Ikonographie/Gluecksgoetter/Ebisu: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 26. Mai 2020, 13:31 Uhr
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Ebisu [Ebisu (jap.) 恵比寿 Glücksgott der Händler und Fischer; andere Schreibung: 夷 oder 戎; Grundbedeutung wahrscheinlich „Fremder“ oder „Barbar“] ist heute in erster Linie als ein Mit·glied der Sieben Glücks·götter (Shichi Fukujin [Shichi Fukujin (jap.) 七福神 Sieben Glücksgötter; populäres Ensemble von Glücksgöttern verschiedener Herkunft]) bekannt.1 Er wird als solcher für gewöhn·lich mit rundem, lachen·den Gesicht, einer Angel, einer roten Meer·brasse (tai [tai (jap.) 鯛 Meerbrasse, „Markenzeichen“ des Ebisu]), der tradi·tionellen kariginu [kariginu (jap.) 狩衣 Priestertracht (ehemals Hoftracht); wtl. „Jagdgewand“]-Tracht und einem eboshi [eboshi (jap.) 烏帽子 von Priestern in einfacher Robe getragene Kopfbedeckung; aus schwarz gelacktem Papier] (Kopf·be·deckung aus schwarz gelack·tem Papier) dar·ge·stellt. Seine Füße sind häufig unbe·schuht. Er ist zusam·men mit Daikoku [Daikoku (jap.) 大黒 Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten] für die tägliche Nahrung zuständig und gilt als beson·derer Schutz·patron der Fischer und Kauf·leute.
Meiji-Zeit?. Nishinomiya Jinja.
Ausbreitung des Ebisu Kults
Vorlage:Sidebox3 Ebisus Aufstieg zu einer Schrein·gottheit ist erstmals im Nishinomiya [Nishinomiya Jinja (jap.) 西宮神社 Ebisu Schrein in der Stadt Nishinomiya, Hyōgo-ken, bei Ōsaka] Schrein in der Region zwischen Ōsaka und Kōbe doku·mentiert. Dieser Schrein gilt noch heute als das Zentrum der Ebisu-Ver·eh·rung. Er taucht bereits im 9. Jahr·hundert in offi·ziellen Doku·menten als Schrein des „Hiruko-no-kami“ auf.2 Dieser Gott Hiru-ko [Hiru-ko (jap.) 蛭子 wtl. Blutegel-Kind; erstes (missratenes) Kind von Izanagi und Izanami] wird in den klas·sischen Mythen mit der Zeichen·bedeutung „Blutegel-Kind“ geschrieben. Er ist das erste, jedoch miss·gestaltete Kind des Ur·götter·paares Izanagi [Izanagi (jap.) 伊耶那岐/伊奘諾 Göttervater; auch Izanaki (ki hier männliche Endung); Bruder und Mann von Izanami] und Izanami [Izanami (jap.) 伊耶那美/伊奘冉 Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi], und wird deshalb von seinen Eltern im Meer ausge·setzt.3 Ende der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit wird im Zu·sammen·hang mit Nishino·miya eine Gott·heit namens Ebisu Saburō [Ebisu Saburō (jap.) 夷三郎 Beiname des Glücksgottes Ebisu] erwähnt, die dem Meer ent·stie·gen sein soll.4 Offen·bar brachte man also diesen Ebisu Saburō mit den klassi·schen Mythen in Zusam·men·hang und iden·tifi·zierte ihn mit dem Blut·egel·kind, das in der Gegend des Nishinomiya Schreins wieder an Land gegangen war. Dass Ebisu und Hiru-ko im Nishino·miya Schrein mit einan·der asso·ziiert wer·den, liefert uns einen ersten Hinweis, dass Ebisu nicht bloß ein lächeln·der Glücks·gott ist, son·dern dass von Beginn an auch seltsam-fremde, unge·wöhn·liche und unvoll·kom·mene Charak·ter·züge das Bild des Ebisu prägten.
