Mythen/Jenseits/Totengericht: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 12. Mai 2011, 17:18 Uhr
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König Enma in verschiedenen Manifestationen
Kamakura-Zeit, 13.–14. Jh. Tokyo National Museum.
Der Name
skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen
Der Begriff „Enma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
leitet sich von der indischen Gottheit Yama her. Yama gilt in Indien auch außerhalb des Buddhismus als Gottheit der Hölle bzw. der Totenwelt. In den Veden tritt er als das erste sterbliche Wesen überhaupt in Erscheinung. In seiner späteren Funktion ist er aber wohl am ehesten mit Hades/Pluto, dem antiken Gott der Unterwelt, zu vergleichen. Der Buddhismus hat ihn in dieser Funktion in das buddhistische Pantheon integriert. Doch auch als Herrscher des Totenreichs ist Yama im eigentlichen Sinne keine Gottheit, sondern ein sterbliches Wesen in der Lebenswelt der (Hunger)-Geister (skt. preta, jap.
Hungergeist; skt. preta
Der Begriff „gaki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
).1 Schon in seiner indischen Urform erscheint Yama als Reiter auf einem Büffel oder als Figur mit Büffelkopf.
Tibet, 19. Jh. Himalayan Art.
Im tibetischen Buddhismus erhält Yama in Bodhisattva Manjushri einen Gegenspieler, der ihn unterwirft. Zu diesem Zweck verwandelt sich Manjushri in Yamantaka, den „Bezwinger des Yama“, der eine noch schrecklichere Büffelgestalt als Yama selbst hat und in manchen tantristischen Traditionen als die machtvollste aller kriegerischen Gottheiten gilt. 2 Charakteristischerweise vermischen sich die Gestalten des Bezwingers (Yamantaka) und des zu Bezwingenden (Yama) zu einer einheitlichen Figur, die im tibetischen Tantrismus als ochsenköpfiger Dämon dargestellt wird. Dieser Dämon diente tantristischen Yogis als Identifikationsfigur, um sich auf die Begegnung mit dem Tod vorzubereiten. Das Motiv des „Äußeren Yama, des Dharmakönigs“ zeigt den ochsenköpfigen Dämon mit den üblichen Paraphernalia (Ketten aufs geköpften Häuptern, Totenschädel im lodernden Haar, eine nackte Gespielin, die ihm Blut zu trinken reicht, ...), der seinen Siegestanz auf einem Büffel vollführt, der seinerseits eine menschliche Gestalt vergewaltigt. Ohne alle möglichen Interpretationen dieses Motivs zu kennen, gehe ich davon aus, dass der mittlere Büffel den Tod verkörpert, der den Menschen in seiner Gewalt hat, während der Büffelköpfige den Sieg über diesen Tod darstellt. Das Motiv soll übrigens einer Traumvision des tibetischen Mönchs Tsongkhapa, 1347–1419, entwachsen sein. 3
Der Gerichtshof
Im ostasiatischen Buddhismus besitzt Yama keine dunkle Vergangenheit mehr. Eher erscheint er als notwendiges Übel, als Personifikation des unerbittlichen Karmas. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entscheiden hat, in welchen der sechs Lebensbereiche eine Totenseele wiedergeboren zu werden hat. Yanlou, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesischen Gerichtshöfen nachempfunden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusammen in das Ensemble der Zehn Könige der Unterwelt integriert.
Der Weg der Totenseele ins Jenseits wird (auch) als eine Folge von Verhandlungen vor diesen Zehn Richtern dargestellt. Es ist eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wiedergeburt noch nicht fixiert ist. Vor den ersten sieben Richtern muss sich der Verstorbene in den ersten sieben Wochen nach seinem Tod verantworten. Die weiteren Richter fällen ihre Urteile hundert Tage nach dem Tod, ein Jahr nach dem Tod und drei Jahre nach dem Tod. Dies sind die Zeiten, in denen auch die Hinterbliebenen durch religiöse Opfergaben die Entscheidung von Enmas Gericht beeinflussen können und zu denen daher besondere Totenriten vorgesehen sind.
Neben seiAußerdem stehen ihm ein Schreiber und ein Rezitator, der Anklage verliest, zur Seite. Schließlich verfügt er über zahlreiche Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstorbenen ausfindig zu machen, etwa einen Spiegel, indem sich Szenen der Vergangenheit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen.
Die Vorstellung von den Zehn Königen lässt sich auf einen in vielen Versionen überlieferten Text zurückführen, der landläufig als Sutra der Zehn Könige (jap. Jūo-kyō) bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chinesischen Tang Zeit, wahrscheinlich im 8. oder 9. Jahrhundert.4 Von Beginn an steht Yama in diesem Text eine Figur gegenüber, die das strenge Urteil des Gerichts in einzelnen Fällen revidiert, nämlich
Bodhisattva (Bosatsu); skr. Kṣitigarbha, „Speicher oder Mutterleib der Erde“ (vgl. Jizō)
Der Begriff „Jizō Bosatsu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Bilder
(chin. Dizang, skt. Ksitigarbha). Ähnlich wie im Fall der Identifikation Yamas mit Manjushri sieht die theologische Interpretation auch in diesem Fall letztlich keinen Gegensatz zwischen dem Herrscher der Unterwelt und dem gnadenvollen Bodhisattva, sondern erklärt Enma letztlich als Erscheinung des Jizō. Kategorische Strenge und mildtätige Gnade sind somit letztlich Akte der gleichen Figur. Die Identifikation Jizōs mit dem dem Herrscher über Leben und Tod stellt im übrigen die Wurzel der Popularität dieses Bodhisattvas in Ostasien dar.
Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhimus zugesprochen wurde, ist die einer Richtungsgottheit. Zusammen mit sieben weiteren Gottheiten kann er in einem Ensemble der Himmelsrichtungen auftreten und repräsentiert in dieser Form den Süden. Meist bleibt ihm in dieser Funktion sein ursprüngliches Reittier, der Büffel, erhalten.
- ↑ Vgl. Himalayan Art [2011/5].
- ↑ Nitin Kumar 2001
- ↑ The Sacred Art of Tibet, S. 290
- ↑ Teiser, The Scripture on the Ten Kings, S. 9