Mythen/Jenseits/Totengericht: Unterschied zwischen den Versionen

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==Der Gerichtshof==
 
==Der Gerichtshof==
Im ostasiatischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt, laut der Yama keine dunkle Vergangenheit als übelwollender Dämon besitzt. Eher erscheint er als notwendiges Übel, als Personifikation des unerbittlichen Karmas. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entscheiden hat, in welchen der sechs Lebensbereiche eine Totenseele wiedergeboren zu werden hat. König Yan oder Yanlou, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesischen Gerichtshöfen nachempfunden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusammen in das Ensemble der Zehn Könige der Unterwelt integriert.  
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Im ostasiatischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt, laut der Yama kein übelwollender Dämon mehr ist. Eher erscheint er als notwendiges Übel, als Personifikation des unerbittlichen Karmas. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entscheiden hat, in welchen der sechs Lebensbereiche eine Totenseele wiedergeboren zu werden hat. König Yan oder Yanlou, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesischen Gerichtshöfen nachempfunden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusammen in das Ensemble der Zehn Könige der Unterwelt integriert.  
 
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===Die Zehn Könige===
Der Weg der Totenseele ins Jenseits wird (auch) als eine Folge von Verhandlungen vor diesen Zehn Richtern dargestellt. Es ist eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wiedergeburt noch nicht fixiert ist. Vor den ersten sieben Richtern muss sich der Verstorbene in den ersten sieben Wochen nach seinem Tod verantworten. Die weiteren Richter fällen ihre Urteile hundert Tage nach dem Tod, ein Jahr nach dem Tod und drei Jahre nach dem Tod. Dies sind die Zeiten, in denen auch die Hinterbliebenen durch religiöse Opfergaben die Entscheidung von Enmas Gericht beeinflussen können und zu denen daher besondere [[Alltag:Totenriten|Totenriten]] vorgesehen sind.
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Yama selbst ist also in dieser Tradition  nur einer unter zehn Richterkönigen (und zwar stets der fünfte), wenn auch sicherlich der prominenteste. Die Schar der Einzelrichter untersteht aber letztlich Bodhisattva {{glossar:jizou}} (chin. Dizang, skt. Kshitigarbha), der zum eigentlichen Herren über das gesamte Totenreich erklärt wird. Ähnlich wie Manjushri in Tibet tritt also auch hier ein prominenter Bodhisattva in den Ring, um zu garantieren, dass alles wirklich nach den Gesetzen von Buddhas Lehre abläuft. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn manche Überlieferungen in Yama nichts anderes als eine spezifischen Manifestion — eine zornvolle Erscheinungsform — von Jizō erblicken. Kategorische Strenge und mildtätige Gnade sind somit letztlich Akte der gleichen Figur.  Im übrigen zeigen frühe chinesische Abbildungen aus China Jizō () keineswegs als knabenhaften, mild lächelnden Pilgermönch, sondern als strengen Abt, der den Vorsitz im Gericht der Zehn Könige führt.
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|jizo usuki.jpg|Jizō und die Zehn Könige
 
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Yama selbst ist also in dieser Tradition  nur einer unter zehn Richtern (und zwar stets der fünfte), wenn auch sicherlich der prominenteste. Die Schar der Einzelrichtern untersteht aber letztlich Bodhisattva Jizō, der der eigentliche Herr über das gesamte Totenreich ist. Ähnlich wie Manjushri in Tibet tritt also auch hier ein prominenter Bodhisattva in den Ring, um zu garantieren, dass alles wirklich nach den Gesetzen von Buddhas Lehre abläuft. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn manche Überlieferungen in Yama nichts anderes als eine spezifischen Manifestion — eine zornvolle Erscheinungsform — von Jizō erblicken. Im übrigen zeigen frühe chinesische Abbildungen aus China Jizō () keineswegs als knabenhaften, mild lächelnden Mönch, sondern als strengen Abt, der den Vorsitz im Gericht der Zehn Könige führt.
 
