Geschichte/Reichseinigung: Unterschied zwischen den Versionen
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Hideyoshis größtes Problem bestand nämlich darin, dass er aus ver·hält·nis·mäßig niederen Ver·hält·nis·sen stammte und über keine fest verwurzelten Familienallianzen verfügte. Er schuf daher einen neu·artigen Herr·scher·kult um seine Person, in den auch der Hōkō-ji eingebunden war. Zwar starb er noch vor der Fertigstellung dieses Tempels, doch hatte er offen·bar schon davor verfügte, dass nach seinem Ableben ein Schrein errichtet werden sollte, der dem neuen Großen Buddha als Schutzschrein dienen sollte. Die in diesem Schrein verehrte Gott·heit sollte Hideyoshi selbst sein. Hideyoshi ordnete also nichts Geringeres als seine eigene Ver·gött·lichung an. Diese wurde in der Tat umgehend realisiert, sodass dem Tempel des Großen Buddhas bereits 1599 ein Schrein zur Seite stand, in dem Hideyoshi unter dem Götter·namen {{g|toyokunidaimyoujin}} verehrt wurde.<ref>S. dazu Scheid 2003.</ref> | Hideyoshis größtes Problem bestand nämlich darin, dass er aus ver·hält·nis·mäßig niederen Ver·hält·nis·sen stammte und über keine fest verwurzelten Familienallianzen verfügte. Er schuf daher einen neu·artigen Herr·scher·kult um seine Person, in den auch der Hōkō-ji eingebunden war. Zwar starb er noch vor der Fertigstellung dieses Tempels, doch hatte er offen·bar schon davor verfügte, dass nach seinem Ableben ein Schrein errichtet werden sollte, der dem neuen Großen Buddha als Schutzschrein dienen sollte. Die in diesem Schrein verehrte Gott·heit sollte Hideyoshi selbst sein. Hideyoshi ordnete also nichts Geringeres als seine eigene Ver·gött·lichung an. Diese wurde in der Tat umgehend realisiert, sodass dem Tempel des Großen Buddhas bereits 1599 ein Schrein zur Seite stand, in dem Hideyoshi unter dem Götter·namen {{g|toyokunidaimyoujin}} verehrt wurde.<ref>S. dazu Scheid 2003.</ref> | ||
Version vom 11. Januar 2021, 12:33 Uhr
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Die so·genannte Frühe Neu·zeit beginnt in Japan mit der poli·tischen Wieder·ver·einigung des Landes unter der Herr·schaft der Tokugawa-Dynastie. Deren Be·gründer Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] (1543–1616) er·lang·te durch seinen Sieg in der Schlacht von Sekigahara [Sekigahara (jap.) 関ケ原 Ort in der Präfektur Gifu, wo Tokugawa Ieyasu im Jahr 1600 eine Entscheidungsschlacht gewann] (1600) end·gültig die militärische Vor·herr·schaft über Japan und ließ sich im Jahr 1603 zum Shōgun [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)] er·nennen. Damit sicherte er sich und seinen Nach·kommen das politische Führungs·amt des Landes, das von nun an von seiner Residenz·stadt Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);] (dem heutigen Tōkyō) aus regiert wurde.
Vorlage:WmaxX Man nennt die fol·gende Periode der Tokugawa-Herr·schaft, daher Tokugawa- oder Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit (1600–1867). Die histori·schen Um·stände der Reichs·einigung hatten auf die japanische Reli·gions·geschichte zahl·reiche Aus·wirkun·gen und sind zu·gleich durch reli·gions·ge·schicht·liche Ereig·nisse mit·ver·ursacht worden. Um diese Ent·wicklung zu ver·stehen, ist es not·wendig, etwa fünfzig Jahre vor die Reichs·einigung, also in die Mitte des sech·zehnten Jahr·hunderts zurück·zugehen.