Darren-Jon Ashmore, 2001.
Der Nishino·miya Schrein ist seit Ende der Heian-Zeit ein Zentrum für Schau·steller, die früher von hier aus mit Puppen durch die Lande zogen. Die Puppen·spieler nannte man ebisu kaki [ebisu kaki (jap.) 夷かき Bezeichnung für Schausteller, die früher vom Nishinomiya Jinja aus mit Puppen durch die Lande zogen] (Ebisu Träger). Sie kreier·ten die Figur des Ebisu Hyaku·dayū, der als wirk·samer Bekämp·fer von Krank·hei·ten, vor allem von Masern, ange·sehen wurde.5 Diese Tradi·tion trug zwei·fel·los viel zur Ver·brei·tung des Ebisu Kults bei,6 war aber aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Vorläufer des bekannten japanischen Puppendramas (Bunraku [Bunraku (jap.) 文楽 Traditionelle, japanische Form des Puppentheaters, 1684 in Ōsaka entstanden; viele Stücke des Kabuki wurden ursprünglich für Bunraku geschrieben]). Während Bunraku sich zur Hochkultur entwickelte, blieb die ebisu kaki Tradition als Kunst niederrangiger Schausteller bis in die frühen Tage der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit lebendig. Seit Ende des Zweiten Welt·kriegs gibt es Bemü·hungen, sie wieder auf·leben zu lassen.
Ab·gesehen von den Puppen·spielen und deren Bezug zur Heilung von Krank·heiten, scheint Ebisu von Händlern und Kauf·leuten als Schutz·gott·heit ange·nom·men worden zu sein. Bereits im zwölften Jahr·hundert wird er als „Markt-Gottheit“ verehrt.6 Von da an entwickelte er sich mehr und mehr zu einem städtisch-kauf·män·nischen Glücks·gott. Zugleich erin·nern seine ikono·graphi·schen Merk·male — Angel und Meer·brasse — an seine mari·time Herkunft.
Feste und Schreinlegenden
Vorlage:WmaxX Vorlage:Wrapper Neben dem Nishino·miya Schrein hat sich auch der Imamiya Ebisu [Imamiya Ebisu Jinja (jap.) 今宮戎神社 Ebisu Schrein in Ōsaka] Schrein in der Handels·metro·pole Osaka zu einem popu·lären Zentrum des Ebisu-Kults ent·wickelt. In beiden Schrei·nen gilt der zehnte Januar als wich·tigs·ter Festtag (Tōka Ebisu [Tōka Ebisu (jap.) 十日戎 wtl. Ebisu des 10. Tages; wichtiges Schreinfest des Ebisu am 10 Januar], wtl. Ebisu des zehnten Tages), die Feiern beginnen aller·dings schon am 9. und er·strecken sich bis zum 11. Januar. Beson·ders die Händler beten dann um ge·schäft·lichen Erfolg im an·brechen·den Jahr. Neben Geld·spenden werden auch Speisen und Sake [Sake (jap.) 酒 Reiswein] dargebracht. Im Nishi·nomiya Schrein spendet die Fischerei-Genos·sen·schaft jedes Jahr einen mög·lichst großen Thun·fisch, der während der Feier·tage von den Besucher·massen mit Münzen beklebt wird.
Schwerhörigkeit
Edo-Zeit, 1844. Tokyo Archive, Tōkyō Metropolitan Library.
