Geschichte/Praehistorie/Himiko: Unterschied zwischen den Versionen

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| Himiko: Die erste historisch fassbare Herrscherin Japans
 
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Die ersten historischen Berichte über Japan entstammen einem chinesischen Geschichtswerk aus dem dritten Jahrhundert, das landläufig als {{g|Weizhi}} (Chronik der Wei Dynastie) bezeichnet wird.<ref>Das ''Weizhi'' ist Teil der „Chronik der Drei Reiche“ ({{gb|Sanguozhi}}), verfasst von {{gb|Chenshou}} (233–297) und im fünften Jahrhundert redigiert von {{gb|Peisongzhi}}.</ref> Die meisten Berichte gelten aus heutiger Sicht als mehr oder weniger authentisch. Das ''Weizhi'' enthält unter anderem elf Kapitel über die „Ostbarbaren“ ({{g|tungi}}), also Völker im Osten Chinas, die sich im Wesentlichen in {{g|Han_kor}} (Koreaner) und {{g|wo}} (jap. ''wa'', Japaner) unterteilen lassen. Diese beiden Reiche oder besser „Ethnien“ waren in zahlreiche, zum Teil verfeindete Länder bzw. „Stammesgebiete“ unterteilt.  
{{fl|D}}ie ersten histo·rischen Berichte über Japan ent·stam·men einem chi·ne·sischen Geschichts·werk aus dem dritten Jahr·hundert, das land·läufig als {{g|Weizhi}} (Chronik der Wei Dynastie) be·zeichnet wird. Dieses ''Weizhi'' ist Teil der „Chronik der Drei Reiche“ ({{g|Sanguozhi}}) und wurde von {{g|Chenshou}} (233-297) verfasst, im fünften Jahr·hundert aber noch·mals von {{g|Peisongzhi}} bear·beitet. Die meis·ten Berichte gelten aus heutiger Sicht als mehr oder weniger authentisch. Das ''Weizhi'' enthält unter anderem elf Kapitel über die „Ost·barbaren“ ({{g|tungi}}), die sich im Wesent·lichen in ''han'' (Koreaner) und ''wo'' (jap.'' wa'', Japaner) unter·teilen lassen. Wir ent·nehmen dem ''Weizhi'' jedoch, dass inner·halb dieser Reiche oder vielleicht besser „Ethnien“ zahl·reiche, zum Teil ver·feindete Länder bzw. „Stammes·gebiete“ existierten.  
 
  
<div class="bildtext">[[Image:weizhi.gif|link=|weizhi]]<div>Bericht über die Wo/Wa aus dem ''Sanguo zhi''<br /> (Pona-Edition, 12. Jh.; Nachdruck 1958) <br /> Bild:[http://www.ten-f.com/yamataikoku.html  Himiko to Yamatai no kuni] [2010/8] </div></div>
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==Berichte über Himiko==
Das ''Weizhi'' berichtet ver·hält·nis·mäßig detailliert von der japanischen Königin {{g|Himiko}} oder Pimiko (chin. Pei-mi-hu), wobei es sich höchst wahrscheinlich um einen Herrschaftstitel mit der Bedeutung „Kind der Sonne“ handelt. Die Königin be·herrschte ein Reich, das möglicher·weise {{g|Yamatai}} hieß<!--
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Das ''Weizhi'' berichtet verhältnismäßig detailliert von der japanischen Königin {{g|Himiko}} oder Pimiko (chin. Pei-mi-hu). Bei diesem Namen handelt es sich höchst wahrscheinlich um einen Herrschaftstitel mit der Bedeutung „Erhabenes Kind der Sonne“. Die Königin beherrschte eine lose Konföderation kleinerer Länder/Stämme, die zusammen das Reich {{g|Yamatai}} bildeten.<!--
 
