Exzerpt:Mori 1977

Aus Kamigraphie
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Kōichi Mori 1977
Study of Makiguchi Tsunesaburō: The founder of Sōka Gakkai. Berkeley 1977. (Exzerpt Diss..)

Überblick

Das Werk ist eine Dissertation an einer theologischen Fakultät; allerdings ist es beschäftigt es sich nicht nur mit theologischen Aspekten. Makiguchi Tsunesaburōs Leben, sein Denken und seiner Konvertierung zu Nichiren-Shōshū stehen im Vordergrund.

Inhalt

Biographie

zu finden auf Seite 8 bis 19

Makiguchi wurde in einem kleinen Dorf geboren, sein Vater verließ die Familie; er wuchs zuerst bei Stiefeltern auf und zog schließlich zu einem Onkel mit Hokkaidō.

Laut Sōka Gakkai-Anhängerin Misaka Fuasahiro pflegte Makiguchis leibliche Mutter weiter eine Beziehung mit ihm und unternahm sogar einen Doppelselbstmord-Versuch (S. 9). Ob dies der Wahrheit entspricht oder nur eine Dramatisierung Makiguchis Kindheit ist, ist unbekannt.

In Sapporo besuchte Makiguchi die Pädagogische Hochschule Hokkaidōs (1889-1893), die er mit einem Diplom für Geographie und Pädagogik abschloss. Laut Sōka Gakkai benötigte er dafür nur von 1891-1893; eine Behauptung, die wohl seine außergewöhnliche Intelligenz hervorheben soll. Welche der Angaben stimmen, ist ungewiss (S. 10)

Makiguchi wurde schließlich Grundschullehrer. 1901 stellte er seine Lehrtätigkeiten ein und zog nach Tōkyō mit dem Ziel, Geograph zu werden. 1903 veröffentlichte er sein erstes Werk, Jinsei chirigaku. Mit diesem geographisch orientierten Werk erhoffte er sich, den Durchbruch in der akademischen Welt zu schaffen, was jedoch nicht gelang.

Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten musste er wieder Stellen als Lehrer annehmen, aufgrund häufiger Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten kam es zu zahlreichen Schulwechseln.

1912 erschien sein zweites Werk Kyōju no tōgō chūshin to shite no kyōdoka kenkyū, das einen ersten Schritt von Geographie zu Pädagogik als zentrales Thema darstellte.

1928 konvertierte er zum Nichiren-Buddhismus, genauer gesagt zu Nichiren Shōshū, und am 18. November 1930 gründete er gemeinsam mit Toda Jōsei Sōka Gakkai. Diese war zuerst ebenfalls pedagogisch orientiert, bevor ab 1940 zunehmend die Religion in den Mittelpunkt rückte. 1928 veröffentlichte er auch sein drittes Werk, Sōka kyōiku taisei 創価教育学体系 (zu Deutsch etwa: Das Werte schaffende Erziehungssystem).

Sōka Gakkais Kritik daran, dass sich der Tennō als Kami darstellte und sich nicht den Lehren des Lotos Sutra (zentrales Werk des Nichiren-Buddhismus) unterwerfen wollte, brachte einige Mitglieder, unter anderem Makiguchi und Toda ins Gefängnis. Am 18. November 1944 verstarb Makiguchi an Altersschwäche und Unterernährung im Gefängnis.

Makiguchis Studium der Geographie und der Orte der Herkunft

zu finden auf Seite 19 bis 42

Makiguchis geographisches Interesse begründet sich auf den Arbeiten von Shiga Shigetaka, Uchimura Kanzō und Nitobe Inazō. Ebenfalls stark beeinflusst wurde er von Carl Ritters Theorie der Kulturökologie.

In Makiguchis Beschäftigung mit Geographie wird durch folgende Punkte charakterisiert:

  • menschliches Leben steht im Mittelpunkt
  • Probleme der Relation Mensch <-> Natur
  • Systematisierung

Er betrieb die Geographie mit dem klaren Ziel, ein universelles Gesetz zum Zusammenhang zwischen Geographie und dem Leben der Menschen zu finden. Daran erkennt man Makiguchis induktiven Ansatz.

In diesem Zusammenhang ist Jinsei chirigaku, eher als sozialwissenschaftlich-anthropologisch als als geographisch einzuordnen.

Ein weiterer zentraler Gedanke in seinem Werk Jinsei chirigaku ist seine Absicht, das Selbstbild Japans von dem einer Inselnation zu jenem einer Ozeannation zu verändern. Damit war einerseits die Modernisierung und Industrialisierung gemeint (eine Inselnation fischt an der Küste, eine Ozeannation betreibt hochtechnologische Hochseefischerei), andererseits ist damit auch japans Imperialismus gemeint. Dieser wird in Jinsei chirigaku als notwendig erachtet.

Religiöses Verständnis Makiguchis

zu finden auf Seite 83 bis 138

Makiguchi wurde in eine Familie von Zen-Buddhisten geboren; sein Ziehvater war Nichiren-Buddhist, allerdings nicht Nichiren Shōshū, wie manchmal vonseiten Sōka Gakkai behauptet wird (S. 85). Die meisten von Makiguchi respektierten Personen aus der akademischen Welt waren Christen, wie z.B. Uchimura Kanzō.

Bis zu seiner relativ späten Konvertierung zu Nichiren Shōshū 1928 war Religion für Makiguchi eher negativ belegt; er sah keinen Wert darin und kritisierte, dass Religionen zu oft ihren gesellschaftlichen Auftrag vernachlässigen. Was religiöse Vielfalt betrifft, zeigte er sich im 1912 erschienenen Kyōju no tōgō chūshin to shite no kyōdoka kenkyū noch von einer sehr liberalen Seite (S. 134).

