Geschichte/Terauke/Daimyatsshinto: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
 
(44 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 2: Zeile 2:
 
| Daimyatsshintō
 
| Daimyatsshintō
 
}}  
 
}}  
{{fl|D}}aimyatsshintō ({{g|hanryoushintou}}) ist ein Begriff, den ein Forschungsteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften<ref>[[Bernhard Scheid]], Stefan Köck und Brigitte Pickl-Kolaczia, die zu diesem Thema ein vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes Projekt am Institut für Kultur- und Geisteswissenschaften Asiens der ÖAW durchführen (2016–2023).</ref> entwickelte, um  ein besonderes religionsgeschichtliches Phänomen der frühen {{g|Edo}}-Zeit zu bezeichnen. Mitte des 17. Jahrhunderts kam es nämlich in einigen Fürstentümern (Daimyaten) zu religionspolitischen Reformen, die einerseits zu einer Reduktion buddhistischer Tempel und andererseits zu einer Aufwertung des lokalen Schreinwesens führten. Die teils drastischen Reformen können wahrscheinlich als kritische Reaktionen auf das {{g|terauke}}-System angesehen werden, stellten aber zugleich einen wichtigen Schritt in der Evolution des Shintō dar.   
+
{{floatright | sidebox=1
 +
|Yomeimon_suijin.jpg
 +
|Shintōistischer Wächtergott
 +
|rh= auto |b= -80 |lr=-30
 +
|ref= 1
 +
}}
 +
Daimyatsshintō ({{g|hanryoushintou}}, ''Domain Shintō'') ist ein Begriff, den ein Forschungsteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften<ref>[[Bernhard Scheid]], Stefan Köck und Brigitte Pickl-Kolaczia, die zu diesem Thema ein vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes Projekt am Institut für Kultur- und Geisteswissenschaften Asiens der ÖAW durchführen (2016–2023).</ref> entwickelte, um  ein besonderes religionsgeschichtliches Phänomen der frühen {{g|Edo}}-Zeit zu bezeichnen. In der zweiten Hälfte  des 17. Jahrhunderts kam es nämlich in einigen Fürstentümern ({{g|han|Daimyaten}}) zu religionspolitischen Reformen, die einerseits zu einer Reduktion buddhistischer Tempel und andererseits zu einer Aufwertung des lokalen Schreinwesens führten. Die teils drastischen Maßnahmen wurden oft als kritische Reaktionen auf die wachsende Macht des Buddhismus im Zuge des {{g|terauke}}-Systems angesehen. Zugleich stellten aber auch einen wichtigen Schritt in der Evolution des Shintō dar, da hier erstmals eine systematische Trennung von Buddhismus und Shinto auf  religionspolitischer Ebene sichtbar wird.   
  
 
== Regionen und Akteure ==
 
== Regionen und Akteure ==
  
In den drei der am meisten betroffenen Daimyaten kam es zu einer Reduktion buddhistischer Tempel um mehr als 50% sowie zu einer Zerstörung unzähliger kleinerer Shintō Schreine. Dafür wurden einzelne Schreine aufgewertet, indem sie z.B. mit einem permanenten Priester versehen wurden. Diese Maßnahmen waren in manchen Fällen von der Laisierung, in anderen Fällen von der  Exilierung der vor Ort tätigen buddhistischen Mönche begleitet. In ihrer Radikalität und Grausamkeit entsprachen diese Einschnitte in die religiöse Landschaft durchaus dem Stil der Zeit (nur wenige Jahrzehnte zuvor mussten zehntausende [[Geschichte/Christentum/Christenverfolgung|Christen wegen ihres Glaubens ihr Leben lassen]]). Doch lassen sich die Reformen nur schwer mit der offiziellen Regierungslinie erklären, die den Buddhismus ja im Zuge des {{g|terauke}}-Systems förderte. Dennoch wurden Daimyatsshintō-Reformen von {{g|Daimyou}} durchgeführt, die in engsten verwandtschaftlichen Verhältnissen zum regierenden {{g|Tokugawa}}-Haus standen.     
+
In drei Daimyaten, die dank der Konsequenz ihrer Reformen als Musterbeispiele des Daimyatsshintō gelten können, kam es zu einer Reduktion buddhistischer Tempel um mehr als 50% sowie zu einer Zerstörung unzähliger kleinerer Shintō Schreine. Dafür wurden einzelne Schreine aufgewertet, indem sie z.B. mit einem permanenten Priester versehen wurden. Diese Maßnahmen waren in manchen Fällen von der Laisierung, in anderen Fällen von der  Exilierung der vor Ort tätigen buddhistischen Mönche begleitet. In ihrer Radikalität und Grausamkeit entsprachen diese Einschnitte in die religiöse Landschaft durchaus dem Stil der Zeit (nur wenige Jahrzehnte zuvor mussten zehntausende [[Geschichte/Christentum/Christenverfolgung|Christen wegen ihres Glaubens ihr Leben lassen]]). Doch lassen sich die Reformen nur schwer mit der offiziellen Regierungslinie erklären, die den Buddhismus ja im Zuge des {{g|terauke}}-Systems förderte. Dennoch wurden Daimyatsshintō-Reformen von {{g|Daimyou}} durchgeführt, die in engsten verwandtschaftlichen Verhältnissen zum regierenden {{g|Tokugawa}}-Haus standen.     
 
In der Reihenfolge der Radikalität ihrer Reformen lassen sich folgende Daimyate aufzählen:  
 
In der Reihenfolge der Radikalität ihrer Reformen lassen sich folgende Daimyate aufzählen:  
 
{{shortlist|
 
{{shortlist|
 
* {{g|Okayamahan|Okayama}} in der Mitte der Kansai-Region (Westjapan)
 
* {{g|Okayamahan|Okayama}} in der Mitte der Kansai-Region (Westjapan)
* {{g|Mitohan|Mito}} im Osten der Kantō-Region (Ostjapan)
+
* {{g|Mito}} im Osten der Kantō-Region (Ostjapan)
 
* {{g|aizuhan|Aizu}} in Nordjapan
 
* {{g|aizuhan|Aizu}} in Nordjapan
 
}}
 
}}
In Okayama herrschte {{g|ikedamitsumasa}}, ein angeheirateter Verwandter der Tokugawa, in Mito {{g|tokugawamitsukuni}}, der Stammhalter eines der Drei Ehrbaren [Zweig-]Häuser ({{g|gosanke}}) des Shōgun, und in Aizu {{g|hoshinamasayuki}}, ein Onkel und zeitweiliger Regent des vierten Shōgun, {{g|tokugawaietsuna}}. Daneben gab es über ganz Japan verstreute Daimyate, in denen gleichzeitig mehr oder weniger „Shintō-freundliche“ Maßnahmen durchgesetzt wurden, aber in der Breite und Konsequenz ihrer religiösen Reformen stellten die drei genannten Fürstentümer eine Besonderheit dar. Unter späteren Historikern wurden die drei Daimyō überwiegend positiv bewertet, sodass sie auch häufig als die „Drei Namhaften Landesherren“ ({{g|sanmeikun}}) der frühen Edo-Zeit apostrophiert werden.
+
In Okayama herrschte {{g|ikedamitsumasa}}, ein angeheirateter Verwandter der Tokugawa, in Mito {{g|tokugawamitsukuni}}, der Stammhalter eines der Drei Ehrbaren [Zweig-]Häuser ({{g|gosanke}}) des {{g|Shougun}}, und in Aizu {{g|hoshinamasayuki}}, ein Onkel und zeitweiliger Regent des vierten Shōgun, {{g|tokugawaietsuna}}. Daneben gab es über ganz Japan verstreute Daimyate, in denen gleichzeitig mehr oder weniger „Shintō-freundliche“ Maßnahmen durchgesetzt wurden, aber in der Breite und Konsequenz ihrer religiösen Reformen stellten die drei genannten Fürstentümer eine Besonderheit dar. Unter späteren Historikern wurden die drei Daimyō überwiegend positiv bewertet, sodass sie auch häufig als die „Drei Namhaften Landesherren“ ({{g|sanmeikun}}) der frühen Edo-Zeit apostrophiert werden.
 +
 