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Den Namen kennen wir nur aus chinesischen Transliterationen, also aus einer Art „Stiller-Post-Verfahren“; manche Linguisten nehmen an, dass es sich um den Namen {{g|yamato}}, also die aus späteren Werken bekannte erste Selbstbezeichnung Japans, handelt.
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Den Namen kennen wir nur aus chinesischen Transliterationen, also aus einer Art „Stiller-Post-Verfahren“; manche Linguisten nehmen an, dass es sich um den Namen {{gb|yamato}}, also die aus späteren Werken bekannte erste Selbstbezeichnung Japans, handelt.
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und eine lose Kon·födera·tion kleinerer Reiche/Stämme dar·stellte. Folgt man aller·dings der in der Chronik ent·haltenen Weg·beschrei·bung zur Resi·denz Himikos, so würde man mitten im Pazifischen Ozean landen, was zahl·reichen Speku·lationen über den geo·gra·phischen Ort des Reiches Tür und Tor öffnete. Im Wesent·lichen stehen das {{g|narabonchi|Nara-Becken}} in Zentral·japan oder {{g|Kyuushuu}} zur Auswahl. Interessant ist aber vor allem, was das ''Weizhi'' über die politisch-religiösen Ver·hält·nisse im Japan des 3. Jahr·hunderts berichtet:
 
 
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In ihrem Lande hat man ur·sprüng·lich auch Männer zu Königen gemacht, siebzig, achtzig Jahre lang. Dann gab es im Lande Wo Unruhen. Gegen·seitig griff man sich an und be·kämpfte sich über Jahre hin. Daraufhin erhob man ge·mein·sam eine Frau zur Königin. Sie heißt Pei-mi-hu. Sie dient dem Geister·glauben und ist fähig, damit das Volk zu ver·leiten. Sie ist im fort·geschrittenen Alter, hat aber keinen Ehe·mann. Sie hat einen jüngeren Bruder, der unter·stützend das Land mitregiert. Es gibt nur wenige, die sie bisher, seit sie Königin ge·worden ist, gesehen haben. Von tausend Dienerinnen lässt sie sich persön·lich be·dienen. Es gibt nur einen Mann, der sie mit Essen und Trinken ver·sorgt und Nach·richten über·mittelt. Er geht in der Residenz ein und aus. Der Palast, die Wach·türme und Be·festigungs·anlagen sind imposant ausgeführt.
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In ihrem Lande hat man ursprünglich auch Männer zu Königen gemacht, siebzig, achtzig Jahre lang. Dann gab es im Lande Wo Unruhen. Gegenseitig griff man sich an und bekämpfte sich über Jahre hin. Daraufhin erhob man gemeinsam eine Frau zur Königin. Sie heißt Pei-mi-hu. Sie dient dem Geisterglauben und ist fähig, damit das Volk zu verleiten. Sie ist im fortgeschrittenen Alter, hat aber keinen Ehemann. Sie hat einen jüngeren Bruder, der unterstützend das Land mitregiert. Es gibt nur wenige, die sie bisher, seit sie Königin geworden ist, gesehen haben. Von tausend Dienerinnen lässt sie sich persönlich bedienen. Es gibt nur einen Mann, der sie mit Essen und Trinken versorgt und Nachrichten übermittelt. Er geht in der Residenz ein und aus. Der Palast, die Wachtürme und Befestigungsanlagen sind imposant ausgeführt.<ref>Übersetzung nach {{zitiert|Seyock 2004}}, S.56, leicht modifiziert.</ref>
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Übersetzung nach Seyock 2004, S.56, leicht modifiziert
 
 
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Das ''Weizhi'' berichtet weiter, dass die Königin im Jahr 238 mit der chinesischen Wei-Dynastie Kontakt auf·ge·nom·men und Tribute ge·sendet hätte, die mit freund·lichen Gegen·geschenken be·lohnt wurden. 247 scheint sie sich mit einem Nach·bar·könig bekriegt zu haben. Schließlich heißt es über ihr Ableben:
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Das ''Weizhi'' berichtet weiter, dass die Königin im Jahr 238 mit der chinesischen Wei-Dynastie Kontakt aufgenommen und Tribute gesendet hätte, die mit freundlichen Gegengeschenken belohnt wurden. Dies war eine besondere Auszeichnung, die selbst koreanische Herrscher der damaligen Zeit nur selten erfuhren und zeigt, dass Japan unter Himiko schon relativ weit auf dem Weg der politischen Zentralisierung vorangekommen war. Allerdings berichtet die chinesische Chronik auch von innerjapanischen Kriegen im Jahr 247. Schließlich heißt es über Himikos Ableben im Jahr 248:
 