In vielen Ebisu-Schreinen machen die Besu·cher des Tōka Ebisu Festes mit lauten Ge·räu·schen auf sich auf·merk·sam, zum Bei·spiel, indem sie mit klei·nen Holz·häm·mern an das Schrein·ge·bäude klop·fen. Dies wird damit begrün·det, dass die Gott·heit schwer·hörig sei und die Gläu·bi·gen sonst nicht hören könne.7 Das geläu·fige Hände·klat·schen, mit dem viele Japa·ner einen Schreinbesuch beginnen, soll im übrigen auf den Ebisu-Kult und die dem Ebisu zu·ge·schrie·bene Schwer·hörig·keit zurück·gehen.8
Auch ein anderer Feier·tag des Ebisu, der 20. Tag des Zehn·ten Monats, steht mit Ebisus Schwer·hörig·keit in Verbindung. Der Zehnte Monat wurde seit dem Mittel·alter häufig als der „Monat ohne kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]“ (Kannazuki [Kannazuki (jap.) 神無月 „Monat ohne Götter“; volkstümlicher Beiname des 10. Monats, in dem sich die Götter Japans alle nach Izumo begeben sollen]) bezeich·net. Die Götter sollen sich zu diesem Zeit·punkt alle im Izumo [Izumo Taisha (jap.) 出雲大社 Großschrein von Izumo (Präfektur Shimane)] Schrein ver·sammeln. Da aber Ebisu den Aufruf nach Izumo zu kommen nicht hören kann, bleibt er als „Auf·pas·ser-kami“ (rusugami) in seinem Schrein zurück und wird als solcher im Oktober beson·ders geehrt.
Ähnlich wie im Hiruko-Mythos findet sich auch in dieser Legende ein Hinweis auf eine gewisse Behin·derung des Glücks·gottes, die in der Ikono·graphie üb·licher·weise nicht zum Aus·druck kommt.
Deformierter Ebisu
Abgesehen von der ihm zugeschriebenen Schwerhörigkeit äußert sich Ebisus Andersartigkeit auch im igomori matsuri (wtl. „Fest der Abge·schie·den·heit“), das in manchen Schreinen am 9. 1., also am Vortag des Tōka-Festes be·gangen wird. Im Nishi·no·miya Schrein wird Ebisu an diesem Tag zum nahe gele·genen Hirota Schrein trans·portiert. Im Gegen·satz zu den üb·lichen Schrein·prozes·sionen vollzieht sich dieser Trans·port aber im Gehei·men, die meisten Mit·glieder der Schrein·ge·meinde schließen sich an diesem Tag zuhause ein. Dies wird damit begrün·det, dass sich Ebisu an diesem Tag in de·for·mier·ter Gestalt (isō ebisu) zeigt. Er schämt sich aller·dings für seine Defor·mation und ver·flucht jeden, der ihn so zu Gesicht bekommt. Folg·lich ist es besser, an diesem Tag zu Hause zu bleiben.9 Zu·sätzlich wird gefastet und die Kiefer·zweige (kadomatsu [kadomatsu (jap.) 門松 wtl. Pinien[zweige] am Tor; Neujahrsschmuck]), die als Neu·jahrs·schmuck an den Türen befestigt sind, werden umge·dreht.10 Offen·sicht·lich meint man, dass Ebisu an diesem Tag als ver·flu·chen·de Gottheit (tatarigami [tatarigami (jap.) 祟り神 verfluchender Gott; aus tatari — Fluch, und kami — Gottheit]) sein Unwesen treiben würde.