Die Zeit der kämpfenden Länder
In der japanischen „Zeit der kämp·fenden Länder“ (Sengoku Jidai [Sengoku Jidai (jap.) 戦国時代 Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615], 1467–1568) ringen zahl·lose Ter·rito·rial·fürsten (Daimyō [Daimyō (jap.) 大名 Territorialfürst, Titel des Kriegeradels]) um militärische und politische Vor·macht. Die Periode be·ginnt mit dem Ōnin-Krieg [Ōnin no Ran (jap.) 応仁の乱 Aufruhr der Ōnin-Zeit; Bürgerkrieg 1467–1477, der insbesondere in Kyōto große Zerstörungen verursachte] (1467–1477), im Zuge dessen die kom·pli·zierten Besitz·verhält·nisse der alten Eliten endgültig über den Haufen geworfen werden. Auch die Hauptstadt Kyōto wird erstmals von maro·die·renden Heeren dem Erd·boden gleich·ge·macht. Von da an zählt nur noch die militärische Stärke der Daimyō, die immer wieder auf dem Schlacht·feld unter Beweis gestellt werden muss.
Der Bud·dhis·mus ist in dieser Zeit nicht nur als Religion all·gegen·wärtig, er be·teiligt sich auch aktiv an mili·tärischen und poli·tischen Aus·ein·ander·setzungen. Das größte und mächtigste Einzel·kloster mit aus·ge·dehnten Lände·reien und einer eigenen Armee ist nach wie vor der Tempel·berg Hiei [Hiei-zan (jap.) 比叡山 Klosterberg Hiei bei Kyōto, traditionelles Zentrum des Tendai Buddhismus], ein Kloster·komplex mit dem Haupt·tempel Enryaku-ji [Enryaku-ji (jap.) 延暦寺 Haupttempel des Hiei Klosterbergs], im Nord·osten Kyōtos, der sich in den ver·gangenen Jahr·hunderten als Schutz·macht des Kaiser·hauses und der Kaiser·stadt eta·bliert hat. Berg Hiei ist seit der Tempel·grüdung durch Saichō [Saichō (jap.) 最澄 767–822; Gründer des Tendai-Buddhismus; auch bekannt als Dengyō Daishi] das geistige und organi·sato·rische Zentrum des japanischen Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]-Bud·dhis·mus und gebietet über ein landesweites Netz von Klöstern und Schrei·nen, die auch anders·wo als lokale Macht·zentren agieren. Da·neben sind weite Land·striche sowohl religiös, als auch mili·tärisch-poli·tisch vom Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)]-Bud·dhis·mus dominiert (s. Amidismus). Einzelne Amida-Sekten haben ganze Pro·vin·zen unter ihre Kontrolle ge·bracht und dort eine Art gottes·staat·liches Regime er·richtet. Es kämpfen also nicht nur die Samurai [Samurai (jap.) 侍 im Westen übliche Bezeichnung eines Mitgliedes der Krieger-Klasse des vorindustriellen Japans; in Japan schriftspr. bushi] unter·einander um die Füh·rung des Landes, auch reli·giöse Par·teien sind in die Kämpfe mit ein·ge·bunden.
In diese Zeit der Bürger·kriege fällt die An·kunft der ersten christ·lichen Mis·sio·nare in Japan, die zusammen mit por·tu·gies·ischen Händlern das sagen·um·wobene Japan erkundeten und hier überraschend freund·lich aufgenommen wurden. Einige japanische Terri·torial·herren er·kannten nämlich sehr schnell, dass die „südlichen Barbaren“ (nanban [nanban (jap.) 南蛮 „südliche Barbaren“, Edo-zeitl. Ausdruck für Europäer]), wie die Euro·päer damals in Japan hießen, über Techno·logien verfügten, die im Kampf um die Landes·herr·schaft von Vor·teil waren. Dazu zählten in erster Linie Feuer·waffen. Dank dieser neuen Kriegs·techno·logie wurde die exis·tierende mili·tärische Patt·stellung bald nach der An·kunft der christ·lichen Missio·nare zum Kippen gebracht (s. dazu auch den berühmten Film Kagemusha [Kagemusha (jap.) 影武者 wtl. „Schattenkrieger“ oder Doppelgänger; Historienfilm von Kurosawa Akira aus dem Jahr 1980] von Kurosawa Akira [Kurosawa Akira (jap.) 黒澤明 1910–1998; zählt zu den bekanntesten japanischen Filmregisseuren; v.a. bekannt für Historiendramen wie Rashomon (1950), Die Sieben Samurai (1954) oder Ran (1985).]). Es spricht daher einiges dafür, dass die mili·tärische Eini·gung des Landes ohne die Christen anders verlaufen wäre, und dass die Christen umgekehrt ihren Mis·sionie·rungs·erfolg in Japan dem dortigen Bürger·krieg ver·dankten.