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Als Pei-mi-hu starb, baute man in großartiger Weise einen Grab·hügel mit einem Durch·messer von mehr als hundert Schritt ({{g|pu}}). Es waren mehr als hundert Diener und Diene·rinnen, die ihr zum Geleit mit be·graben wurden. Man setzte nun wiederum einen Mann als König ein. Im Lande jedoch unter·warf man sich ihm nicht. Wiederum tötete man sich gegen·seitig. Zu jener Zeit tötete man mehr als tausend Menschen. Dann wiederum setzte man eine Tochter Pei-mi-hus ein, das Mädchen {{g|Iyu}}, dreizehn Jahre alt, und machte sie zur Königin. Im Lande war es daraufhin wieder ruhig.
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Als Pei-mi-hu starb, baute man in großartiger Weise einen Grabhügel mit einem Durchmesser von mehr als hundert Schritt ({{g|pu}}). Es waren mehr als hundert Diener und Dienerinnen, die ihr zum Geleit mit begraben wurden. Man setzte nun wiederum einen Mann als König ein. Im Lande jedoch unterwarf man sich ihm nicht. Wiederum tötete man sich gegenseitig. Zu jener Zeit tötete man mehr als tausend Menschen. Dann wiederum setzte man eine Tochter Pei-mi-hus ein, das Mädchen {{g|Iyu}}, dreizehn Jahre alt, und machte sie zur Königin. Im Lande war es daraufhin wieder ruhig.<ref>
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Übersetzung nach Seyock 2004, S.58, leicht modifiziert.</ref>
 
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Dass die Zeit Himikos mit dem Beginn der hier erwähnten Hügelgräber zusammenfiel, ist archäologisch erwiesen.<ref>S. {{zitiert|Piggott 1997}}, Seyock 2004  oder {{zitiert|Barnes 2012}}.</ref> Einige Archäologen meinen sogar, das Grab Himikos in der Region {{g|Makimuku}} (südliches Nara-Becken) lokalisieren zu können.<ref>{{zitiert|Kidder 2007}}.</ref> Auf jeden Fall scheinen die chinesischen Berichte trotz ihrer problematischen geografischen Angaben hinsichtlich ihrer Zeitangaben verlässlich zu sein. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob und wie sich Himiko in japanischen Geschichtswerken der Frühzeit wiederfindet.
  
 
==Kaiserin Jingū==
 
==Kaiserin Jingū==
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Himiko wird in Japans erster offizieller Geschichtsquelle — {{g|nihonshoki}}, 720 — zwar nicht namentlich erwähnt, doch ist hier von einer Priesterin zur Zeit des {{g|sujintennou}} die Rede, die nach ihrem tragischen Tod das erste Hügelgrab, das sogenannte Essstäbchen-Grab ({{g|hashihaka}}) in Makimuku erhielt.<ref>{{zitiert|Aston 1972}}, I, S. 159.</ref> Es spricht vieles dafür, dass in diese Episode zumindest Teile der Himiko-Geschichte eingeflossen sind, doch aufgrund ihres mythologischen Charakters kann die Erzählung nicht als historisch verlässlich gewertet werden.<ref>S. dazu auch {{zitiert|Scheid 2016b}}.</ref> 
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Teile des ''Weizhi'' sind nach·weis·lich in das {{g|nihonshoki}} (720) ein·ge·flossen und zwar vor·nehmlich in die Berichte über die legendäre Herr·scherin {{g|jinguukougou}} (mytho·logische Daten 169—269 u.Z.). Sie spielt als Anführerin eines Feld·zugs gegen den Erz·feind des früh·geschicht·lichen japa·nischen Staates, das korea·nische Königreich Silla, eine be·deu·tende Rolle in der kaiserlichen Mytho-Genealogie und wurde später immer wieder im Zu·sammen·hang mit Kriegs·zügen gegen das Nach·bar·land als Vorbild heran·ge·zogen. Die staat·lichen Chro·nisten des siebenten und achten Jahr·hunderts, denen die chi·ne·sischen Ge·schichts·werke zweifellos gut bekannt waren, bemühten sich offenbar, die Lebens·daten von Jingū und Himiko in Einklang zu bringen. Möglicher·weise spielte dabei auch eine Rolle, dass zur Zeit der schrift·lichen Fixierung der kaiser·lichen Chroniken, also in der Zeit um 700, immer wieder Frauen das {{g|Tennou}}-Amt innehatten.
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Teile des ''Weizhi'' sind aber auch in die Berichte über die legendäre Herrscherin {{g|jinguukougou}} (mythologische Daten 169–269 u.Z.) übernommen worden. Sie spielt als Anführerin eines Feldzugs gegen den Erzfeind des frühgeschichtlichen japanischen Staates, das koreanische Königreich {{g|silla}}, eine bedeutende Rolle in der kaiserlichen Mytho-Genealogie und wurde später immer wieder im Zusammenhang mit Kriegszügen gegen das Nachbarland als Vorbild herangezogen. Die historischen Rohdaten für diese Feldzüge, die sicher keine effektive „Eroberung“ Koreas darstellten, dürften aus dem vierten Jahrhundert, also einige Zeit nach Himiko stammen. Die staatlichen Chronisten des siebenten und achten Jahrhunderts bemühten sich aber offenbar, die Figur der Himiko mit späteren militärischen Heldentaten in der Gestalt Jingū Kōgōs zu verschmelzen. Möglicherweise hängt die besondere Heroisierung der legendären Herrscherin damit zusammen, dass zur Zeit der schriftlichen Fixierung der kaiserlichen Chroniken, also in der Zeit um 700, immer wieder Frauen das {{g|Tennou}}-Amt innehatten.
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== Epilog ==
 
