Essays/Horrorklassiker: Unterschied zwischen den Versionen

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{{titel | Horrorklassiker aus der Edo-Zeit}}
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{{titel  
{{fl|I}}n der {{g|Edo}}-Zeit gab es ein Gesell·schafts·spiel namens „Hundert Geschichten“  ({{g|Hyakumonogatari}}), bei dem man sich gegen·seitig Grusel·ge·schich·ten erzählte. Grusel·geschich·ten ({{g|Kaidan}}) dienten  nach japanischer Auffassung vor allem in heißen Sommer·nächten der „Abkühlung“, weil sie den Zuhörern wohlige Schauer über den Rücken jagten. Der Grusel·effekt bei den Hundert Geschichten wurde dadurch gesteigert, dass nach jeder Geschichte eine Lampe gelöscht wurde, bis die ganze Gesell·schaft im Dunkeln saß. Man munkelte, dass dann tat·sächlich ein Geist erschei·nen würde.
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| Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
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In der {{g|Edo}}-Zeit gab es ein Gesellschaftsspiel namens „Hundert Geschichten“  ({{g|Hyakumonogatari}}),<!--
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Auch ''hyaku monogatari kaidankai'' 百物語怪談会, „Hundert Geschichten Gruseltreffen“, möglicherweise zurückzuführen auf ''hyakuza hōdan'' 百座法談, hunderttägige buddhistische Predigtrituale, die Wunder durch Erzählungen von Wundern hervorrufen sollten (Reider 2001, S. 85).
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</ref> bei dem man sich gegenseitig Gruselgeschichten erzählte. Gruselgeschichten dienten  nach japanischer Auffassung vor allem in heißen Sommernächten der „Abkühlung“, weil sie den Zuhörern wohlige Schauer über den Rücken jagten. Der Gruseleffekt bei den Hundert Geschichten wurde dadurch gesteigert, dass nach jeder Geschichte eine Lampe gelöscht wurde, bis die ganze Gesellschaft im Dunkeln saß. Man munkelte, dass dann tatsächlich ein Geist erscheinen würde.
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| Beginn einer Runde Geistergeschichten (''hyaku monogatari'')
 
| Beginn einer Runde Geistergeschichten (''hyaku monogatari'')
 
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„Hundert Geschich·ten“ ist auch der Titel einer  Serie von „Ge·spens·ter·portaits“, in denen der be·rühmte ''ukiyo-e''-Künstler {{glossar:Katsushikahokusai}} (1760–1849) die be·kann·testen Grusel·motive seiner Zeit festhielt.  Da die Serie nur aus fünf Bildern besteht,  ist der Titel wohl eine Anspie·lung auf das gleich·namige Gesell·schafts·spiel und diente eben·falls zur Erzeu·gung von Gänse·haut in heißen Sommer·nächten. Wie der Vergleich mit anderen „Bildern der fließenden Welt“ ({{glossar:ukiyoe}}) zeigt, waren die dar·ge·stell·ten Geister zur da·ma·ligen Zeit weithin bekannt, sodass Hokusai eine An·deu·tung genügte, um dem Be·trach·ter ihre Ge·schichte in Erin·nerung zu rufen.  
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„Hundert Geschichten“ ist auch der Titel einer  Serie von „Gespensterportaits“, in denen der berühmte ''ukiyo-e''-Künstler {{g|Katsushikahokusai}} (1760–1849) die bekanntesten Gruselmotive seiner Zeit festhielt.  Da die Serie nur aus fünf Bildern besteht,  ist der Titel wohl eine Anspielung auf das gleichnamige Gesellschaftsspiel und diente ebenfalls zur Erzeugung von Gänsehaut in heißen Sommernächten. Dabei bediente sich Hokusai einer neuartigen Technik, indem er seine Geistermotive in Nahaufnahme zeigte, sodass Einzelheiten wie ein Gesicht das gesamte Blatt füllen. Doch waren die dargestellten Geister zur damaligen Zeit weithin bekannt, sodass Hokusai eine Andeutung genügte, um dem Betrachter ihre Geschichte in Erinnerung zu rufen. Andere „Bilder der fließenden Welt“ ({{g|ukiyoe}}) zeigen zum Vergleich konventionellere Darstellungen derselben Motive.  
  
Diese Geschichten wiederum stammen zumeist aus dem {{g|Kabuki}}-Theater. Fast immer geht es dabei um Liebe, Eifer·sucht und Mord, die letzt·lich dazu führen, dass eine Person nach dem Tod nicht zur Ruhe kommt und sich in einen Rache·geist ver·wandelt. Inso·ferne werden in den Ge·schich·ten und Bildern auch religiöse Vor·stel·lun·gen trans·por·tiert, auf die im fol·gen·den näher ein·ge·gan·gen werden soll.
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Die Geschichten selbst stammen zumeist aus dem {{g|Kabuki}}-Theater. Fast immer geht es dabei um Liebe, Eifersucht und Mord, die letztlich dazu führen, dass eine Person nach dem Tod nicht zur Ruhe kommt und sich in einen Rachegeist ({{g|onryou}}) verwandelt. Insoferne werden in den Geschichten und Bildern auch religiöse Vorstellungen transportiert, auf die im folgenden näher eingegangen werden soll.  
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== Okiku, das Tellergespenst ==
  
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=== Okiku, das Tellergespenst ===
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| Tellergespenst Okiku  
 
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|Okiku von Hiroshige
 
|Okiku von Hiroshige
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}}
Das erste Bild aus Hokusais Serie zeigt ein blasses Gesicht mit langen gelösten Haaren, dessen langer Hals bei genauerem Hinsehen aus Tellern besteht. Es handelt sich um Okiku, einen der bekanntesten Totengeister der Edo-Zeit.  
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Das erste Bild aus Hokusais Serie zeigt ein blasses Gesicht mit langen gelösten Haaren, dessen langer Hals bei genauerem Hinsehen aus Tellern besteht. Es handelt sich um {{g|Okiku}}, einen der bekanntesten Totengeister ({{g|yuurei}}) der Edo-Zeit.  
  
Okiku ist eine Magd, die ihrem Herrn die Liebe verweigert und darauf·hin von ihm in einen Brunnen ge·stürzt wird. Der Vor·wand für seine Tat: Sie habe einen Teller ent·wendet, den er in Wirk·lich·keit selbst ver·steckte. Daher ihre Er·scheinung als Teller zählendes bzw. teller·förmiges Gespenst. Sie zählt dabei immer nur bis neun und bricht dann ab, um neuerlich bei eins zu beginnen. Dem Spuk wird durch einen Exorzisten ein Ende bereitet, der im richtigen Moment „zehn“ ruft.   
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Okiku ist eine Magd, die ihrem Herrn die Liebe verweigert und daraufhin von ihm in einen Brunnen gestürzt wird. Der Vorwand für seine Tat: Sie habe einen von zehn wertvollen Tellern entwendet, den er in Wirklichkeit selbst versteckte. Daher ihre Erscheinung als Teller zählendes bzw. tellerförmiges Gespenst. Sie zählt dabei immer nur bis neun und bricht dann ab, um neuerlich bei eins zu beginnen. Dem Spuk wird durch einen Exorzisten ein Ende bereitet, der im richtigen Moment „zehn“ ruft.   
  
Die tragische Geschichte der Okiku existierte wahr·schein·lich schon vor Beginn der Edo-Zeit. 1741 wurde sie unter dem Titel ''Banchō sarayashiki'' (Das Tellerhaus in Banchō) für die Bühne adaptiert. Zahlreiche Varianten verlegten die Geschichte u.a. in die Burg Himeji und inter·pre·tierten das Liebes·ver·hältnis zwischen Magd und Herren auf unter·schied·liche Weise. Immer blieben jedoch der Brunnen und die Teller zentrale Bestand·teile der Geschichte. In scherz·hafter Weise wird das Motiv auch auf einem Bild von {{g|Utagawahiroshige}} dargestellt (Abb. re.).
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Die tragische Geschichte der Okiku existierte wahrscheinlich schon vor Beginn der Edo-Zeit. 1741 wurde sie unter dem Titel {{g|banchousarayashiki|''Banchō sarayashiki''}} (Das Tellerhaus in Banchō) für die Bühne adaptiert. Zahlreiche Varianten verlegten die Geschichte u.a. in die {{g|himejijou|Burg Himeji}} und interpretierten das Liebesverhältnis zwischen Magd und Herren auf unterschiedliche Weise. Immer blieben jedoch der Brunnen und die Teller zentrale Bestandteile der Geschichte. In scherzhafter Weise wird das Motiv auch auf einem Bild von {{g|Utagawahiroshige}} dargestellt (Abb. re.).
  
=== Oiwa, der Lampiongeist ===
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== Oiwa, der Lampiongeist ==
 
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|Oiwa von Kuniyoshi
 
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In einem zerschlissenen Papierlampion wird unvermittelt ein Gesicht erkennbar, ein Loch im Lampion wird zu einem aufgerissenen Mund, der einen stummen Schrei auszustoßen scheint. Es handelt sich um Oiwa, einen weiteren allseits bekannten weiblichen Geist der Edo-Zeit.   
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In einem zerschlissenen Papierlampion wird unvermittelt ein Gesicht erkennbar, ein Loch im Lampion wird zu einem aufgerissenen Mund, der einen stummen Schrei auszustoßen scheint. Es handelt sich um {{g|Oiwa}}, einen weiteren allseits bekannten weiblichen Geist der Edo-Zeit.   
  
Oiwa wird von Iemon, ihrem grau·sa·men Ehe·mann, be·trogen und ver·giftet, sodass sie eines qual·vollen Todes stirbt. Sie er·scheint je·doch als Geist wieder und zwar mit ihrem durch Gift ent·stell·ten Gesicht. Dieses zeigt sich dem Iemon nicht nur in einem zer·schlis·se·nen Fried·hofs·lam·pion, wie bei Hokusai, son·dern auch an·stelle seiner neuen Ehe·frau. Als Iemon den Geist ver·nich·ten will, tötet er stattdessen seine frisch·ver·mähl·te Braut, um der·ent·wil·len er den Mord an Oiwa voll·führt hat.
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Oiwa wird von Iemon, ihrem grausamen Ehemann, betrogen und vergiftet, sodass sie eines qualvollen Todes stirbt. Sie erscheint jedoch als Geist wieder und zwar mit ihrem durch Gift entstellten Gesicht. Dieses zeigt sich dem Iemon nicht nur in einem zerschlissenen Friedhofslampion, wie bei Hokusai, sondern auch anstelle seiner neuen Ehefrau. Als Iemon den Geist vernichten will, tötet er stattdessen seine frischvermählte Braut, um derentwillen er den Mord an Oiwa vollführt hat.
  
Auch {{g|Utagawakuniyoshi}} bringt in seiner  Darstellung der Oiwa (Abb. re.) den Lampion ins Spiel. An Stelle von Hokusais sub·ti·lem Spiel von Ein·bil·dung (Gesicht) und Reali·tät (zer·schlis·sener Lam·pion) geht es Kuni·yoshi mehr um die schau·rigen Grusel·ef·fekte der Erzäh·lung. Ins·beson·dere betont er das vom Gift ent·stellte Gesicht der Oiwa.  
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Auch {{g|Utagawakuniyoshi}} bringt in seiner  Darstellung der Oiwa (Abb. re.) den Lampion ins Spiel. An Stelle von Hokusais subtilem Spiel von Einbildung (Gesicht) und Realität (zerschlissener Lampion) geht es Kuniyoshi mehr um die schaurigen Gruseleffekte der Erzählung. Insbesondere betont er das vom Gift entstellte Gesicht der Oiwa, er verknüpft die Figur aber auch mit den Geistern von im Kindbett verstorbenen Müttern ({{gb|ubume}}).  
  
