Geschichte/Heian Zeit/Zoga: Unterschied zwischen den Versionen
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Vor langer Zeit lebte auf dem Berg Tōnomine ein heiliger Mann, den man den Ehr·würdigen Zōga nannte. Er war streng und unnachgiebig, Ruhm und Reich·tum verachtete er und oft tat er absichtlich so, als ob er von Sinnen wäre. | Vor langer Zeit lebte auf dem Berg Tōnomine ein heiliger Mann, den man den Ehr·würdigen Zōga nannte. Er war streng und unnachgiebig, Ruhm und Reich·tum verachtete er und oft tat er absichtlich so, als ob er von Sinnen wäre. | ||
− | Als die Kaiserin·mutter der Dritten Straße<ref>Fujiwara no Senshi (962–1002).</ref> in den geist·lichen Stand ein·tre·ten wollte, ließ sie nach ihm schicken, damit er die Weihe vornehmen solle. „Welche Ehre,“ sprach er, „ich, Zōga, werde dies gerne tun.“ Seine Schüler hatten befürchtet, dass der Ehrwürdige den Boten der Kaiserin·mutter mit Prügeln fort·jagen würde, und waren er·leich·tert, als er sich statt dessen be·schwingt auf den Weg zur Haupt·stadt machte. Dort angekommen ließ ihn die kaiserliche Hoheit sogleich freudig zu sich rufen. Weltliche und geistliche Würden·träger waren in großer Zahl zur Stelle und auch ein Vertreter des Tennō war aus dem kai·ser·lichen Palast ent·sandt worden. Der Blick des Ehr·würdigen war ehr·furcht·gebietend und sein Auf·treten vornehm, doch schien er ein wenig mitgenommen zu sein. | + | Als die Kaiserin·mutter der Dritten Straße<ref>Fujiwara no Senshi (962–1002), hier nach der Lage ihres Palastes benannt.</ref> in den geist·lichen Stand ein·tre·ten wollte, ließ sie nach ihm schicken, damit er die Weihe vornehmen solle. „Welche Ehre,“ sprach er, „ich, Zōga, werde dies gerne tun.“ Seine Schüler hatten befürchtet, dass der Ehrwürdige den Boten der Kaiserin·mutter mit Prügeln fort·jagen würde, und waren er·leich·tert, als er sich statt dessen be·schwingt auf den Weg zur Haupt·stadt machte. Dort angekommen ließ ihn die kaiserliche Hoheit sogleich freudig zu sich rufen. Weltliche und geistliche Würden·träger waren in großer Zahl zur Stelle und auch ein Vertreter des Tennō war aus dem kai·ser·lichen Palast ent·sandt worden. Der Blick des Ehr·würdigen war ehr·furcht·gebietend und sein Auf·treten vornehm, doch schien er ein wenig mitgenommen zu sein. |
Nach·dem man ihn aufrief, begab er sich zum Para·vent, hinter dem die kaiser·liche Hoheit saß, und begann die Ordi·nations·riten. Als die kaiserliche Hoheit ihr prächtiges Haar [über den Paravent] herabhängen ließ, damit er es abschneiden möge, brachen sämtliche Hof·damen in haltloses Schluch·zen aus. Schließlich war die Tonsur vollzogen und der Ehr·würdige wandte sich zum Gehen. Da sagte er mit lauter Stimme: „Was war eigentlich der Grund, dass Ihr Zōga zu Euch rufen ließet? Ich kann es nicht verstehen. Habt Ihr vielleicht gehört, dass mein schmutziges Ding besonders groß ist? Es ist in der Tat größer als andere, doch jetzt hängt es nur noch herab, schlaff wie ein Stück Seide.“ Die Hof·damen, die nebenan in den hinteren Ge·mä·chern saßen, die Minister, die Höflinge und die ver·sam·mel·ten Mönche rissen alle fassungs·los Mund und Augen auf. Auch der kaiserlichen Hoheit erging es nicht anders. Alle Er·haben·heit war verflogen, alle waren schweiß·gebadet und wären am liebsten im Boden versunken. | Nach·dem man ihn aufrief, begab er sich zum Para·vent, hinter dem die kaiser·liche Hoheit saß, und begann die Ordi·nations·riten. Als die kaiserliche Hoheit ihr prächtiges Haar [über den Paravent] herabhängen ließ, damit er es abschneiden möge, brachen sämtliche Hof·damen in haltloses Schluch·zen aus. Schließlich war die Tonsur vollzogen und der Ehr·würdige wandte sich zum Gehen. Da sagte er mit lauter Stimme: „Was war eigentlich der Grund, dass Ihr Zōga zu Euch rufen ließet? Ich kann es nicht verstehen. Habt Ihr vielleicht gehört, dass mein schmutziges Ding besonders groß ist? Es ist in der Tat größer als andere, doch jetzt hängt es nur noch herab, schlaff wie ein Stück Seide.