 
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|jizo dunhuang.jpg|Jizō und die Zehn Könige (China, 9. Jh.)
 
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Die Vorstellung von den Zehn Königen lässt sich auf einen in vielen Versionen überlieferten Text zurückführen, der landläufig als ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. ''Jūo-kyō'') bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chinesischen Tang Zeit, wahrscheinlich im 8. oder 9. Jahrhundert.<ref>Teiser, ''The Scripture on the Ten Kings, S. 9</ref> Diese Texttradition begründete wohl nicht nur die Idee von Enmas Gerichtshof, sondern stellt wohl auch einen wichtigen Faktor für die  Popularität von Bodhisattva Jizō in ganz Ostasien dar.
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Der Weg der Totenseele ins Jenseits wird im ''Sutra der Zehn Könige'' als eine Folge von Verhandlungen vor den zehn Richtern dargestellt. Es ist eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wiedergeburt noch nicht fixiert ist. Vor den ersten sieben Richtern muss sich der Verstorbene in den ersten sieben Wochen nach seinem Tod verantworten. Die weiteren Richter fällen ihre Urteile hundert Tage nach dem Tod, ein Jahr nach dem Tod und drei Jahre nach dem Tod. Dies sind die Zeiten, in denen auch die Hinterbliebenen durch religiöse Opfergaben die Entscheidung von Enmas Gericht beeinflussen können und zu denen daher besondere [[Alltag:Totenriten|Totenriten]] vorgesehen sind.
  
, andererseits kann er aber auch stellvertretend für alle zehn Richter stehen. Während in frühen Darstellungen zumeist aller zehn dargestellt werden, überwiegen zu mindest in Japan ab dem Mittelalter die Darstell
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===Enma als Einzelrichter===
  
Neben seiAußerdem stehen ihm ein Schreiber und ein Rezitator, der Anklage verliest, zur Seite. Schließlich verfügt er über zahlreiche Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstorbenen ausfindig zu machen, etwa einen Spiegel, indem sich Szenen der Vergangenheit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen.
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Obwohl sich die Darstellung von König Enma auf das Sutra der Zehn Könige zurückführen lässt, sind die anderen Richter — zumindest in Japan — im Laufe der Zeit weitgehend verblasst. Die häufigsten Darstellungen zeigen Enma als einzigen Richter und je mehr seine Figur ins Zentrum rückt, umso bedrohlicher wird sie. Enma wird grundsätzlich schreiend und mit wutverzerrten Zügen dargestellt. Vor allem bekommt er aber auch Gehilfen zur Seite gestellt, die suggerieren, dass die Qualen der Hölle im Grund schon vor Enmas Gericht beginnen. Das mag mit vormodernen gerichtlichen Praxisformen zusammenhängen, in denen Foltern zu den üblichen Methoden der Urteilsfindung gehörten, wie sich im übrigen schon anhand der ältesten chinesischen Darstellungen verifizieren lässt.  
Die Vorstellung von den Zehn Königen lässt sich auf einen in vielen Versionen überlieferten Text zurückführen, der landläufig als ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. ''Jūo-kyō'') bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chinesischen Tang Zeit, wahrscheinlich im 8. oder 9. Jahrhundert.<ref>Teiser, ''The Scripture on the Ten Kings, S. 9</ref> Von Beginn an steht Yama in diesem Text eine Figur gegenüber, die das strenge Urteil des Gerichts in einzelnen Fällen revidiert, nämlich {{glossar:jizoubosatsu}} (chin. Dizang, skt. Ksitigarbha). Ähnlich wie im Fall der Identifikation Yamas mit Manjushri sieht die theologische Interpretation auch in diesem Fall letztlich keinen Gegensatz zwischen dem Herrscher der Unterwelt und dem gnadenvollen Bodhisattva, sondern erklärt Enma letztlich als Erscheinung des Jizō. Kategorische Strenge und mildtätige Gnade sind somit letztlich Akte der gleichen Figur. Die Identifikation Jizōs mit dem dem Herrscher über Leben und Tod stellt im übrigen die Wurzel der Popularität dieses Bodhisattvas in Ostasien dar.  
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Schließlich verfügt Enma auch über zahlreiche andere Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstorbenen ausfindig zu machen, etwa einen Spiegel, indem sich Szenen der Vergangenheit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen.  
 
