Geschichte/Heian Zeit/Zoga: Unterschied zwischen den Versionen

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Z{{g|Zouga|ōga}} (917–1003) war ein {{g|tendaishuu|Tendai}}-Mönch der Heian-Zeit, der für sein konsequentes Festhalten am buddhistischen Armutsideal bekannt war. Er kritisierte die zunehmende Verweltlichung seiner Mitbrüder, die er durch sein subversives Verhalten gerne bloßstellte. Damit nahm  er eine Haltung vorweg, wie sie in späterer Zeit auch von einzelnen {{g|Zen}}-Meistern gepflegt wurde. Auf dieser Seite möchte ich diese exzentrische Form der buddhistischen Mönchsschaft anhand von Legenden aus der buddhistischen Erzählliteratur illustrieren, die sowohl Stärken als auch Schwächen des buddhistischen Klerus durchaus selbstkritisch dokumentierte.  
  
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Eine bekannte Anekdote erzählt, dass Zōga eine Prozession zu Ehren seines Lehrers, des Erzabtes {{g|Ryougen}}, in Lumpen und auf einem klapprigen alten Ochsen reitend begleitet habe. Ein anderes Mal verschenkte er seine gesamten Kleider an die Armen und kehrte nackt in sein Kloster zurück.  
  
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Die selt·samste Episode — von der leider keine Illustrationen zu finden waren — handelt jedoch von einer Zere·monie im Jahr 991, als Zōga bereits als hochbetagter, kauziger Klosterabt etabliert war. Ganz gegen seine sonstige Gewohn·heit folgt der über Sieb·zig·jährige einer Auf·forderung, die Nonnen·weihe der Kaiserin·mutter durchzuführen. (Der Kaiser, {{g|Ichijoutennou}}, war zu dieser Zeit ein Kind und seine Mutter eine junge Frau von 30 Jahren, insofern stellte die Nonnen·weihe eine be·son·ders ver·antwor·tungs·volle Aufgabe und zugleich eine große Aus·zeichnung dar). Die Zere·monie endet jedoch mit einem Eklat, den das {{g|ujishuuimonogatari}} fol·gen·der·maßen schildert:
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Die seltsamste Episode — von der leider keine Illustrationen zu finden waren — handelt jedoch von der Nonnenweihe der Kaiserinmutter {{g|Fujiwaranosenshi}}, die Zōga vornehmen sollte. Der Kaiser, {{g|Ichijoutennou}}, war zu dieser Zeit ein Kind und seine Mutter eine junge Frau von 30 Jahren, insofern stellte die Nonnenweihe eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe und zugleich eine große Auszeichnung dar. Zōga war jedoch bereits hoch betagt und leitete das berühmte, aber abgelegenen Kloster {{g|Tounomine}}, mehr als eine Tagesreise südlich der damaligen Hauptstadt {{g|Heiankyou}} (Kyōto).
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Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit folgte er zwar der kaiserlichen Bitte, ließ die Zeremonie aber mit einem Eklat enden, der im mittelalterlichen {{g|ujishuuimonogatari}} ausführlich geschildert wird:
  
 
== Der Ehrwürdige Zōga bei der Kaiserinmutter ==
 
== Der Ehrwürdige Zōga bei der Kaiserinmutter ==
 
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Vor langer Zeit lebte auf dem Berg Tōnomine ein heiliger Mann, den man den Ehr·würdigen Zōga nannte. Er war streng und unnachgiebig, Ruhm und Reich·tum verachtete er und oft tat er absichtlich so, als ob er von Sinnen wäre.  
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Vor langer Zeit lebte auf dem Berg {{g|tounomine}} ein heiliger Mann, den man den Ehrwürdigen Zōga nannte. Er war streng und unnachgiebig, Ruhm und Reichtum verachtete er und oft tat er absichtlich so, als ob er von Sinnen wäre.  
  