  
Als Japan kurz nach der Meiji Restauration (1868) nach westlichem Vorbild Papiergeld einführte, stellte sich die Frage, welche Motive diese neue Form der Währung zieren sollten. Den amtierenden Mo·nar·chen selbst abzubilden, wie es damals in Europa üblich war, kam aus Gründen der Pietät nicht in Frage. Die Tatsache, dass solche kaiserlichen Portraits von jedem beliebigen angefasst werden konnten, widersprach der traditionellen herrschaftlichen Reprä·sentation durch Verhüllung. Um aber das Kaiser·haus dennoch im all·gemei·nen Bewusstsein zu verankern, bot sich das Bild der legendären Kaiserswitwe Jingū an, die laut offizieller Lesart selbst nicht das Amt eines Tennō inne gehabt hatte. 
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<div class="bildbox bildtext">[[Image:|link=|jingu]]<div><br /> Holzstatue, 33.9cm, Yakushi-ji, Yasumigaoka Hachimangū, Nara <br /> „Nationaler Kunstschatz“</div></div><div class="links">
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* [http://ja.wikisource.org/wiki/%E9%AD%8F%E5%BF%97%E5%80%AD%E4%BA%BA%E4%BC%9D 魏志倭人伝] (Wikisource). Primärtext der Beschreibung Japans im ''Sanguo zhi''.
 
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Aktuelle Version vom 7. Januar 2023, 21:36 Uhr

Himiko Die erste historisch fassbare Herrscherin Japans

Die ersten historischen Berichte über Japan entstammen einem chinesischen Geschichtswerk aus dem dritten Jahrhundert, das landläufig als Weizhi [Weizhi (chin.) 魏志 Chin. Chronik der Wei Dynastie (220–266) aus dem 3. Jh. u.Z.; enthält die frühesten Berichte über Japan (Wa) (vgl. wo)] (Chronik der Wei Dynastie) bezeichnet wird.1 Die meisten Berichte gelten aus heutiger Sicht als mehr oder weniger authentisch. Das Weizhi enthält unter anderem elf Kapitel über die „Ostbarbaren“ (tung-i [tung-i (chin.) 東夷 „Ostbarbaren“; chinesische Bezeichnung für Japaner und/oder Koreaner]), also Völker im Osten Chinas, die sich im Wesentlichen in han [han (kor.) 韓/한 älteste chin. Bez. für Koreaner bzw. koreanische Reiche (Drei Han), heute Selbstbezeichnung Südkoreas (Hanguk 韓国/한국)] (Koreaner) und wo [wo (chin.) älteste chin. Bez. für Japaner (wtl. „Zwerg“); jap. wa; in Japan wurde schon früh das Homonym 和 („Harmonie“) als Selbstbezeichnung gewählt] (jap. wa, Japaner) unterteilen lassen. Diese beiden Reiche oder besser „Ethnien“ waren in zahlreiche, zum Teil verfeindete Länder bzw. „Stammesgebiete“ unterteilt.