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|enma_kyosai.jpg|Enmas Gerichtshof in einer satirischen Darstellung von Kawanabe Kyōsai
 
|enma_kyosai.jpg|Enmas Gerichtshof in einer satirischen Darstellung von Kawanabe Kyōsai
 
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Enma zählte zu den beliebtesten Sujets des Meiji-zeitlichen Künstlers Kawanabe Kyōsai. Die obige Abbildung kann als eine Zusammenfassung sämtlicher mit Enma assoziierten Merkmale angesehen werden, auch wenn manches davon satirisch überzeichnet ist. Hier ist Enma klar der bedrohliche Herrscher der Unterwelt, der durchaus für sadistische Methoden zu haben ist. Im Hintergrund sieht man dagegen Jizō, der quasi im Verborgenen ein paar Sünder wieder aus der Hölle herausholt. Von einer Identität der beiden Figuren ist in Kawanabes Darstellung nichts zu erkennen.
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==Enma als Himmelswächter ==
 
Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhimus zugesprochen wurde, ist die einer Richtungsgottheit. Zusammen mit sieben weiteren Gottheiten kann er in einem Ensemble der Himmelsrichtungen auftreten und repräsentiert in dieser Form den Süden. Meist bleibt ihm in dieser Funktion sein ursprüngliches Reittier, der Büffel, erhalten.  
 
Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhimus zugesprochen wurde, ist die einer Richtungsgottheit. Zusammen mit sieben weiteren Gottheiten kann er in einem Ensemble der Himmelsrichtungen auftreten und repräsentiert in dieser Form den Süden. Meist bleibt ihm in dieser Funktion sein ursprüngliches Reittier, der Büffel, erhalten.  
  
 
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Version vom 14. Mai 2011, 20:40 Uhr

Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Mythen/Jenseits/Totengericht.

König Enma in verschiedenen Manifestationen

Enmaten tnm.jpg
Enma mit Gefolge auf einem Büffel
König Enma auf einem Büffel. Mandala-artige Komposition, die Enmas Funktionen als Richter der Unterwelt und als Wächter des Dharma vereint. Das Bild befindet sich auf der Rückwand eines Miniaturaltars (zushi), in dem eigentlich eine Statue des Aizen Myōō im Zentrum steht.
Kamakura-Zeit, 13.–14. Jh. Tokyo National Museum.

Die obige Abbildung zeigt König

Enma 閻魔 (jap.)

skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen

Der Begriff „Enma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Enma china13jh.jpg
  • Enma kyosai.jpg
  • Enma gericht1.jpg
  • Rokudoe enma1.jpg
  • Rokudo kuniyoshi.jpg
  • Enmaten tnm.jpg
  • Daiitoku myoo toji.jpg
  • Enma schreiber.gif
  • Enma-ten.jpg
  • Kumano sankei mandara.jpg
  • Juo mak 05.jpg
  • Enmaten enmao.jpg

, den Beherrscher des buddhistischen Totenreichs, und einige Figuren aus seinem Gefolge. Die Darstellung aus der Kamakura-Zeit vereint zwei unterschiedliche Aspekte, unter denen Enma im japanischen Buddhismus auftritt: Einmal als Wächtergott, erkennbar vor allem an der wehrhaften Rüstung, aber auch an seinem strengen Gesichtsausdruck und dem zu Berge stehenden Haar. Des weiteren — und wesentlich prominenter — als Richter der Unterwelt. Diese Funktion ist in der obigen Abbildung vor allem aus den Figuren im Vordergrund ablesbar. Es handelt sich um gerichtliche Beamte, die Anklageschriften verlesen, Protokolle aufzeichnen und Angeklagte (Totenseelen) vor- und abführen. Aber auch der Stab, den Enma in der Hand hält, gehört zu seinen Utensilien als Richter. Die Herausbildung der Figur des Enma ist ziemlich komplex und offenbart einen typischen Mix aus indischen und chinesischen Elementen, die im Folgenden eingehender besprochen werden sollen.