“ Die Hof·damen, die nebenan in den hinteren Ge·mä·chern saßen, die Minister, die Höflinge und die ver·sam·mel·ten Mönche rissen alle fassungs·los Mund und Augen auf. Auch der kaiserlichen Hoheit erging es nicht anders. Alle Er·haben·heit war verflogen, alle waren schweiß·gebadet und wären am liebsten im Boden versunken. |
Version vom 15. Februar 2021, 15:05 Uhr
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Zōga [Zōga (jap.) 増賀 917–1003; Mönch der Tendai-Schule] (917–1003) war ein Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]-Mönch der Heian-Zeit, der für sein konsequentes Festhalten am buddhis·tischen Armuts·ideal bekannt war. Er kritisierte die zu·neh·mende Ver·weltlichung seiner Mitbrüder, die er durch sein subversives Verhalten gerne bloßstellte. Damit nahm er eine Haltung vorweg, wie sie in späterer Zeit auch von einzelnen Zen [Zen (jap.) 禅 chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus]-Meistern gepflegt wurde. Auf dieser Seite möchte ich diese exzentrische Form der buddhistischen Mönchsschaft anhand einer setsuwa [setsuwa (jap.) 説話 Lehrerzählung, didaktische Anekdote; meist von buddh. Mönchen in Form umfangreicher Sammlungen kompiliert]-Erzählung aus dem 13. Jahrhundert illustrieren.
Eine bekannte Anekdote erzählt, dass Zōga eine Prozession zu Ehren seines Lehrers, des Erzabtes Ryōgen [Ryōgen (jap.) 良源 912–985; 18. Abt (zasu) der Tendai-Schule; unter Namen wie Jie Daishi, Ganzan Daishi, Tsuno Daishi oder Mame Daishi auch als Schutzheiliger populär], in Lumpen und auf einem klapprigen alten Ochsen reitend begleitet habe. Ein anderes Mal verschenkte er seine gesamten Kleider an die Armen und kehrte nackt in sein Kloster zurück.
Vorlage:WmaxX Die selt·samste Episode — von der leider keine Illustrationen zu finden waren — handelt jedoch von der Nonnenweihe der Kaiserin·mutter Fujiwara no Senshi [Fujiwara no Senshi (jap.) 藤原詮子 962-1002; Mutter des Ichijō Tennō; Nonnenweihe 991], die Zōga vornehmen sollte. Der Kaiser, Ichijō Tennō [Ichijō Tennō (jap.) 一条天皇 980-1011; 66. Kaiser von Japan; (r. 986-1011)], war zu dieser Zeit ein Kind und seine Mutter eine junge Frau von 30 Jahren, insofern stellte die Nonnen·weihe eine be·son·ders ver·antwor·tungs·volle Aufgabe und zugleich eine große Aus·zeichnung dar. Zōga war jedoch bereits hoch betagt und leitete das berühmte, aber abgelegenen Kloster Tōnomine [Tōnomine (jap.) 多武峰 Heiliger Berg südlich von Nara, wo u.a. der Ahnherr der Fujiwara Nakatomi no Kamatari im Tanzan Schrein verehrt wird], mehr als eine Tagesreise südlich der damaligen Hauptstadt Heian-kyō [Heian-kyō (jap.) 平安京 urspr. Name der Stadt Kyōto; wtl. Stadt des Friedens; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)] (Kyōto). Ganz gegen seine sonstige Gewohn·heit folgte er zwar der kaiserlichen Bitte, ließ die Zere·monie aber mit einem Eklat enden, den das Uji shūi monogatari [Uji shūi monogatari (jap.) 宇治拾遺物語 „Geschichtenauslese [des Ratsherren] von Uji“ (13. Jh.); Sammlung von unterhaltsamen Geschichten und Anekdoten, viele aus dem Konjaku monogatari] fol·gen·der·maßen schildert:
Der Ehrwürdige Zōga bei der Kaiserinmutter
Vor langer Zeit lebte auf dem Berg Tōnomine ein heiliger Mann, den man den Ehr·würdigen Zōga nannte. Er war streng und unnachgiebig, Ruhm und Reich·tum verachtete er und oft tat er absichtlich so, als ob er von Sinnen wäre.