Oiwa ist heute einer der bekann·testen Rache·geister des Kabuki-Theaters. Die Ge·schich·te wurde erst·mals 1825 in einem Stück namens ''Yotsuya kaidan'' auf die Bühne ge·bracht und ist seither in immer neuen Ver·sio·nen dra·ma·tisiert und sogar für das Kino adap·tiert worden.
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Oiwa ist heute einer der bekanntesten Rachegeister des Kabuki-Theaters. Die Geschichte wurde erstmals 1825 in einem Stück namens {{g|yotsuyakaidan|''Yotsuya kaidan''}} auf die Bühne gebracht und ist seither in immer neuen Versionen dramatisiert und sogar für das Kino adaptiert worden.
  
=== Kohada Koheiji, der nächtliche Rächer ===
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== Kohada Koheiji, der nächtliche Rächer ==
 
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|Totengeist des Kohada Koheiji
 
|Totengeist des Kohada Koheiji
 
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| Koheiji von Kunitoshi
 
| Koheiji von Kunitoshi
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| Koheiji von Toyokuni
 
| Koheiji von Toyokuni
 
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Schwache Frauen, die sich gegen Unter·drückung und Aus·beu·tung nur weh·ren kön·nen, in·dem sie sich nach ihrem Tod in Rache·geister ver·wan·deln, stehen ein·deu·tig im Zen·trum ja·pani·scher Ge·spens·ter·ge·schich·ten. Es gibt je·doch auch ein paar männ·liche Ver·tre·ter die·ses Typs. Einer da·von ist Kohada Koheiji, der als tra·gi·scher Held in einer Ge·schich·te des Autors und Malers {{g|Santoukyouden}} erst·mals im Jahr 1803 auf·tauch·te und bald auch auf der Kabuki Bühne zu sehen war: Koheiji wird von seiner Frau und seinem Neben·buhler er·mor·det, rückt ihnen aber des Nachts als Rache·geist zu Leibe und treibt sie in den Wahn·sinn. Auf Hoku·sais Bild grinst er gerade über den Rand des Mos·kito·netzes.
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Schwache Frauen, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung nur wehren können, indem sie sich nach ihrem Tod in Rachegeister verwandeln, stehen eindeutig im Zentrum japanischer Gespenstergeschichten  ({{g|Kaidan}}). Es gibt jedoch auch ein paar männliche Vertreter dieses Typs. Einer davon ist {{g|Kohadakoheiji}}, der als tragischer Held in einer Geschichte des Autors und Malers {{g|Santoukyouden}} erstmals im Jahr 1803 auftauchte und bald auch auf der Kabuki Bühne zu sehen war: Koheiji wird von seiner Frau und seinem Nebenbuhler ermordet, rückt ihnen aber des Nachts als Rachegeist zu Leibe und treibt sie in den Wahnsinn. Auf Hokusais Bild grinst er gerade über den Rand eines Moskitonetzes.
  
====  Asa·kura Tōgo ====
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===  Asakura Tōgo ===
 
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| Asakura_togo_kuniyoshi.jpg
| Asa­kura Tōgo
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| Asakura Tōgo
 
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}}
Der von Kuniyoshi portraitierte Toten·geist des Asa·kura Tōgo (Abb. re.) ist ein weiteres Beispiel eines bekannten männ·lichen Rachegeists. Tōgo war einst ein Dorf·vor·steher, der sich der aus·beu·teri·schen Be·steue·rung seines Lan·des·her·ren wider·setzte, dafür brutal hin·ge·rich·tet wurde, in der Folge aber als Rache·geist wiederkehrte und den Lan·des·her·ren mit seiner Fami·lie in Wahn·sinn und Tod trieb.
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Der von Kuniyoshi portraitierte Totengeist des {{g|asakuratougo|Asakura Tōgo}} ist ein weiteres Beispiel eines bekannten männlichen Rachegeists.  
Die Geschichte beruht auf einer historischen Begebenheit, wobei der Dorfvorsteher in Wirklichkeit Kiura Sōgorō hieß und 1653 hingerichtet worden sein soll.<ref>  
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Abgesehen von der Darstellung als Rache·geist, erfreut sich auch eine zu Herzen gehende Szene, in der Tōgo/Sōgorō Abschied von seiner Familie nimmt, um in den sicheren Tod zu ziehen, großer Beliebtheit im ''ukiyo-e''-Genre. Die verschie·denen Namen der Figur waren wohl ein Mittel, der Zensur zu entgehen, da der Fall ein hohes aufrührerisches Potential besaß.
+
Tōgo war einst ein Dorfvorsteher, der sich der ausbeuterischen Besteuerung seines Landesherren widersetzte, dafür brutal hingerichtet wurde, in der Folge aber als Rachegeist wiederkehrte und den Landesherren mit seiner Familie in Wahnsinn und Tod trieb.
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Die Geschichte beruht auf einer historischen Begebenheit, wobei der Dorfvorsteher in Wirklichkeit Sakura Sōgorō hieß und 1653 hingerichtet worden sein soll. Die verschiedenen Namen der Figur waren wohl ein Mittel, der Zensur zu entgehen, da der Fall ein hohes aufrührerisches Potential besaß. Das Bild selbst trägt einen Zensurstempel mit der Aufschrift {{g|shitauri}} („Verkauf unten“), d.h. das Bild durfte nicht offen aufgelegt oder aufgehängt werden und musste unter dem Ladentisch verkauft werden.<ref>
 +
Mehr dazu: [https://sammlung.mak.at/sammlung_online?id=collect-194555 MAK], Wien.
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Abgesehen von der Darstellung als Rachegeist, erfreut sich auch eine zu Herzen gehende Szene, in der Tōgo/Sōgorō Abschied von seiner Familie nimmt, um in den sicheren Tod zu ziehen, großer Beliebtheit im ''ukiyo-e''-Genre.  
 
</ref>
 
</ref>
  
=== Hannya, die lachende Menschenfresserin ===
+
== Hannya, die lachende Menschenfresserin ==
  
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| hokusai_hannya.jpg
 
| Lachende ''hannya''  
 
| Lachende ''hannya''  
 
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| Hannya Maske  
 
| Hannya Maske  
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}}
 
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Ein lachendes Gesicht mit Hörnern wird richtig unheimlich, sobald man realisiert, dass der Grund der dargestellten Heiterkeit im abgetrennten, blutenden Kinderkopf liegt, den das dämonische Wesen namens Hannya umklammert.  
 
Ein lachendes Gesicht mit Hörnern wird richtig unheimlich, sobald man realisiert, dass der Grund der dargestellten Heiterkeit im abgetrennten, blutenden Kinderkopf liegt, den das dämonische Wesen namens Hannya umklammert.  
  
{{glossar:Hannya|''Hannya''}} sind gehörnte [[Mythen/Oni und Kappa|Dämo·innen]], die eine wich·tige Rolle in den Ge·spens·ter·stücken des Nō Thea·ters spielen. Der Name Hannya soll auf den Schöpfer der ent·spre·chen·den Maske im Nō zurück·gehen. Ironi·scher·weise entlieh dieser Meister seinen Namen einem durchaus positiven Begriff: ''hannya'' leitet sich von Sanskrit ''prajna'' her und bedeutet soviel wie „Weisheit“.<ref>Vgl. {{glossar:Hannyashingyou}}, das [[Texte/Sutra/Hannya_shingyo|Herz Sutra]].</ref>
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{{g|Hannya|''Hannya''}} sind gehörnte [[Mythen/Oni und Kappa|Dämoninnen]], die eine wichtige Rolle in den Gespensterstücken des {{g|nou|}}-Theaters spielen. Der Name Hannya soll auf den Schöpfer der entsprechenden Maske im Nō zurückgehen. Ironischerweise entlieh dieser Meister seinen Namen einem durchaus positiven Begriff: ''hannya'' leitet sich von Sanskrit {{s|prajna}} her und bedeutet soviel wie „Weisheit“.<ref>Vgl. {{gb|Hannyashingyou}}, das [[Denken/Sutra/Hannya_shingyo|Herz Sutra]].</ref>
 
   
 
   
Hokusais Motiv der lachen·den ''Hannya'', die  drauf und dran ist, einen Säug·ling zu ver·spei·sen, soll sich von einer Le·gen·de aus Naga·saki her·lei·ten. Der Ver·zehr von Men·schen ist je·doch ganz all·ge·mein eine Vor·liebe der japa·ni·schen {{glossar:Oni}} (Dämo·nen), zu denen auch die ''Han·nya''-Figu·ren zu rech·nen sind.  
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Hokusais Motiv der lachenden ''Hannya'', die  drauf und dran ist, einen Säugling zu verspeisen, soll sich von einer Legende aus Nagasaki herleiten. Der Verzehr von Menschen ist jedoch ganz allgemein eine Vorliebe der japanischen {{g|Oni}} (Dämonen), zu denen auch die ''Hannya''-Figuren zu rechnen sind.  
  
==== Die Dämonin des Rajō-mon ====
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=== Die Dämonin des Rajō-mon ===
  
 
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| ref= 1
 
}}
 
}}
Am häufigsten findet man die ''Hannya''-Figur in den Illustra·tionen eines klas·si·schen Ge·spens·tes aus der {{Glossar:Heian}}-Zeit: der Dämo·nin Ibaraki aus dem Rajō-mon. Das {{g|rajoumon}} (auch Rashō-mon) war eines der Stadt·tore Kyōtos. Die Dämo·nin fand aus·ge·rechnet in den geräu·migen Ober·ge·schoßen dieses Gebäu·des ihren Unter·schlupf und machte von hier aus die Stadt un·sicher. Der un­·er­·schroc·k­ene Krieger {{g|Wata­nabetsuna}} stellt sich ihr im Kampf, doch es  gelingt ihm ledig·lich, ihr mit dem Schwert einen Arm ab·zu·hacken (den sie schluss·end·lich wieder in ihren Besitz bringt). Die Attacke der Dämo·nin und Tsunas geis·tes·gegen·wärtiger Schwert·hieb sind ein be·liebtes ''ukiyo-e''-Motiv. Meist ver·lieh man dabei der Dämonin das Gesicht einer ''Hannya''-Maske (s. Kuniyoshis Abb. re.).
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Am häufigsten findet man die ''Hannya''-Figur in den Illustrationen eines klassischen Gespenstes aus dem Legendenkreis des Heian-zeitlichen Helden {{g|minamotonoyorimitsu}}: der Dämonin {{g|ibarakidouji|Ibaraki}} aus dem Rajō-mon. Das {{g|rajoumon}} (auch Rashō-mon) war eines der Stadttore Kyōtos. Die Dämonin fand ausgerechnet in den geräumigen Obergeschoßen dieses Gebäudes ihren Unterschlupf und machte von hier aus die Stadt unsicher. Der unerschrockene Krieger {{g|watanabenotsuna}}, ein Vasall des Yorimitsu, stellt sich ihr im Kampf, doch es  gelingt ihm lediglich, ihr mit dem Schwert einen Arm abzuhacken (den sie schlussendlich wieder in ihren Besitz bringt). Die Attacke der Dämonin und Tsunas geistesgegenwärtiger Schwerthieb sind ein beliebtes ''ukiyo-e''-Motiv. Meist verlieh man dabei der Dämonin das Gesicht einer ''Hannya''-Maske (s. Kuniyoshis Abb. re.).
  