Wajinden.jpg
1 Bericht über die Wo/Wa
Bericht über die wo aus dem Sanguo zhi (3. Jh.), Titelseite; früher chin. Buchdruck (Pona-Edition, 12. Jh.; Nachdruck 1958)
China, 12. Jh. Bildquelle: Inues.net.

Berichte über Himiko

Das Weizhi berichtet verhältnismäßig detailliert von der japanischen Königin Himiko [Himiko (jap.) 卑弥呼 ca. 170–248; frühgeschichtliche Priesterkönigin; auch Pimiko (wahrscheinliche Bedeutung: „Kind der Sonne“); chin. Pei-mi-hu] oder Pimiko (chin. Pei-mi-hu). Bei diesem Namen handelt es sich höchst wahrscheinlich um einen Herrschaftstitel mit der Bedeutung „Erhabenes Kind der Sonne“. Die Königin beherrschte eine lose Konföderation kleinerer Länder/Stämme, die zusammen das Reich Yamatai [Yamatai (jap.) 邪馬台 Reich der Königin Himiko im Japan des dritten Jhdts; in der chin. Chronik Weizhi beschrieben] bildeten.2 Folgt man allerdings der in der Chronik enthaltenen Wegbeschreibung zur Residenz Himikos, so würde man mitten im Pazifischen Ozean landen, was mannigfachen Spekulationen über den geographischen Ort des Reiches Tür und Tor öffnete. Im Wesentlichen stehen das Nara-Becken [Nara-bonchi (jap.) 奈良盆地 Becken im Norden der Präfektur Nara in welchem auch die Stadt Nara liegt] in Zentraljapan oder Kyūshū [Kyūshū (jap.) 九州 „Neun Provinzen“; süd-westliche der vier japanischen Hauptinseln, drittgrößte und zweitbevölkerungsreichste Insel; heute bestehend aus acht Präfekturen] zur Auswahl. Interessant ist aber vor allem, was das Weizhi über die politisch-religiösen Verhältnisse im Japan des dritten Jahrhunderts berichtet:

In ihrem Lande hat man ursprünglich auch Männer zu Königen gemacht, siebzig, achtzig Jahre lang. Dann gab es im Lande Wo Unruhen. Gegenseitig griff man sich an und bekämpfte sich über Jahre hin. Daraufhin erhob man gemeinsam eine Frau zur Königin. Sie heißt Pei-mi-hu. Sie dient dem Geisterglauben und ist fähig, damit das Volk zu verleiten. Sie ist im fortgeschrittenen Alter, hat aber keinen Ehemann. Sie hat einen jüngeren Bruder, der unterstützend das Land mitregiert. Es gibt nur wenige, die sie bisher, seit sie Königin geworden ist, gesehen haben. Von tausend Dienerinnen lässt sie sich persönlich bedienen. Es gibt nur einen Mann, der sie mit Essen und Trinken versorgt und Nachrichten übermittelt. Er geht in der Residenz ein und aus. Der Palast, die Wachtürme und Befestigungsanlagen sind imposant ausgeführt.3

Das Weizhi berichtet weiter, dass die Königin im Jahr 238 mit der chinesischen Wei-Dynastie Kontakt aufgenommen und Tribute gesendet hätte, die mit freundlichen Gegengeschenken belohnt wurden. Dies war eine besondere Auszeichnung, die selbst koreanische Herrscher der damaligen Zeit nur selten erfuhren und zeigt, dass Japan unter Himiko schon relativ weit auf dem Weg der politischen Zentralisierung vorangekommen war. Allerdings berichtet die chinesische Chronik auch von innerjapanischen Kriegen im Jahr 247. Schließlich heißt es über Himikos Ableben im Jahr 248:

Als Pei-mi-hu starb, baute man in großartiger Weise einen Grabhügel mit einem Durchmesser von mehr als hundert Schritt (pu [pu (chin.) „Schritt“; chin. Längenmaß, 1 pu ≈ 1,67m)]). Es waren mehr als hundert Diener und Dienerinnen, die ihr zum Geleit mit begraben wurden. Man setzte nun wiederum einen Mann als König ein. Im Lande jedoch unterwarf man sich ihm nicht. Wiederum tötete man sich gegenseitig. Zu jener Zeit tötete man mehr als tausend Menschen. Dann wiederum setzte man eine Tochter Pei-mi-hus ein, das Mädchen I-yü [I-yü (chin.) 壹與 235–?; Tochter der japanischen Königin Himiko (da der Name nur aus chin. Chroniken bekannt ist, ist die jap. Aussprache unklar)], dreizehn Jahre alt, und machte sie zur Königin. Im Lande war es daraufhin wieder ruhig.4

Dass die Zeit Himikos mit dem Beginn der hier erwähnten Hügelgräber zusammenfiel, ist archäologisch erwiesen.5 Einige Archäologen meinen sogar, das Grab Himikos in der Region Makimuku [Makimuku (jap.) 纏向 Region im Nara-Becken, wo die frühesten Hügelgräber (kofun) des Yamato-Reichs verortet werden] (südliches Nara-Becken) lokalisieren zu können.6 Auf jeden Fall scheinen die chinesischen Berichte trotz ihrer problematischen geografischen Angaben hinsichtlich ihrer Zeitangaben verlässlich zu sein. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob und wie sich Himiko in japanischen Geschichtswerken der Frühzeit wiederfindet.

Kaiserin Jingū

Himiko wird in Japans erster offizieller Geschichtsquelle — Nihon shoki [Nihon shoki (jap.) 日本書紀 Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)], 720 — zwar nicht namentlich erwähnt, doch ist hier von einer Priesterin zur Zeit des Sujin Tennō [Sujin Tennō (jap.) 崇神天皇 97–30 v.u.Z. (mythol. Regierungszeit); 10. japanischer Kaiser] die Rede, die nach ihrem tragischen Tod das erste Hügelgrab, das sogenannte Essstäbchen-Grab (Hashihaka [Hashihaka (jap.) 箸墓 wtl. Essstäbchen-Grab; Hügelgrab aus dem 4. Jh. nahe Berg Miwa]) in Makimuku erhielt.7 Es spricht vieles dafür, dass in diese Episode zumindest Teile der Himiko-Geschichte eingeflossen sind, doch aufgrund ihres mythologischen Charakters kann die Erzählung nicht als historisch verlässlich gewertet werden.8

Jingu.jpg
2 Kaiserin Jingū in einer Darstellung aus dem 9. Jh.
Darstellung der mythologischen Kaiserin Jingū Kōgō. Bestandteil einer der ältesten plastischen Darstellung japanischer Gottheiten, bestehend aus Jingū, ihrem Sohn Hachiman und dessen Frau Himegami.
Heian-Zeit, 9. Jh. Bildquelle: unbekannt.

Teile des Weizhi sind aber auch in die Berichte über die legendäre Herrscherin Jingū Kōgō [Jingū Kōgō (jap.) 神功皇后 mytholog. Herrscherin; Witwe des 14. Tennō, Chūai, und Mutter des Ōjin Tennō] (mythologische Daten 169–269 u.Z.) übernommen worden. Sie spielt als Anführerin eines Feldzugs gegen den Erzfeind des frühgeschichtlichen japanischen Staates, das koreanische Königreich Silla [Silla (kor.) 新羅/신라 frühes koreanisches Reich, das die Halbinsel von 668 bis 935 beherrschte], eine bedeutende Rolle in der kaiserlichen Mytho-Genealogie und wurde später immer wieder im Zusammenhang mit Kriegszügen gegen das Nachbarland als Vorbild herangezogen. Die historischen Rohdaten für diese Feldzüge, die sicher keine effektive „Eroberung“ Koreas darstellten, dürften aus dem vierten Jahrhundert, also einige Zeit nach Himiko stammen. Die staatlichen Chronisten des siebenten und achten Jahrhunderts bemühten sich aber offenbar, die Figur der Himiko mit späteren militärischen Heldentaten in der Gestalt Jingū Kōgōs zu verschmelzen. Möglicherweise hängt die besondere Heroisierung der legendären Herrscherin damit zusammen, dass zur Zeit der schriftlichen Fixierung der kaiserlichen Chroniken, also in der Zeit um 700, immer wieder Frauen das Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]-Amt innehatten.