Oda Nobunaga
Edo-Zeit, 17. Jh. Japaaan Magazine.
Oda Nobunaga [Oda Nobunaga (jap.) 織田信長 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger] (1534–1582) war der erste der so·ge·nannten „Drei Reichs·einiger“, der mit Hilfe der neuen Waf·fen eine hege·mo·niale Stellung inner·halb der kämpf·enden Par·teien er·rin·gen konnte. Seine guten Kon·takte zu den jesui·tischen Missio·naren, die zwischen ihm und anderen Europäern ver·mittelten, spielten in diesem Zu·sammen·hang keine geringe Rolle. Das Chris·ten·tum er·freute sich unter Nobunaga daher in Japan einer all·ge·meinen Duldung, wenn nicht gar För·derung. Gleich·zeitig zählten die oben er·wähnten bud·dhis·tischen Institu·tionen, die aktiv im Kriegs·ge·schehen mit·mischten, zu Nobunagas er·bittertsten Feinden.
1571 richtete Nobunaga in dem Bestreben, Kyōto und seine Um·gebung end·gültig seinem Herr·schafts·bereich ein·zu·gliedern, seine gesamte Streit·macht gegen Berg Hiei und äscherte den Kloster·komplex voll·kommen ein. Nach den Berichten euro·päischer Missio·nare wurden etwa 1500 Mönche und Mönchs·soldaten er·barmungs·los nieder·ge·metzelt und sämtliche der etwa 400 Kloster·gebäude zer·stört. Obwohl bud·dhis·tische Tempel bereits in früherer Zeit Ziel mili·tärischer Opera·tionen gewesen waren, konnte sich insbesondere Berg Hiei doch einer gewissen reli·giösen Scheu aller kriegs·führenden Parteien sicher sein. Wenn man viel·leicht auch das Leben der Mönche ge·ring achtete, so ver·sprachen doch die vielen reli·giösen Heilig·tümer Schutz vor krieger·ischen Aggres·sionen. Dem·nach rechnete man im Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]-Kloster wohl damit, dass Nobunaga gegen die eigenen Mönchs·heere vor·gehen könnte, aber ein direkter Angriff, der die Zer·störung des Klosters be·zweckte, wurde offen·sicht·lich nicht für möglich ge·halten. Nobunaga aber fühlte sich an die jahr·hunderte·alten Tabus gegen·über religiösen Institu·tionen nicht mehr ge·bunden. Mit einem einzigen mili·tärischen Schlag be·reitete er somit der Hege·monie der japa·nischen Tendai-Schule ein Ende und fügte dem Nimbus des ja·pa·nischen Bud·dhis·mus wohl auch ins·gesamt bleibenden Schaden zu.
Wie unter anderem Neil McMullin (1984) her·vor·hebt, änderte Nobunagas un·ge·schminkte Macht·politik das Ver·hältnis zwischen welt·licher Regierung und bud·dhis·tischer Macht grund·legend. Anstatt sich von der Religion effektive spirituelle Unter·stützung der eigenen poli·tischen Ziele zu erwarten, wie dies ganz besonders im Zu·sammen·hang mit der Einführung des Buddhismus der Fall war, sahen die neuen Macht·haber im Bud·dhis·mus von nun an ledig·lich ein poli·tisches Instrument, dessen sie sich ge·schickt zu be·dienen suchten. Die Figur Oda Nobunagas stellt ein para·dig·matisches Bei·spiel dieses neuen Herrscher·typs dar. Nicht umsonst wurde er letzt·lich selbst von den Christen, die ihm im Grunde viel zu ver·danken hatten, mit den schlimmsten Ty·rannen des Alten Testaments wie Nebukadnezar [Nebukadnezar (west.) ca. 640–562 v.u.Z.; Nebukadnezar II. war König des Neubabylonischen Reiches; ihm werden die Zerstörung des Tempels von Jerusalem und die Errichtung der Babylonischen Gärten zugeschrieben; r. 634–562] verglichen. Dies soll natür·lich nicht be·deuten, dass alle folgenden Herrscher Nobunagas religiösen Zy·nis·mus teilten und nicht auch einige aufrichtigen bud·dhis·tischen Glaubens waren. Doch waren poli·tische Führer von nun an nicht länger bereit, den vom Bud·dhis·mus selbst auf·ge·stellten Regeln zu folgen, wenn dies in irgend·einer Weise ihren eigenen Herr·schafts·interessen zu·wider lief. Dieser a-religiöse Pragma·tismus, der (bei aller Vor·liebe für religiösen Pomp und sakrales Zere·moniell) von nun an das Ver·hältnis zwischen politischen Herr·schern und bud·dhis·tischen Institu·tionen prägte, scheint ein wesent·licher Unter·schied zwischen der religions·ge·schicht·lichen Situation des japanischen Mittel·alters und der frühen Neuzeit zu sein.