=== Die Schlange, Sinnbild obsessiver Liebe ===
+
== Die Schlange, Sinnbild obsessiver Liebe ==
  
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| schlange_hokusai.jpg
 
| schlange_hokusai.jpg
 
| „Obsession“ (''shūnen'')  
 
| „Obsession“ (''shūnen'')  
 
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}}
 
}}
{{Sidebox3
+
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| Jatai.jpg
 
| Jatai.jpg
 
| Schlangen-Gürtel
 
| Schlangen-Gürtel
 
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| ref= 1
 
| hell= hell
 
| hell= hell
 
}}
 
}}
Das letzte Bild in Hokusais Serie wirkt auf den ersten Blick fried·lich, ist aber voller un·heim·licher An·spie·lungen. Zu·nächst illus·triert das Bild eine offen·bar gän·gige Rede·wen·dung, näm·lich „Wer mit {{g|Obi}} schläft, träumt von Schlangen“. (Siehe ne·ben·ste·hende Il·lustra·tion des Ge·spens·ter·for·schers {{glossar:toriyamasekien|Tori·yama Sekien}}.) Auch in Hokusais Bild
+
Das letzte Bild in Hokusais Serie wirkt auf den ersten Blick friedlich, ist aber voller unheimlicher Anspielungen. Zunächst illustriert das Bild eine offenbar gängige Redewendung, nämlich „Wer mit Gürtel ({{g|Obi}}) schläft, träumt von Schlangen“. Frauen werden also mit Schlangenträumen bestraft, wenn sie in festlicher Kleidung zu Bett gehen. Diese Redensart wird auch auf der nebenstehenden Illustration des Gespensterforschers {{g|toriyamasekien|Toriyama Sekien}} illustriert, die Hokusai möglicherweise als Vorbild diente.  
ver·schmilzt das Muster der Schlan·gen·haut mit den Kleiderstoffen, durch die sie hin·durch·kriecht. Ähliche Effekte, in denen das Gewand einer Frau in ein Schlangenmuster übergeht, sind auf fast allen Dar·stel·lungen von Schlan·gen·geistern aus der Edo-Zeit zu finden.
 
  
Hokusais Bild trägt den Titel  „Obses·sion“ ({{g|shuunen}}), denn [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlangen]] gelten nach einem ver·brei·teten Glauben als Sinn·bild der Eifer·sucht oder der ob·ses·siven Umkehr von Liebe in Hass. Seit dem Alter·tum herr·schte in Japan die Auf·fas·sung, dass ins·be·son·dere eifer·süch·tige Frauen, die aus ent·täusch·ter Liebe ster·ben, als Schlan·gen wie·der·ge·boren werden würden.  
+
Hokusais Bild trägt jedoch den Titel  „Obsession“ ({{g|shuunen}}). Dies scheint auf eine weit verbreitete Vorstellung anzuspielen, wonach [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlangen]] als Sinnbild der Eifersucht oder der obsessiven Umkehr von Liebe in Hass gelten, insbesondere wenn es sich um weibliche Eifersucht handelt. Auf Hokusais Bild ist zwar kein Mann zu sehen, wohl aber das Totentäfelchen ({{g|ihai}}) eines Mannes. Auch die Schale mit Duftwasser und buddhistischem {{s|svastika}} gehört zu den Totenriten am buddhistischen Hausaltar ({{g|butsudan}}).<!--
 
 
Auf Hokusais Bild ist zwar kein Mann zu sehen, wohl aber das To·ten·tä·fel·chen ({{glossar:ihai}}) eines Mannes. Auch die Schale mit Duft·wasser und buddhistischem {{s|svastika}} gehört zu den Toten·riten am bud·dhis·tischen Haus·altar ({{glossar:butsudan}}).<!--
 
 
--><ref>   
 
--><ref>   
Auch das Blatt in der Duft·wasser·schale ist Teil der rituellen Opfergabe. Es handelt sich um ein Blatt des japanischen Sternanis (''shikimi''), einer giftigen Pflanze, die allerdings schon seit {{g|kuukai}} als Opfergabe für Verstorbene dient.  
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Auch das Blatt in der Duftwasserschale ist Teil der rituellen Opfergabe. Es handelt sich um ein Blatt des japanischen Sternanis (''shikimi''), einer giftigen Pflanze, die allerdings schon seit {{gb|kuukai}} als Opfergabe für Verstorbene dient.  
 
</ref>
 
</ref>
Es ist also jemand gestor·ben. Viel·leicht waren auch die Ge·wänder, durch die sie sich windet, in einer früheren Existenz ihre eigenen. In diesem Fall mag es gut sein, dass die Schlange der eifer·süch·tige Rache·geist einer an gebro·che·nem Herzen ver·stor·benen Ehefrau ist, die ihren un·treuen Mann nun ihrer·seits in den Tod getrie·ben hat.
 
  
==== Kiyo-hime ====
+
Es ist also ein Mann gestorben und die Schlange scheint sich seines Todes zu vergewissern. Sie kriecht dabei durch Kleiderstoffe und das Muster der Schlangenhaut scheint mit den Kleidermustern zu verschmelzen. Vergleicht man diese Motivik mit den Darstellungen der in der Edo-Zeit allseits bekannten Kiyohime (s.u.), so lässt sich die Schlange als eifersüchtiger Rachegeist einer an gebrochenem Herzen verstorbenen Ehefrau interpretieren, die ihren untreuen Mann nun ihrerseits erfolgreich in den Tod getrieben hat.
  
{{W502
+
=== Kiyohime ===
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Die Legende der {{g|Kiyohime}}, die u.a. auch von Kuniyoshi illustriert wurde, repräsentiert den alten Glauben, dass Frauen, die in Eifersucht aus dem Leben scheiden, als Schlangen wiedergeboren werden. Sie handelt von einer Frau, die einen jungen Pilgermönch verführt und mit ihm zusammenleben will. Als er sich aber seiner religiösen Gelübde besinnt und sie verlässt, verfolgt sie ihn und verwandelt sich dabei, getrieben von ihrer Eifersucht,  in eine Schlange. Schlussendlich flieht der Mönch in den Tempel {{g|doujouji}} und versteckt sich mit Hilfe der dortigen Mönche unter einer schweren Tempelglocke, doch die Schlange windet sich um die Glocke und entwickelt eine derartige Hitze, dass der Mönch darin zu Tode kommt.
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Hokusais Schlangenbild erinnerte Zeitgenossen sicher auch an die Legende der {{Glossar:Kiyohime}}, die u.a. auch von Kuni·yoshi illus·triert wurde.  Kiyo-hime hat ein Ver·hältnis mit einem jungen Pilger·mönch. Als dieser sich seiner reli·giösen Gelübde be·sinnt und sie ver·las·sen will, ver·folgt sie ihn und ver·wan·delt sich dabei, ge·trieben von ihrer Eifer·sucht,  in eine Schlange. Schluss·end·lich flieht der Mönch in den Tempel {{g|doujouji}} und versteckt sich mit Hilfe der dortigen Mönche unter einer schweren Tempel·glocke, doch die Schlange windet sich um die Glocke und ent·wickelt eine der·artige Hitze, dass der Mönch darin zu Tode kommt.  
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Die Legende stammt aus dem japanischen Altertum und findet sich unter anderem in den „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ ({{g|Konjakumonogatari}}), wurde aber auch im Nō und im Kabuki-Theater aufgegriffen.
  
Die Legende stammt aus dem japani·schen Altertum und findet sich unter anderem in den „Ge·schich·ten aus alter und neuer Zeit“ ({{glossar:Konjakumonogatarishuu}}), wurde aber auch im Nō und im Kabuki-Theater auf·gegriffen.
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== Meiji-Epigonen ==
 
 
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=== Tsukioka Yoshitoshi ===
 
=== Tsukioka Yoshitoshi ===
  
 
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{{glossar:Tsukiokayoshitoshi}} (1839–1892) wird oft als der letzte ''ukiyo-e''-Meister apostrophiert. Gegen Ende seines Lebens schuf er eine Serie von Geister·bildern, die heute zu seinen be·kann·testen Werken zählen. Während sich viele ''ukiyo-e'' Yoshi·toshis durch beson·ders dras·tisch zur Schau ge·stellte „sex-and-crime“ Szenen aus·zeichnen, rückt er in dieser Serie Figuren in dem Mittelpunkt, die ruhig und gefasst wirken und meist gar nicht un·mittel·bar als Geister zu erken·nen sind. Kennt man aber den Hinter·grund ihrer Ge·schich·ten, prägen sich Yoshi·toshis Geister um so nach·haltiger ein.
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{{g|Tsukiokayoshitoshi}} (1839–1892), ein Schüler Kuniyoshis, wird oft als der letzte ''ukiyo-e''-Meister apostrophiert. Gegen Ende seines Lebens schuf er eine Serie von Geisterbildern, die heute zu seinen bekanntesten Werken zählen. Während sich viele ''ukiyo-e'' Yoshitoshis durch besonders drastisch zur Schau gestellte „sex-and-crime“ Szenen auszeichnen, rückt er in dieser Serie Figuren in dem Mittelpunkt, die ruhig und gefasst wirken und meist gar nicht unmittelbar als Geister zu erkennen sind. Kennt man aber den Hintergrund ihrer Geschichten, prägen sich Yoshitoshis Geister um so nachhaltiger ein.
  
 
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Auch Yoshitoshi illustriert Motive, die schon bei Hokusai und seinen Zeit·genos·sen zu finden sind. Alle vor·der·gründig-ge·spens·tischen Ele·mente fehlen hier aller·dings: Okiku, das Teller·ge·spenst (Abb. 17), steigt ohne Teller aus ihrem Brunnen und erregt Mitleid, nicht Furcht. Die Frau mit der Päo·nien·la·terne (18) wird mit den Augen ihres Lieb·habers be·trach·tet, der nicht er·kennt, dass sie ein Geist ist. Die Ver·wand·lung der Schlan·gen·frau Kiyo-hime (21) deutet sich ledig·lich durch die merk·würdige Sil·houette der Figur und durch das Muster des Kimonos an. Das Ver·hält·nis zwi·schen Toten·geist und Krieger (19) scheint auf einer lang er·prob·ten Routine zu beruhen. Einzig die Dämonin des Rashō-mon (20) bringt Bewe·gung in Spiel. Sie hat eben ihren ab·ge·hack·ten Arm wieder erbeu·tet. Aber auch in ihrem Ge·sicht deuten sich die Züge der ''Hannya''-Maske nur schwach an.  
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Auch Yoshitoshi illustriert Motive, die schon bei Hokusai und seinen Zeitgenossen zu finden sind. Alle vordergründig-gespenstischen Elemente fehlen hier allerdings: Okiku, das Tellergespenst (Abb. 17), steigt ohne Teller aus ihrem Brunnen und erregt Mitleid, nicht Furcht. Die Frau mit der Päonienlaterne (18) wird mit den Augen ihres Liebhabers betrachtet, der nicht erkennt, dass sie ein Geist ist. Die Verwandlung der Schlangenfrau Kiyo-hime (21) deutet sich lediglich durch die merkwürdige Silhouette der Figur und durch das Muster des Kimonos an. Das Verhältnis zwischen dem Krieger {{g|Kobayakawahideaki}} und dem Totengeist seines einstigen Rivalen ({{g|Ootaniyoshitsugu}}) (19) scheint auf einer lang erprobten Routine zu beruhen. Einzig die Dämonin des Rashō-mon (20) bringt Bewegung in Spiel. Sie hat eben ihren abgehackten Arm wieder erbeutet. Aber auch in ihrem Gesicht deuten sich die Züge der ''Hannya''-Maske nur schwach an.  
  
In diesem neuen Realis·mus, der eine gewisse Roman·tisie·rung der weiblichen Rache·geister ermög·licht, nimmt Yoshitoshi Ent·wick·lungen des „Neuen Kabuki-Theaters“ der Meiji-Zeit vorweg. Unter dem Einfluss west·licher Theater·stoffe ver·suchte man auch hier, die alten Geschich·ten psycho·logisch einfühl·sam und mit einer roman·tischen Note versehen neu zu erzählen.
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In diesem neuen Realismus, der eine gewisse Romantisierung der weiblichen Rachegeister ermöglicht, nimmt Yoshitoshi Entwicklungen des „Neuen Kabuki-Theaters“ der Meiji-Zeit vorweg. Unter dem Einfluss westlicher Theaterstoffe versuchte man auch hier, die alten Geschichten psychologisch einfühlsam und mit einer romantischen Note versehen neu zu erzählen.
  