Yama in Indien und Tibet

Der Name

Enma 閻魔 (jap.)

skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen

Der Begriff „Enma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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  • Enmaten tnm.jpg
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  • Enma china13jh.jpg

leitet sich von der indischen Gottheit Yama her. Yama gilt in Indien auch außerhalb des Buddhismus als Gottheit der Hölle bzw. der Totenwelt. In den Veden tritt er — begleitet von seiner Zwillingsschwester Yami — als das erste sterbliche Wesen überhaupt in Erscheinung. In seiner späteren Funktion ist er aber wohl am ehesten mit Hades/Pluto, dem antiken Gott der Unterwelt, zu vergleichen. Doch auch als Herrscher des Totenreichs ist Yama im eigentlichen Sinne keine Gottheit, sondern ein sterbliches Wesen in der Lebenswelt der (Hunger)-Geister (skt. preta, jap.

gaki 餓鬼 (jap.)

Hungergeist; skt. preta

Geist

Der Begriff „gaki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Bilder

  • Gakizoshi geburt.jpg
  • Gakizoshi friedhof.jpg
  • Gakizoshi ausspeisung.jpg
  • Zehn welten.jpg
  • Gakizoshi notdurft.jpg
  • Gakizoshi mokuren.jpg

).1 Schon in seiner indischen Urform erscheint Yama als Reiter auf einem Büffel oder als Figur mit Büffelkopf.

Yama dharmaraja.jpg
Yama Dharmaraja, Tibet, 19. Jh.
Darstellung des Totengottes Yama als Büffel und seines Bezwingers Yamantaka.
Tibet, 19. Jh. Himalayan Art.

Der Buddhismus hat Yama als Herrscher der Unterwelt in das buddhistische Pantheon integriert. Dabei scheint er sich vor allem als Vergelter böser Taten bewährt zu haben, nicht unähnlich dem christlichen Teufel. In frühen kanonischen Texten ist allerdings kaum etwas über Yama zu finden. Erst nach und nach festigten sich verschiedene Erklärungsmuster, wie und warum diese an sich negative Erscheinung mit der Verbreitung des buddhistischen Dharma kooperiert.

In einer Tradition, die sich vor allem im tibetischen Buddhismus durchgesetzt hat, tritt Yama in Gestalt eines Büffeldämonen auf, der nichts anderes als der personifizierte Tod ist. Dieser Büffeldämon erhält in Bodhisattva Manjushri einen Gegenspieler, der ihn unterwirft. Zu diesem Zweck verwandelt sich Manjushri in Yamantaka, den „Bezwinger des Yama“, der eine noch schrecklichere Büffelgestalt als Yama selbst hat und in manchen tantristischen Traditionen als die machtvollste aller kriegerischen Gottheiten gilt. 2 Charakteristischerweise vermischen sich die Gestalten des Bezwingers (Yamantaka) und des zu Bezwingenden (Yama) zu einer einheitlichen Figur, die bis auf den Rinderkopf ganz den üblichen tantristischen Wächtergottheiten entspricht, mit all ihren Paraphernalia wie Ketten aus geköpften Häuptern, Totenschädeln im lodernden Haar, einer nackte Gespielin, die ihnen Blut zu trinken reicht, etc. ...

Eines der interessantesten Motive des tantristischen Yama wird als „Äußerer Yama, der Dharmakönigs“ bezeichnet (Abb. oben). Es zeigt einen ochsenköpfigen Dämon, der seinen Siegestanz auf einem Büffel vollführt, der seinerseits eine menschliche Gestalt vergewaltigt. Ohne alle möglichen Interpretationen dieses Motivs zu kennen, gehe ich davon aus, dass der mittlere Büffel den Tod verkörpert, der den Menschen in seiner Gewalt hat, während der Büffelköpfige den Sieg über diesen Tod darstellt. Das Motiv soll übrigens einer Traumvision des tibetischen Mönchs Tsongkhapa, 1347–1419, entwachsen sein. 3 Der Büffeldämon diente tantristischen Yogis als Identifikationsfigur, um sich auf die Begegnung mit dem Tod vorzubereiten.