Toyotomi Hideyoshi
Nobunaga war zwar auf dem besten Wege, Japan militärisch zu einigen, doch wurde er Opfer eines Mord·anschlags, den einer seiner eigenen Generäle, Akechi Mitsuhide [Akechi Mitsuhide (jap.) 明智光秀 1526–1582; Kriegsherr des Spätmittelalters; General und Mörder Oda Nobunagas], anzettelte. Ein anderer General, Toyotomi Hideyoshi [Toyotomi Hideyoshi (jap.) 豊臣秀吉 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)], schwang sich daraufhin zum Rächer Nobunagas auf, besiegte Mitsuhide und beanspruchte ab da die Rolle des Diktators, die zuvor Nobunaga ein·ge·nom·men hatte, für sich. Hideyoshi muss in der Tat ein genialer Stratege gewesen sein und setzte Nobunagas Feldzüge er·folg·reich fort. Es gelang ihm unter anderem den Widerstand der Ikkō-shū [Ikkō-shū (jap.) 一向宗 Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)], also jenen amdistischen Gruppen, aus denen die heutige Jōdo Shinshū [Jōdo Shinshū (jap.) 浄土真宗 Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“] hervorging, zu brechen. Andere bud·dhis·tische Gruppen, wie z.B. die Shingon-shū [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan] brachte er durch eine Mischung von Ge·walt·an·droh·ung und Versprechen — also eine „Zuckerbrot und Peitsche“ Politik — auf seine Seite. Auch das Christentum wurde zunächst geduldet, bis es 1587 überraschend zu einem ersten Verbot kam. Mehr dazu unter Christliches Jahrhundert.
Werk von Kanō Mitsunobu (1565–1608). Azuchi-Momoyama-Zeit, 1599. Date Museum, Ehime-ken.
Doch war Hideyoshi religiösen Dingen keineswegs grund·sätzlich abgeneigt, sondern versuchte lediglich, existierende Traditionen für seine eigenen Zwecke zu verwenden. Er tat dies denn auch in einem Ausmaß wie noch kein japanischer Herrscher vor ihm. Zu seinen ehr·gei·zig·sten religiösen Plänen zählte die Errichtung des Hōkō-ji [Hōkō-ji (jap.) 方広寺 Tempel in Kyōto, erbaut 1586-95 als Ahnentempel des Toyotomi Hideyoshi. Einstmals im Besitz der größten Buddha Statue Japans], eines neuen Tempels in Kyōto von noch nie dagewesenen Dimensionen, der eine Buddha-Statue bekommen sollte, die selbst den daibutsu [daibutsu (jap.) 大仏 wtl. „Großer Buddha“; monumentale Buddha-Statue] in Nara in den Schatten stellte.1 Dieser Tempel sollte unter anderem als eine Art Familientempel der Toyotomi fungieren. Hideyoshis größtes Problem bestand nämlich darin, dass er aus ver·hält·nis·mäßig niederen Ver·hält·nis·sen stammte und über keine fest verwurzelten Familienallianzen verfügte. Er schuf daher einen neu·artigen Herr·scher·kult um seine Person, in den auch der Hōkō-ji eingebunden war. Zwar starb er noch vor der Fertigstellung dieses Tempels, doch hatte er offen·bar schon davor verfügte, dass nach seinem Ableben ein Schrein errichtet werden sollte, der dem neuen Großen Buddha als Schutzschrein dienen sollte. Die in diesem Schrein verehrte Gott·heit sollte Hideyoshi selbst sein. Hideyoshi ordnete also nichts Geringeres als seine eigene Ver·gött·lichung an. Diese wurde in der Tat umgehend realisiert, sodass dem Tempel des Großen Buddhas bereits 1599 ein Schrein zur Seite stand, in dem Hideyoshi unter dem Götter·namen Toyokuni Daimyōjin [Toyokuni Daimyōjin (jap.) 豊国大明神 posthumer Name des vergöttlichten Toyotomi Hideyoshi; Gottheit des Toyokuni Jinja; alternative Lesung: Hōkoku Daimyōjin] verehrt wurde.2