 
=== Kawanabe Kyōsai ===
 
=== Kawanabe Kyōsai ===
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{{g|Kawanabekyousai}} (1831–1889), von dem auch das Bild am Seiten·anfang stammt, fertigte meh·rere Por·traits von un·heim·lichen Toten·geistern ({{Glossar:Yuurei}}) an, ohne konkret an·zu·geben, auf welche Geschich·ten sich seine Dar·stel·lungen bezogen. Die Motive lassen sich zwar auf Vorlagen aus der Edo-Zeit zurück führen, doch scheint es Kyosai nicht um die Geschichten zu gehen, aus denen sie entstammen. In beinahe psycho·ana·lyti·scher Weise betont er stattdessen die ob·ses·siven psychi·schen Kräfte, die sich in den Toten·geistern ver·körpern.
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{{g|Kawanabekyousai}} (1831–1889), ein weiterer Schüler Kuniyoshis, von dem auch das Bild am Seitenanfang stammt, fertigte mehrere Portraits von unheimlichen Totengeistern ({{g|Yuurei}}) an, ohne konkret anzugeben, auf welche Geschichten sich seine Darstellungen bezogen. Die Motive lassen sich zwar auf Vorlagen aus der Edo-Zeit zurück führen, doch scheint es Kyosai nicht um die Geschichten zu gehen, aus denen sie entstammen. In beinahe psychoanalytischer Weise betont er stattdessen die obsessiven psychischen Kräfte, die sich in den Totengeistern verkörpern.
  
 
==Von Kaidan zu J-Horror==
 
==Von Kaidan zu J-Horror==
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Die Edo-Zeit gilt allgemein als eine Blütezeit des Horror·genres, sowohl auf liter·ari·schem als auch auf bild·neri·schem Gebiet. Beson·ders im neun·zehnten Jahr·hundert scheint die Be·geiste·rung für das Über·sinn·liche einen Höhe·punkt erfahren zu haben. Wie die Ab·bil·dungen in diesem Abschnitt zeigen, haben viele der heute noch be·kannten Gespenster·geschich·ten ({{Glossar:Kaidan}}) ihre Wurzeln in dieser Zeit.  
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Die Edo-Zeit gilt allgemein als eine Blütezeit des Horrorgenres, sowohl auf literarischem als auch auf bildnerischem Gebiet. Besonders im neunzehnten Jahrhundert scheint die Begeisterung für das Übersinnliche einen Höhepunkt erfahren zu haben. Wie die Abbildungen in diesem Abschnitt zeigen, haben viele der heute noch bekannten Gespenstergeschichten ({{g|Kaidan}}) ihre Wurzeln in dieser Zeit.  
  
Geister·ge·schich·ten und -dar·stel·lungen erfreuten sich in der aus·gehen·den Edo-Zeit unter anderem deshalb großer Be·liebt·heit, weil eine zu·neh·mend strengere Zensur fast alle anderen gegen·warts·bezo·genen Themen unter·sagte. Allein die Welt des Über·sinn·lichen — ob sie nun für real gehalten wurde oder nicht — galt als poli·tisch un·ver·dächtig und wurde daher zu·nehmend als Projek·tions·fläche für die Dar·stel·lung aller mög·lichen ge·sell·schaft·lichen Miss·stände heran·gezogen. In der {{Glossar:Meiji}}-Zeit verlor die Welt der Geister und Fabel·wesen ihre politische Brisanz und erhielt stattdessen einen nostal·gischen Touch.  Kawa·nabe Kyōsai oder Tsukioka Yoshi·toshi griffen u.a. auch das Horror-Genre der  Edo-Zeit auf und adaptierten es für die neue Zeit. Zugleich führten sie zu einer letzten Blüte.  
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Geistergeschichten und -darstellungen erfreuten sich in der ausgehenden Edo-Zeit unter anderem deshalb großer Beliebtheit, weil eine zunehmend strengere Zensur fast alle anderen gegenwartsbezogenen Themen untersagte. Allein die Welt des Übersinnlichen — ob sie nun für real gehalten wurde oder nicht — galt als politisch unverdächtig und wurde daher zunehmend als Projektionsfläche für die Darstellung aller möglichen gesellschaftlichen Missstände herangezogen. In der {{g|Meiji}}-Zeit verlor die Welt der Geister und Fabelwesen ihre politische Brisanz und erhielt stattdessen einen nostalgischen Touch.  Kawanabe Kyōsai oder Tsukioka Yoshitoshi griffen u.a. auch das Horror-Genre der  Edo-Zeit auf und adaptierten es für die neue Zeit. Zugleich führten sie zu einer letzten Blüte.  
 
 
Obwohl die ''ukiyo-e'' nicht mehr ihr bevorzugtes visuelles Medium sind, leben die Motive, die wir ausgehend von Hokusais fünf Gespensterportraits auf dieser Seite untersucht haben,  nach wie vor im kollektiven Gedächtnis Japans weiter. Heute werden sie vor allem in japa·ni·schen Hor·ror·filmen und Mangas visualisiert. Besonders in den Figuren der rach·süchtigen Frauen·geister lassen sich die Spuren der Edo-Zeit noch heute erkennen.<ref>
 
Den Hinweis auf die vielen Über·ein·stim·mungen zwischen Edo-zeit·lichen Grusel·ge·schich·ten und dem modernen J-Horror verdanke ich einer Semi·nar·ar·beit von Sarah-Allegra Schön·berger, Studen·tin der Japa·no·logie an der Uni·ver·sität Wien (Som·mer·semes·ter 2009). Die Litera·tur·an·gaben dieser Seite ent·stam·men eben·falls ihrer Arbeit.
 
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Obwohl die ''ukiyo-e'' nicht mehr ihr bevorzugtes visuelles Medium sind, leben die Motive, die wir ausgehend von Hokusais fünf Gespensterportraits auf dieser Seite untersucht haben,  nach wie vor im kollektiven Gedächtnis Japans weiter. Heute werden sie vor allem in japanischen Horrorfilmen und Mangas visualisiert. Besonders in den Figuren der rachsüchtigen Frauengeister lassen sich die Spuren der Edo-Zeit noch heute erkennen.<ref>
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Den Hinweis auf die vielen Übereinstimmungen zwischen Edo-zeitlichen Gruselgeschichten und dem modernen J-Horror verdanke ich einer Seminararbeit von Sarah-Allegra Schönberger, Studentin der Japanologie an der Universität Wien (Sommersemester 2009). Die Literaturangaben dieser Seite entstammen ebenfalls ihrer Arbeit.
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* [http://www.muian.com/index.htm Muian]<br/>Dieser ausgezeichneten japanischen Website entstammen viele Bildbeispiele.
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* [https://web.archive.org/web/20140925105618/http://www.muian.com/muian09/muian09.htm Muian] (via Internet Archive). Dieser leider bereits aufgelassenen Website zu diversen japanischen Künstlern entstammen viele Bildbeispiele auf ''Religion-in-Japan''.
 
* [http://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%96%B0%E5%BD%A2%E4%B8%89%E5%8D%81%E5%85%AD%E6%80%AA%E6%92%B0 ''Shinkei sanjūrokkaisen''] (Wikipedia, ja.). Sämtliche Exemplare aus Yoshitoshis Serie „36 Geister“.  
 
* [http://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%96%B0%E5%BD%A2%E4%B8%89%E5%8D%81%E5%85%AD%E6%80%AA%E6%92%B0 ''Shinkei sanjūrokkaisen''] (Wikipedia, ja.). Sämtliche Exemplare aus Yoshitoshis Serie „36 Geister“.  
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Aktuelle Version vom 21. September 2024, 15:42 Uhr

Hundert Geschichten Horrorklassiker aus der Edo-Zeit

In der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit gab es ein Gesellschaftsspiel namens „Hundert Geschichten“ (Hyaku monogatari [Hyaku monogatari (jap.) 百物語 „Hundert Geschichten“; Edo-zeitliches Gesellschaftsspiel bei dem man sich 100 Gruselgeschichten erzählte]),1 bei dem man sich gegenseitig Gruselgeschichten erzählte. Gruselgeschichten dienten nach japanischer Auffassung vor allem in heißen Sommernächten der „Abkühlung“, weil sie den Zuhörern wohlige Schauer über den Rücken jagten. Der Gruseleffekt bei den Hundert Geschichten wurde dadurch gesteigert, dass nach jeder Geschichte eine Lampe gelöscht wurde, bis die ganze Gesellschaft im Dunkeln saß. Man munkelte, dass dann tatsächlich ein Geist erscheinen würde.

Kyosai hyakki gadan.jpg
1 Beginn einer Runde Geistergeschichten (hyaku monogatari)
Eine bürgerliche Familie lauscht wohlig schaudernd einer Erzählung von „Hundert Geschichten“ (Hyaku monogatari)
Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit. Metropolitan Museum of Art, New York.

„Hundert Geschichten“ ist auch der Titel einer Serie von „Gespensterportaits“, in denen der berühmte ukiyo-e-Künstler Katsushika Hokusai [Katsushika Hokusai (jap.) 葛飾北斎 1760–1849; Maler und Zeichner. Bekanntester Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts] (1760–1849) die bekanntesten Gruselmotive seiner Zeit festhielt. Da die Serie nur aus fünf Bildern besteht, ist der Titel wohl eine Anspielung auf das gleichnamige Gesellschaftsspiel und diente ebenfalls zur Erzeugung von Gänsehaut in heißen Sommernächten. Dabei bediente sich Hokusai einer neuartigen Technik, indem er seine Geistermotive in Nahaufnahme zeigte, sodass Einzelheiten wie ein Gesicht das gesamte Blatt füllen. Doch waren die dargestellten Geister zur damaligen Zeit weithin bekannt, sodass Hokusai eine Andeutung genügte, um dem Betrachter ihre Geschichte in Erinnerung zu rufen. Andere „Bilder der fließenden Welt“ (ukiyo-e [ukiyo-e (jap.) 浮世絵 „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit]) zeigen zum Vergleich konventionellere Darstellungen derselben Motive.

Die Geschichten selbst stammen zumeist aus dem Kabuki [Kabuki (jap.) 歌舞伎 „Gesang- und Tanzkunst“; Anfang des 17. Jh. aus Musik, Schauspiel und Tanz entwickeltes Theater-Genre]-Theater. Fast immer geht es dabei um Liebe, Eifersucht und Mord, die letztlich dazu führen, dass eine Person nach dem Tod nicht zur Ruhe kommt und sich in einen Rachegeist (onryō [onryō (jap.) 怨霊 Rachegeist]) verwandelt. Insoferne werden in den Geschichten und Bildern auch religiöse Vorstellungen transportiert, auf die im folgenden näher eingegangen werden soll.

Okiku, das Tellergespenst

Hokusai okiku.jpg
2 Tellergespenst Okiku
Der Geist der Okiku entsteigt jede Nacht einem Brunnen, in dem sie ertränkt wurde, nachdem sie ihrem Herrn die Liebe verweigerte. Auch als Geist ist Okiku beständig auf der Suche nach dem zehnten Teller, den ihr Herr in der bösen Absicht versteckt hat, sie bei der Herrin anzuschwärzen. Der Rauch, der ihrem Mund auf diesem Bild entweicht, soll wohl das Zählen der Teller symbolisieren.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.

Das erste Bild aus Hokusais Serie zeigt ein blasses Gesicht mit langen gelösten Haaren, dessen langer Hals bei genauerem Hinsehen aus Tellern besteht. Es handelt sich um Okiku [Okiku (jap.) お菊 weiblicher Totengeist aus der Edo-Zeit; „Tellergespenst“], einen der bekanntesten Totengeister (yūrei [yūrei (jap.) 幽霊 Totengeist]) der Edo-Zeit.