Der Gerichtshof

Im ostasiatischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt, laut der Yama kein übelwollender Dämon mehr ist. Eher erscheint er als notwendiges Übel, als Personifikation des unerbittlichen Karmas. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entscheiden hat, in welchen der sechs Lebensbereiche eine Totenseele wiedergeboren zu werden hat. König Yan oder Yanlou, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesischen Gerichtshöfen nachempfunden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusammen in das Ensemble der Zehn Könige der Unterwelt integriert.

Die Zehn Könige

Yama selbst ist also in dieser Tradition nur einer unter zehn Richterkönigen (und zwar stets der fünfte), wenn auch sicherlich der prominenteste. Die Schar der Einzelrichter untersteht aber letztlich Bodhisattva

Jizō 地蔵 (jap.)

wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur

Buddha

Der Begriff „Jizō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Bilder

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(chin. Dizang, skt. Kshitigarbha), der zum eigentlichen Herren über das gesamte Totenreich erklärt wird. Ähnlich wie Manjushri in Tibet tritt also auch hier ein prominenter Bodhisattva in den Ring, um zu garantieren, dass alles wirklich nach den Gesetzen von Buddhas Lehre abläuft. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn manche Überlieferungen in Yama nichts anderes als eine spezifischen Manifestion — eine zornvolle Erscheinungsform — von Jizō erblicken. Kategorische Strenge und mildtätige Gnade sind somit letztlich Akte der gleichen Figur.  Im übrigen zeigen frühe chinesische Abbildungen aus China Jizō () keineswegs als knabenhaften, mild lächelnden Pilgermönch, sondern als strengen Abt, der den Vorsitz im Gericht der Zehn Könige führt.
Jizo dunhuang.jpg
Jizō und die Zehn Könige (China, 9. Jh.)
Jizō und die Zehn Könige (Jūō). Deckblatt einer illustrierten Ausgabe des Sutras der Zehn Könige. Aus Höhle 17 der sogenannten „Tausend Buddha Höhlen“.
Tang Zeit, 10. Jh. The British Museum.

Die Vorstellung von den Zehn Königen lässt sich auf einen in vielen Versionen überlieferten Text zurückführen, der landläufig als Sutra der Zehn Könige (jap. Jūo-kyō) bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chinesischen Tang Zeit, wahrscheinlich im 8. oder 9. Jahrhundert.4 Diese Texttradition begründete wohl nicht nur die Idee von Enmas Gerichtshof, sondern stellt wohl auch einen wichtigen Faktor für die Popularität von Bodhisattva Jizō in ganz Ostasien dar.

Jizo usuki.jpg
Jizō und die Zehn Könige (Japan, 12. Jh.)
Jizō inmitten der Gruppe der Zehn Richter/Könige (Jūō) der Unterwelt.
Heian-Zeit. Bildquelle: Prismo, 2010 (bildbearbeitet).

Der Weg der Totenseele ins Jenseits wird im Sutra der Zehn Könige als eine Folge von Verhandlungen vor den zehn Richtern dargestellt. Es ist eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wiedergeburt noch nicht fixiert ist. Vor den ersten sieben Richtern muss sich der Verstorbene in den ersten sieben Wochen nach seinem Tod verantworten. Die weiteren Richter fällen ihre Urteile hundert Tage nach dem Tod, ein Jahr nach dem Tod und drei Jahre nach dem Tod. Dies sind die Zeiten, in denen auch die Hinterbliebenen durch religiöse Opfergaben die Entscheidung von Enmas Gericht beeinflussen können und zu denen daher besondere Totenriten vorgesehen sind.

