli als Paar abgebildet sind.
    Meiji-Zeit, 1893. Michael Czaja. Gods of myth and stone: Phallicism in Japanese folk religion. New York: Weatherhill, 1974, S.113.
  2. ^  
    Phallus matsuri3.jpg
    Schreingemeinde des Tagata Jinja beim Fruchtbarkeitsfest (hōnen matsuri) mit einem 2,5m langen, 400kg schweren Phallus (1998).
    Peter Thoeny, 1998.
  3. ^  
    Phallus matsuri2.jpg
    Weibliche Mitglieder tragen verkleinerte Phallus-Abbilder hinterher.
    Peter Thoeny, 1998.
  4. ^  
    Inyoseki tagata.jpg
    Phallus-artiger Stein.
    Bildquelle: unbekannt.
  5. ^  
    Himeishi oagata.jpg
    Vagina-artiger Stein.
    Bildquelle: unbekannt.
  6. ^  
    Tagata banner.jpg
    Festival-Banner
    Bildquelle: unbekannt.
  7. ^  
    Himenomiya.jpg
    Festival-Banner
    Bildquelle: unbekannt.
  8. ^  
    Oagata hanayome.jpg
    Bei einem Fest des Ōagata Schreins werden junge Frauen in pächtigen Brautkleidern (hanayome) auf kleinen Lastwägen in einer Prozession umhergeführt. Im Hintergund eine Maske der Okame, die hier zu einer Vulva verformt ist — das Markenzeichen des Ōagata Schreins.
    Bildquelle: unbekannt.
  9. ^ Tenteko1.jpg 
  10. ^  
    Tenteko2.jpg
    Die Phallusattrappen sind aus Rettichen geschnitzt und so konstruiert, dass sie auf- und abwippen können.
    Okada Y., 2008.
  11. ^  
    Kanamara.jpg
    Der rosa Phallus hat sich zu einer Hauptattraktion des Kanamari Matsuri entwickelt. Er trägt den Namen Elizabeth, weil er stets von Transvestiten eines gewissen Elizabeth Club umhergetragen wird. Zahlreiche Blogs, unter anderem ein sehr empfehlenswerter Photo-Essay von Damon Coulter, schildern die Einzelheiten dieser neuartigen Mischung aus Schreinfest und Love-Parade.
    Bildquelle: Damon Coulter, 2012, über Internet Archive.
  12. ^  
    Inyoseki1.jpg
    Man beachte, dass das Objekt der Anbetung durch torii und shimenawa als sakraler Gegenstand gekennzeichnet ist.
    Bildquelle: Photo Miyazaki, Morimori, über Internet Archive.
  13. ^  
    Inyouseki2.jpg
    Es bedarf tatsächlich nicht allzu großer Phantasie, um hier ein männliches und ein weibliches Geschlechtsorgan im Felsen zu erkennen.
    Bildquelle: Photo Miyazaki, Morimori, über Internet Archive.
  14. ^  
    Konseisama.jpg
    Phallische Schreingottheit.
    Okada Kenji, 2008.
  15. ^  
    Yamanokami.jpg
    Weitere Informationen: Inyōseki Kenkyūkai (2011/7)
    Onizuka Kentarō, 2001.
  16. ^  
    Dosojin miyazaki.jpg
    Der umgebende Stein ist hier deutlich in phallischer Form gehalten.
    Photo Miyazaki, Morimori.
  17. ^  
    Dosojin gifu.jpg
    Weggötter in intimer Umarmung.
    Kurabuchi no dōsojin, über Internet Archive.
  18. ^  
    Dosojin suwa.jpg
    Ein Symbol ehelicher Verbundenheit.
    Edo-Zeit, 1788. Kurabuchi no dōsojin, über Internet Archive.
  19. ^  
    Dosojin fujinomiya.jpg
    Dieses Paar ist von einer charakteristischen Blütenform umrahmt, die als Vulva gedeutet werden kann.
    Edo-Zeit, 1801. Kaze ni fukarete.
  20. ^  
    Tengu boy.jpg
    Moderne Statue mit tengu-Maske in einem verschwiegenen Onsen.
    20. Jh. Vladimir Vyskocil, flickr, 2013 (mit freundlicher Genehmigung).
  21. ^  
    Tengu phallus.jpg
    Tengu mit Phallusnase. Der Schrein ist auf Frauenkrankheiten und Kinderwünsche spezialisiert. (Siehe dazu auch Phalluskulte.)
    万屋満載, 2009.
  22. ^  
    Tengu shunga.jpg
    Erotische Darstellung (shunga) eines lesbischen Paars. Die tengu-Maske dient als Dildo.
    Edo-Zeit. Bildquelle: Wikimedia.
  23. ^  
    Shunga toyokuni.jpg
    Der Bildtitel nennt diese Figur „hodenstraffende Brecheisen-Penis-Gott“ (Kanateko mara jinbari myōjin 鉄梃陰茎腎張明神). Satirische Darstellung aus einer shunga-Sammlung.
    Werk von Utagawa Toyokuni. Edo-Zeit, 1823. AK-Antiek.
  24. ^  
    Wagojin hokusai.jpg
    Coverillustration einer Sammlung erotischer Bilder (shunga) von Katsushika Hokusai. Der Text besagt in etwa: „Harmonie erzeugt alles Glück, Berührung versöhnt Yang und Yin (Mann und Frau).“ Wagō-jin sind eigentlich chinesische Glücksgötter, die üblicherweise als männliches Zwillingspaar auftreten und für Glück und Reichtum stehen. Auch im Japan der Edo-Zeit waren sie weitläufig bekannt. Hokusai aber kombiniert die Wagō-jin mit der Ikonographie der Wegegötter (dōsojin) und münzt Reichtum in sexuelle Zufriedenheit um.
    Werk von Katsushika Hokusai. Edo-Zeit. Nichibunken.
  25. ^  
    Shunga kunisada.jpg
    Vulva-Gottheit auf Phalli thronend. Satirische Darstellung aus einer shunga-Sammlung.
    Werk von Utagawa Kunisada. Edo-Zeit, ca. 1840. Nichibunken.
  26. ^  
    Amanojaku.jpg
    Ama no jaku sind Kobolde, die böswillig allerlei Verdrehungen bewirken, also „perverse“ Geister im wörtlichen Sinne.
    Werk von Utagawa Kunisada. Edo-Zeit. Bildquelle: unbekannt.
  27. ^  
    Phallusgott.jpg
    Dieses ungewöhnliche Bild stammt aus einer skurril-erotischen Anthologie, in der die bekanntesten japanischen Monster in Form von Genitalien dargestellt werden.
    Werk von Katsukawa Shunshō (1726-1792). Edo-Zeit. Gallica, Bibliothèque nationale de France.