Makiguchi Tsunesaburō

Aus Kamigraphie
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Makiguchi Tsunesaburō.jpg
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Themengruppe Personen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen)
Name Makiguchi Tsunesaburō 牧口常三郎
Lebenszeit geb. 23. Juli 1871 in Arahama, Niigata, gest. 18. November 1944 in Tōkyō (Sugamo-Gefängnis)
Sonstige Namen Chōhichi
Funktion, Amt Mitgründer und erster Präsident der Sōka Gakkai

Kindheit und Jugend

Makiguchi wurde in einem kleinen Dorf geboren; in jungen Jahren kehrte der Familienvater eines Tages nicht mehr von der Arbeit zurück und Makiguchi wurde adoptiert. Im Alter von ca. 14 bis 16 Jahren verließ er seinen Stiefvater und zog zu seinem Onkel nach Hokkaidō. In Sapporo besuchte er von 1889-1893 die pädagogische Hochschule (laut Sōka Gakkai lediglich von 1891-1893). Dort erhielt er die Lehrlizenz für Geographie und Pädagogik. 1895 heiratete er Makiguchi Kuma.

Karriere als Lehrer

Etwa 1900 wurde Makiguchi Assistenzlehrer und dann Lehrer an der pädagogischen Hochschule von Hokkaidō. Der damalige Rahmen für Unterrichtstätigkeiten wurde allen voran vom Kaiserlichen Erziehungsedikt vorgegeben, das 1890 erlassen worden war. Dieser war Ausdruck des „Siegs“ konservativer über liberale Kräfte in Sachen Erziehungspolitik der Meiji-Zeit, und brachte autoritär und militärisch geprägten Unterricht mit sich. Schüler wurden als Subjekte gesehen, die es zu unterweisen galt, und nicht als Individuen, die zu Staatsbürgern heranerzogen werden sollten.[1] Makiguchi, seines Zeichens nur einfacher Lehrer, erkannte die Mängel, die diese Herangehensweise in der Praxis mit sich brachten, und äußerte dementsprechend fortlaufend Kritik an der fehlenden Effektivität des Schulunterrichts (auch in seinen Werken, siehe unten). Allerdings war dies keine Kritik am Bildungssystem per se, oder gar an seinen von den imperialistischen Bestreben Japans vorgegebene Zielen, sondern vielmehr eine Kritik am Festhalten an alten Lehrtraditionen durch seine Lehrerkollegen.[2]

Makiguchis Abneigung Autoritäten gegenüber brachten ihn immer wieder in Schwierigkeiten. Auch lehnte er die damals nicht unübliche Sonderbehandlung von Schülern aus wohlhabenderen Familien ab, und er nahm auch keine Geschenke von Eltern an. Dies hatte zahlreiche Schulwechsel, und schließlich auch seinen erzwungenen Ruhestand zur Folge[3]. Während Autoren wie Bethel oder Mori hier die Jahreszahl 1929 angeben, gibt die Sōka Gakkai das deutlich spätere Jahr 1937 an. Je nach Jahr könnte dies bei Makiguchis Konvertierung zum Nichiren-Buddhismus (siehe unten) eine Rolle gespielt haben.[4]

Betätigung als Geograph

1901 stellte Makiguchi seine Lehrtätigkeit ein und zog nach Tōkyō mit dem Ziel, Geograph zu werden. Makiguchis akademisches Interesse an der Geographie begründet sich vor allem auf den Arbeiten von Shiga Shigetaka 志賀 重昂 (Nihon fukeiron 日本風景論, „Japanische Landschaften“) und dem Christen Uchimura Kanzō 内村鑑三 (Chijinron 地人論, „Theorie von Land und Bewohnern“). Wie für seine Vorbilder galt auch für Makiguchi die Geographie als Studium der wechselseitigen Einflussnahme zwischen dem Menschen und seiner unmittelbarer Umwelt.[5] Als einfacher Lehrer war Makiguchi der Zugang zu höheren akademischen Kreisen verwehrt – ein Umstand, dem er durch eine erfolgreiche Publikation beikommen wollte.[6] 1903 erschien sein erstes Werk, Jinsei chirigaku 人生地理学 (Titel der englischen Übersetzung.: A geography of human life). Mit Shiga Shigetaka hatte zuvor eines von Makiguchis Vorbildern persönlich das Manuskript zu dem Werk für gut befunden und Makiguchi Ratschläge erteilt.[7]