Enma als Einzelrichter

Obwohl sich die Darstellung von König Enma auf das Sutra der Zehn Könige zurückführen lässt, sind die anderen Richter — zumindest in Japan — im Laufe der Zeit weitgehend verblasst. Die häufigsten Darstellungen zeigen Enma als einzigen Richter und je mehr seine Figur ins Zentrum rückt, umso bedrohlicher wird sie. Enma wird grundsätzlich schreiend und mit wutverzerrten Zügen dargestellt. Vor allem bekommt er aber auch Gehilfen zur Seite gestellt, die suggerieren, dass die Qualen der Hölle im Grund schon vor Enmas Gericht beginnen. Das mag mit vormodernen gerichtlichen Praxisformen zusammenhängen, in denen Foltern zu den üblichen Methoden der Urteilsfindung gehörten, wie sich im übrigen schon anhand der ältesten chinesischen Darstellungen verifizieren lässt.

Schließlich verfügt Enma auch über zahlreiche andere Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstorbenen ausfindig zu machen, etwa einen Spiegel, indem sich Szenen der Vergangenheit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen.

Enma kyosai.jpg
Enmas Gerichtshof in einer satirischen Darstellung von Kawanabe Kyōsai
Satirische Darstellung von Enmas Gerichtshof.
Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit, 19. Jh. Netto Bijutsukan Ātomatomen, (jap.).

Enma zählte zu den beliebtesten Sujets des Meiji-zeitlichen Künstlers Kawanabe Kyōsai. Die obige Abbildung kann als eine Zusammenfassung sämtlicher mit Enma assoziierten Merkmale angesehen werden, auch wenn manches davon satirisch überzeichnet ist. Hier ist Enma klar der bedrohliche Herrscher der Unterwelt, der durchaus für sadistische Methoden zu haben ist. Im Hintergrund sieht man dagegen Jizō, der quasi im Verborgenen ein paar Sünder wieder aus der Hölle herausholt. Von einer Identität der beiden Figuren ist in Kawanabes Darstellung nichts zu erkennen.


Enma als Himmelswächter

Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhimus zugesprochen wurde, ist die einer Richtungsgottheit. Zusammen mit sieben weiteren Gottheiten kann er in einem Ensemble der Himmelsrichtungen auftreten und repräsentiert in dieser Form den Süden. Meist bleibt ihm in dieser Funktion sein ursprüngliches Reittier, der Büffel, erhalten.

  1. Vgl. Himalayan Art [2011/5].
  2. Nitin Kumar 2001
  3. The Sacred Art of Tibet, S. 290
  4. Teiser, The Scripture on the Ten Kings, S. 9

  1. ^  
    Enma gericht1.jpg
    Gerichtshof des Königs der Totenwelt, Enma (chin. Yanlou).

    Im Hintergrund Enma und zwei weitere Richter, im Vordergrund der Urteilsverkünder und der Schreiber.
    13. Jh. Kyōto National Museum.