Okiku ist eine Magd, die ihrem Herrn die Liebe verweigert und daraufhin von ihm in einen Brunnen gestürzt wird. Der Vorwand für seine Tat: Sie habe einen von zehn wertvollen Tellern entwendet, den er in Wirklichkeit selbst versteckte. Daher ihre Erscheinung als Teller zählendes bzw. tellerförmiges Gespenst. Sie zählt dabei immer nur bis neun und bricht dann ab, um neuerlich bei eins zu beginnen. Dem Spuk wird durch einen Exorzisten ein Ende bereitet, der im richtigen Moment „zehn“ ruft.

Die tragische Geschichte der Okiku existierte wahrscheinlich schon vor Beginn der Edo-Zeit. 1741 wurde sie unter dem Titel Banchō sarayashiki [Banchō sarayashiki (jap.) 番町皿屋敷 „Das Tellerhaus in Banchō“; Kabuki-Drama und bekannte Horrorgeschichte (kaidan) über das Tellergespenst Okiku] (Das Tellerhaus in Banchō) für die Bühne adaptiert. Zahlreiche Varianten verlegten die Geschichte u.a. in die Burg Himeji [Himeji-jō (jap.) 姫路城 Burg Himeji in der Präfektur Hyōgo] und interpretierten das Liebesverhältnis zwischen Magd und Herren auf unterschiedliche Weise. Immer blieben jedoch der Brunnen und die Teller zentrale Bestandteile der Geschichte. In scherzhafter Weise wird das Motiv auch auf einem Bild von Utagawa Hiroshige [Utagawa Hiroshige (jap.) 歌川広重 1797–1858; einer der stilbildenden Meister des japanischen ukiyo-e-Farbholzschnitts Ende der Edo-Zeit] dargestellt (Abb. re.).

Oiwa, der Lampiongeist

Hokusai oiwa.jpg
4 Lampiongeist Oiwa
Im zerschlissenen Lampion eines Friedhofs erscheint der Totengeist (yūrei) der ruchlos ermordeten Oiwa.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.

In einem zerschlissenen Papierlampion wird unvermittelt ein Gesicht erkennbar, ein Loch im Lampion wird zu einem aufgerissenen Mund, der einen stummen Schrei auszustoßen scheint. Es handelt sich um Oiwa [Oiwa (jap.) お岩 weiblicher Totengeist der Edo-Zeit; „Lampiongespenst“], einen weiteren allseits bekannten weiblichen Geist der Edo-Zeit.

Oiwa wird von Iemon, ihrem grausamen Ehemann, betrogen und vergiftet, sodass sie eines qualvollen Todes stirbt. Sie erscheint jedoch als Geist wieder und zwar mit ihrem durch Gift entstellten Gesicht. Dieses zeigt sich dem Iemon nicht nur in einem zerschlissenen Friedhofslampion, wie bei Hokusai, sondern auch anstelle seiner neuen Ehefrau. Als Iemon den Geist vernichten will, tötet er stattdessen seine frischvermählte Braut, um derentwillen er den Mord an Oiwa vollführt hat.

Auch Utagawa Kuniyoshi [Utagawa Kuniyoshi (jap.) 歌川国芳 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts] bringt in seiner Darstellung der Oiwa (Abb. re.) den Lampion ins Spiel. An Stelle von Hokusais subtilem Spiel von Einbildung (Gesicht) und Realität (zerschlissener Lampion) geht es Kuniyoshi mehr um die schaurigen Gruseleffekte der Erzählung. Insbesondere betont er das vom Gift entstellte Gesicht der Oiwa, er verknüpft die Figur aber auch mit den Geistern von im Kindbett verstorbenen Müttern (ubume).

Oiwa ist heute einer der bekanntesten Rachegeister des Kabuki-Theaters. Die Geschichte wurde erstmals 1825 in einem Stück namens Yotsuya kaidan [Yotsuya kaidan (jap.) 四谷怪談 Kabuki-Stück von Tsuruya Nanboku, 1825; berühmte japanische Gespenstergeschichte (kaidan) von Oiwa, einem Geist in Lampiongestalt] auf die Bühne gebracht und ist seither in immer neuen Versionen dramatisiert und sogar für das Kino adaptiert worden.

Kohada Koheiji, der nächtliche Rächer

Hokusai koheiji.jpg
6 Totengeist des Kohada Koheiji
Das Gespenst des ermordeten Kohada Koheiji grinst über den Rand eines Moskitonetzes.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Art, Boston.

Schwache Frauen, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung nur wehren können, indem sie sich nach ihrem Tod in Rachegeister verwandeln, stehen eindeutig im Zentrum japanischer Gespenstergeschichten (kaidan [kaidan (jap.) 怪談 Gespenstergeschichte]). Es gibt jedoch auch ein paar männliche Vertreter dieses Typs. Einer davon ist Kohada Koheiji [Kohada Koheiji (jap.) 小幡小平次 Figur des Kabuki-Theaters; Totengeist eines betrogenen Ehemannes], der als tragischer Held in einer Geschichte des Autors und Malers Santō Kyōden [Santō Kyōden (jap.) 山東京伝 1761–1816; Edo-zeitlicher Schriftsteller und Maler] erstmals im Jahr 1803 auftauchte und bald auch auf der Kabuki Bühne zu sehen war: Koheiji wird von seiner Frau und seinem Nebenbuhler ermordet, rückt ihnen aber des Nachts als Rachegeist zu Leibe und treibt sie in den Wahnsinn. Auf Hokusais Bild grinst er gerade über den Rand eines Moskitonetzes.

Asakura Tōgo

Asakura togo kuniyoshi.jpg
9 Asakura Tōgo
Das Bild zeigt den Kabuki-Schauspieler Ichikawa Kodanji IV in der Rolle des Totengeist (yūrei) Asakura Tōgo, im Stück Higashiyama sakura zoshi. In dieser Darstellung ist die, für japanische Gespenster typische, schlaffe Handhaltung ganz besonders gut zu erkennen.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Späte Edo-Zeit, 1851. The British Museum.

Der von Kuniyoshi portraitierte Totengeist des Asakura Tōgo [Asakura Tōgo (jap.) 浅倉当吾 männlicher Rachegeist der Edo-zeitl. Populärkultur und des Kabuki; basiert vermutlich auf einem realen Dorfvorsteher aus dem 17.Jh. namens Sakura Sōgorō 佐倉惣五郎] ist ein weiteres Beispiel eines bekannten männlichen Rachegeists.

Tōgo war einst ein Dorfvorsteher, der sich der ausbeuterischen Besteuerung seines Landesherren widersetzte, dafür brutal hingerichtet wurde, in der Folge aber als Rachegeist wiederkehrte und den Landesherren mit seiner Familie in Wahnsinn und Tod trieb. Die Geschichte beruht auf einer historischen Begebenheit, wobei der Dorfvorsteher in Wirklichkeit Sakura Sōgorō hieß und 1653 hingerichtet worden sein soll. Die verschiedenen Namen der Figur waren wohl ein Mittel, der Zensur zu entgehen, da der Fall ein hohes aufrührerisches Potential besaß. Das Bild selbst trägt einen Zensurstempel mit der Aufschrift shita-uri [shita-uri (jap.) シタ賣/下売 „Verkauf unten“; Zensurstempel auf Blockdrucken von Schauspielern um 1850, die besagten, dass das betreffende Bild nicht öffentlich ausgestellt, sondern nur unter dem Ladentisch verkauft werden durfte] („Verkauf unten“), d.h. das Bild durfte nicht offen aufgelegt oder aufgehängt werden und musste unter dem Ladentisch verkauft werden.2

Hannya, die lachende Menschenfresserin

Hokusai hannya.jpg
10 Lachende hannya
Portrait einer menschenfressenden Dämonin (hannya), die eben einen Säugling verspeist.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.

Ein lachendes Gesicht mit Hörnern wird richtig unheimlich, sobald man realisiert, dass der Grund der dargestellten Heiterkeit im abgetrennten, blutenden Kinderkopf liegt, den das dämonische Wesen namens Hannya umklammert.

Hannya [hannya (jap.) 般若 „Weisheit“, abgeleitet von skt. prajna; auch: Hannya-Maske (Dämonin)] sind gehörnte Dämoninnen, die eine wichtige Rolle in den Gespensterstücken des [ (jap.) traditionelles jap. Theater mit charakterstischem Tanz, Gesang und Masken; entwickelte sich im 14. Jh. aus dem volkstümlichen dengaku (Feld- oder Bauern-Theater) und avancierte zur repräsentativen Theaterform der Kriegerelite (bushi)]-Theaters spielen. Der Name Hannya soll auf den Schöpfer der entsprechenden Maske im Nō zurückgehen. Ironischerweise entlieh dieser Meister seinen Namen einem durchaus positiven Begriff: hannya leitet sich von Sanskrit prajna [prajñā (skt.) प्रज्ञा Wissen, Verstehen, Weisheit (jap. hannya 般若)] her und bedeutet soviel wie „Weisheit“.3

Hokusais Motiv der lachenden Hannya, die drauf und dran ist, einen Säugling zu verspeisen, soll sich von einer Legende aus Nagasaki herleiten. Der Verzehr von Menschen ist jedoch ganz allgemein eine Vorliebe der japanischen oni [oni (jap.) Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister] (Dämonen), zu denen auch die Hannya-Figuren zu rechnen sind.

Die Dämonin des Rajō-mon

Rashomon kuniyoshi.jpg
12 Hannya von Kuniyoshi
Der wackere Watanabe Tsuna wird heimtückisch von hinten attackiert, kann der Dämonin (hannya) aber mit dem Schwert einen Arm abtrennen.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit, ca. 1825. National Museum of Asian Art, Arthur M. Sackler Gallery.

Am häufigsten findet man die Hannya-Figur in den Illustrationen eines klassischen Gespenstes aus dem Legendenkreis des Heian-zeitlichen Helden Minamoto no Yorimitsu [Minamoto no Yorimitsu (jap.) 源頼光 948–1021, auch Minamoto Raikō; Krieger aus der Dynastie der Minamoto; zusammen mit seinen vier Vasallen, die auch als Shi-Tennō bezeichnet werden, ist er Held zahlreicher Legenden]: der Dämonin Ibaraki [Ibaraki Dōji (jap.) 茨城童子 in der Heian-Zeit angesiedelte oni-Gestalt, dem Namen nach ein „Knabe“ (dōji), in bildlichen Darstellungen aber meist weiblich konnotiert; Dämonin des Rajō-mon] aus dem Rajō-mon. Das Rajō-mon [Rajō-mon (jap.) 羅城門 südl. Haupttor einer klassischen Stadtanlage; insbes. Haupttor von Heian-kyō (heute Kyōto), 980 zerstört] (auch Rashō-mon) war eines der Stadttore Kyōtos. Die Dämonin fand ausgerechnet in den geräumigen Obergeschoßen dieses Gebäudes ihren Unterschlupf und machte von hier aus die Stadt unsicher. Der unerschrockene Krieger Watanabe no Tsuna [Watanabe no Tsuna (jap.) 渡邊綱 953–1025; Krieger der Heian-Zeit; Vasall des Minamoto no Yorimitsu; Held zahlreicher Sagen und Legenden], ein Vasall des Yorimitsu, stellt sich ihr im Kampf, doch es gelingt ihm lediglich, ihr mit dem Schwert einen Arm abzuhacken (den sie schlussendlich wieder in ihren Besitz bringt). Die Attacke der Dämonin und Tsunas geistesgegenwärtiger Schwerthieb sind ein beliebtes ukiyo-e-Motiv. Meist verlieh man dabei der Dämonin das Gesicht einer Hannya-Maske (s. Kuniyoshis Abb. re.).

Die Schlange, Sinnbild obsessiver Liebe

Schlange hokusai.jpg
13 „Obsession“ (shūnen)
Eine Schlange (hebi) windet sich um ein Totentäfelchen (ihai). Die Stoffmuster wiederholen die Muster der Schlangenhaut.
Werk von Katsushika Hokusai (1790–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.