Als die Kaiserin·mutter der Dritten Straße<ref>
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Als die Kaiserinmutter der Dritten Straße<ref>Fujiwara no Senshi (962–1002), hier nach der Lage ihres Palastes benannt.</ref> in den geistlichen Stand eintreten wollte, ließ sie nach ihm schicken, damit er die Weihe vornehmen solle. „Welche Ehre,“ sprach er, „ich, Zōga, werde dies gerne tun.“ Seine Schüler hatten befürchtet, dass der Ehrwürdige den Boten der Kaiserinmutter mit Prügeln fortjagen würde, und waren erleichtert, als er sich statt dessen beschwingt auf den Weg zur Hauptstadt machte. Dort angekommen ließ ihn die kaiserliche Hoheit sogleich freudig zu sich rufen. Weltliche und geistliche Würdenträger waren in großer Zahl zur Stelle und auch ein Vertreter des Tennō war aus dem kaiserlichen Palast entsandt worden. Der Blick des Ehrwürdigen war ehrfurchtgebietend und sein Auftreten vornehm, doch schien er ein wenig mitgenommen zu sein.  
{{gb|Fujiwaranosenshi}} 藤原詮子 (962–1002), Mutter des Ichijō Tennō, trat 991 mit 30 Jahren in den Nonnenstand.
 
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in den geist·lichen Stand ein·tre·ten wollte, ließ sie nach ihm schicken, damit er die Weihe vornehmen solle. „Welche Ehre,“ sprach er, „ich, Zōga, werde dies gerne tun.“ Seine Schüler hatten befürchtet, dass der Ehrwürdige den Boten der Kaiserin·mutter mit Prügeln fort·jagen würde, und waren er·leich·tert, als er sich statt dessen be·schwingt auf den Weg zur Haupt·stadt machte. Dort angekommen ließ ihn die kaiserliche Hoheit sogleich freudig zu sich rufen. Weltliche und geistliche Würden·träger waren in großer Zahl zur Stelle und auch ein Vertreter des Tennō war aus dem kai·ser·lichen Palast ent·sandt worden. Der Blick des Ehr·würdigen war ehr·furcht·gebietend und sein Auf·treten vornehm, doch schien er ein wenig mitgenommen zu sein.  
 
  
Nach·dem man ihn aufrief, begab er sich zum Para·vent, hinter dem die kaiser·liche Hoheit saß, und begann die Ordi·nations·riten. Als die kaiserliche Hoheit ihr prächtiges Haar [über den Paravent] herabhängen ließ, damit er es abschneiden möge, brachen  sämtliche Hof·damen in haltloses Schluch·zen aus. Schließlich war die Tonsur vollzogen und der Ehr·würdige wandte sich zum Gehen. Da sagte er mit lauter Stimme: „Was war eigentlich der Grund, dass Ihr Zōga zu Euch rufen ließet? Ich kann es nicht verstehen. Habt Ihr vielleicht gehört, dass mein schmutziges Ding besonders groß ist? Es ist in der Tat größer als andere, doch jetzt hängt es nur noch herab, schlaff wie ein Stück Seide.“ Die Hof·damen, die nebenan in den hinteren Ge·mä·chern saßen, die Minister, die Höflinge und die ver·sam·mel·ten Mönche rissen alle fassungs·los Mund und Augen auf. Auch der kaiserlichen Hoheit erging es nicht anders. Alle Er·haben·heit war verflogen, alle waren schweiß·gebadet und wären am liebsten im Boden versunken.
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Nachdem man ihn aufrief, begab er sich zum Paravent, hinter dem die kaiserliche Hoheit saß, und begann die Ordinationsriten. Als die kaiserliche Hoheit ihr prächtiges Haar [über den Paravent] herabhängen ließ, damit er es abschneiden möge, brachen  sämtliche Hofdamen in haltloses Schluchzen aus. Schließlich war die Tonsur vollzogen und der Ehrwürdige wandte sich zum Gehen. Da sagte er mit lauter Stimme: „Was war eigentlich der Grund, dass Ihr Zōga zu Euch rufen ließet? Ich kann es nicht verstehen. Habt Ihr vielleicht gehört, dass mein schmutziges Ding besonders groß ist? Es ist in der Tat größer als andere, doch jetzt hängt es nur noch herab, schlaff wie ein Stück Seide.“ Die Hofdamen, die nebenan in den hinteren Gemächern saßen, die Minister, die Höflinge und die versammelten Mönche rissen alle fassungslos Mund und Augen auf. Auch der kaiserlichen Hoheit erging es nicht anders. Alle Erhabenheit war verflogen, alle waren schweißgebadet und wären am liebsten im Boden versunken.
  