  2. ^  
    10kings dunhuang.jpg
    Hier wird der Gerichtshof im buddhistischen Jenseits in vielen Einzelheiten gemäß dem Tang-zeitlichen Sutra der Zehn Könige (Jūō-kyō) dargestellt. Hier die Szene vor dem Zweiten König. Die Totenseelen werden durch einen Fluss getrieben. Sie tragen hölzerne Joche, werden also als Delinquenten gemäß der vormodernen chinesischen Rechtspraxis dargestellt.
    China, 10. Jh. Intenational Dunhuang Project, (British Library).
  3. ^  
    Jizo dunhuang.jpg
    Jizō und die Zehn Könige (Jūō). Deckblatt einer illustrierten Ausgabe des Sutras der Zehn Könige. Aus Höhle 17 der sogenannten „Tausend Buddha Höhlen“.
    Tang Zeit, 10. Jh. The British Museum.
  4. ^  
    Jizo usuki.jpg
    Jizō inmitten der Gruppe der Zehn Richter/Könige (Jūō) der Unterwelt.
    Heian-Zeit. Bildquelle: Prismo, 2010 (bildbearbeitet).
  5. ^  
    Gozu.jpg
    Die Abbildung entstammt einer illustrierten Chronik des Kitano Schreins (Kitano tenjin engi), des Schreins von Sugawara no Michizane. Ein ochsenköpfiger Höllenknecht fungiert als Reiseführer der Hölle im Zuge der Jenseitswanderung des Mönchs Nichizō. Von dieser Reise bringt Nichizō die Informationen über Michizanes Schicksal mit, die schließlich zur Errichtung des Kitano Tenjin Schreins führen.
    Kamakura-Zeit, 13. Jh. Metropolitan Museum of Art.
  6. ^  
    Juo song 01.jpg
    Der erste der Zehn Richter der Totenwelt (Jūō) in einer chinesischen Abbildung aus dem 13. Jh.; im Vordergrund Höllenknechte und ein Angeklagter, der gerade eine Bastonade (Sohlenauspeitschung) erhält.
    Werk von Lu Xinzhong. China, 13. Jh. Nara National Museum.
  7. ^  
    Juo mak 01 shinkou.jpg
    Der erste der Zehn Richter der Totenwelt (Jūō) in einer Edo-zeitlichen Skizze. Im Vordergrund eine Folterszene, bei der die plattgewalzte Zunge eines Delinquenten durchpflügt wird.
    Edo-Zeit, 19. Jh. MAK, Wien.
  8. ^  
    Datsueba mak.jpg
    Datsueba, hier als weiblicher hannya-Dämon dargestellt, markiert die Handflächen der von ihr entkleideten Totensseelen mit ihren Klauen.
    Edo-Zeit. MAK, Museum für Angewandte Kunst, Wien.
  9. ^  
    Juo song 02.jpg
    Der zweite der Zehn Richter der Totenwelt (Jūō) in einer chinesischen Abbildung aus dem 13. Jh.; im Vordergrund Höllenknechte, die Delinquenten mit glühenden Kohlen füttern.
    Werk von Lu Xinzhong. China, 13. Jh. Nara National Museum.
  10. ^  
    Juo mak 02.jpg
    Der zweite der Zehn Richter der Totenwelt (Jūō) in einer Edo-zeitlichen Skizze. Im Vordergrund eine Folterszene während der Gerichtsverhandlung sowie eine Höllenszene mit brennenden Wagenrädern.
    Edo-Zeit, 19. Jh. MAK, Wien.
  11. a b  
    Enma china13jh.jpg
    Enma in einer chinesischen Abbildung aus dem 13. Jh. aus einer Serie, die alle Zehn Könige darstellt. Im Vordergrund der verräterische Spiegel, davor ein Angeklagter. Außerdem ein rinderköpfiger Höllenknecht und andere Schergen von Enmas Gericht.
    Werk von Lu Xinzhong. China, 13. Jh. Nara National Museum.
  12. ^  
    Juo mak 05.jpg
    Der fünfte der Zehn Richter der Totenwelt, König Enma, in einer Edo-zeitlichen Skizze. Während der Gerichtsverhandlung wird ein Delinquent mit seinen eigenen Übeltaten auf Enmas Spiegel konfrontiert. Davor eine Höllenszene, in der Delinquenten von einem pferdeköpfigen Dämonen in einen Dornenbusch getrieben werden.
    Edo-Zeit, 19. Jh. MAK, Wien.
  13. ^  
    Juo song 07.jpg