Ebisu, der Barbar
Es ist bis heute nicht sicher geklärt, was der Name „Ebisu“ bedeutet, es gibt aller·dings Hinweise, dass er mit dem Wort emishi in Ver·bin·dung steht. Dieser Begriff wurde in alter Zeit auf die „bar·ba·ri·schen“ Stämme im Norden Japans angewendet, die bis weit in die Heian-Zeit hinein Wider·stand gegen den Yamato [Yamato (jap.) 大和/倭 Kernland der Tennō-Dynastie in Zentraljapan (Präfektur Nara); archaischer Name für Japan]-Staat leis·teten und als Vor·fahren oder Ver·wandte der Ainu11 gelten. Das Zeichen für emishi 戎 ist auch eine der üb·lichen Schrei·bungen für „Ebisu [Ebisu (jap.) 恵比寿 Glücksgott der Händler und Fischer; andere Schreibung: 夷 oder 戎; Grundbedeutung wahrscheinlich „Fremder“ oder „Barbar“]“ und taucht in dieser Lesung bereits im Hizen fudoki (8. Jh.), einer alten Re·gional·chro·nik aus Kyūshū auf. Die betref·fende Stelle12 handelt zwar eben·falls von der Unter·werfung „bar·bari·scher“ Stämme, doch sind diese sicher nicht mit den Emishi Nord-Japans identisch. Somit scheint emishi/ebisu eine generelle Bezeich·nung für „Barbaren“ oder Fremde darge·stellt zu haben. Ebisu gilt gemein·hin als der einzige unter den Sieben Glücks·göttern, der sich nicht auf aus·län·dische Götter zurück·führen lässt, doch wenn die Grund·be·deu·tung „Barbar“ richtig ist, dann muss auch er letzt·lich als „Fremder“ bezeich·net werden.
Viele Bräuche, die sich in länd·lichen Gegenden Japans bis heute erhalten haben, lassen die Iden·tifi·kation Ebisus mit einem Fremden plausibel erschei·nen. In manchen Fischer·ge·meinden wird Ebisu mit Walen, Haien oder allge·mein mit großen Fischen identi·fiziert (vgl. das Fischopfer beim Tōka-Fest). Ander·er·seits mani·festiert sich Ebisu aber auch in ab·sonder·lichen Gegen·ständen, die vom Meer an den Strand gespült werden. Sogar Wasser·leichen werden bis·weilen als Ebisu bezeichnet und in dieser Form bestattet.13 In manchen Gegenden gibt es außerdem den Neu·jahrs·brauch, dass junge Männer mit verbun·denen Augen nach Steinen tauchen. Der erste Stein, den sie nach oben bringen, wird dann als Ebisu verehrt.14 Gemein·sam ist all diesen Vorstel·lungen, dass sie generell als gute Omen ange·sehen werden, ins·beson·dere in Fischer·gemein·den, wo sie auf einen guten Fang hoffen lassen. Diese Vorstel·lung wird generell als die Basis von Ebisus Funktion als Glücks·gott ange·sehen.6
Sakrale Besucher (marebito)
Wenn Ebisu also im Grunde ein Fremder ist, der aus einem unbe·kannten Land kommend Wohl·taten ver·teilt, so rückt ihn das in die Nähe des soge·nannten marebito [marebito (jap.) 稀人/客人 Besuchergottheit, sakraler Besucher]-Glaubens. Marebito sind Gott·hei·ten, die zu gewis·sen Zeiten auftau·chen, bewirtet werden und schließ·lich wieder ins Unbe·kannte ver·schwin·den. Dieser Glaube an „sakrale Besucher“ (marebito shinkō) findet sich heute vor allem in Rand·gebie·ten der japani·schen Kultur, z.B. in Okinawa. Laut Origuchi Shinobu [Origuchi Shinobu (jap.) 折口信夫 1887–1953, jap. Volkskundler und Religionswissenschaftler], einem Gelehrten der Zwischen·kriegs·zeit, handelt es sich jedoch um eine einst·mals weit ver·breitete volks·reli·giöse Vorstel·lung.