Epilog

Als Japan kurz nach der Meiji Restauration [Meiji Ishin (jap.) 明治維新 Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat] (1868) eine neue Währung und Papiergeld nach westlichem Vorbild einführte, stellte sich die Frage, welche Motive diese neuen Zahlungsmittel zieren sollten. Den amtierenden Monarchen selbst abzubilden, wie es damals in Europa üblich war, kam aus Gründen der Pietät nicht in Frage. Die Tatsache, dass solche kaiserlichen Portraits von jedem beliebigen angefasst werden konnten, widersprach der traditionellen herrschaftlichen Repräsentation durch Verhüllung. Um aber das Kaiserhaus dennoch im allgemeinen Bewusstsein zu verankern, bot sich das Bild der legendären Kaiserswitwe Jingū an, die laut offizieller Lesart selbst nicht das Amt eines Tennō inne gehabt hatte.9 Bei der Auswahl des Motivs spielte aber auch die Tatsache eine Rolle, dass sich Japan erneut auf eine Annexion Koreas vorbereitete. Dieses Vorhaben sollte symbolisch durch die Figur der Jingū Kōgō ins allgemeine Bewusstsein gerufen werden.

Jingu banknote.jpg
3 Banknote mit Motiv der Jingū Kōgō, 1878
Geldschein (1 Yen) mit dem (europäisierten) Portrait der mythischen Kaiserin Jingū Kōgō, designt von Edoardo Chiossone, der damals im Auftrag der Meiji-Regierung auch andere Scheine nach westlichem Vorbild gestaltete.
Werk von Edoardo Chiossone (1833–1898). Meiji-Zeit, 1878. The British Museum.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Das Weizhi ist Teil der „Chronik der Drei Reiche“ (Sanguo zhi), verfasst von Chen Shou (233–297) und im fünften Jahrhundert redigiert von Pei Songzhi.
  2. Den Namen kennen wir nur aus chinesischen Transliterationen, also aus einer Art „Stiller-Post-Verfahren“; manche Linguisten nehmen an, dass es sich um den Namen Yamato, also die aus späteren Werken bekannte erste Selbstbezeichnung Japans, handelt.
  3. Übersetzung nach Seyock 2004, S.56, leicht modifiziert.
  4. Übersetzung nach Seyock 2004, S.58, leicht modifiziert.
  5. S. Piggott 1997, Seyock 2004 oder Barnes 2012.
  6. Kidder 2007.
  7. Aston 1972, I, S. 159.
  8. S. dazu auch Scheid 2016b.
  9. Trede 2008; s.a. Die rätselhafte Karriere des Daikoku.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen

  • 魏志倭人伝 (Wikisource). Primärtext der Beschreibung Japans im Sanguo zhi.