Pädagogik im Fokus

Makiguchis zweites Werk erschien 1912 unter dem Titel Kyōju no tōgō chūshin to shite no kyōdoka kenkyū 教授の統合中心としての郷土科研究 (engl.: Study of places of origin as the core of all lessons). Dieses war, wie der Titel verrät, zwar noch immer stark von Makiguchis Interesse an Geographie geprägt, allerdings markierte es den Übergang zu seinem vermehrten Interesse an pädagogischer Theorie.

Ab 1930 erschien schließlich Makiguchis wichtigstes Werk Sōka kyōiku taisei 創価教育学体系, („Erziehungssystem zur Schaffung von Werten“) in mehreren Bänden (1930, 1931, 1932, 1934). Ursprünglich war ein Gesamtumfang von gleich zehn Bänden angedacht, es blieb aber bei vier Teilen.[8] Makiguchi legte darin dar, dass er ein Bildungssystem mit sozialer Verantwortung anstrebte, dass auf Individuen Rücksicht nehmen sollte und Schüler ermutigt, durch Beobachtung ihrer unmittelbaren Umgebung diese und daraus folgend große soziale Zusammenhänge zu verstehen[9]. Aus dem Ansatz der Beobachtung der unmittelbaren Umgebung wird deutlich, dass Makiguchi auch in seinem Hauptwerk zu Pädagogik nicht auf seine Schlüsse aus der Geographie vergisst.

Im Zentrum steht Makiguchis Konzept des „Werte schaffens“ (sōka 創価). Einfach ausgedrückt geht es Makiguchi darum, dass alles (im Erziehungswesen) von einem Mehrwert sein sollte. Dies stand natürlich im Kontrast zum aktuellen Bildungswesen in Japan, dass er als plan- und ziellos, und damit ineffektiv anprangerte. Makiguchis Ansätze sind, wie er auch selbst immer wieder in seinen Werken betont, aus den praktischen Erfahrungen, die er während seiner Lehrtätigkeit sammeln konnte, entstanden. Zusammen mit dem Konzept des sōka ähneln sie stark den Bemühungen des amerikanischen Pragmatismus, wie sie zur selben Zeit beispielsweise von John Dewey[10] vorangetrieben wurden.[11]

Konvertierung zum Nichiren-Buddhismus

Im Jahre 1928 konvertierte Makiguchi zum Nichiren-Buddhismus, genauer gesagt zu Nichiren Shōshū. Davor war Religion für Makiguchi eher negativ belegt gewesen; er hatte keinen Wert darin gesehen und kritisierte, dass Religionen zu oft ihren gesellschaftlichen Auftrag vernachlässigen.

Was zu dieser Veränderung in Makiguchis denken führte lässt sich nicht eindeutig bestimmen, es gibt jedoch verschiedene Theorien bzw. Einflussfaktoren.

Mori nennt z.B.:[12]

  • den Nichiren-Shōshū-Buddhisten Mitani Sokei, auf den Makiguchi in Tokyo traf
  • Armut und Krankheit; Tod einiger seiner Kinder sowie vieler Freunde und Bekannte
  • die politischen Umstände der Zeit, auch wenn Makiguchi nie politische Kritik äußerte
  • Kompatibilität zwischen Lotus Sutra und Wissenschaft

Bethel nennt als weiteren Faktor, dass Makiguchis bisherige Bemühungen, sich als Gelehrter zu etablieren und mit seinem Konzept der Werte schaffenden Pädagogik die japanische Erziehung positiv beeinflussen, gescheitert waren. Bethel sieht in diesem Zusammenhang Makiguchis Konvertierung als weiteren pragmatischen Schritt an, um seinen Einfluss zu vergrößern[13]