 +
Eine Generation vor den genannten Akteuren schuf ein weiteres Mitglied der shogunalen Familie, {{g|tokugawayoshinao}}, die Basis für die erwähnten Reformen. Zusammen mit dem konfuzianischen Gelehrten {{g|hayashirazan}} begann er, die alten Schreine seines Herrschaftsgebietes {{g|Owari}} systematisch auszuforschen, zu revitalisieren und baulich zu erneuern. Diese Arbeit wurde ab den 1620er Jahren systematisch dokumentiert. Ähnliche „wissenschaftliche“ Bemühungen um das alte Schreinwesen sind auch von den oben genannten Daimyō bekannt. Laut {{g|inouetomokatsu}} kann man in Tokugawa Yoshinao daher den eigentlichen Urheber des Daimyatsshintō erblicken.<ref>Inoue Tomokatsu, „Domain Shinto as a Tool to Acquire Ruling Legitimacy“ (2021 in Vorbereitung).</ref> In jedem Fall lässt sich festhalten, dass die Reformen des Daimyatsshintō zumeist von Fürsten umgesetzt wurden, die erstens mit der regierenden Dynastie in enger verwandtschaftlicher Verbindung standen und zweitens ein besonderes Interesse am Konfuzianismus hatten.
  
 
== Shintō und Konfuzianismus ==
 
== Shintō und Konfuzianismus ==
  
Ideologisch waren die Namhaften Landesherren stark vom [[Konfuzianismus]] beeinflusst. Sie verstanden sich als Repräsentanten einer neuen Zeit, die die chaotischen Verhältnisse des japanischen Mittelalters  endgültig in eine nach rationalen Gesichtspunkten geordneten „zivilisierte“ Gesellschaft nach klassischen chinesischen Vorbildern überführen sollte.<ref>Laut  Inoue Tomokatsu waren sich die Intellektuellen der frühen Edo-Zeit sehr wohl des devastierenden Image-Verlustes bewusst, den die erfolglosen Eroberungsversuche des {{gb|toyotomihideyoshi}} (1592–1598) in China und Korea hinterlassen hatten. Die Förderung des Konfuzianismus erklärt Inoue aus dem Bedürfnis, das daraus resultierende Bild der japanischen Barbarei zu kitten (s. Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 6).</ref> Sie standen in engem Kontakt mit Konfuzianern wie {{g|hayashirazan}} oder {{g|kumazawabanzan}}, die ihrerseits den Buddhismus für die Verirrungen vergangener Jahrhunderte verantwortlich machten. Zugleich sahen sowohl die Herrscher als auch ihre konfuzianischen Ratgeber in den alten Schreinen ein lange vernachlässigtes Identitätsmerkmal der japanischen Kultur. In der Wiederherstellung dieser Schreine und des alten „Götterweges“ ({{g|shintou}}) sahen sie ein Mittel, einerseits die Vorherrschaft des Buddhismus zu durchbrechen und andererseits eine nationale Eigenständigkeit gegenüber China zu entwickeln, das sie sowohl als Modell  als auch als Bedrohung Japans ansahen. Ihr Bild des Shintō war ähnlich widersprüchlich. Der Begriff stand für eine idealisierte Vergangenheit, die letztlich aus der Tradition des Kaiserhauses bestand. Das Kaiserhaus kapselte sich jedoch gegenüber „Emporkömmlingen“ aus dem Kriegeradel weitgehend ab, sodass selbst den Namhaften Landesherren ein direkter Zugang zu seinen Priester- und Gelehrtentraditionen verwehrt blieb. Der „Shintō“ des Kaiserhauses war für sie daher ein weitgehend unbekanntes Terrain.
+
Ideologisch waren die Namhaften Landesherren stark vom [[Konfuzianismus]] beeinflusst. Sie verstanden sich als Repräsentanten einer neuen Zeit, die die chaotischen Verhältnisse des japanischen Mittelalters  endgültig in eine nach rationalen Gesichtspunkten geordneten „zivilisierte“ Gesellschaft nach klassischen chinesischen Vorbildern überführen sollte.<ref>Laut  Inoue Tomokatsu waren sich die Intellektuellen der frühen Edo-Zeit sehr wohl des devastierenden Image-Verlustes bewusst, den die erfolglosen Eroberungsversuche des {{gb|toyotomihideyoshi}} (1592–1598) in China und Korea hinterlassen hatten. Die Förderung des Konfuzianismus erklärt Inoue aus dem Bedürfnis, das daraus resultierende Bild der japanischen Barbarei zu kitten (s. Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 6).</ref> Sie standen in engem Kontakt mit Konfuzianern wie {{g|hayashirazan}} oder {{g|kumazawabanzan}}, die ihrerseits den Buddhismus für die Verirrungen vergangener Jahrhunderte verantwortlich machten. Zugleich sahen sowohl die Herrscher als auch ihre konfuzianischen Ratgeber in den alten Schreinen ein lange vernachlässigtes Identitätsmerkmal der japanischen Kultur. In der Wiederherstellung dieser Schreine und des alten „Götterweges“ ({{g|shintou}}) sahen sie ein Mittel, einerseits die Vorherrschaft des Buddhismus zu durchbrechen und andererseits eine nationale Eigenständigkeit gegenüber China zu entwickeln, das sie sowohl als Modell  als auch als Bedrohung Japans ansahen. Ihr Bild des Shintō war ähnlich zwiespältig. Der Begriff stand für eine idealisierte Vergangenheit, die letztlich aus der Tradition des Kaiserhauses bestand. Das Kaiserhaus kapselte sich jedoch gegenüber „Emporkömmlingen“ aus dem Kriegeradel weitgehend ab, sodass selbst den Namhaften Landesherren ein direkter Zugang zu seinen Priester- und Gelehrtentraditionen verwehrt blieb. Der „Shintō“ des Kaiserhauses war für sie daher ein weitgehend unbekanntes Terrain.
  
 
== Trennung von Tempeln und Schreinen ==
 
== Trennung von Tempeln und Schreinen ==
  
Hinsichtlich der religiösen Situation in ihren Herrschaftsgebieten waren die Drei Namhaften Landesherren durchaus Realisten. Trotz ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Buddhismus erkannten sie an, dass sich das System der Glaubensüberprüfung als Herrschaftsinstrument bewährte und keinen Schaden leiden durfte. Ihr Ehrgeiz richtete sich jedoch darauf, den Buddhismus in allen anderen Bereichen des religiösen Lebens zurückzudrängen. Namentlich die Vermischung von einheimischen {{g|kami}}-Kulten mit buddhistischen Praktiken ({{g|shinbutsushuugou}}) bzw. die überall im Land gängige buddhistische Oberaufsicht über das lokale Schreinwesen war ihnen ein Dorn im Auge. Ihre Reformen zielten daher in erster Linie auf eine Trennung von Schreinen und Tempeln ({{g|shinbutsubunri}}) ab, im Zuge derer alle synkretistischen Institutionen — auch Schreine, die keine traditionellen Beziehungen zum Kaiserhaus vorweisen konnten — schlicht beseitigt werden sollten.  
+
Hinsichtlich der religiösen Situation in ihren Herrschaftsgebieten waren die Drei Namhaften Landesherren durchaus Realisten. Trotz ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Buddhismus erkannten sie an, dass sich das System der Glaubensüberprüfung als Herrschaftsinstrument bewährte und keinen Schaden leiden durfte. Ihr Ehrgeiz richtete sich jedoch darauf, den Buddhismus in allen anderen Bereichen des religiösen Lebens zurückzudrängen. Namentlich die Vermischung von einheimischen {{g|kami}}-Kulten mit buddhistischen Praktiken ({{g|shinbutsushuugou}}) bzw. die überall im Land gängige buddhistische Oberaufsicht über das lokale Schreinwesen war ihnen ein Dorn im Auge. Ihre Reformen zielten daher in erster Linie auf eine Trennung von Schreinen und Tempeln ({{g|shinbutsubunri}}) ab, im Zuge derer alle gemischt-religiösen Institutionen — auch Schreine, die keine traditionellen Beziehungen zum Kaiserhaus vorweisen konnten — schlicht beseitigt werden sollten.  
  