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

William George Aston (Ü.), Nihongi: Chronicles of Japan from the Earliest Times to A.D. 697. Rutland, Vt: Tuttle, 1972. (Online.) [Erste Ausgabe: London 1896.]
Gina Barnes, „The Emergence of Political Rulership and the State in Early Japan“. In: Karl Friday (Hg.), Japan Emerging: Premodern History to 1550. New York: Routledge, 2012, 77–88.
Jonathan Edward Kidder, Himiko and Japan’s elusive chiefdom of Yamatai. Honolulu: University of Hawaii Press, 2007.
Joan Piggott, The Emergence of Japanese Kingship. Stanford, CA: Stanford University Press, 1997.
Bernhard Scheid, „‚Sie stach sich in den Schoß und verstarb‘: Zwei seltsame Todesfälle in den kiki-Mythen“. In: Birgit Staemmler (Hg.), Werden und Vergehen: Betrachtungen zu Geburt und Tod in japanischen Religionen. Münster: Lit Verlag, 2016, 95–114.
Barbara Seyock, Auf den Spuren der Ostbarbaren: Zur Archäologie protohistorischer Kulturen in Südkorea und Westjapan. Münster: Lit Verlag, 2004.
Melanie Trede, „Banknote design as a battlefield of gender politics and national representation in Meiji Japan“. In: Doris Croissant, Catherine Vance Yeh, Joshua S. Mostow (Hg.), Performing “nation”: gender politics in literature, theater, and the visual arts of China and Japan, 1880–1940. Leiden: Brill, 2008, 55–104.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Wajinden.jpg
    Bericht über die wo aus dem Sanguo zhi (3. Jh.), Titelseite; früher chin. Buchdruck (Pona-Edition, 12. Jh.; Nachdruck 1958)
    China, 12. Jh. Bildquelle: Inues.net.
  2. ^ 
    Jingu.jpg
    Darstellung der mythologischen Kaiserin Jingū Kōgō. Bestandteil einer der ältesten plastischen Darstellung japanischer Gottheiten, bestehend aus Jingū, ihrem Sohn Hachiman und dessen Frau Himegami.
    Heian-Zeit, 9. Jh. Bildquelle: unbekannt.
  1. ^ 
    Jingu banknote.jpg
    Geldschein (1 Yen) mit dem (europäisierten) Portrait der mythischen Kaiserin Jingū Kōgō, designt von Edoardo Chiossone, der damals im Auftrag der Meiji-Regierung auch andere Scheine nach westlichem Vorbild gestaltete.
    Werk von Edoardo Chiossone (1833–1898). Meiji-Zeit, 1878. The British Museum.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • han (kor.) 韓/한 ^ älteste chin. Bez. für Koreaner bzw. koreanische Reiche (Drei Han), heute Selbstbezeichnung Südkoreas (Hanguk 韓国/한국)
  • Hashihaka 箸墓 ^ wtl. Essstäbchen-Grab; Hügelgrab aus dem 4. Jh. nahe Berg Miwa
  • Himiko 卑弥呼 ^ ca. 170–248; frühgeschichtliche Priesterkönigin; auch Pimiko (wahrscheinliche Bedeutung: „Kind der Sonne“); chin. Pei-mi-hu
  • I-yü (chin.) 壹與 ^ 235–?; Tochter der japanischen Königin Himiko (da der Name nur aus chin. Chroniken bekannt ist, ist die jap. Aussprache unklar)
  • Jingū Kōgō 神功皇后 ^ mytholog. Herrscherin; Witwe des 14. Tennō, Chūai, und Mutter des Ōjin Tennō
  • Kyūshū 九州 ^ „Neun Provinzen“; süd-westliche der vier japanischen Hauptinseln, drittgrößte und zweitbevölkerungsreichste Insel; heute bestehend aus acht Präfekturen
  • Makimuku 纏向 ^ Region im Nara-Becken, wo die frühesten Hügelgräber (kofun) des Yamato-Reichs verortet werden
  • Meiji Ishin 明治維新 ^ Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat
  • Nara-bonchi 奈良盆地 ^ Becken im Norden der Präfektur Nara in welchem auch die Stadt Nara liegt
  • Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
  • pu (chin.) 步 ^ „Schritt“; chin. Längenmaß, 1 pu ≈ 1,67m)
  • Silla (kor.) 新羅/신라 ^ frühes koreanisches Reich, das die Halbinsel von 668 bis 935 beherrschte
  • Sujin Tennō 崇神天皇 ^ 97–30 v.u.Z. (mythol. Regierungszeit); 10. japanischer Kaiser
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
  • tung-i (chin.) 東夷 ^ „Ostbarbaren“; chinesische Bezeichnung für Japaner und/oder Koreaner
  • Weizhi (chin.) 魏志 ^ Chin. Chronik der Wei Dynastie (220–266) aus dem 3. Jh. u.Z.; enthält die frühesten Berichte über Japan (Wa) (vgl. wo)
  • wo (chin.) 倭 ^ älteste chin. Bez. für Japaner (wtl. „Zwerg“); jap. wa; in Japan wurde schon früh das Homonym 和 („Harmonie“) als Selbstbezeichnung gewählt
  • Yamatai 邪馬台 ^ Reich der Königin Himiko im Japan des dritten Jhdts; in der chin. Chronik Weizhi beschrieben