Der Ehr·würdige aber faltete zum Ab·schied die Hände und sprach: „Vom Alter gebeugt und schwer verkühlt, bin ich außerdem vom Durchfall geplagt. Ich hätte nicht kommen sollen, doch nachdem man mich eigens rief, gesellte ich mich zu Euch. Jetzt aber kann ich mich nicht mehr halten und muss mich eiligst zurück·ziehen.“ Kaum war er auf die westliche Veranda hinaus·getreten, entblößte er sein Gesäß und entleerte sich, als ob man Wasser aus einem Zuber gösse. Geräusch und Gestank waren so gewaltig, dass sie bis zur kaiser·lichen Ho·heit drangen. Da konnten sich die jungen Höf·linge nicht mehr halten vor Lachen. Die Mönche aber empörten sich, dass man so einen Ver·rück·ten hatte rufen lassen.  
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Der Ehrwürdige aber faltete zum Abschied die Hände und sprach: „Vom Alter gebeugt und schwer verkühlt, bin ich außerdem vom Durchfall geplagt. Ich hätte nicht kommen sollen, doch nachdem man mich eigens rief, gesellte ich mich zu Euch. Jetzt aber kann ich mich nicht mehr halten und muss mich eiligst zurückziehen.“ Kaum war er auf die westliche Veranda hinausgetreten, entblößte er sein Gesäß und entleerte sich, als ob man Wasser aus einem Zuber gösse. Geräusch und Gestank waren so gewaltig, dass sie bis zur kaiserlichen Hoheit drangen. Da konnten sich die jungen Höflinge nicht mehr halten vor Lachen. Die Mönche aber empörten sich, dass man so einen Verrückten hatte rufen lassen.  
  
Auf diese Weise stellte sich Zōga ab·sicht·lich an wie von Sinnen. Nichts·desto·trotz ver·brei·tete sich der Ruf seiner Heilig·keit weiter und weiter.<ref>
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Auf diese Weise stellte sich Zōga absichtlich an wie von Sinnen. Nichtsdestotrotz verbreitete sich der Ruf seiner Heiligkeit weiter und weiter.
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Originalausgabe: Watanabe Tsunaya und Kōichi Nishio (ed.), ''Uji shūi monogatari'' (''Nihon koten bungaku taikei'', Bd.  27).  Iwanami Shoten, 1960. Siehe auch Tyler 1987, S. 307–310.</ref> Ü.: Bernhard Scheid
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Aktuelle Version vom 9. Januar 2023, 18:46 Uhr

Zōga, der Exzentriker

Zōga [Zōga (jap.) 増賀 917–1003; Mönch der Tendai-Schule] (917–1003) war ein Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]-Mönch der Heian-Zeit, der für sein konsequentes Festhalten am buddhistischen Armutsideal bekannt war. Er kritisierte die zunehmende Verweltlichung seiner Mitbrüder, die er durch sein subversives Verhalten gerne bloßstellte. Damit nahm er eine Haltung vorweg, wie sie in späterer Zeit auch von einzelnen Zen [Zen (jap.) chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus]-Meistern gepflegt wurde. Auf dieser Seite möchte ich diese exzentrische Form der buddhistischen Mönchsschaft anhand von Legenden aus der buddhistischen Erzählliteratur illustrieren, die sowohl Stärken als auch Schwächen des buddhistischen Klerus durchaus selbstkritisch dokumentierte.