Sowohl der Tempel als auch der Schrein wurden von der Be·völ·kerung Kyōtos offen·bar wohl·wollend angenommen. Über ein Jahr·zehnt lang wurden von hier aus großartige Feste veranstaltet, die in Wand·schirmen aus dieser Zeit farben·prächtig fest·gehalten wurden. Irgend·wann scheint die damit verbundene Popularisierung Hideyoshis den neuen Macht·habern jedoch zu ge·fähr·lich geworden zu sein, sodass man Hideyoshis Schrein unter einem faden·scheinigen Vor·wand im Jahr 1614 schleifen ließ. Er wurde erst in der Meiji-Zeit auf dem Gelände des mittler·weile stark reduzierten Hōkō-ji wieder errichtet.
Tokugawa Ieyasu
Werk von Utagawa Yoshitora. Edo-Zeit, 1849. Museum of Fine Arts, Boston.
In Japan gibt es zahlreiche Aphorismen, die die Chara·ktere der drei Reichs·eini·ger ver·an·schau·lichen sollen. Unter an·de·rem wird die Reichs·eini·gung mit dem Akt des Reis·stamp·fens (mochitsuki [mochitsuki (jap.) 餅つき traditionelles Herstellen von Reisklößen (mochi) für die Neujahrsfeier]) ver·gli·chen, einem tra·ditio·nel·len Brauch zu Jahres·ende, bei dem die für das Neujahr so wich·tigen Reis·klöße (mochi) her·ge·stellt werden. Nobu·nagas Rolle ist es, den Reis mit einem großen Holz·schle·gel (kine) zu stamp·fen, Hide·yoshi muss aus dem so ent·stan·den Teig die Klöße for·men und Ieyasu isst die mochi-Klöße schließ·lich auf.
In der Tat war Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] historisch gesehen nicht nur der Nutz·nießer der mili·tä·ri·schen Er·run·gen·schaf·ten seiner Vor·gän·ger, er ver·stand es auch, ihre Nach·kommen aus dem Weg zu räumen und nicht nur sich selbst als legitimen Herrscher zu präsentieren, sondern auch seine Nachfolger. Damit institut·ional·isierte er das Tokugawa Shōgunat, das zu einer der stabilsten Regierungs·formen der ja·pa·nischen Geschichte werden sollte. Die meisten Reformen, die mit dieser Neu·ordnung ein·her·gingen, waren al·ler·dings schon von Nobunaga und Hideyoshi angedacht worden. So hatte bereits Hideyoshi das auf konfuz·ianischen Vor·stellung fußende Vier-Stände-System shinōkōshō [shinōkōshō (jap.) 士農工商 wtl. „Krieger, Bauern, Handwerker, Kaufleute“; Vier-Stände-System, in dem eine hierarchische Ordnung innerhalb der genannten endogamen Berufsstände angestrebt wird; gesell. Ideal der Edo-Zeit] eingeführt, dessen wichtigste Konsequenz die strikte Ab·tren·nung einer militärischen Ober·schicht (bushi [bushi (jap.) 武士 Krieger, Samurai] oder samurai) war, die allein das Recht auf Waffen (Gewaltmonopol) besaß, dafür aber von Handel und Geld·wirtschaft ausgeschlossen war.