Das letzte Bild in Hokusais Serie wirkt auf den ersten Blick friedlich, ist aber voller unheimlicher Anspielungen. Zunächst illustriert das Bild eine offenbar gängige Redewendung, nämlich „Wer mit Gürtel (obi [obi (jap.) Gürtel, der zum Kimono oder zur Kampfsportbekleidung getragen wird]) schläft, träumt von Schlangen“. Frauen werden also mit Schlangenträumen bestraft, wenn sie in festlicher Kleidung zu Bett gehen. Diese Redensart wird auch auf der nebenstehenden Illustration des Gespensterforschers Toriyama Sekien [Toriyama Sekien (jap.) 鳥山石燕 1712–1788; Künstler und Gelehrter; vor allem bekannt für seine illustrierten Gespenster-Enzyklopädien] illustriert, die Hokusai möglicherweise als Vorbild diente.

Hokusais Bild trägt jedoch den Titel „Obsession“ (shūnen [shūnen (jap.) 執念 Rachsucht, Groll, Obsession]). Dies scheint auf eine weit verbreitete Vorstellung anzuspielen, wonach Schlangen als Sinnbild der Eifersucht oder der obsessiven Umkehr von Liebe in Hass gelten, insbesondere wenn es sich um weibliche Eifersucht handelt. Auf Hokusais Bild ist zwar kein Mann zu sehen, wohl aber das Totentäfelchen (ihai [ihai (jap.) 位牌 Ahnentäfelchen]) eines Mannes. Auch die Schale mit Duftwasser und buddhistischem svastika [svastika (skt.) स्वस्तिक „Swastika“, indisches Glückssymbol; in Japan buddhistisches Symbol, meist linksgewinkelt (im Gegensatz zum „Hakenkreuz“) (jap. man-ji 卍)] gehört zu den Totenriten am buddhistischen Hausaltar (butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar]).4

Es ist also ein Mann gestorben und die Schlange scheint sich seines Todes zu vergewissern. Sie kriecht dabei durch Kleiderstoffe und das Muster der Schlangenhaut scheint mit den Kleidermustern zu verschmelzen. Vergleicht man diese Motivik mit den Darstellungen der in der Edo-Zeit allseits bekannten Kiyohime (s.u.), so lässt sich die Schlange als eifersüchtiger Rachegeist einer an gebrochenem Herzen verstorbenen Ehefrau interpretieren, die ihren untreuen Mann nun ihrerseits erfolgreich in den Tod getrieben hat.

Kiyohime

Die Legende der Kiyohime [Kiyohime (jap.) 清姫 Heldin einer berühmten Legende aus der Heian-Zeit (10. Jh.); Sinnbild rasender Eifersucht], die u.a. auch von Kuniyoshi illustriert wurde, repräsentiert den alten Glauben, dass Frauen, die in Eifersucht aus dem Leben scheiden, als Schlangen wiedergeboren werden. Sie handelt von einer Frau, die einen jungen Pilgermönch verführt und mit ihm zusammenleben will. Als er sich aber seiner religiösen Gelübde besinnt und sie verlässt, verfolgt sie ihn und verwandelt sich dabei, getrieben von ihrer Eifersucht, in eine Schlange. Schlussendlich flieht der Mönch in den Tempel Dōjō-ji [Dōjō-ji (jap.) 道成寺 Tendai-Tempel in der Präfektur Wakayama, südl. von Nara, der seine Gründung bis ins Jahr 701 zurückführt; neben zahlreichen Kunstschätzen berühmt für die Legende der Kiyohime, die sich hier ereignet haben soll.] und versteckt sich mit Hilfe der dortigen Mönche unter einer schweren Tempelglocke, doch die Schlange windet sich um die Glocke und entwickelt eine derartige Hitze, dass der Mönch darin zu Tode kommt.

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15 Kiyohime (um 1400)
Die in eine Schlange verwandelte Kiyohime bringt die Glocke, unter der sich ihr Liebhaber versteckt, zum Glühen. Es handelt sich um eine illustrierte Chronik des Tempels Dōjō-ji, wo sich die Geschichte im Jahr 928 abgespielt haben soll.
Werk von Tosa Mitsushige. Wakayama Prefectural Museum.
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16 Kiyohime von Kuniyoshi (1845)
Kiyohime, die sich zur Hälfte in eine Schlange verwandelt hat, windet sich um eine Tempelglocke, unter der ihr ehemaliger Geliebter Zuflucht vor ihrer Rache gesucht hat.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit, um 1845. The Kuniyoshi Project.

Die Legende stammt aus dem japanischen Altertum und findet sich unter anderem in den „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (Konjaku monogatari [Konjaku monogatari (jap.) 今昔物語 „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext]), wurde aber auch im Nō und im Kabuki-Theater aufgegriffen.

Meiji-Epigonen

Tsukioka Yoshitoshi

Okiku yoshitoshi.jpg
17 Okiku
Der Geist der Okiku wirkt hier im Gegensatz zu andern Totengeistern nicht furchteinflößend, sondern zart und traurig.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Meiji-Zeit. National Diet Library, Tokyo.
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18 Pfingstrosen-Laterne
In der hier dargestellten Geschichte geht es um eine verführerische Geisterfrau, die einen verwitweten Samurai in ein erotisches Liebesverhältnis verstrickt. Jede Nacht erscheint sie in Begleitung ihrer Dienerin mit einer Laterne in Form einer Pfingstrose (Päonie, jap. botan). Als der Samurai entdeckt, dass seine Geliebte ein Totengeist (yūrei) ist, beendet er die Beziehung mithilfe religiöser Spezialisten, wird aber rückfällig und endet selbst im Grab. Herkunft und Motivation der Geisterfrau bleiben in dieser Geschichte im Dunkeln. Die Erzählung stammt von Asai Ryōi (1612–1691) und erschien erstmals 1666. Sie basiert auf einer chinesischen Vorlage.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Meiji-Zeit. National Diet Library, Tōkyō.

Tsukioka Yoshitoshi [Tsukioka Yoshitoshi (jap.) 月岡芳年 1839–1892; Maler; ukiyo-e-Küstler] (1839–1892), ein Schüler Kuniyoshis, wird oft als der letzte ukiyo-e-Meister apostrophiert. Gegen Ende seines Lebens schuf er eine Serie von Geisterbildern, die heute zu seinen bekanntesten Werken zählen. Während sich viele ukiyo-e Yoshitoshis durch besonders drastisch zur Schau gestellte „sex-and-crime“ Szenen auszeichnen, rückt er in dieser Serie Figuren in dem Mittelpunkt, die ruhig und gefasst wirken und meist gar nicht unmittelbar als Geister zu erkennen sind. Kennt man aber den Hintergrund ihrer Geschichten, prägen sich Yoshitoshis Geister um so nachhaltiger ein.

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19 Totengeist
Hideaki (1577–1602) kämpfte in der Schicksalsschlacht von Sekigahara (1600) anfangs gegen Tokugawa Ieyasu, lief aber zu ihm über. Sein Verrat trug entscheidend zum Sieg Ieyasus bei und wurde reich belohnt. Während der Schlacht fiel er seinem ehemaligen Verbündeten Ōtani Yoshitsugu (1559–1600) in den Rücken. Dieser fiel in der Schlacht. Später soll er Hideaki als Totengeist (yūrei) jede Nacht aufgesucht und so das frühe Ende des letzteren herbeigeführt haben.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Bildquelle: Antique Art Morimiya.
Rashomon yoshitoshi.jpg
20 Hannya
Die Dämonin (hannya) ist hocherfreut, denn es ist ihr gelungen, ihren abgehackten Arm wieder zu erbeuten. Die komplexe Legende dieser Dämonin, die im Südtor der Stadt Kyōto haust, findet sich bereits in der Heian-zeitlichen Sammlung Konjaku monogatari-shū.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Meiji-Zeit. Rijksmuseum, Amsterdam (RP-P-1983-393).

Auch Yoshitoshi illustriert Motive, die schon bei Hokusai und seinen Zeitgenossen zu finden sind. Alle vordergründig-gespenstischen Elemente fehlen hier allerdings: Okiku, das Tellergespenst (Abb. 17), steigt ohne Teller aus ihrem Brunnen und erregt Mitleid, nicht Furcht. Die Frau mit der Päonienlaterne (18) wird mit den Augen ihres Liebhabers betrachtet, der nicht erkennt, dass sie ein Geist ist. Die Verwandlung der Schlangenfrau Kiyo-hime (21) deutet sich lediglich durch die merkwürdige Silhouette der Figur und durch das Muster des Kimonos an. Das Verhältnis zwischen dem Krieger Kobayakawa Hideaki [Kobayakawa Hideaki (jap.) 小早川秀秋 1577-1602; kämpfte in der Schicksalsschlacht von Sekigahara (1600) später an Tokugawa Ieyasus Seite und verriet infolgedessen seinen Verbündeten Ōtani Yoshitsugu; Neffe von Toyotomi Hideyoshi] und dem Totengeist seines einstigen Rivalen (Ōtani Yoshitsugu [Ōtani Yoshitsugu (jap.) 大谷吉継 1559-1600; Samurai; wurde von seinem Verbündeten Kobayakawa Hideaki verraten und fiel in der Schlacht von Sekigahara [Sekigahara '"`UNIQ--nowiki-000013A3-QINU`"' (jap.) 関ケ原 Ort in der Präfektur Gifu, wo Tokugawa Ieyasu im Jahr 1600 eine Entscheidungsschlacht gewann] (1600); als Totengeist (yūrei) soll er Hideaki heimgesucht haben]) (19) scheint auf einer lang erprobten Routine zu beruhen. Einzig die Dämonin des Rashō-mon (20) bringt Bewegung in Spiel. Sie hat eben ihren abgehackten Arm wieder erbeutet. Aber auch in ihrem Gesicht deuten sich die Züge der Hannya-Maske nur schwach an.

In diesem neuen Realismus, der eine gewisse Romantisierung der weiblichen Rachegeister ermöglicht, nimmt Yoshitoshi Entwicklungen des „Neuen Kabuki-Theaters“ der Meiji-Zeit vorweg. Unter dem Einfluss westlicher Theaterstoffe versuchte man auch hier, die alten Geschichten psychologisch einfühlsam und mit einer romantischen Note versehen neu zu erzählen.

Kawanabe Kyōsai

Obake kyosai muian.jpg
22
Bild eines Totengeistes yūrei, der dem Bild eines Totengeistes entsteigt.
Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit, 1883. Bildquelle: Muian.
Kyosai yurei3.jpg
23
Das Motiv des Rachegeists (onryō), der sich in den Haaren eines abgetrennten Kopfes festgebissen hat, findet sich auch im Zusammenhang mit Kohada Koheiji (s. Hokusai). Das Kabukistück Iroiri otogi zoshi erzählt, dass Koheiji schlussendlich seine Frau zu Tode brachte und ihren Kopf mit sich trug. Kyōsai gönnt seinem Totengeist (yūrei) allerdings keinen Triumph: in seiner Besessenheit ist der Geist nicht mehr im Stande zu erkennen, dass er das Ziel seiner Rache bereits erreicht hat.
Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). Meiji-Zeit, 1870. Bildquelle: Keiyōdō, J-Blog, 2012.
Yurei kyosai1.jpg
24
In manischer Verzweiflung fasst sich diese weibliche Rachefigur (yūrei) selbst ins Haar, während sie den Kopf ihres Opfers an den Haaren mit sich führt.
Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). 1871. The British Museum.
Kyōsais rächende Totengeister

Kawanabe Kyōsai [Kawanabe Kyōsai (jap.) 河鍋暁斎 1831–1889; Künstler und Karikaturist Ende Edo-, Anfang Meiji-Zeit] (1831–1889), ein weiterer Schüler Kuniyoshis, von dem auch das Bild am Seitenanfang stammt, fertigte mehrere Portraits von unheimlichen Totengeistern (yūrei [yūrei (jap.) 幽霊 Totengeist]) an, ohne konkret anzugeben, auf welche Geschichten sich seine Darstellungen bezogen. Die Motive lassen sich zwar auf Vorlagen aus der Edo-Zeit zurück führen, doch scheint es Kyosai nicht um die Geschichten zu gehen, aus denen sie entstammen. In beinahe psychoanalytischer Weise betont er stattdessen die obsessiven psychischen Kräfte, die sich in den Totengeistern verkörpern.