Zoga.jpg
1 Der Ehrwürdige Zōga führt auf einem klapprigen Ochsen die Parade seines Lehrers an
Der Mönch Zōga zeigt seine Verachtung gegenüber weltlichem Reichtum und Prunk, indem er an der Ehrung seines eigenen Lehrers Ryōgen (des Mönchs im Ochsenkarren) in zerschlissener Alltagskleidung teilnimmt. Die Illustration entstammt einer Edo-zeitlichen Querbildrolle des Tanzan Schreins, des geistigen Zentrums von Tōnomine, wo Zōga tätig war.
Werk von Kanō Einō (1631–1697). Edo-Zeit. Nara Women's University.

Eine bekannte Anekdote erzählt, dass Zōga eine Prozession zu Ehren seines Lehrers, des Erzabtes Ryōgen [Ryōgen (jap.) 良源 912–985; 18. Abt (zasu) der Tendai-Schule; unter Namen wie Jie Daishi, Ganzan Daishi, Tsuno Daishi oder Mame Daishi auch als Schutzheiliger populär], in Lumpen und auf einem klapprigen alten Ochsen reitend begleitet habe. Ein anderes Mal verschenkte er seine gesamten Kleider an die Armen und kehrte nackt in sein Kloster zurück.

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2 Zōga verschenkt seine Kleider an die Armen
Der Mönch Zōga verschenkt seine Kleider an die Armen und kehrt nackt in sein Kloster zurück.
Werk von Kanō Einō (1631–1697). Edo-Zeit. Bildquelle: Nara Women's University.

Die seltsamste Episode — von der leider keine Illustrationen zu finden waren — handelt jedoch von der Nonnenweihe der Kaiserinmutter Fujiwara no Senshi [Fujiwara no Senshi (jap.) 藤原詮子 962-1002; Mutter des Ichijō Tennō; Nonnenweihe 991], die Zōga vornehmen sollte. Der Kaiser, Ichijō Tennō [Ichijō Tennō (jap.) 一条天皇 980-1011; 66. Kaiser von Japan; (r. 986-1011)], war zu dieser Zeit ein Kind und seine Mutter eine junge Frau von 30 Jahren, insofern stellte die Nonnenweihe eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe und zugleich eine große Auszeichnung dar. Zōga war jedoch bereits hoch betagt und leitete das berühmte, aber abgelegenen Kloster Tōnomine [Tōnomine (jap.) 多武峰 Heiliger Berg südlich von Nara, wo u.a. der Ahnherr der Fujiwara Nakatomi no Kamatari im Tanzan Schrein verehrt wird], mehr als eine Tagesreise südlich der damaligen Hauptstadt Heian-kyō [Heian-kyō (jap.) 平安京 urspr. Name der Stadt Kyōto; wtl. Stadt des Friedens; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)] (Kyōto). Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit folgte er zwar der kaiserlichen Bitte, ließ die Zeremonie aber mit einem Eklat enden, der im mittelalterlichen Uji shūi monogatari [Uji shūi monogatari (jap.) 宇治拾遺物語 „Geschichtenauslese [des Ratsherren] von Uji“ (13. Jh.); Sammlung von unterhaltsamen Geschichten und Anekdoten, viele aus dem Konjaku monogatari] ausführlich geschildert wird:

Der Ehrwürdige Zōga bei der Kaiserinmutter

Vor langer Zeit lebte auf dem Berg Tōnomine [Tōnomine (jap.) 多武峰 Heiliger Berg südlich von Nara, wo u.a. der Ahnherr der Fujiwara Nakatomi no Kamatari im Tanzan Schrein verehrt wird] ein heiliger Mann, den man den Ehrwürdigen Zōga nannte. Er war streng und unnachgiebig, Ruhm und Reichtum verachtete er und oft tat er absichtlich so, als ob er von Sinnen wäre.

Als die Kaiserinmutter der Dritten Straße1 in den geistlichen Stand eintreten wollte, ließ sie nach ihm schicken, damit er die Weihe vornehmen solle. „Welche Ehre,“ sprach er, „ich, Zōga, werde dies gerne tun.“ Seine Schüler hatten befürchtet, dass der Ehrwürdige den Boten der Kaiserinmutter mit Prügeln fortjagen würde, und waren erleichtert, als er sich statt dessen beschwingt auf den Weg zur Hauptstadt machte. Dort angekommen ließ ihn die kaiserliche Hoheit sogleich freudig zu sich rufen. Weltliche und geistliche Würdenträger waren in großer Zahl zur Stelle und auch ein Vertreter des Tennō war aus dem kaiserlichen Palast entsandt worden. Der Blick des Ehrwürdigen war ehrfurchtgebietend und sein Auftreten vornehm, doch schien er ein wenig mitgenommen zu sein.