Sukunabikona und Tokoyo
Sakrale Besucher kommen auch in den klas·sischen Mythen vor, z.B. in der Gestalt des zwergen·haften Gottes Sukunabikona [Sukunabikona (jap.) 少名毘古那 winzige Gottheit, Gefährte oder alter ego von Ōkuninushi, auch: Sukunahikona]. Kojiki [Kojiki (jap.) 古事記 „Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)] und Nihon shoki [Nihon shoki (jap.) 日本書紀 Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)] berichten über·ein·stim·mend, dass Sukuna·bikona von einem unbe·kannten Ort jenseits des Meeres herbei·kommt, dem „Großen Herrn des Landes“ (Ōkuninushi [Ōkuninushi (jap.) 大国主 mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes]) bei diversen Schöpfungs·akten hilft und schließ·lich nach Tokoyo [Tokoyo (jap.) 常世 Land der Unsterblichkeit, Land der Unvergänglichkeit], einer Art Insel der Un·sterb·lich·keit, wieder ent·schwin·det. Diese Insel ist für Origuchi ein Synonym für das Jenseits des marebito-Glaubens. Im Gegen·satz zu den „Himm·lischen Gefilden“ (Takama no hara [Takama-no-hara (jap.) 高天原 wtl. „Die Hohen Himmelsgefilde“, mythol. Bez. für das Reich der Himmlischen Götter; auch Takama-ga-hara]) befindet sie sich gleich·sam auf Augen·höhe mit der sicht·baren Welt. Im marebito-Glauben herrscht dem·nach ein hori·zon·tales Welt·bild vor, das laut Origuchi älter ist als die vertikalen Vor·stel·lungen von den Him·mels·göttern (ama-tsu-kami [ama-tsu-kami (jap.) 天津神 Götter des Himmels; mytholog. Gottheiten]). Tokoyo steht in Origuchis Augen daher für eine Art Ur·religion der japanischen Prähistorie.
Dagegen lässt sich ein·wenden, dass Tokoyo wohl auch mit der daoisti·schen Vor·stellung von der Insel der Unsterb·lichen Penglai [Penglai (chin.) 蓬莱 daoistische Insel (Berg) der Unsterblichkeit, im Osten gedacht, daher manchmal mit Japan identifiziert; jap. Hōrai] (jap. Hōrai [Hōrai (jap.) 蓬莱 daoistische Insel der Unsterblichkeit; chin. Penglai]) zu·sam·men·hängt und inso·fern im Zusam·men·hang mit chinesi·schen Kultur·kon·takten inter·pretiert werden muss.15 Auch die buddhis·tischen Vorstel·lungen vom Reinen Land können mit der Insel der Unsterb·lichen in Ver·bin·dung gebracht werden. Das bedeu·tet aber ledig·lich, dass sakrale Besucher und ähnliche mit Tokoyo ver·bun·dene Vorstel·lungen nicht allein auf die japani·sche Volks·religion beschränkt werden können. Wir erhalten wie so oft einen Komplex von ver·wand·ten Vor·stel·lungen, die über kulturelle Grenzen hinweg lose mit einander asso·ziiert sind und sich gegen·seitig in Erin·nerung rufen. Ebisu gehört zu diesem Tokoyo/ Hōrai Komplex dazu und wird daher auch gern mit ande·ren Figuren asso·ziiert, die diesem zuzu·rechnen sind, vor allem mit Sukuna·bikona, der seinerseits mit Hiruko (s.o.) identi·fiziert wird.
Ebisu als Glücksgott
Vorlage:WmaxX Die Glücks·götter werden als Gruppe häufig in einem „Schatzschiff“ (takarabune [takarabune (jap.) 宝船 Schatzschiff der Sieben Glücksgötter]) darge·stellt, mit dem sie über das Meer segeln. Ein Traum von den Glücks·göt·tern zu Neujahr wird als beson·ders gutes Omen gewertet. Schon in der Edo-Zeit war es Brauch, zu Neujahr Glück·wunsch·karten zu ver·sen·den, auf denen die Glück·götter und ihr Schatz·schiff in allen er·denk·lichen Varian·ten abge·bildet sind. In vieler Hinsicht hat diese Gruppe der Glück·götter insge·samt Gemein·sam·keiten mit Ebisu, wie wir ihn hier kennen gelernt haben: exotische, aber zumeist wohl·wol·lende Wesen, die zu gewis·sen Zeiten, vor allem zu Jah·res·beginn, herbei gesegelt kommen und Wohl·taten verrichten.