Von Kaidan zu J-Horror

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25 Onibaba
Die Titelheldin Onibaba (die dämonische Alte) mit einer hannya-Maske, von der sie sich nicht mehr befreien kann.
Werk von Shindō Kaneto. Spätere Shōwa-Zeit, 1965. Cinema Strikes Back.

Die Edo-Zeit gilt allgemein als eine Blütezeit des Horrorgenres, sowohl auf literarischem als auch auf bildnerischem Gebiet. Besonders im neunzehnten Jahrhundert scheint die Begeisterung für das Übersinnliche einen Höhepunkt erfahren zu haben. Wie die Abbildungen in diesem Abschnitt zeigen, haben viele der heute noch bekannten Gespenstergeschichten (kaidan [kaidan (jap.) 怪談 Gespenstergeschichte]) ihre Wurzeln in dieser Zeit.

Geistergeschichten und -darstellungen erfreuten sich in der ausgehenden Edo-Zeit unter anderem deshalb großer Beliebtheit, weil eine zunehmend strengere Zensur fast alle anderen gegenwartsbezogenen Themen untersagte. Allein die Welt des Übersinnlichen — ob sie nun für real gehalten wurde oder nicht — galt als politisch unverdächtig und wurde daher zunehmend als Projektionsfläche für die Darstellung aller möglichen gesellschaftlichen Missstände herangezogen. In der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit verlor die Welt der Geister und Fabelwesen ihre politische Brisanz und erhielt stattdessen einen nostalgischen Touch. Kawanabe Kyōsai oder Tsukioka Yoshitoshi griffen u.a. auch das Horror-Genre der Edo-Zeit auf und adaptierten es für die neue Zeit. Zugleich führten sie zu einer letzten Blüte.

Obwohl die ukiyo-e nicht mehr ihr bevorzugtes visuelles Medium sind, leben die Motive, die wir ausgehend von Hokusais fünf Gespensterportraits auf dieser Seite untersucht haben, nach wie vor im kollektiven Gedächtnis Japans weiter. Heute werden sie vor allem in japanischen Horrorfilmen und Mangas visualisiert. Besonders in den Figuren der rachsüchtigen Frauengeister lassen sich die Spuren der Edo-Zeit noch heute erkennen.5

Kaidan.jpg
26 Kaidan
Filmplakat des Films „Kaidan“
Werk von Nakata Hideo. 2007. Bildquelle: unbekannt.
Sadako ringu.jpg
27 Ring
Adaptierte amerikanische Fassung des Films Ringu von Nakata Hideo, 1998. Dieser wiederum orientiert sich an der Gestalt der Okiku, die in den Brunnen geworfen wurde.
Bildquelle: unbekannt.
Kuchisake.jpg
28 Kuchisake
Kuchisake onna (die Frau mit dem Schlitzmund), eine moderne Version der hannya-Dämonin.
Werk von Hashiguchi Takaaki. 2007.
Kayako juon.jpg
29 Juon
Totengeist (yūrei) der Kayako, dargestellt von Fuji Takako. Die Handlung enthält gewisse Ähnlichkeiten mit der Geschichte der Oiwa, von deren Edo-zeitlicher Darstellung auch die Betonung des einen hervorquellenden Auges inspiriert sein dürfte.
Werk von Shimizu Takashi. Bildquelle: Ju-on-the-grudge-Wikia, Wiki.

Verweise

Fußnoten

  1. Auch hyaku monogatari kaidankai 百物語怪談会, „Hundert Geschichten Gruseltreffen“, möglicherweise zurückzuführen auf hyakuza hōdan 百座法談, hunderttägige buddhistische Predigtrituale, die Wunder durch Erzählungen von Wundern hervorrufen sollten (Reider 2001, S. 85).
  2. Mehr dazu: MAK, Wien. Abgesehen von der Darstellung als Rachegeist, erfreut sich auch eine zu Herzen gehende Szene, in der Tōgo/Sōgorō Abschied von seiner Familie nimmt, um in den sicheren Tod zu ziehen, großer Beliebtheit im ukiyo-e-Genre.
  3. Vgl. Hannya shingyō, das Herz Sutra.
  4. Auch das Blatt in der Duftwasserschale ist Teil der rituellen Opfergabe. Es handelt sich um ein Blatt des japanischen Sternanis (shikimi), einer giftigen Pflanze, die allerdings schon seit Kūkai als Opfergabe für Verstorbene dient.
  5. Den Hinweis auf die vielen Übereinstimmungen zwischen Edo-zeitlichen Gruselgeschichten und dem modernen J-Horror verdanke ich einer Seminararbeit von Sarah-Allegra Schönberger, Studentin der Japanologie an der Universität Wien (Sommersemester 2009). Die Literaturangaben dieser Seite entstammen ebenfalls ihrer Arbeit.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen

  • Muian (via Internet Archive). Dieser leider bereits aufgelassenen Website zu diversen japanischen Künstlern entstammen viele Bildbeispiele auf Religion-in-Japan.
  • Shinkei sanjūrokkaisen (Wikipedia, ja.). Sämtliche Exemplare aus Yoshitoshis Serie „36 Geister“.


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Colette Balmain, Introduction to Japanese Horror Film. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2008.
Noriko Reider, „The Appeal of Kaidan Tales of the Strange“. Asian Folklore Studies 59 (2000), 265–283. (Online.)
Noriko Reider, „The Emergence of Kaidan-shū: The Collection of Tales of the Strange and Mysterious in the Edo Period“. Asian Folklore Studies 60 (2001), 79–99. (Online.)

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Kyosai hyakki gadan.jpg
    Eine bürgerliche Familie lauscht wohlig schaudernd einer Erzählung von „Hundert Geschichten“ (Hyaku monogatari)
    Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit. Metropolitan Museum of Art, New York.
  2. ^ 
    Hokusai okiku.jpg
    Der Geist der Okiku entsteigt jede Nacht einem Brunnen, in dem sie ertränkt wurde, nachdem sie ihrem Herrn die Liebe verweigerte. Auch als Geist ist Okiku beständig auf der Suche nach dem zehnten Teller, den ihr Herr in der bösen Absicht versteckt hat, sie bei der Herrin anzuschwärzen. Der Rauch, der ihrem Mund auf diesem Bild entweicht, soll wohl das Zählen der Teller symbolisieren.
    Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.
  3. ^ 
    Hiroshige okiku.jpg
    In dieser karikaturartigen Darstellung beschwert sich das Tellergespenst Okiku bei einem Geschirrhändler, dass ihr Teller zerbrochen ist.
    Werk von Utagawa Hiroshige (1797–1858). Edo-Zeit. Bildquelle: Questo piccolo grande BANZAI.
  4. ^ 
    Hokusai oiwa.jpg
    Im zerschlissenen Lampion eines Friedhofs erscheint der Totengeist (yūrei) der ruchlos ermordeten Oiwa.
    Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.
  5. ^ 
    Oiwa kuniyoshi.jpg
    Der Totengeist der Oiwa ist eben aus dem Lampion getreten und trägt ihr ungeborenes Kind mit sich, das hier die Züge des Jizō Bosatsu angenommen hat. Das Motiv verbindet sich auf diese Weise mit den ubume, den Geistern von im Kindbett verstorbenen Müttern.

    Utagawa Kuniyoshi betont außerdem Oiwas durch Gift entstelltes Gesicht mit dem einen hervorquellenden Auge. Das Bild entstand anlässlich einer Kabuki-Aufführung 1836 mit Onoe Kikugorō III in der Rolle der Oiwa.
    Werk von Utagawa Kuniyoshi. Edo-Zeit, 1836. Bildquelle: Lyon Collection.

  6. ^ 
    Hokusai koheiji.jpg
    Das Gespenst des ermordeten Kohada Koheiji grinst über den Rand eines Moskitonetzes.
    Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Art, Boston.
  7. ^ 
    Koheiji kuniyoshi.jpg
    Der Totengeist (yūrei) des Koheiji lugt über das Moskitonetz, um seine Frau und seinen Nebenbuhler beim Liebesakt zu stören.
    Werk von Utagawa Kunitoshi. Meiji-Zeit. Bildquelle: Pink Tentacle.
  8. ^ 
    Koheiji toyokuni.jpg
    Das Bild entstand im Zusammenhang mit der Uraufführung des Kabukistückes Iroiri otogi zōshi, 1808, in dem es um die Ermordung des Kohada Koheiji durch seine seine Frau und deren Liebhaber geht. Das Bild zeigt den Moment der Rache, als der Geist des Koheiji den Kopf seiner Frau in seinen Zähnen hält. Beide Gesichter tragen im übrigen die Züge des Kabuki Schauspielers Onoe Matsusuke I (1744–1815), der offenbar eine Doppelrolle spielte, wie in der Bildinschrift vermerkt ist. In viel düsterer Form taucht das Motiv auch sechzig Jahre später bei Kawanabe Kyosai auf.
    Werk von Utagawa Toyokuni (1769–1825). Edo-Zeit, 1808. The British Museum.
  9. ^ 
    Asakura togo kuniyoshi.jpg
    Das Bild zeigt den Kabuki-Schauspieler Ichikawa Kodanji IV in der Rolle des Totengeist (yūrei) Asakura Tōgo, im Stück Higashiyama sakura zoshi. In dieser Darstellung ist die, für japanische Gespenster typische, schlaffe Handhaltung ganz besonders gut zu erkennen.
    Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Späte Edo-Zeit, 1851. The British Museum.
  10. ^ 
    Hokusai hannya.jpg
    Portrait einer menschenfressenden Dämonin (hannya), die eben einen Säugling verspeist.
    Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.
  11. ^ 
    Hannya.jpg
    Standard-Maske im für „wahnsinnige Frauen“ (hannya).
    Edo-Zeit. The British Museum.
  12. ^ 
    Rashomon kuniyoshi.jpg
    Der wackere Watanabe Tsuna wird heimtückisch von hinten attackiert, kann der Dämonin (hannya) aber mit dem Schwert einen Arm abtrennen.
    Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit, ca. 1825. National Museum of Asian Art, Arthur M. Sackler Gallery.
  13. ^ 
    Schlange hokusai.jpg
    Eine Schlange (hebi) windet sich um ein Totentäfelchen (ihai). Die Stoffmuster wiederholen die Muster der Schlangenhaut.
    Werk von Katsushika Hokusai (1790–1849). Edo-Zeit. Minneapolis Institute of Art.
  14. ^ 
    Jatai.jpg
    Illustration der Redensart: "Wer mit obi (Gürtel) schläft, träumt von Schlangen."
    Werk von Toriyama Sekien. Edo-Zeit, 1780. Internet Archive.
  15. ^ 
    Dojojiengi.jpg
    Die in eine Schlange verwandelte Kiyohime bringt die Glocke, unter der sich ihr Liebhaber versteckt, zum Glühen.

    Es handelt sich um eine illustrierte Chronik des Tempels Dōjō-ji, wo sich die Geschichte im Jahr 928 abgespielt haben soll.
    Werk von Tosa Mitsushige. Wakayama Prefectural Museum.