Die Initialzündung für die Reformen des Daimyatsshintō stellte eine neues Gesetz von 1665 dar, die „Verordnungen für Schreinpriester“ ({{g|shoshanegikannushihatto}}). Diese Verordnungen bestanden zwar lediglich aus fünf eher allgemein gehaltenen Punkten (z.B. Schreine sollen geehrt und baulich in Ordnung gehalten werden), sie stellten aber das erste juridische Dokument des Tokugawa-Regimes dar, das Schreine überhaupt erwähnte und verlieh ihnen damit erstmals, wie Mark Teeuwen argumentiert, einen Rechtsstatus, der dem von buddhistischen Tempeln vergleichbar war.<ref>S. Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 10</ref> Dies führte landesweit zu einer neuen Aufmerksamkeit für die Sache des Shintō. Die zweite Hälfte der 1660er Jahre stellt insofern den Höhepunkt des Daimyatsshintō dar.
+
Die Initialzündung für die Reformen des Daimyatsshintō stellte ein neues Gesetz von 1665 dar, die „Verordnungen für Schreinpriester“ ({{g|shoshanegikannushihatto}}). Diese Verordnungen bestanden zwar lediglich aus fünf eher allgemein gehaltenen Punkten (z.B. sollten Schreine geehrt und baulich in Ordnung gehalten werden), sie stellten aber das erste juridische Dokument des Tokugawa-Regimes dar, das Schreine überhaupt erwähnte und verlieh ihnen damit erstmals einen Rechtsstatus, der dem von buddhistischen Tempeln vergleichbar war.<ref>S. {{gb|Teeuwenmark}} in Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 10</ref> Dies führte landesweit zu einer neuen Aufmerksamkeit für die Sache des Shintō.
  
 
== Die Reformen im Einzelnen ==
 
== Die Reformen im Einzelnen ==
Die Reformen der Namhaften Landesherren waren zwar von einem ähnlichen Geist getragen, stellten aber wahrscheinlich keine konzertierte Aktion dar und gestalteten sich im einzelnen recht unterschiedlich.
+
 
 +
Die Reformen der Namhaften Landesherren waren zwar von einem ähnlichen Geist getragen und wurden im Wesentlichen in der zweiten Hälfte der 1660er Jahre durchgesetzt, sie stellten aber wahrscheinlich keine konzertierte Aktion dar und gestalteten sich im einzelnen recht unterschiedlich.
  
 
=== Okayama ===
 
=== Okayama ===
Ikeda Mitsumasa begann im Sommer 1666 mit der Reduktion buddhistischer Tempel in seinem Daimyat. Dieses war zu dieser Zeit eine Hochburg des {{g|nichiren}}-Buddhismus und zwar in einer „fundamentalistischen“ Variante, der sogenannten {{g|fujufuse}}-Fraktion, die mit der Religionspolitik der Tokugawa bereits landesweit in Konflikt geraten war.  Mitsumasa ließ die ''fujufuse''-Tempel kurzerhand zerstören und ihre Mönche ins Exil schicken, was allerdings dazu führte, dass zu wenig buddhistisches Personal für die Abwicklung der obligatorischen Glaubensüberprüfungen der Bevölkerung zur Verfügung stand. Mitsumasa verlagerte dieses Verfahren daher auf Shintō-Schreine und schuf damit das einzige Daimyat, in dem ''terauke'' durch Shinto-Priester durchgeführt wurde ({{g|shintouuke}}). Das System wurde aber nach 20 Jahren auf Druck der Zentralregierung wieder abgeschafft.<ref>S. dazu Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 11.</ref>
+
Ikeda Mitsumasa begann im Sommer 1666 mit der Reduktion von Shintō Schreinen in seinem Daimyat. Von über 11.000 Einzelschreinen (sicher zum größten Teil Miniaturschreine, {{g|hokora}}) blieb nur noch ein Schrein pro Dorf über, insgesamt kaum mehr als 600. Diese Schreine sollten dafür alle einen professionellen Priester bekommen, was in dieser Zeit nur bei großen, überregional einflussreichen Schreinen der Fall war. Ein halbes Jahr später folgte die Schließung buddhistischer Tempel. Okayama war damals  eine Hochburg des {{g|nichiren}}-Buddhismus und zwar in einer „fundamentalistischen“ Variante, getragen von der sogenannten {{g|fujufuse}}-Fraktion, die mit der Religionspolitik der Tokugawa bereits landesweit in Konflikt geraten war.  Mitsumasa ließ die ''fujufuse''-Tempel kurzerhand zerstören und ihre Mönche ins Exil schicken, was allerdings dazu führte, dass zu wenig buddhistisches Personal für die Abwicklung der obligatorischen Glaubensüberprüfungen der Bevölkerung zur Verfügung stand. Mitsumasa verlagerte dieses Verfahren daher auf Shintō-Schreine und schuf damit das einzige Daimyat, in dem ''terauke'' durch Shinto-Priester durchgeführt wurde ({{g|shintouuke}}). Das System wurde aber nach 20 Jahren auf Druck der Zentralregierung wieder abgeschafft.<ref>S. dazu Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 11.</ref>
  
 
===Mito===
 
===Mito===
In Mito fand ab 1666 eine Reduktion der buddhistischen Tempel auf 40 Prozent statt. Zugleich verfolgte Tokugawa Mitsukuni das Prinzip „ein Dorf, ein Schrein“, was teilweise zu Neuerrichtungen bzw. Aufwertungen von Schreinen führte. Ähnlich wie in Okayma wurden aber auch zahlreiche kleinere, als „unnütz“ eingestufte Schreine demontiert. In beiden Daimyaten wurde eine Art ''shintō-uke''-Praxis für Shintō-Priester institutionalisiert, die daher nicht (wie überall sonst) gezwungen waren, zum Zweck der Glaubensüberprüfung Mitglieder eines buddhistischen Tempels zu werden.<ref>S. dazu Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 12.</ref>
+
In Mito fand ab 1666 eine Reduktion der buddhistischen Tempel auf 40 Prozent statt. Zugleich verfolgte Tokugawa Mitsukuni das Prinzip „ein Dorf, ein Schrein“, was teilweise zu Neuerrichtungen bzw. Aufwertungen von Schreinen führte. Ähnlich wie in Okayama wurden aber auch zahlreiche kleinere, als „unnütz“ eingestufte Schreine demontiert. In beiden Daimyaten wurde eine Art ''shintō-uke''-Praxis für Shintō-Priester institutionalisiert, die daher nicht (wie überall sonst) gezwungen waren, zum Zweck der Glaubensüberprüfung Mitglieder eines buddhistischen Tempels zu werden.<ref>S. dazu Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 12.</ref> Diese Maßnahmen hatten in beiden Daimyaten Bestand.
  