    Der siebente der Zehn Richter (Jūō) der Totenwelt, König Taishan, in einer chinesischen Abbildung aus dem 13. Jh.; im Vordergrund eine Angeklagte, die der Folterung von drei Mitgefangenen beiwohnen muss.
    Werk von Lu Xinzhong. China, 13. Jh. Nara National Museum.
  14. ^  
    Juo mak 07.jpg
    Der siebente der Zehn Richter (Jūō) der Totenwelt, Taizan-ō, in einer Edo-zeitlichen Skizze. Ein Delinquent wird mit den Anklagen seiner Ziegen konfrontiert. Im Vordergrund Höllenquallen durch Hitze und Kälte.
    Edo-Zeit, 19. Jh. MAK, Wien.
  15. ^  
    Juo song 10.jpg
    Der zehnte der Zehn Richter der Totenwelt (Jūō) in einer chinesischen Abbildung aus dem 13. Jh.; der Richter verabschiedet sich von den Figuren im Vordergrund, die ihm Gesten der Dankbarkeit und Opfergaben darbieten.
    Werk von Lu Xinzhong. China, 13. Jh. Nara National Museum.
  16. ^  
    Juo mak 10.jpg
    Der zehnte der Zehn Richter der Totenwelt (Jūō) in einer Edo-zeitlichen Skizze. Verabschiedung von „Freigesprochenen“ (?), die Geschenke darbringen. Im Vordergrund dennoch eine Höllenszene, bei der Delinquenten mit glühenden Kohlen gefüttert werden.
    Edo-Zeit, 19. Jh. MAK, Wien.
  17. ^  
    Rokudoe enma1.jpg
    Nach einer Vorlage aus dem 13. Jahrhundert. Zu Enmas Füßen sieht man einen Angeklagten (also einen Verstorbenen), dem in einem Spiegel seine Sünden (hier der Mord an einem Mönch) vorgeführt wird. Die Höllenknechte warten schon begierig, ihn abzuführen.
    Späte Edo-Zeit, 19. Jh. The British Museum.
  18. ^  
    Enma kyosai.jpg
    Satirische Darstellung von Enmas Gerichtshof.
    Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit, 19. Jh. Netto Bijutsukan Ātomatomen, (jap.).
  19. ^  
    Jusanbutsu.jpg
    Die dreizehn Buddhas gelten als Urformen von dreizehn Königen, die über die Totenseelen richten. Grabmonumente wie dieses finden sich auf Friedhöfen häufig neben Darstellungen der Sechs Jizō, die ebenfalls einen besonderen Bezug zum Jenseits haben.
    Muromachi-Zeit, 1553. Itoshiki monotachi, (Blog) 2006.
  20. ^  
    Yama und savitri.jpg
    Yama in moderner hinduistischer Erscheinung: Die liebende Gattin Sāvitrī ist Yama in die Unterwelt gefolgt und quält ihn so lange mit Bitten, ihrem verstorbenen Mann (im Vordergrund und als Geistseele abgebildet) wieder das Leben zu schenken, bis der Gott des Todes schließlich nachgibt. Episode aus dem indischen Mahabharata.
    Werk von B. G. Sharman. Bombay, Indien, spätes 19. Jh. Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde, Universität Wien.
  21. ^  
    Yama dharmaraja.jpg
    Darstellung des Totengottes Yama als Büffel und seines Bezwingers Yamantaka.
    Tibet, 19. Jh. Himalayan Art.
  22. ^  
    Enma-ten.jpg
    Enma als deva-Gottheit auf einem Büffel, flankiert von einem roten Dämon und einem friedvollen Jüngling. Trotz der Bodhisattva-ähnlichen Gestalt gemahnt der Stab mit dem Kopf (der Enma über die Taten der Verstorbenen berichtet) an Enmas Rolle als Richter der Totenwelt.
    Tokyo National Museum.
  23. ^  
    Enmaten enmao.jpg
    Enma als deva-Gottheit. Am unteren Bildrand ist seine Rolle als Richter der Unterwelt dargestellt.
    Kamakura-Zeit. National Museum of Asian Art, Freer Gallery of Art (#F1904.340a-h).
  24. ^  
    Enmaten tnm.jpg
    König Enma auf einem Büffel. Mandala-artige Komposition, die Enmas Funktionen als Richter der Unterwelt und als Wächter des Dharma vereint. Das Bild befindet sich auf der Rückwand eines Miniaturaltars (zushi), in dem eigentlich eine Statue des Aizen Myōō im Zentrum steht.
    Kamakura-Zeit, 13.–14. Jh. Tokyo National Museum.