Nachdem man ihn aufrief, begab er sich zum Paravent, hinter dem die kaiserliche Hoheit saß, und begann die Ordinationsriten. Als die kaiserliche Hoheit ihr prächtiges Haar [über den Paravent] herabhängen ließ, damit er es abschneiden möge, brachen sämtliche Hofdamen in haltloses Schluchzen aus. Schließlich war die Tonsur vollzogen und der Ehrwürdige wandte sich zum Gehen. Da sagte er mit lauter Stimme: „Was war eigentlich der Grund, dass Ihr Zōga zu Euch rufen ließet? Ich kann es nicht verstehen. Habt Ihr vielleicht gehört, dass mein schmutziges Ding besonders groß ist? Es ist in der Tat größer als andere, doch jetzt hängt es nur noch herab, schlaff wie ein Stück Seide.“ Die Hofdamen, die nebenan in den hinteren Gemächern saßen, die Minister, die Höflinge und die versammelten Mönche rissen alle fassungslos Mund und Augen auf. Auch der kaiserlichen Hoheit erging es nicht anders. Alle Erhabenheit war verflogen, alle waren schweißgebadet und wären am liebsten im Boden versunken.

Der Ehrwürdige aber faltete zum Abschied die Hände und sprach: „Vom Alter gebeugt und schwer verkühlt, bin ich außerdem vom Durchfall geplagt. Ich hätte nicht kommen sollen, doch nachdem man mich eigens rief, gesellte ich mich zu Euch. Jetzt aber kann ich mich nicht mehr halten und muss mich eiligst zurückziehen.“ Kaum war er auf die westliche Veranda hinausgetreten, entblößte er sein Gesäß und entleerte sich, als ob man Wasser aus einem Zuber gösse. Geräusch und Gestank waren so gewaltig, dass sie bis zur kaiserlichen Hoheit drangen. Da konnten sich die jungen Höflinge nicht mehr halten vor Lachen. Die Mönche aber empörten sich, dass man so einen Verrückten hatte rufen lassen.

Auf diese Weise stellte sich Zōga absichtlich an wie von Sinnen. Nichtsdestotrotz verbreitete sich der Ruf seiner Heiligkeit weiter und weiter.

Uji shūi monogatari, Erzählung 143,2 Ü.: Bernhard Scheid

Verweise

Fußnoten

  1. Fujiwara no Senshi (962–1002), hier nach der Lage ihres Palastes benannt.
  2. Originalausgabe: Watanabe Tsunaya und Kōichi Nishio (ed.), Uji shūi monogatari (Nihon koten bungaku taikei, Bd. 27). Iwanami Shoten, 1960. Siehe auch Tyler 1987, S. 307–310.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Royall Tyler (Ü.), Japanese Tales. New York: Pantheon Books, 1987.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

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    Zoga.jpg
    Der Mönch Zōga zeigt seine Verachtung gegenüber weltlichem Reichtum und Prunk, indem er an der Ehrung seines eigenen Lehrers Ryōgen (des Mönchs im Ochsenkarren) in zerschlissener Alltagskleidung teilnimmt. Die Illustration entstammt einer Edo-zeitlichen Querbildrolle des Tanzan Schreins, des geistigen Zentrums von Tōnomine, wo Zōga tätig war.
    Werk von Kanō Einō (1631–1697). Edo-Zeit. Nara Women's University.
  1. ^ 
    Zoga2.jpg
    Der Mönch Zōga verschenkt seine Kleider an die Armen und kehrt nackt in sein Kloster zurück.
    Werk von Kanō Einō (1631–1697). Edo-Zeit. Bildquelle: Nara Women's University.

Glossar

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