 
=== Aizu ===
 
=== Aizu ===
  
Ähnliche, wenn auch weniger radikale Maßnahmen gab es auch in Aizu, dessen Landesherr, Hoshina Masayuki, zugleich so etwas wie die graue Eminenz der Tokugawa-Zentralregierung darstellte. Die Besonderheit lag in diesem Fall darin, dass Masayuki durch den Shintō-Intellektuellen {{g|yoshikawakoretaru}} direkten Zugriff auf die Begräbnisrituale des {{g|Yoshidashintou}} hatte, die damals eine gut gehütete Geheimtradition der Yoshida-Priester in Kyōtō darstellten. Auf der Grundlage dieser Riten verfügte Masayuki ein Shintō-Begräbnis für sich, das zugleich seine Deifizierung beinhaltete. Trotz Widerstände seitens der Zentralregierung (solche Ehrungen standen offiziell nur dem Dynastiebegründer {{g|tokugawaieyasu}} zu) konnte Masayukis testamentarischer Wunsch in die Tat umgesetzt werden und begründete eine eigene Tradition von Shintō-Bestattungen in Aizu.
+
Ähnliche, wenn auch weniger radikale Maßnahmen gab es auch in Aizu, dessen Landesherr, Hoshina Masayuki, zugleich so etwas wie die graue Eminenz der Tokugawa-Zentralregierung darstellte. Die Besonderheit lag in diesem Fall darin, dass Masayuki durch den Shintō-Intellektuellen {{g|yoshikawakoretaru}} direkten Zugriff auf die Begräbnisrituale des {{g|Yoshidashintou}} hatte, die damals eine gut gehütete Geheimtradition der Yoshida-Priester in Kyōtō darstellten. Auf der Grundlage dieser Riten sah Masayuki ein Shintō-Begräbnis für sich selbst vor, das zugleich seine Deifizierung beinhaltete. Trotz ernsthafter Vorbehalte seitens der Zentralregierung (solche Ehrungen standen offiziell nur dem Dynastiebegründer {{g|tokugawaieyasu}} zu) konnte Masayukis testamentarischer Wunsch in die Tat umgesetzt werden und begründete eine eigene Tradition von Shintō-Bestattungen in Aizu.
  
== Sonstige Shinto-freundliche Reformen ==
+
== Sonstige Shinto-zentrierte Reformen ==
  
 
Auch außerhalb der drei genannten Daimyate kam es mit der Unterstützung lokaler Fürsten zu vergleichbaren Shinto-zentrierten Reformen, die sich allerdings meist nur auf einzelne Schreine bezogen. Das früheste Beispiel ist die Restaurierung des Großschreins von Izumo ({{g|izumotaisha}}), der schon lange auf eine Neuerrichtung seiner einst monumentalen Schreinhallen gewartet hatte. Als der neue Daimyō, {{g|Matsudairanaomasa}} (ein Enkel Ieyasus) Anfang der 1660er Jahre endlich die nötigen Mittel dazu lukrieren konnte, wurde die Anlage von sämtlichen buddhistischen Tempeln, die sich dort angesiedelt hatten, gesäubert und unter eine neue, rein Shinto-priesterliche Verwaltung gestellt. Auch die Hauptgottheit wurde geändert – statt {{g|susanoo}} wurde, alten Dokumenten entsprechend, {{g|ookuninushi}} eingesetzt (s. dazu auch {{showTitel|Essays/Okuninushi}}).   
 
Auch außerhalb der drei genannten Daimyate kam es mit der Unterstützung lokaler Fürsten zu vergleichbaren Shinto-zentrierten Reformen, die sich allerdings meist nur auf einzelne Schreine bezogen. Das früheste Beispiel ist die Restaurierung des Großschreins von Izumo ({{g|izumotaisha}}), der schon lange auf eine Neuerrichtung seiner einst monumentalen Schreinhallen gewartet hatte. Als der neue Daimyō, {{g|Matsudairanaomasa}} (ein Enkel Ieyasus) Anfang der 1660er Jahre endlich die nötigen Mittel dazu lukrieren konnte, wurde die Anlage von sämtlichen buddhistischen Tempeln, die sich dort angesiedelt hatten, gesäubert und unter eine neue, rein Shinto-priesterliche Verwaltung gestellt. Auch die Hauptgottheit wurde geändert – statt {{g|susanoo}} wurde, alten Dokumenten entsprechend, {{g|ookuninushi}} eingesetzt (s. dazu auch {{showTitel|Essays/Okuninushi}}).   
  
Eine ähnliche Bereinigung des mittelalterlich-buddhistischen Erbes alter Schreinanlagen fand Ende der 1660er Jahre auch in {{g|Ise}} statt. Hier und in Izumo liegt eine besondere Ironie in der Tatsache, dass die finanziellen Mitteln für den jeweiligen Schrein-Neubau zu einem beträchtlichen Teil von lokalen buddhistischen Organisationen stammten, die in jahrelangen Kampagnen Spenden für „ihren Schrein“ gesammelt hatten. Schlussendlich untersagten aber Autoritäten, die dem oben erwähnten Hoshina Masayuki nahe standen, jede buddhistische Beteiligung an der Renovierung der Schreinbauten und an den entsprechenden Einweihungszeremonien.
+
Eine ähnliche Bereinigung des mittelalterlich-buddhistischen Erbes alter Schreinanlagen fand Ende der 1660er Jahre auch in {{g|Ise}} statt. Hier und in Izumo liegt eine besondere Ironie in der Tatsache, dass die finanziellen Mitteln für den jeweiligen Schrein-Neubau zu einem beträchtlichen Teil von lokalen buddhistischen Organisationen stammten, die in jahrelangen Kampagnen Spenden für „ihren Schrein“ gesammelt hatten. Schlussendlich untersagten aber Autoritäten, die dem oben erwähnten Hoshina Masayuki nahe standen, jede buddhistische Beteiligung an der Renovierung der Schreinbauten und an den entsprechenden Einweihungs&shy;zeremonien.
  