Edo-Zeit, Anfang 17. Jh. Sakai City Museum.
Auch hin·sicht·lich des Kults seiner eigenen Person folgten Ieyasu und seine reli·giö·sen Berater dem Beispiel Hide·yoshis. Als der Diktator im Al·ter von 73 Jahren eines na·tür·lichen Todes starb, war bereits dafür gesorgt worden, dass er posthum zu einem kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] erhoben werden sollte. Diese Gott·heit erhielt den Namen Tōshō Daigongen [Tōshō Daigongen (jap.) 東照大権現 wtl. „Große göttl. Manifestation, die den Osten erleuchtet“; Götternamen des Tokugawa Ieyasu] („Große göttl. Mani·fes·tation, die den Osten erleuchtet“) und wurde zunächst nahe von Ieyasus letzter Residenz auf Berg Kunō [Kunō-zan (jap.) 久能山 erste Begräbnisstätte und Schrein für Tokugawa Ieyasu; Ieyasu wurde hier unmittelbar nach seinem Tod beigesetzt, nach dem Transfer seiner sterblichen Überreste nach Nikkō wurde hier ein Zweigschrein des Tōshō-gū errichtet], schließlich aber in einem großartig ausgebauten Mausoleum in Nikkō [Nikkō (jap.) 日光 Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein] sowie in vielen anderen Residenz·städten der Tokugawa eingeschreint (s. Kapitel Bauten, Nikkō).3
Die Verbreitung der Tōshō-gū Schreine zeigt, dass es von eminenter Bedeutung für das Tokugawa Shūgunat war, einen identitätsstiftenden Kult für den Begründer des neuen Regimes zu schaffen. Tōshō Daigongen diente einerseits der weitverzweigten Familie der Tokugawa als Ahnengottheit, doch mussten ihm auch führende Daimyō und Vasallen sowie der kaiserliche Hof in Kyōto huldigen. Viele Daimyō waren nun ihrer·seits versucht, einen ähnlichen Kult für sich selbst oder ihren dynastischen Gründer ins Leben zu rufen, doch wurde dies von Seiten der Tokugawa strengstens untersagt. Religion wurde in der Edo-Zeit also sehr wohl wichtig genommen. Doch wurde sie von den Macht·habern gerade aus diesem Grunde in einem noch nie da·gewesenen Ausmaß kontrolliert, organisiert und in den Dienst der polit·ischen Stabili·sierung des Landes genommen.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ S. dazu „Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins“
- ↑ S. dazu Scheid 2003.
- ↑ S.a. Boot 2000 und Scheid 2003.
Literatur
Bilder
- ^ Idealisierte Darstellung des Oda Nobunaga aus der frühen Edo-Zeit. Aufbewahrt im Daiun-ji, einem Tempel, der zum Gedenken an den 1582 ermordeten Feldherrn errichtet wurde.
Edo-Zeit, 17. Jh. Japaaan Magazine. - ^ Portrait des Toyotomi Hideyoshi in Staatsrobe aus den Beständen des Daimyō-Hauses Date. Das Bild stammt von Kanō Mitsunobu, der als eine Art Hofmaler Hideyoshis fungierte und wurde im Jahr nach Hideyoshis Tod angefertigt. Es ist das größte erhaltene Portrait des Reicheinigers.
Werk von Kanō Mitsunobu (1565–1608). Azuchi-Momoyama-Zeit, 1599. Date Museum, Ehime-ken.
- ^ Die drei Reichseiniger beim mochitsuki, der Herstellung von Reisklößen für das Neujahrsfest. Oda Nobunaga schlägt den Reis zu Brei, Toyotomi Hideyoshi formt daraus Klöße, Tokugawa Ieyasu isst sie auf. Hideyoshi ist hier als Affe gezeichnet. Dies entspricht seiner Physiognomie und seinem Spitznamen, saru (Affe), den er angeblich von Nobunaga bekam. Dem Bild ist ein satirisches Gedicht eingeschrieben, das in etwa besagt: „Die Herrschaft des Tennō zu Brei geschlagen wie mochi zu Frühlingsbeginn“ (kimigayo o tsukikatametari haru no mochi) .