Zugleich hat jede einzelne dieser Gestalten auch eine dunkle Seite, wie sich ins·beson·dere an Daikoku [Daikoku (jap.) 大黒 Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten], aber auch an Benzaiten [Benzaiten (jap.) 弁才天/弁財天 Glücksgöttin im Ensemble der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); Gottheit des Wassers, der Musik und der Beredsamkeit; skt. Sarasvati; auch: Benten] zeigt. Die Macht der Glücks·götter steht also mit der Tatsache in Ver·bindung, dass man ihnen zutraut, auch genau das Gegen·teil dessen hervor·zu·rufen, wes·wegen man sich an sie wendet. Dass im Kult der Glücks·götter zumeist nur die positive Seite gezeigt wird, ent·spricht einer Logik, die wir gene·rell bei religiösen Festen Japans beob·ach·ten können: Diese leiten sich häufig auf Kata·stro·phen zurück, vor allem auf Epi·demien, die als das Werk zür·nen·der Götter gedeutet wurden. Die Feste hatten also den ur·sprüng·lichen Zweck, die Götter von ihrem Zorn abzu·bringen. Eine ähn·liche Strate·gie wird auch in den Mythen sichtbar, wenn sich die kami des Himmels erfolg·reich bemühen, die verär·gerte Sonnen·gott·heit Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise] durch ein rauschen·des Fest aus ihrer Felsen·höhle zu locken. Die bunte Kultur der fröhlich-lärmen·den matsuri [matsuri (jap.) 祭 religiöses (Volks-)Fest], der die Glücks·götter viel·leicht am besten von allen Figuren im japa·nischen Pan·theon ent·sprechen, ent·stand dem·nach aus ganz und gar nicht fröh·lichen Anläs·sen. Ebisus Beispiel zeigt, dass die dunklen Seiten der Glücks·götter bis heute nicht ganz ver·ges·sen sind und mög·licher·weise die Wurzel ihrer nach·hal·tigen Popu·lari·tät dar·stellen.
Frühes 20. Jh. Fujii Hikifuda Collection, Bild 2.
Werk von Masatomo. Edo-Zeit, 19. Jh. buddhamuseum.com.
Meiji- oder Taishō Zeit, frühes 20. Jh. Nishinomiya Jinja.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Dieser Artikel beruht zum Teil auf den Recherchen von Raphaela Klocker für die Material·sammlung Kamigraphie, 2012 . Herzlichen Dank!
- ↑ Montoku jitsuroku („Chronik [der Regierungszeit] des Montoku Tennō“, verfasst 850–885), nach Ashmore 2007.
- ↑ Hiru-ko lässt sich ohne weiteres auch als „Sonnen·kind“ lesen. Es existiert daher auch die Theorie, dass die Ge·schichte eigent·lich die Aus·treibung früher Sonnen·kulte zum Inhalt hat, die durch den Amate·rasu-Glauben ver·drängt wurden (Casal 1958, S. 13).
- ↑ Shinto jiten 1996, S. 665. Abge·sehen davon findet sich eine der frü·hesten Erwäh·nungen Ebisus in einem Wörter·buch der späten Heian-Zeit. Hier wird ledig·lich an·gemerkt, dass Ebisus Urform (honji [honji (jap.) 本地 (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku]) der buddhis·tische Wächter·gott Bishamon-ten [Bishamon-ten (jap.) 毘沙門天 Himmelswächter des Nordens, Glücksgott; abgeleitet von einem indischen Gott des Reichtums, Vaishravana] sei (Wikipedia, jap., えびす).
- ↑ Die Puppen sind erst·mals Ende des elften Jahr·hunderts historisch nach·weisbar. Laut den Grün·dungs·legenden des Schreins ersetzten die Puppen-Schau·steller die in größeren Schreinen tätigen Schrein·dienerin·nen (miko [miko (jap.) 巫女 Miko, kami-Priesterin, Schreindienerin; auch: weibliche Shamanin; andere Schreibungen 神子 (Gott-Kind) oder 御子 (erhabenes Kind)]). Der Schrein behauptet außer·dem, in Besitz einer Art von Lizenz zu sein, die Kaiser Sutoku (r. 1123–1141) aus·gestellt haben soll und die die Praxis der ebisu-kaki im Zu·sammen·hang mit der Bekämpf·ung von Epidemien (ekibyō) aus·drücklich erlaubt. (Ashmore 2007.)