 
== Zusammenfassung ==
 
== Zusammenfassung ==
  
Daimyatsshintō kennzeichnet eine religionsgeschichtliche Phase ab der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, als einzelne Buddhismus-kritische Herrscher gegen den sonst üblichen Trend der Zeit eine Neubewertung von Shintō zu Ungunsten des Buddhismus vornahmen. Intellektuell wurde diese Entwicklung vor allem von einer neo-konfuzianischen Buddhismus-Kritik  voran getrieben, ging also nicht unmittelbar aus Shintō-Kreisen hervor. Politisch wurde sie von Daimyos getragen, die dem Tokugawa-Regime verwandtschaftlich verbunden waren und wohl aus diesem Grund mehr Spielraum in ihren religionspolitischen Entscheidungen hatten. Ihr Unwillen richtete sich offenbar vor allem gegen gemischt-religiösen Institutionen. Es kam daher schon im 17. Jahrhundert zu lokalen „Trennungen von Shintō und Buddhismus“ ({{g|shinbutsubunri}}) wie sie 200 Jahre danach für die Meiji-Zeit prägend werden sollten. Insofern nahm der Daimyatsshintō auf lokaler Ebene spätere Entwicklungen auf nationaler Ebene vorweg. In  vielen Details unterschied sich der Daimyatsshintō jedoch von der {{g|Bakumatsu}} und {{g|Meiji}}-Zeit, z.B. indem er nach einer Synthese von Shintō und Konfuzianismus strebte oder indem er die xenophobe Konzentration auf das nationale Erbe, das allein über den Tennō definiert wurde (Stichwort „{{g|sonnoujoui}}“), noch nicht als politisches Programm hochhielt (s. dazu {{showTitel|geschichte/Staatsshinto}}), sondern politisch auf der Seite des regierenden Tokugawa-Regimes stand. Allerdings ist es wohl kein Zufall, dass Tokugawa Mitsukuni mit der „[[Geschichte/Neo-Konfuzianismus/Dainihonshi|Großen Geschichte Japans]]“ ({{g|dainihonshi}}) ein Projekt initiierte, das letztlich einen entscheidenden Einfluss auf das Herrschaftsverständnis der Meiji-Zeit ausüben sollte.   
+
Daimyatsshintō kennzeichnet eine religionsgeschichtliche Phase ab der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, als einzelne Buddhismus-kritische Herrscher gegen den sonst üblichen Trend der Zeit eine Neubewertung von Shintō zu Ungunsten des Buddhismus vornahmen. Intellektuell wurde diese Entwicklung vor allem von einer neo-konfuzianischen Buddhismus-Kritik  voran getrieben, ging also nicht unmittelbar aus Shintō-Kreisen hervor. Politisch wurde sie von Daimyō getragen, die dem Tokugawa-Regime verwandtschaftlich verbunden waren und wohl aus diesem Grund mehr Spielraum in ihren religionspolitischen Entscheidungen hatten. Ihr Unwillen richtete sich offenbar vor allem gegen gemischt-religiöse Institutionen. Es kam daher schon im 17. Jahrhundert zu lokalen „Trennungen von Shintō und Buddhismus“ ({{g|shinbutsubunri}}) wie sie 200 Jahre danach für die Meiji-Zeit prägend werden sollten. Insofern nahm der Daimyatsshintō auf lokaler Ebene spätere Entwicklungen auf nationaler Ebene vorweg. In  vielen Details unterschied sich der Daimyatsshintō jedoch von der {{g|Bakumatsu}}- und {{g|Meiji}}-Zeit, z.B. indem er nach einer Synthese von Shintō und Konfuzianismus strebte oder indem er die Rückkehr zum Tennō-Staat des Altertums und die damit verbundene xenophobe Konzentration auf das nationale Erbe (Stichwort „{{g|sonnoujoui}}“) noch nicht als konkrete Utopie formulierte (s. dazu {{showTitel|geschichte/Staatsshinto}}), sondern politisch auf der Seite des regierenden Tokugawa-Regimes stand. Allerdings ist es wohl kein Zufall, dass Tokugawa Mitsukuni mit der „[[Geschichte/Neo-Konfuzianismus/Dainihonshi|Großen Geschichte Japans]]“ ({{g|dainihonshi}}) ein Projekt initiierte, das letztlich einen entscheidenden Einfluss auf das Tennō-zentrierte Herrschaftsverständnis der Meiji-Zeit ausüben sollte.   
 
+
{{Verweise
{{ThisWay}}
+
|thisway=
{{verweise
 
 
|themen=  
 
|themen=  
* {{showTitel_sitemap|Geschichte/Neo-Konfuzianismus/Dainihonshi}}
+
* {{showTitel| attr=0|Geschichte/Neo-Konfuzianismus/Dainihonshi}}
|bilder= 0
 
 
|literatur=  
 
|literatur=  
 
{{literatur: Koeck 2021}}
 
{{literatur: Koeck 2021}}
 +
{{Literatur: scheid 2002}}
 +
{{Literatur: scheid 2003b}}
 
{{Literatur: tamamuro 2003}}
 
{{Literatur: tamamuro 2003}}
|links=
 
* [http://ja.wikipedia.org/wiki/%E5%BE%B3%E5%B7%9D%E5%85%89%E5%9C%80 Wikipedia (ja)]
 
 
}}
 
}}

Aktuelle Version vom 17. Oktober 2024, 12:41 Uhr

Daimyatsshintō

Daimyatsshintō (hanryō shintō [hanryō shintō (jap.) 藩領神道 Fachbegriff für lokale, Shintō-zentrierte Reformen der Frühen Neuzeit (Edo-Zeit)], Domain Shintō) ist ein Begriff, den ein Forschungsteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften1 entwickelte, um ein besonderes religionsgeschichtliches Phänomen der frühen Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit zu bezeichnen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es nämlich in einigen Fürstentümern (Daimyaten [han (jap.) lokales Feudalfürstentum, Spätmittelalter bis Edo-Zeit; auch Daimyat (Lehen eines Daimyō)]) zu religionspolitischen Reformen, die einerseits zu einer Reduktion buddhistischer Tempel und andererseits zu einer Aufwertung des lokalen Schreinwesens führten. Die teils drastischen Maßnahmen wurden oft als kritische Reaktionen auf die wachsende Macht des Buddhismus im Zuge des terauke [terauke (jap.) 寺請 obligatorische Bestätigung der Mitgliedschaft bei einem buddhistischen Tempel; diente in der Edo-Zeit zum Nachweis des nicht-christlichen Status]-Systems angesehen. Zugleich stellten aber auch einen wichtigen Schritt in der Evolution des Shintō dar, da hier erstmals eine systematische Trennung von Buddhismus und Shinto auf religionspolitischer Ebene sichtbar wird.

Regionen und Akteure

In drei Daimyaten, die dank der Konsequenz ihrer Reformen als Musterbeispiele des Daimyatsshintō gelten können, kam es zu einer Reduktion buddhistischer Tempel um mehr als 50% sowie zu einer Zerstörung unzähliger kleinerer Shintō Schreine. Dafür wurden einzelne Schreine aufgewertet, indem sie z.B. mit einem permanenten Priester versehen wurden. Diese Maßnahmen waren in manchen Fällen von der Laisierung, in anderen Fällen von der Exilierung der vor Ort tätigen buddhistischen Mönche begleitet. In ihrer Radikalität und Grausamkeit entsprachen diese Einschnitte in die religiöse Landschaft durchaus dem Stil der Zeit (nur wenige Jahrzehnte zuvor mussten zehntausende Christen wegen ihres Glaubens ihr Leben lassen). Doch lassen sich die Reformen nur schwer mit der offiziellen Regierungslinie erklären, die den Buddhismus ja im Zuge des terauke [terauke (jap.) 寺請 obligatorische Bestätigung der Mitgliedschaft bei einem buddhistischen Tempel; diente in der Edo-Zeit zum Nachweis des nicht-christlichen Status]-Systems förderte. Dennoch wurden Daimyatsshintō-Reformen von Daimyō [Daimyō (jap.) 大名 Territorialfürst, Titel des Kriegeradels] durchgeführt, die in engsten verwandtschaftlichen Verhältnissen zum regierenden Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.]-Haus standen. In der Reihenfolge der Radikalität ihrer Reformen lassen sich folgende Daimyate aufzählen:

  • Okayama [Okayama-han (jap.) 岡山藩 Daimyat Okayama (Edo-Zeit); heute Präfektur Okayama im Westen der Hauptinsel Honshū] in der Mitte der Kansai-Region (Westjapan)
  • Mito [Mito (jap.) 水戸 Fürstentum bzw. Stadt im Nordosten der Kantō-Ebene, heute Teil von Ibaraki-ken.] im Osten der Kantō-Region (Ostjapan)
  • Aizu [Aizu-han (jap.) 会津藩 Edo-zeitliches Daimyat in Nord-Japan, im Westen der heutigen Präfektur Fukushima] in Nordjapan