  1. ^ 
    Kuniyoshi kiyohime1.jpg
    Kiyohime, die sich zur Hälfte in eine Schlange verwandelt hat, windet sich um eine Tempelglocke, unter der ihr ehemaliger Geliebter Zuflucht vor ihrer Rache gesucht hat.
    Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit, um 1845. The Kuniyoshi Project.
  2. ^ 
    Okiku yoshitoshi.jpg
    Der Geist der Okiku wirkt hier im Gegensatz zu andern Totengeistern nicht furchteinflößend, sondern zart und traurig.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Meiji-Zeit. National Diet Library, Tokyo.
  3. ^ 
    Botandoro.jpg
    In der hier dargestellten Geschichte geht es um eine verführerische Geisterfrau, die einen verwitweten Samurai in ein erotisches Liebesverhältnis verstrickt. Jede Nacht erscheint sie in Begleitung ihrer Dienerin mit einer Laterne in Form einer Pfingstrose (Päonie, jap. botan). Als der Samurai entdeckt, dass seine Geliebte ein Totengeist (yūrei) ist, beendet er die Beziehung mithilfe religiöser Spezialisten, wird aber rückfällig und endet selbst im Grab. Herkunft und Motivation der Geisterfrau bleiben in dieser Geschichte im Dunkeln.

    Die Erzählung stammt von Asai Ryōi (1612–1691) und erschien erstmals 1666. Sie basiert auf einer chinesischen Vorlage.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Meiji-Zeit. National Diet Library, Tōkyō.

  4. ^ 
    Otani yoshitsugu.jpg
    Hideaki (1577–1602) kämpfte in der Schicksalsschlacht von Sekigahara (1600) anfangs gegen Tokugawa Ieyasu, lief aber zu ihm über. Sein Verrat trug entscheidend zum Sieg Ieyasus bei und wurde reich belohnt. Während der Schlacht fiel er seinem ehemaligen Verbündeten Ōtani Yoshitsugu (1559–1600) in den Rücken. Dieser fiel in der Schlacht. Später soll er Hideaki als Totengeist (yūrei) jede Nacht aufgesucht und so das frühe Ende des letzteren herbeigeführt haben.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Bildquelle: Antique Art Morimiya.
  5. ^ 
    Rashomon yoshitoshi.jpg
    Die Dämonin (hannya) ist hocherfreut, denn es ist ihr gelungen, ihren abgehackten Arm wieder zu erbeuten. Die komplexe Legende dieser Dämonin, die im Südtor der Stadt Kyōto haust, findet sich bereits in der Heian-zeitlichen Sammlung Konjaku monogatari-shū.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Meiji-Zeit. Rijksmuseum, Amsterdam (RP-P-1983-393).
  6. ^ 
    Kiyohime yoshitoshi.jpg
    Die Schlangenfrau Kiyohime entsteigt dem Fluss Hidakagawa.

    Das Motiv findet sich fast identisch in der Serie „36 Geister“ (1889–92), ebenfalls von Tsukioka Yoshitoshi, aber die frühere Fassung gefällt mir persönlich besser, vor allem wegen der Haarsträhne, in die sich die von Eifersucht besessene Kiyohime verbeißt. Diese Haarsträhne findet man auch auf einem Holzschnitt von Kuniyoshi zu diesem Motiv.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi. Edo-Zeit, 1865. Minneapolis Institute of Art.

  7. ^ 
    Obake kyosai muian.jpg
    Bild eines Totengeistes yūrei, der dem Bild eines Totengeistes entsteigt.
    Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit, 1883. Bildquelle: Muian.
  8. ^ 
    Kyosai yurei3.jpg
    Das Motiv des Rachegeists (onryō), der sich in den Haaren eines abgetrennten Kopfes festgebissen hat, findet sich auch im Zusammenhang mit Kohada Koheiji (s. Hokusai). Das Kabukistück Iroiri otogi zoshi erzählt, dass Koheiji schlussendlich seine Frau zu Tode brachte und ihren Kopf mit sich trug. Kyōsai gönnt seinem Totengeist (yūrei) allerdings keinen Triumph: in seiner Besessenheit ist der Geist nicht mehr im Stande zu erkennen, dass er das Ziel seiner Rache bereits erreicht hat.
    Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). Meiji-Zeit, 1870. Bildquelle: Keiyōdō, J-Blog, 2012.
  9. ^ 
    Yurei kyosai1.jpg
    In manischer Verzweiflung fasst sich diese weibliche Rachefigur (yūrei) selbst ins Haar, während sie den Kopf ihres Opfers an den Haaren mit sich führt.
    Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). 1871. The British Museum.
  10. ^ 
    Onibaba.jpg
    Die Titelheldin Onibaba (die dämonische Alte) mit einer hannya-Maske, von der sie sich nicht mehr befreien kann.
    Werk von Shindō Kaneto. Spätere Shōwa-Zeit, 1965. Cinema Strikes Back.
  11. ^ 
    Kaidan.jpg
    Filmplakat des Films „Kaidan“
    Werk von Nakata Hideo. 2007. Bildquelle: unbekannt.
  12. ^ 
    Sadako ringu.jpg
    Adaptierte amerikanische Fassung des Films Ringu von Nakata Hideo, 1998. Dieser wiederum orientiert sich an der Gestalt der Okiku, die in den Brunnen geworfen wurde.
    Bildquelle: unbekannt.
  13. ^ 
    Kuchisake.jpg
    Kuchisake onna (die Frau mit dem Schlitzmund), eine moderne Version der hannya-Dämonin.
    Werk von Hashiguchi Takaaki. 2007.
  14. ^ 
    Kayako juon.jpg
    Totengeist (yūrei) der Kayako, dargestellt von Fuji Takako. Die Handlung enthält gewisse Ähnlichkeiten mit der Geschichte der Oiwa, von deren Edo-zeitlicher Darstellung auch die Betonung des einen hervorquellenden Auges inspiriert sein dürfte.
    Werk von Shimizu Takashi. Bildquelle: Ju-on-the-grudge-Wikia, Wiki.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Asakura Tōgo 浅倉当吾 ^ männlicher Rachegeist der Edo-zeitl. Populärkultur und des Kabuki; basiert vermutlich auf einem realen Dorfvorsteher aus dem 17.Jh. namens Sakura Sōgorō 佐倉惣五郎
  • Banchō sarayashiki 番町皿屋敷 ^ „Das Tellerhaus in Banchō“; Kabuki-Drama und bekannte Horrorgeschichte (kaidan) über das Tellergespenst Okiku
  • butsudan 仏壇 ^ buddh. Hausaltar
  • Dōjō-ji 道成寺 ^ Tendai-Tempel in der Präfektur Wakayama, südl. von Nara, der seine Gründung bis ins Jahr 701 zurückführt; neben zahlreichen Kunstschätzen berühmt für die Legende der Kiyohime, die sich hier ereignet haben soll.
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • hannya 般若 ^ „Weisheit“, abgeleitet von skt. prajna; auch: Hannya-Maske (Dämonin)
  • Himeji-jō 姫路城 ^ Burg Himeji in der Präfektur Hyōgo
  • Hyaku monogatari 百物語 ^ „Hundert Geschichten“; Edo-zeitliches Gesellschaftsspiel bei dem man sich 100 Gruselgeschichten erzählte
  • Ibaraki Dōji 茨城童子 ^ in der Heian-Zeit angesiedelte oni-Gestalt, dem Namen nach ein „Knabe“ (dōji), in bildlichen Darstellungen aber meist weiblich konnotiert; Dämonin des Rajō-mon
  • ihai 位牌 ^ Ahnentäfelchen
  • Kabuki 歌舞伎 ^ „Gesang- und Tanzkunst“; Anfang des 17. Jh. aus Musik, Schauspiel und Tanz entwickeltes Theater-Genre
  • kaidan 怪談 ^ Gespenstergeschichte
  • Katsushika Hokusai 葛飾北斎 ^ 1760–1849; Maler und Zeichner. Bekanntester Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts
  • Kawanabe Kyōsai 河鍋暁斎 ^ 1831–1889; Künstler und Karikaturist Ende Edo-, Anfang Meiji-Zeit
  • Kiyohime 清姫 ^ Heldin einer berühmten Legende aus der Heian-Zeit (10. Jh.); Sinnbild rasender Eifersucht
  • Kobayakawa Hideaki 小早川秀秋 ^ 1577-1602; kämpfte in der Schicksalsschlacht von Sekigahara (1600) später an Tokugawa Ieyasus Seite und verriet infolgedessen seinen Verbündeten Ōtani Yoshitsugu; Neffe von Toyotomi Hideyoshi
  • Kohada Koheiji 小幡小平次 ^ Figur des Kabuki-Theaters; Totengeist eines betrogenen Ehemannes
  • Konjaku monogatari 今昔物語 ^ „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext
  • Meiji 明治 ^ posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
  • Minamoto no Yorimitsu 源頼光 ^ 948–1021, auch Minamoto Raikō; Krieger aus der Dynastie der Minamoto; zusammen mit seinen vier Vasallen, die auch als Shi-Tennō bezeichnet werden, ist er Held zahlreicher Legenden
  • ^ traditionelles jap. Theater mit charakterstischem Tanz, Gesang und Masken; entwickelte sich im 14. Jh. aus dem volkstümlichen dengaku (Feld- oder Bauern-Theater) und avancierte zur repräsentativen Theaterform der Kriegerelite (bushi)
  • obi^ Gürtel, der zum Kimono oder zur Kampfsportbekleidung getragen wird
  • Oiwa お岩 ^ weiblicher Totengeist der Edo-Zeit; „Lampiongespenst“
  • Okiku お菊 ^ weiblicher Totengeist aus der Edo-Zeit; „Tellergespenst“
  • oni^ Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister
  • onryō 怨霊 ^ Rachegeist
  • Ōtani Yoshitsugu 大谷吉継 ^ 1559-1600; Samurai; wurde von seinem Verbündeten Kobayakawa Hideaki verraten und fiel in der Schlacht von Sekigahara [Sekigahara '"`UNIQ--nowiki-000013A3-QINU`"' (jap.) 関ケ原 Ort in der Präfektur Gifu, wo Tokugawa Ieyasu im Jahr 1600 eine Entscheidungsschlacht gewann] (1600); als Totengeist (yūrei) soll er Hideaki heimgesucht haben
  • prajñā (skt.) प्रज्ञा ^ Wissen, Verstehen, Weisheit (jap. hannya 般若)
  • Rajō-mon 羅城門 ^ südl. Haupttor einer klassischen Stadtanlage; insbes. Haupttor von Heian-kyō (heute Kyōto), 980 zerstört
  • Santō Kyōden 山東京伝 ^ 1761–1816; Edo-zeitlicher Schriftsteller und Maler
  • shita-uri シタ賣/下売 ^ „Verkauf unten“; Zensurstempel auf Blockdrucken von Schauspielern um 1850, die besagten, dass das betreffende Bild nicht öffentlich ausgestellt, sondern nur unter dem Ladentisch verkauft werden durfte
  • shūnen 執念 ^ Rachsucht, Groll, Obsession
  • svastika (skt.) स्वस्तिक ^ „Swastika“, indisches Glückssymbol; in Japan buddhistisches Symbol, meist linksgewinkelt (im Gegensatz zum „Hakenkreuz“) (jap. man-ji 卍)
  • Toriyama Sekien 鳥山石燕 ^ 1712–1788; Künstler und Gelehrter; vor allem bekannt für seine illustrierten Gespenster-Enzyklopädien
  • Tsukioka Yoshitoshi 月岡芳年 ^ 1839–1892; Maler; ukiyo-e-Küstler
  • ukiyo-e 浮世絵 ^ „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit
  • Utagawa Hiroshige 歌川広重 ^ 1797–1858; einer der stilbildenden Meister des japanischen ukiyo-e-Farbholzschnitts Ende der Edo-Zeit
  • Utagawa Kuniyoshi 歌川国芳 ^ 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts
  • Watanabe no Tsuna 渡邊綱 ^ 953–1025; Krieger der Heian-Zeit; Vasall des Minamoto no Yorimitsu; Held zahlreicher Sagen und Legenden
  • Yotsuya kaidan 四谷怪談 ^ Kabuki-Stück von Tsuruya Nanboku, 1825; berühmte japanische Gespenstergeschichte (kaidan) von Oiwa, einem Geist in Lampiongestalt
  • yūrei 幽霊 ^ Totengeist