- ↑ abc Iwai Hiroshi, Ebisu shinkō (Encylopedia of Shinto)
- ↑ Der Brauch ist im Imano·miya Schrein bereits in der Edo-Zeit doku·mentiert. Damals ver·sam·melten sich Leute am 10. des ersten Monats und schlugen Bretter an die Rück·seite des Schrein·ge·bäudes. Settsu meisho zue (Illustrierter Reiseführer von Settsu) von Shoseki Akisato, 1798, nach Oka 1933 (Bd. 2), S. 583.
- ↑ Casal 1958, S. 14
- ↑ Ouwehand 1964, S. 84
- ↑ Iwai Hiroshi, Tōka Ebisu (Encyclo·pedia of Shinto). Das igomori matsuri des Hirota Schreins ist u.a. in der Edo-zeitlichen Quelle Setsuyō gundan von Okada Keishi (1701) dokumentiert. Schon damals schlos·sen sich die Leute zu·hause ein, um der Gott·heit (Ebisu bzw. Hiruko), die man sich von sehr häss·lichem Aussehen dachte, nicht zu begeg·nen. Auch die ver·kehrte Kiefer wird erwähnt (nach Oka 2012 [1933], S. 462.) Vgl. auch mayoke no sakabashira [mayoke no sakabashira (jap.) 魔除けの逆柱 „umgedrehte Dämonenabwehr-Säule“ des Yōmei-mon im Tōshō-gū Schrein, Nikkō].
- ↑ Bewohner Hokkaidos und der Kurilen Inseln. Bis ins 20. Jh. Jäger und Samm·ler. Heute stark zurück·gedrängt oder assimi·liert.
- ↑ Aoki 1997, S. 551
- ↑ Naumann 1974, S. 1–2
- ↑ Wilhelm 2005, S. 29
- ↑ Deutlich wird dies in einer Episode aus Kojiki und Nihon shoki, die davon berichtet, dass ein gewisser Tajima-mori eine wunder·bar duftende Frucht, die man heute Orange (jap. tachibana) nennt, aus dem Lande Tokoyo mit·brachte. Dies deutet auf Süd·chinesi·sche Ein·flüsse hin. Auch manche Versionen der Urashima [Urashima Tarō (jap.) 浦島太郎 Held einer berühmten Sage; heiratet eine Meeresprinzessin, verbringt mit ihr drei Jahre im Meerespalast, kehrt nach Hause zurück und stellt fest, dass nicht drei, sondern dreihundert Jahre seit seinem Fortgang vergangen sind.]-Legende beziehen dieses Tokoyo mit ein. All diese Erzählun·gen teilen Motive mit daoisti·schen Legenden.
Internetquellen
- Ebisu shinkō shiryō („Materialien zum Ebisu Glauben“), Nishinomiya Jinja
Literatur
Bilder
- ^ Werbeposter (hikifuda) eines Fischhändlers aus Ōsaka, vielleicht als Neujahrsgeschenk gedacht. Im Hintergrund Berg Fuji, zusammen mit den Glücksgöttern (hier Ebisu) ein beliebtes Neujahrsmotiv.
Meiji-Zeit?. Nishinomiya Jinja. - ^ Schreinpriester Yoshii Sadatoshi demonstriert die Puppe des Ebisu Hachidaiyū.