In Okayama herrschte Ikeda Mitsumasa [Ikeda Mitsumasa (jap.) 池田光政 1609–1682; Daimyō von Okayama-han; Konfuzianist, religiöser Reformer], ein angeheirateter Verwandter der Tokugawa, in Mito Tokugawa Mitsukuni [Tokugawa Mitsukuni (jap.) 徳川光圀 1628–1701; Daimyō von Mito, konfuzianischer Gelehrter und Historiker], der Stammhalter eines der Drei Ehrbaren [Zweig-]Häuser (gosanke [gosanke (jap.) 御三家 wtl. drei ehrbare Häuser; Sammelbegriff für die drei wichtigsten Seitenlinien der Tokugawa-Dynastie]) des Shōgun [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)], und in Aizu Hoshina Masayuki [Hoshina Masayuki (jap.) 保科正之 1611–1673; Daimyō von Aizu-han, Regent von Shōgun Tokugawa Ietsuna, konfuzianischer Gelehrter], ein Onkel und zeitweiliger Regent des vierten Shōgun, Tokugawa Ietsuna [Tokugawa Ietsuna (jap.) 徳川家綱 1641–1680; vierter Shōgun und erster minderjähriger Machtinhaber der Tokugawa-Dynastie (r. 1651–1680)]. Daneben gab es über ganz Japan verstreute Daimyate, in denen gleichzeitig mehr oder weniger „Shintō-freundliche“ Maßnahmen durchgesetzt wurden, aber in der Breite und Konsequenz ihrer religiösen Reformen stellten die drei genannten Fürstentümer eine Besonderheit dar. Unter späteren Historikern wurden die drei Daimyō überwiegend positiv bewertet, sodass sie auch häufig als die „Drei Namhaften Landesherren“ (san meikun [san meikun (jap.) 三名君 wtl. drei namhafte [Landes]herren; in der jap. Geschichtsschreibung Kennzeichnung für energische, reformfreudige Daimyō der Edo-Zeit]) der frühen Edo-Zeit apostrophiert werden.

Eine Generation vor den genannten Akteuren schuf ein weiteres Mitglied der shogunalen Familie, Tokugawa Yoshinao [Tokugawa Yoshinao (jap.) 徳川義直 1601–1650; Sohn von Tokugawa Ieyasu und erster Tokugawa-Daimyō von Owari], die Basis für die erwähnten Reformen. Zusammen mit dem konfuzianischen Gelehrten Hayashi Razan [Hayashi Razan (jap.) 林羅山 1583–1657; neo-konfuzianischer Gelehrter] begann er, die alten Schreine seines Herrschaftsgebietes Owari [Owari (jap.) 尾張 historische Provinz auf dem Gebiet der heutigen Präfektur Aichi; auch Edo-zeitliches Daimyat] systematisch auszuforschen, zu revitalisieren und baulich zu erneuern. Diese Arbeit wurde ab den 1620er Jahren systematisch dokumentiert. Ähnliche „wissenschaftliche“ Bemühungen um das alte Schreinwesen sind auch von den oben genannten Daimyō bekannt. Laut Inoue Tomokatsu [Inoue Tomokatsu (jap.) 井上智勝 1967–; japanischer Religionshistoriker an der Universität Saitama] kann man in Tokugawa Yoshinao daher den eigentlichen Urheber des Daimyatsshintō erblicken.2 In jedem Fall lässt sich festhalten, dass die Reformen des Daimyatsshintō zumeist von Fürsten umgesetzt wurden, die erstens mit der regierenden Dynastie in enger verwandtschaftlicher Verbindung standen und zweitens ein besonderes Interesse am Konfuzianismus hatten.

Shintō und Konfuzianismus

Ideologisch waren die Namhaften Landesherren stark vom Konfuzianismus beeinflusst. Sie verstanden sich als Repräsentanten einer neuen Zeit, die die chaotischen Verhältnisse des japanischen Mittelalters endgültig in eine nach rationalen Gesichtspunkten geordneten „zivilisierte“ Gesellschaft nach klassischen chinesischen Vorbildern überführen sollte.3 Sie standen in engem Kontakt mit Konfuzianern wie Hayashi Razan [Hayashi Razan (jap.) 林羅山 1583–1657; neo-konfuzianischer Gelehrter] oder Kumazawa Banzan [Kumazawa Banzan (jap.) 熊沢蕃山 1616–1691; neo-konfuzianischer Gelehrter der frühen Edo-Zeit], die ihrerseits den Buddhismus für die Verirrungen vergangener Jahrhunderte verantwortlich machten. Zugleich sahen sowohl die Herrscher als auch ihre konfuzianischen Ratgeber in den alten Schreinen ein lange vernachlässigtes Identitätsmerkmal der japanischen Kultur. In der Wiederherstellung dieser Schreine und des alten „Götterweges“ (Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami]) sahen sie ein Mittel, einerseits die Vorherrschaft des Buddhismus zu durchbrechen und andererseits eine nationale Eigenständigkeit gegenüber China zu entwickeln, das sie sowohl als Modell als auch als Bedrohung Japans ansahen. Ihr Bild des Shintō war ähnlich zwiespältig. Der Begriff stand für eine idealisierte Vergangenheit, die letztlich aus der Tradition des Kaiserhauses bestand. Das Kaiserhaus kapselte sich jedoch gegenüber „Emporkömmlingen“ aus dem Kriegeradel weitgehend ab, sodass selbst den Namhaften Landesherren ein direkter Zugang zu seinen Priester- und Gelehrtentraditionen verwehrt blieb. Der „Shintō“ des Kaiserhauses war für sie daher ein weitgehend unbekanntes Terrain.

Trennung von Tempeln und Schreinen

Hinsichtlich der religiösen Situation in ihren Herrschaftsgebieten waren die Drei Namhaften Landesherren durchaus Realisten. Trotz ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Buddhismus erkannten sie an, dass sich das System der Glaubensüberprüfung als Herrschaftsinstrument bewährte und keinen Schaden leiden durfte. Ihr Ehrgeiz richtete sich jedoch darauf, den Buddhismus in allen anderen Bereichen des religiösen Lebens zurückzudrängen. Namentlich die Vermischung von einheimischen kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]-Kulten mit buddhistischen Praktiken (shinbutsu shūgō [shinbutsu shūgō (jap.) 神仏習合 Übereinstimmung von kami und Buddhas; shintō-buddhistischer Synkretismus]) bzw. die überall im Land gängige buddhistische Oberaufsicht über das lokale Schreinwesen war ihnen ein Dorn im Auge. Ihre Reformen zielten daher in erster Linie auf eine Trennung von Schreinen und Tempeln (shinbutsu bunri [shinbutsu bunri (jap.) 神仏分離 Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch]) ab, im Zuge derer alle gemischt-religiösen Institutionen — auch Schreine, die keine traditionellen Beziehungen zum Kaiserhaus vorweisen konnten — schlicht beseitigt werden sollten.

Die Initialzündung für die Reformen des Daimyatsshintō stellte ein neues Gesetz von 1665 dar, die „Verordnungen für Schreinpriester“ (Shosha negi kannushi hatto [Shosha negi kannushi hatto (jap.) 諸社禰宜神主法度 „Bestimmungen für Schreinpriester“ 1665]). Diese Verordnungen bestanden zwar lediglich aus fünf eher allgemein gehaltenen Punkten (z.B. sollten Schreine geehrt und baulich in Ordnung gehalten werden), sie stellten aber das erste juridische Dokument des Tokugawa-Regimes dar, das Schreine überhaupt erwähnte und verlieh ihnen damit erstmals einen Rechtsstatus, der dem von buddhistischen Tempeln vergleichbar war.4 Dies führte landesweit zu einer neuen Aufmerksamkeit für die Sache des Shintō.

Die Reformen im Einzelnen

Die Reformen der Namhaften Landesherren waren zwar von einem ähnlichen Geist getragen und wurden im Wesentlichen in der zweiten Hälfte der 1660er Jahre durchgesetzt, sie stellten aber wahrscheinlich keine konzertierte Aktion dar und gestalteten sich im einzelnen recht unterschiedlich.