Gründung von Sōka Gakkai

Der am 18. November 1930 erschienene erste Band von Sōka kyōiku taisei nannte bereits eine Vereinigung namens Sōka kyōiku gakkai als Herausgeberin. Die formale Gründung der Organisation folgte aber erst deutlich später, am 27. Jänner 1937[14]. Die Organisation ist der Vorläufer zur heutigen Sōka Gakkai.

Anfangs war diente die Organisation als eine Art verlängerter Arm für Makiguchis in Sōka kyōiku taisei formulierte Bestrebungen zur Verbesserung des japanischen Erziehungssystems. Nach und nach, in einem Prozess bis etwa 1940, wurde die Organisation zunehmend religiös orientiert.

Inhaftierung und Tod

In dieser Zeit wurde das Gesetz zu Religionsgemeinschaften verabschiedet, das dem Staat weitreichende Kontrolle über Religionsgemeinschaften verlieh und allen voran auf neue Organisationen wie eben Sōka Gakkai abzielte.

Sōka Gakkai, vor allem in Person von Makiguchi und seinem Schüler Toda Jōsei, kritisierte die damals im Zusammenhang mit dem Staatsshintō praktizierte Tennō-Verehrung. Auch hierbei handelte es sich um keine Kritik an den politischen Ansprüchen des Tennō, sondern an seiner proklamierten Göttlichkeit.[15]

Makiguchi und Toda wurden schließlich 1943 unter anderem wegen Majestätsbeleidigung inhaftiert, da sie dem Tennō seine Göttlichkeit absprachen. Am 18. November 1944 verstarb Makiguchi an Altersschwäche und Unterernährung im Gefängnis.

Literatur

  • Dayle M. Bethel 1973
    Makiguchi: The value creator: Revolutionary japanese educator and founder of Sōka Gakkai. New York: Weatherhill 1973.
  • Daniela Birnbauer 2017
    „Das Leben und Wirken des Taniguchi Masaharu: Begründer der Neureligion Seichō no Ie.“ In: Bernhard Scheid (Hg.), Kamigraphie. Universität Wien 2017. (BA-Seminararbeit, Wintersemester 2016/17.)
  • Noah S. Brannen 1964
    „Sōka Gakkai's theory of value: An analysis.“ Contemporary Religions in Japan 10/1 (1964), S. 143-154.
  • Levi McLaughlin 2012
    Sōka Gakkai in Japan. Leiden: Brill 2012.
  • Levi McLaughlin 2009
    Sōka Gakkai in Japan. Princeton 2009. (Diss..)
  • Daniel Alfred Métraux 1994
    The Sōka Gakkai revolution. Lanham: University Press of America 1994.
  • Daniel Alfred Métraux 1992
    „The dispute between the Sōka Gakkai and the Nichiren shōshū priesthood: A lay revolution against a conservative clergy.“ Japanese Journal of Religious Studies 1992 19/4 (1992), S. 325-336.
  • Kōichi Mori 1977
    Study of Makiguchi Tsunesaburō: The founder of Sōka Gakkai. Berkeley 1977. (Exzerpt Diss..)

Zitate

  1. Bethel 1973, S. 28
  2. Bethel 1973, S. 28
  3. Bethel 1973, S. 40-41
  4. vgl. McLaughlin, 281
  5. Bethel 1973, S. 32
  6. Bethel 1973, S. 35
  7. Bethel 1973, S. 36
  8. Bethel 1973, S. 41
  9. Bethel 1973, S. 60-61
  10. John Dewey in der deutschsprachigen Wikipedia
  11. Bethel 1973, S. 80, 87
  12. Mori 1977, S. 138-136
  13. Bethel 1973, S. 90
  14. McLaughlin 2012: 281-282
  15. Mori 1977, S. 137