1928 erfolgte schließliche seine Konvertierung zu Nichiren Shōshū. Was ausschlaggebend für seinen Sinneswandel war, kann nicht genau gesagt werden, aber es gibt einige Indizien:

1. Makiguchi traf in Tōkyō auf den Nichiren-Shōshū-Buddhisten Mitani Sokei; ihre Freundschaft hielt aber nur kurz und dass Mitanis Einfluss alleine reichte, um Makiguchi zu bekehren, gilt als unwahrscheinlich.

2. Armut und Krankheit; Tod einiger seiner Kinder, Freunde und Bekannte

3. Die politischen Umstände: Bankrott einiger Banken, Japanische Intervention im Chinesischen Bürgerkrieg 1927, Verhaftung zahlreicher japansischer Sozialisten 1928 im eigenen Land. Allerdings: Makiguchi war kein Sozialist und Pro-Imperialistisch eingestellt.

4. Lotos Sutra widerspricht nicht der Wissenschaft

Vor allem die politischen Umstände dieser Zeit passen gut zum Mappō-Gedanken des Nichiren-Shōshū.

In den Lehren von Nichiren-Shōshū erkannte Makiguchi seine eigenen Ideen zum Wertebegriff wieder, ebenfalls verfolgt Nichiren-Shōshū dasselbe Ziel wie Makiguchi, nämlich das Glück aller Menschen (S. 122). In einer Ausgabe einer von Sōka Gakkai herausgegebenen Zeitschrift aus dem Jahre 1936 beschreibt diese das Ziel der Zeitschrift (und damit von Sōka Gakkai) die "Reform des sozialen Lebens auf Basis des Mahayana-Totalismus im Einklang mit kokutai 国体 [nationaler Charakter], der Marxismus, Faschismus und Liberalismus transzendiert" (S. 125)

Ab ca. 1941 formulierte Makiguchi sein Ziel als taizen seikatsuhō 大善生活法 (etwa Lebensweg zum größeren Wohl), bei dem es ihm noch immer um das Glück aller Menschen geht, wobei aber das Individuum immer weiter in den Hintergrund rückt. Makiguchi wurde schließlich immer fanatischer in seinen Ansichten und betonte nun den pedagogischen Wert der Bestrafung - etwa für jene, die sich dem Nichiren-Buddhismus und damit dem Lotos Sutra nicht unterwerfen wollen. Sein Liberalismus war nun endgültig Geschichte.

Makiguchi war eigentlich Verfechter der offiziellen "Nation als Familie"-Ideologie und damit des Tennō-Systems. Allerdings kritisierte er, dass sich der Tennō über Nichiren stellte, sowie dessen Ignorieren des Lotos Sutras. Dies führte schließlich zu Makiguchis Verhaftung.

Bewertung und Kritik durch Mori

zu finden ab Seite 139

Für Mori gilt, dass ein Gedanke, eine Bewegung oder eine Religion dann für eine Gesellschaft von Bedeutung sind, wenn sie partikularistische und universelle Elemente miteinander verbinden. Für Mori überwiegt bei Makiguchi das Partikularistische, genauer das Nicht-Infragestellen des Tennō-Systems.

Vor allem Makiguchis Befürworten des japanischen Imperialismus und der damit verbundenen Exapansionspolitik wird von Sōka Gakkai meistens verschweigen, oft sogar ins Gegenteil verkehrt und Makiguchi als Vordenker und Gegner des damaligen faschistischen Systems dargestellt.

Makiguchis anfangs noch positivistischer Ansatz verfällt mit seiner religiösen Radikalisierung zusehends und resultiert schlussendlich in vollkommener Unwissenschaftlichkeit.

Bewertung

Die Dissertation zeichnet insgesamt ein recht düsteres Bild von Makiguchi als Befürworter der "Nation als Familie"-Ideologie und Unterstützer des japanischen Imperialismus.

Interessant ist die Erzählstruktur der Arbeit, die eigentlich bis ca. zur Hälfte die genannten Punkte ausklammert und Lesenden, die Makgiuchi noch nicht kannten, ein Bild von einem für seine Zeit äußerst fortschrittlichen, liberalen Pädagogen. In diesem Sinne ist das Werk aufgrund des Überaschungsmoments recht spannend zu lesen; insgesamt wirkt dieser Aufbau jedoch wie ein In-Schutz-Nehmen Makiguchis.

Eine Frage, die dieses Werk mehr aufwirft als beantwortet, ist wie Makiguchis Position zum Marxismus zu erklären ist. Gegen Ende der Dissertation findet sich dieses Zitat Makiguchis:

The time will come when we can succeed in revolution and persuade the capitalists by creative, sound means without pursuing a destructive method. This is the right way of educators. From such a standpoint, I did not cooperate with the Marxist any further than the universal election movement, the social reform movement which does not oppose the structure of the nation (S. 208)

Als Befürworter der Staates in seiner damaligen Form sind seine inhaltlichen Differenzen mit dem Marxismus offensichtlich. Seine methodische Kritik an der gewaltsamen Revolution hingegen ist äußerst verwunderlich, da Makiguchi selbst ein Unterstützer der japanischen Expansionspolitik ist und auch an der Verfolgung politischer Gegner zu dieser Zeit, insbesondere Sozialisten, zumindest diesem Werk zufolge keine Kritik äußerte. Leider geht das Werk nicht genauer auf seine Einstellung zum Marxismus ein, was vor allem schade ist, weil Makiguchis Denken immer die einfache Bevölerkung zum zentralen Thema hatte.

Zusammengefasst bietet das Werk jedoch einen ausgezeichneten Überblick über Makiguchis Leben und sein Denken im Wandel der Zeit.