Okayama

Ikeda Mitsumasa begann im Sommer 1666 mit der Reduktion von Shintō Schreinen in seinem Daimyat. Von über 11.000 Einzelschreinen (sicher zum größten Teil Miniaturschreine, hokora [hokora (jap.) Miniaturschrein (innerhalb einer Schreinanlage oder am Wegrand)]) blieb nur noch ein Schrein pro Dorf über, insgesamt kaum mehr als 600. Diese Schreine sollten dafür alle einen professionellen Priester bekommen, was in dieser Zeit nur bei großen, überregional einflussreichen Schreinen der Fall war. Ein halbes Jahr später folgte die Schließung buddhistischer Tempel. Okayama war damals eine Hochburg des Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus]-Buddhismus und zwar in einer „fundamentalistischen“ Variante, getragen von der sogenannten fujufuse [fujufuse (jap.) 不受不施 wtl. „nichts nehmen, nichts geben“, d.h. weder Opfergaben empfangen, noch religiöse Dienstleistungen erfüllen; Prinzip der radikalen Abschottung von Nichiren-Anhängern gegenüber potentiellen Gönnern, die nicht den exklusiven Glauben an das Lotos Sutra teilten]-Fraktion, die mit der Religionspolitik der Tokugawa bereits landesweit in Konflikt geraten war. Mitsumasa ließ die fujufuse-Tempel kurzerhand zerstören und ihre Mönche ins Exil schicken, was allerdings dazu führte, dass zu wenig buddhistisches Personal für die Abwicklung der obligatorischen Glaubensüberprüfungen der Bevölkerung zur Verfügung stand. Mitsumasa verlagerte dieses Verfahren daher auf Shintō-Schreine und schuf damit das einzige Daimyat, in dem terauke durch Shinto-Priester durchgeführt wurde (shintō-uke [shintō-uke (jap.) 神道請 Glaubensüberprüfung durch Shintō-Schreine; Sonderform des terauke-Systems in der Edo-Zeit]). Das System wurde aber nach 20 Jahren auf Druck der Zentralregierung wieder abgeschafft.5

Mito

In Mito fand ab 1666 eine Reduktion der buddhistischen Tempel auf 40 Prozent statt. Zugleich verfolgte Tokugawa Mitsukuni das Prinzip „ein Dorf, ein Schrein“, was teilweise zu Neuerrichtungen bzw. Aufwertungen von Schreinen führte. Ähnlich wie in Okayama wurden aber auch zahlreiche kleinere, als „unnütz“ eingestufte Schreine demontiert. In beiden Daimyaten wurde eine Art shintō-uke-Praxis für Shintō-Priester institutionalisiert, die daher nicht (wie überall sonst) gezwungen waren, zum Zweck der Glaubensüberprüfung Mitglieder eines buddhistischen Tempels zu werden.6 Diese Maßnahmen hatten in beiden Daimyaten Bestand.

Aizu

Ähnliche, wenn auch weniger radikale Maßnahmen gab es auch in Aizu, dessen Landesherr, Hoshina Masayuki, zugleich so etwas wie die graue Eminenz der Tokugawa-Zentralregierung darstellte. Die Besonderheit lag in diesem Fall darin, dass Masayuki durch den Shintō-Intellektuellen Yoshikawa Koretaru [Yoshikawa Koretaru (jap.) 吉川惟足 1616–1695; Shintō-Gelehrter und Theologe der frühen Edo-Zeit; Begründer des Yoshikawa Shintō] direkten Zugriff auf die Begräbnisrituale des Yoshida Shintō [Yoshida Shintō (jap.) 吉田神道 mittelalterl. Shintō-Richtung, begründet von Yoshida Kanetomo] hatte, die damals eine gut gehütete Geheimtradition der Yoshida-Priester in Kyōtō darstellten. Auf der Grundlage dieser Riten sah Masayuki ein Shintō-Begräbnis für sich selbst vor, das zugleich seine Deifizierung beinhaltete. Trotz ernsthafter Vorbehalte seitens der Zentralregierung (solche Ehrungen standen offiziell nur dem Dynastiebegründer Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] zu) konnte Masayukis testamentarischer Wunsch in die Tat umgesetzt werden und begründete eine eigene Tradition von Shintō-Bestattungen in Aizu.

Sonstige Shinto-zentrierte Reformen

Auch außerhalb der drei genannten Daimyate kam es mit der Unterstützung lokaler Fürsten zu vergleichbaren Shinto-zentrierten Reformen, die sich allerdings meist nur auf einzelne Schreine bezogen. Das früheste Beispiel ist die Restaurierung des Großschreins von Izumo (Izumo Taisha [Izumo Taisha (jap.) 出雲大社 Großschrein von Izumo (Präfektur Shimane)]), der schon lange auf eine Neuerrichtung seiner einst monumentalen Schreinhallen gewartet hatte. Als der neue Daimyō, Matsudaira Naomasa [Matsudaira Naomasa (jap.) 松平直政 1601–1666; Daimyō von Izumo] (ein Enkel Ieyasus) Anfang der 1660er Jahre endlich die nötigen Mittel dazu lukrieren konnte, wurde die Anlage von sämtlichen buddhistischen Tempeln, die sich dort angesiedelt hatten, gesäubert und unter eine neue, rein Shinto-priesterliche Verwaltung gestellt. Auch die Hauptgottheit wurde geändert – statt Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu] wurde, alten Dokumenten entsprechend, Ōkuninushi [Ōkuninushi (jap.) 大国主 mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes] eingesetzt (s. dazu auch Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter).

Eine ähnliche Bereinigung des mittelalterlich-buddhistischen Erbes alter Schreinanlagen fand Ende der 1660er Jahre auch in Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū] statt. Hier und in Izumo liegt eine besondere Ironie in der Tatsache, dass die finanziellen Mitteln für den jeweiligen Schrein-Neubau zu einem beträchtlichen Teil von lokalen buddhistischen Organisationen stammten, die in jahrelangen Kampagnen Spenden für „ihren Schrein“ gesammelt hatten. Schlussendlich untersagten aber Autoritäten, die dem oben erwähnten Hoshina Masayuki nahe standen, jede buddhistische Beteiligung an der Renovierung der Schreinbauten und an den entsprechenden Einweihungs­zeremonien.