Darren-Jon Ashmore, 2001. - ^ Oben: Der Erdbeben-Wels (namazu) und die Zerstörungen,
die er anrichtet.Bildmitte: Der Gott von Kashima reitet eilig herbei. Links der Donnergott.Unten: Der „Schlussstein“ (kaname-ishi) und der schlafende Gott Ebisu, der den Gott von Kashima vertreten sollte.//Obwohl Ebisu oft als lachender, jugendlicher Glücksgott dargestellt wird, gibt es auch Legenden, denen zufolge er alt und schwerhörig ist und aus diesem Grund den alljährlichen Aufruf an die Götter, sich im Oktober in Izumo zu versammeln, nicht hört (oder hören will). Er bleibt daher als „Haushüter-Gott“ (rusugami) in seiner Heimatregion. Doch auch diese Aufgabe erfüllte er im 10. Monat 1855, als der Erdbebenwels das große Ansei-Beben verursachte, nicht sorgfältig genug.
Edo-Zeit, 1844. Tokyo Archive, Tōkyō Metropolitan Library.
- ^ Werbeposter (hikifuda) eines Kaufhauses in Kotohira, Shikoku. Die Sieben Glücksgötter, inbesondere Ebisu und Daikoku waren die beliebtesten Werbesujets in der Pionierzeit kommerzieller Werbung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Frühes 20. Jh. Fujii Hikifuda Collection, Bild 2. - ^ Ebisu stellt ein beliebtes Motiv der netsuke (am Gürtel getragene traditionelle Ziergegenstände) dar. Hier scheint er einen Freudentanz auf einer riesigen Meerbrasse (tai) zu vollführen.
Werk von Masatomo. Edo-Zeit, 19. Jh. buddhamuseum.com. - ^ Ebisu und Daikoku behängen einen „Geldbaum“ (seine Blätter sind traditionelle Goldmünzen) mit Sinnsprüchen. Die Botschaft ist eindeutig: Nur wer redliche Grundsätze befolgt, erlangt Reichtum.
Meiji- oder Taishō Zeit, frühes 20. Jh. Nishinomiya Jinja.
Glossar
- ama-tsu-kami 天津神 ^ Götter des Himmels; mytholog. Gottheiten
- Benzaiten 弁才天/弁財天 ^ Glücksgöttin im Ensemble der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); Gottheit des Wassers, der Musik und der Beredsamkeit; skt. Sarasvati; auch: Benten
- Daikoku 大黒 ^ Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten
- ebisu kaki 夷かき ^ Bezeichnung für Schausteller, die früher vom Nishinomiya Jinja aus mit Puppen durch die Lande zogen
- Ebisu Saburō 夷三郎 ^ Beiname des Glücksgottes Ebisu
- Hizen fudoki 肥前風土記 ^ auch Hizen no kuni fudoki, Lokalchronik (fudoki) aus Hizen (N-Kyūshū), wahrsch. 8. Jh.
- igomori matsuri 忌籠祭 ^ wtl. „Fest der Abgeschiedenheit“; matsuri für Ebisu, an dem nur ausgewählte Mitglieder einer Schreingemeinde teilnehmen
- Imamiya Ebisu Jinja 今宮戎神社 ^ Ebisu Schrein in Ōsaka
- Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
- Ōkuninushi 大国主 ^ mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
- Origuchi Shinobu 折口信夫 ^ 1887–1953, jap. Volkskundler und Religionswissenschaftler
- Shichi Fukujin 七福神 ^ Sieben Glücksgötter; populäres Ensemble von Glücksgöttern verschiedener Herkunft
- Takama-no-hara 高天原 ^ wtl. „Die Hohen Himmelsgefilde“, mythol. Bez. für das Reich der Himmlischen Götter; auch Takama-ga-hara
- takarabune 宝船 ^ Schatzschiff der Sieben Glücksgötter
- tatarigami 祟り神 ^ verfluchender Gott; aus tatari — Fluch, und kami — Gottheit
- Tōka Ebisu 十日戎 ^ wtl. Ebisu des 10. Tages; wichtiges Schreinfest des Ebisu am 10 Januar