Utagawa Yoshitora, ein Schüler Kuniyoshis, musste diese unverhohlene Kritik an der Herrschaft der Shogune mit 50 Tagen Arrest bezahlen.
Werk von Utagawa Yoshitora. Edo-Zeit, 1849. Museum of Fine Arts, Boston. - ^ Offizielles Portrait von Tokugawa Ieyasu in schwarzer Hofbeamtenrobe (sokutai). Im Hintergrund sind Schreinbauten angedeutet, die möglicherweise den Tōshō-gū darstellen und auf die Deifizierung des Shōguns hinweisen sollen.
Edo-Zeit, Anfang 17. Jh. Sakai City Museum.
Glossar
- Akechi Mitsuhide 明智光秀 ^ 1526–1582; Kriegsherr des Spätmittelalters; General und Mörder Oda Nobunagas
- Hōkō-ji 方広寺 ^ Tempel in Kyōto, erbaut 1586-95 als Ahnentempel des Toyotomi Hideyoshi. Einstmals im Besitz der größten Buddha Statue Japans
- Imjin Waeran (kor.) 壬辰倭亂/임진왜란 ^ Imjin-Krieg, 1592–1598; wtl. Japanische Invasion des Imjin-Jahres (Wasser-Drache 壬辰/임진 = 1592); International übliche Bezeichnung für die Invasion Koreas unter Toyotomi Hideyoshi
- Jōdo Shinshū 浄土真宗 ^ Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“
- Kagemusha 影武者 ^ wtl. „Schattenkrieger“ oder Doppelgänger; Historienfilm von Kurosawa Akira aus dem Jahr 1980
- Kunō-zan 久能山 ^ erste Begräbnisstätte und Schrein für Tokugawa Ieyasu; Ieyasu wurde hier unmittelbar nach seinem Tod beigesetzt, nach dem Transfer seiner sterblichen Überreste nach Nikkō wurde hier ein Zweigschrein des Tōshō-gū errichtet
- Kurosawa Akira 黒澤明 ^ 1910–1998; zählt zu den bekanntesten japanischen Filmregisseuren; v.a. bekannt für Historiendramen wie Rashomon (1950), Die Sieben Samurai (1954) oder Ran (1985).
- McMullin, Neil (west.) ^ 1940–; kanadischer Japanologe und Religionshistoriker, Prof. emer. der Universität Toronto
- mochi 餅 ^ Japanische Reiskuchen bzw. Klöße aus gestampftem Reis, die traditionell vor allem zu Neujahr (O-shōgatsu) gegessen werden.
- Nebukadnezar (west.) ^ ca. 640–562 v.u.Z.; Nebukadnezar II. war König des Neubabylonischen Reiches; ihm werden die Zerstörung des Tempels von Jerusalem und die Errichtung der Babylonischen Gärten zugeschrieben; r. 634–562
- Nikkō 日光 ^ Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein
- Oda Nobunaga 織田信長 ^ 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger
- Ōnin no Ran 応仁の乱 ^ Aufruhr der Ōnin-Zeit; Bürgerkrieg 1467–1477, der insbesondere in Kyōto große Zerstörungen verursachte
- Sekigahara 関ケ原 ^ Ort in der Präfektur Gifu, wo Tokugawa Ieyasu im Jahr 1600 eine Entscheidungsschlacht gewann
- Sengoku Jidai 戦国時代 ^ Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
- shinōkōshō 士農工商 ^ wtl. „Krieger, Bauern, Handwerker, Kaufleute“; Vier-Stände-System, in dem eine hierarchische Ordnung innerhalb der genannten endogamen Berufsstände angestrebt wird; gesell. Ideal der Edo-Zeit
- Tōshō Daigongen 東照大権現 ^ wtl. „Große göttl. Manifestation, die den Osten erleuchtet“; Götternamen des Tokugawa Ieyasu
- Toyokuni Daimyōjin 豊国大明神 ^ posthumer Name des vergöttlichten Toyotomi Hideyoshi; Gottheit des Toyokuni Jinja; alternative Lesung: Hōkoku Daimyōjin
- Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉 ^ 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)