Zusammenfassung

Daimyatsshintō kennzeichnet eine religionsgeschichtliche Phase ab der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, als einzelne Buddhismus-kritische Herrscher gegen den sonst üblichen Trend der Zeit eine Neubewertung von Shintō zu Ungunsten des Buddhismus vornahmen. Intellektuell wurde diese Entwicklung vor allem von einer neo-konfuzianischen Buddhismus-Kritik voran getrieben, ging also nicht unmittelbar aus Shintō-Kreisen hervor. Politisch wurde sie von Daimyō getragen, die dem Tokugawa-Regime verwandtschaftlich verbunden waren und wohl aus diesem Grund mehr Spielraum in ihren religionspolitischen Entscheidungen hatten. Ihr Unwillen richtete sich offenbar vor allem gegen gemischt-religiöse Institutionen. Es kam daher schon im 17. Jahrhundert zu lokalen „Trennungen von Shintō und Buddhismus“ (shinbutsu bunri [shinbutsu bunri (jap.) 神仏分離 Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch]) wie sie 200 Jahre danach für die Meiji-Zeit prägend werden sollten. Insofern nahm der Daimyatsshintō auf lokaler Ebene spätere Entwicklungen auf nationaler Ebene vorweg. In vielen Details unterschied sich der Daimyatsshintō jedoch von der bakumatsu [bakumatsu (jap.) 幕末 Ende des Tokugawa-Shōgunats, 1853–1867; wtl. Ende der Zeltregierung (bakufu)]- und Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit, z.B. indem er nach einer Synthese von Shintō und Konfuzianismus strebte oder indem er die Rückkehr zum Tennō-Staat des Altertums und die damit verbundene xenophobe Konzentration auf das nationale Erbe (Stichwort „sonnō jōi [sonnō jōi (jap.) 尊王攘夷 „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)]“) noch nicht als konkrete Utopie formulierte (s. dazu Staatsshintō), sondern politisch auf der Seite des regierenden Tokugawa-Regimes stand. Allerdings ist es wohl kein Zufall, dass Tokugawa Mitsukuni mit der „Großen Geschichte Japans“ (Dai Nihon-shi [Dai Nihon-shi (jap.) 大日本史 Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906]) ein Projekt initiierte, das letztlich einen entscheidenden Einfluss auf das Tennō-zentrierte Herrschaftsverständnis der Meiji-Zeit ausüben sollte.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Bernhard Scheid, Stefan Köck und Brigitte Pickl-Kolaczia, die zu diesem Thema ein vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes Projekt am Institut für Kultur- und Geisteswissenschaften Asiens der ÖAW durchführen (2016–2023).
  2. Inoue Tomokatsu, „Domain Shinto as a Tool to Acquire Ruling Legitimacy“ (2021 in Vorbereitung).
  3. Laut Inoue Tomokatsu waren sich die Intellektuellen der frühen Edo-Zeit sehr wohl des devastierenden Image-Verlustes bewusst, den die erfolglosen Eroberungsversuche des Toyotomi Hideyoshi (1592–1598) in China und Korea hinterlassen hatten. Die Förderung des Konfuzianismus erklärt Inoue aus dem Bedürfnis, das daraus resultierende Bild der japanischen Barbarei zu kitten (s. Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 6).
  4. S. Mark Teeuwen in Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 10
  5. S. dazu Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 11.
  6. S. dazu Köck, Pickl, Scheid 2021, Kap. 12.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Stefan Köck, Brigitte Pickl-Kolaczia, Bernhard Scheid (Hg.), Religion, Power, and the Rise of Shinto in Early Modern Japan. (Bloomsbury Shinto Studies VI.) London: Bloomsbury, 2021.
Bernhard Scheid, „Shinto as a Religion for the Warrior Class: The Case of Yoshikawa Koretaru“. Japanese Journal of Religious Studies 29/3–4 (2002), 299–324. (Online.)
Bernhard Scheid, „‘Both Parts’ or ‘Only One’? Challenges to the honji suijaku Paradigm in the Edo Period“. In: Mark Teeuwen, Fabio Rambelli (Hg.), Buddhas and Kami in Japan: Honji Suijaku as a Combinatory Paradigm. Richmond, Surrey: Curzon, 2003, 204–221.
Tamamuro Fumio 圭室文雄, „Edo-jidai no mura chinju no jittai: Mito-hanryō mura chinju no sūryōteki kentō 江戸時代の村鎮守の実態–水戸藩領村鎮守の数量的検討“. Meiji Daigaku kyōyōronshū 明治大学教養論集 368 (2003), 1–27.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Yomeimon suijin.jpg
    Shintōistische Wächterfigur (suijin) im Yōmei-mon, einem Tor der Schreinanlage Tōshō-gū in Nikkō.
    Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Aizu-han 会津藩 ^ Edo-zeitliches Daimyat in Nord-Japan, im Westen der heutigen Präfektur Fukushima
  • bakumatsu 幕末 ^ Ende des Tokugawa-Shōgunats, 1853–1867; wtl. Ende der Zeltregierung (bakufu)
  • Daimyō 大名 ^ Territorialfürst, Titel des Kriegeradels
  • Dai Nihon-shi 大日本史 ^ Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • fujufuse 不受不施 ^ wtl. „nichts nehmen, nichts geben“, d.h. weder Opfergaben empfangen, noch religiöse Dienstleistungen erfüllen; Prinzip der radikalen Abschottung von Nichiren-Anhängern gegenüber potentiellen Gönnern, die nicht den exklusiven Glauben an das Lotos Sutra teilten
  • gosanke 御三家 ^ wtl. drei ehrbare Häuser; Sammelbegriff für die drei wichtigsten Seitenlinien der Tokugawa-Dynastie
  • han^ lokales Feudalfürstentum, Spätmittelalter bis Edo-Zeit; auch Daimyat (Lehen eines Daimyō)
  • hanryō shintō 藩領神道 ^ Fachbegriff für lokale, Shintō-zentrierte Reformen der Frühen Neuzeit (Edo-Zeit)
  • Hayashi Razan 林羅山 ^ 1583–1657; neo-konfuzianischer Gelehrter
  • hokora^ Miniaturschrein (innerhalb einer Schreinanlage oder am Wegrand)
  • Hoshina Masayuki 保科正之 ^ 1611–1673; Daimyō von Aizu-han, Regent von Shōgun Tokugawa Ietsuna, konfuzianischer Gelehrter
  • Ikeda Mitsumasa 池田光政 ^ 1609–1682; Daimyō von Okayama-han; Konfuzianist, religiöser Reformer
  • Inoue Tomokatsu 井上智勝 ^ 1967–; japanischer Religionshistoriker an der Universität Saitama
  • Ise 伊勢 ^ vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū
  • Izumo Taisha 出雲大社 ^ Großschrein von Izumo (Präfektur Shimane)
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • Kumazawa Banzan 熊沢蕃山 ^ 1616–1691; neo-konfuzianischer Gelehrter der frühen Edo-Zeit
  • Matsudaira Naomasa 松平直政 ^ 1601–1666; Daimyō von Izumo
  • Meiji 明治 ^ posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
  • Mito 水戸 ^ Fürstentum bzw. Stadt im Nordosten der Kantō-Ebene, heute Teil von Ibaraki-ken.
  • Nichiren 日蓮 ^ 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus
  • Okayama-han 岡山藩 ^ Daimyat Okayama (Edo-Zeit); heute Präfektur Okayama im Westen der Hauptinsel Honshū
  • Ōkuninushi 大国主 ^ mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
  • Owari 尾張 ^ historische Provinz auf dem Gebiet der heutigen Präfektur Aichi; auch Edo-zeitliches Daimyat
  • san meikun 三名君 ^ wtl. drei namhafte [Landes]herren; in der jap. Geschichtsschreibung Kennzeichnung für energische, reformfreudige Daimyō der Edo-Zeit
  • shinbutsu bunri 神仏分離 ^ Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch
  • shinbutsu shūgō 神仏習合 ^ Übereinstimmung von kami und Buddhas; shintō-buddhistischer Synkretismus
  • Shintō 神道 ^ Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami
  • shintō-uke 神道請 ^ Glaubensüberprüfung durch Shintō-Schreine; Sonderform des terauke-Systems in der Edo-Zeit
  • Shosha negi kannushi hatto 諸社禰宜神主法度 ^ „Bestimmungen für Schreinpriester“ 1665
  • Shōgun 将軍 ^ Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)
  • sonnō jōi 尊王攘夷 ^ „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)
  • Susanoo 須佐之男/素戔男 ^ mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu
  • terauke 寺請 ^ obligatorische Bestätigung der Mitgliedschaft bei einem buddhistischen Tempel; diente in der Edo-Zeit zum Nachweis des nicht-christlichen Status
  • Tokugawa 徳川 ^ Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.
  • Tokugawa Ietsuna 徳川家綱 ^ 1641–1680; vierter Shōgun und erster minderjähriger Machtinhaber der Tokugawa-Dynastie (r. 1651–1680)
  • Tokugawa Ieyasu 徳川家康 ^ 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger
  • Tokugawa Mitsukuni 徳川光圀 ^ 1628–1701; Daimyō von Mito, konfuzianischer Gelehrter und Historiker
  • Tokugawa Yoshinao 徳川義直 ^ 1601–1650; Sohn von Tokugawa Ieyasu und erster Tokugawa-Daimyō von Owari
  • Yoshida Shintō 吉田神道 ^ mittelalterl. Shintō-Richtung, begründet von Yoshida Kanetomo
  • Yoshikawa Koretaru 吉川惟足 ^ 1616–1695; Shintō-Gelehrter und Theologe der frühen Edo-Zeit; Begründer des Yoshikawa Shintō