Als die Kaiserin·mutter der Dritten Straße1 in den geist·lichen Stand ein·tre·ten wollte, ließ sie nach ihm schicken, damit er die Weihe vornehmen solle. „Welche Ehre,“ sprach er, „ich, Zōga, werde dies gerne tun.“ Seine Schüler hatten befürchtet, dass der Ehrwürdige den Boten der Kaiserin·mutter mit Prügeln fort·jagen würde, und waren er·leich·tert, als er sich statt dessen be·schwingt auf den Weg zur Haupt·stadt machte. Dort angekommen ließ ihn die kaiserliche Hoheit sogleich freudig zu sich rufen. Weltliche und geistliche Würden·träger waren in großer Zahl zur Stelle und auch ein Vertreter des Tennō war aus dem kai·ser·lichen Palast ent·sandt worden. Der Blick des Ehr·würdigen war ehr·furcht·gebietend und sein Auf·treten vornehm, doch schien er ein wenig mitgenommen zu sein.
Nach·dem man ihn aufrief, begab er sich zum Para·vent, hinter dem die kaiser·liche Hoheit saß, und begann die Ordi·nations·riten. Als die kaiserliche Hoheit ihr prächtiges Haar [über den Paravent] herabhängen ließ, damit er es abschneiden möge, brachen sämtliche Hof·damen in haltloses Schluch·zen aus. Schließlich war die Tonsur vollzogen und der Ehr·würdige wandte sich zum Gehen. Da sagte er mit lauter Stimme: „Was war eigentlich der Grund, dass Ihr Zōga zu Euch rufen ließet? Ich kann es nicht verstehen. Habt Ihr vielleicht gehört, dass mein schmutziges Ding besonders groß ist? Es ist in der Tat größer als andere, doch jetzt hängt es nur noch herab, schlaff wie ein Stück Seide.“ Die Hof·damen, die nebenan in den hinteren Ge·mä·chern saßen, die Minister, die Höflinge und die ver·sam·mel·ten Mönche rissen alle fassungs·los Mund und Augen auf. Auch der kaiserlichen Hoheit erging es nicht anders. Alle Er·haben·heit war verflogen, alle waren schweiß·gebadet und wären am liebsten im Boden versunken.
Der Ehr·würdige aber faltete zum Ab·schied die Hände und sprach: „Vom Alter gebeugt und schwer verkühlt, bin ich außerdem vom Durchfall geplagt. Ich hätte nicht kommen sollen, doch nachdem man mich eigens rief, gesellte ich mich zu Euch. Jetzt aber kann ich mich nicht mehr halten und muss mich eiligst zurück·ziehen.“ Kaum war er auf die westliche Veranda hinaus·getreten, entblößte er sein Gesäß und entleerte sich, als ob man Wasser aus einem Zuber gösse. Geräusch und Gestank waren so gewaltig, dass sie bis zur kaiser·lichen Ho·heit drangen. Da konnten sich die jungen Höf·linge nicht mehr halten vor Lachen. Die Mönche aber empörten sich, dass man so einen Ver·rück·ten hatte rufen lassen.
Auf diese Weise stellte sich Zōga ab·sicht·lich an wie von Sinnen. Nichts·desto·trotz ver·brei·tete sich der Ruf seiner Heilig·keit weiter und weiter.2
Verweise
Fußnoten
- ↑ Fujiwara no Senshi (962–1002), hier nach der Lage ihres Palastes benannt.
- ↑ Uji shūi monogatari, Erzählung 143. Nach Watanabe Tsunaya und Kōichi Nishio (ed.). Uji shūi monogatari (Nihon koten bungaku taikei, Bd. 27). Iwanami Shoten, 1960. Ü.: Bernhard Scheid. Siehe auch Tyler 1987, S. 307–310.
Literatur
Bilder
- ^ Der Mönch Zōga zeigt seine Verachtung gegenüber weltlichem Reichtum und Prunk, indem er an der Ehrung seines eigenen Lehrers Ryōgen (des Mönchs im Ochsenkarren) in zerschlissener Alltagskleidung teilnimmt. Die Illustration entstammt einer Edo-zeitlichen Querbildrolle des Tanzan Schreins, des geistigen Zentrums von Tōnomine, wo Zōga tätig war.
Werk von Kanō Einō (1631–1697). Edo-Zeit. Nara Women's University.
Glossar
- Ichijō Tennō 一条天皇 ^ 980-1011; 66. Kaiser von Japan; (r. 986-1011)
- Ryōgen 良源 ^ 912–985; 18. Abt (zasu) der Tendai-Schule; unter Namen wie Jie Daishi, Ganzan Daishi, Tsuno Daishi oder Mame Daishi auch als Schutzheiliger populär
- Tōnomine 多武峰 ^ Heiliger Berg südlich von Nara, wo u.a. der Ahnherr der Fujiwara Nakatomi no Kamatari im Tanzan Schrein verehrt wird
- Uji shūi monogatari 宇治拾遺物語 ^ „Geschichtenauslese [des Ratsherren] von Uji“ (13. Jh.); Sammlung von unterhaltsamen Geschichten und Anekdoten, viele aus dem Konjaku monogatari