Schlangen im Konjaku monogatari
Schlangen sind ein wiederkehrendes Motiv, das in verschiedensten Legenden, Mythologien und Religionen seinen Platz findet. Im westlichen Raum würde man zum Beispiel an die Schlange des Sündenfall Adams und Evas denken. In Japan ist Yamata no Orochi 八岐大蛇, der von der Gottheit Susanoo 須佐之男 getötet wurde, ein prominentes Beispiel. Heutzutage wird Orochi zwar eher als ein Drachen beschrieben, jedoch bedeutet der Name nicht nur achtköpfige, achtschwänzige Schlange, sondern sind japanische, bzw. chinesische Drachen im Allgemeinen schlangenartig. Wie in einigen der hier präsentierten Erzählungen, verschwimmt ab und zu die Grenze zwischen Schlangen und Drachen. Außerdem gibt es nicht nur Geister, Dämonen und Götter, die eine Schlangenform haben (und sich vielleicht auch in Menschen verwandeln können), sondern auch Menschen, die, zum Beispiel durch Wiedergeburt, die Gestalt einer Schlangen annehmen. Es gibt nicht nur Dämonen, Gottheiten usw., die von Natur aus Schlangengestalt haben, sondern es gibt auch Menschen, die die Form einer Schlange annehmen können und umgekehrt. Einerseits kann dies durch Wiedergeburt zur Schlange auf Grund von Sünden, wie Wut und Hass, geschehen. Andererseits kann es sich auch um ein von Natur aus gegebenes Charakteristikum, was fühlende Schlangen erlaubt, sich in Menschen zu verwandeln. Bei letzterem ist es unklar, ob es sich wirklich um einfache Schlangen handelt oder doch um Geister oder Dämonen, jedoch sollte man dabei berücksichtigen, dass es weitere Erzählungen gibt, die von fühlenden, sprechenden Tieren erzählen. In diesem Artikel werden Erzählungen aus Konjaku monogatari-shū 今昔物語集, bzw. die Übersetzungen davon, betrachtet. Zunächst werden diese Erzählungen zusammengefasst, dann analysiert.
Wiedergeburt zur Schlange
A monk of Dojoji temple in Kii Province brings salvation to two snakes by copying the Lotus Sutra (Kōriyama et al. 2015:55-58)
Diese Erzählung ist vielleicht eine der bekanntesten im Zusammenhang mit Schlangen in der setsuwa Literatur, wahrscheinlich besonders dank eines Noh-Stücks, auf dem diese Erzählung basiert.
Zwei pilgernde Mönche übernachten bei einer jungen Witwe. Diese wird von „sexual passion“ (Kōriyama et al. 2015:55) für den jüngeren, gut aussehenden Mönch ergriffen, kommt zu ihm während der Nacht. Er weist sie zurück. Am Ende schafft es anscheinend die Frau jedoch ihn zu überreden, auf seiner Rückreise bei ihr zu bleiben. Als die Frau erfährt, dass er sein Versprechen nicht gehalten hat, „she returned to her house and confined herself in her bedroom. After a period of silence, she died. When her attendants discovered this, they grieved and as they cried, suddenly, a snake, some thirty feet long, crept out from the bedroom“ (Kōriyama et al. 2015:56). Während die Schlange Schrecken verbreitet, bekommen die zwei Mönche die Nachricht, dass diese Schlange sie verfolge und sie begreifen sofort, dass es sich um die Frau handelt. Die Mönche erreichen einen Temple und der junge Mönch wird unter einer Glocke versteckt. Der folgende Abschnitt schildert was dann genau mit ihm passiert.
Als die anderen Mönche die Glocke heben, ist Asche das einzige, das von dem jungen Mönch überbleibt. Einige Zeit später erscheint dem alten Mönch mit dem der junge Mönch gepilgert war, eine Schlange im Traum und erzählt ihm, er wurde gezwungen, der Gemahl der Schlangen-Frau zu werden. Um beide zu retten und zu erlösen, schreibt er einen Teil des Lotus Sutra ab. Als Moral dieser Erzählung wird nicht nur die Wichtigkeit des Lotus Sutra hervorgebracht, sondern auch die Kraft eines „wicked woman’s heart“ (Kōriyama et al. 2015:58) und dass man sich deswegen von Frauen fern halten sollte.
About the snake under the stepping-stones (Mills 1970:223-226)
Ein ähnliches Thema, der Tod einer von Wut zerrissenen Frau, gefolgt von der Wiedergeburt als Schlange und anschließend Erlösung durch Lotus Sutra, befindet sich auch in Uji shūi monogatari, das mehrere Erzählungen mit dem Konjaku monogatari-shū gemeinsam hat (vielleicht auch diese, jedoch war sie nicht in den verwendeten Übersetzungen enthalten). In dieser Erzählung bemerkt eine alte Frau, wie eine junge Frau von einer Schlange verfolgt wird. Neugierig und besorgt folgt die alte Frau den beiden. Sie beobachtet, wie die junge Frau in einen Tempel geht um zu beten, stets gefolgt von der Schlange. Die Schlange folgt der Frau bis zu ihrem Zuhause. Während der Nacht verschwindet sie. Am Morgen berichtet die junge Frau, wie sie geträumt hat, dass eine Frau ihr im Traum erschienen ist und sich bei ihr bedankt hat. Diese Frau war die Schlange, die während ihres menschlichen Lebens voller Groll und Eifersucht war und deswegen als Schlange wiedergeboren ist. Die Schlange war unter einen Stein einer Brücke gekrochen und kam nicht mehr raus, bis die junge Frau den Stein unabsichtlich verschoben hat. Als die junge Frau dann im Tempel den Lotus Sutra aufgesagt hat, wurde die Schlange erlöst.
Fühlende Schlangen und Dämonen
Unjo, a Sutra-chanting Monk, Escapes a Snake’s Attack by Chanting the Lotus Sutra (Kōriyama et al. 2015:49-50)
Ein Mönch namens Unjo trifft auf eine Höhle und entscheidet sich, dort die Nacht zu verbringen. Die Umgebung wird nach und nach furchteinflößender und später bemerkt der Mönch eine riesige Schlange, die im sich nähert. Um im Reinen Land wiedergeboren zu werden, sagt der Mönch das Lotus Sutra auf, was dazu führt, dass die Schlange plötzlich verschwindet. Es begann zu regnen und nach einer Weile, als es aufgehört hatte, erschien ein Mann, der dem Mönch folgendes sagt:
Der Mann, wahrscheinlich ein dämonischer Gott, verschwindet. In diesem Fall handelt es sich am Ende nicht um eine Erlösung, da die Schlange ein Dämon war, sondern um eine Rückkehr zum Guten.
A Woman from Yamashiro Province Is Saved from the Danger of a Snake by the Grace of Kannon (Kōriyama et al. 2015:79-81)
Eine junge, warmherzige Frau, die Kannon ergeben ist und eine Rolle des Lotus Sutra gelernt hat, rettet eines Tages einen Krebs. Ihr Vater rettet hingegen einen Frosch vor einer giftigen Schlange, indem er der Schlange verspricht, ihr seine Tochter als Braut zu geben. Er erzählt dies voller Reue seiner Tochter. Die Schlange kommt zu deren Haus, jedoch hat sie die Gestalt eines Adligen fünften Ranges angenommen. Trotz seiner Erscheinung bittet die Familie den Schlangen-Mann in drei Tagen zurückzukehren. Die Frau versteckt sich in einem Schuppen und als der Mann dies erfährt, nimmt er wütend wieder die Gestalt der Schlange an und versucht, in den Schuppen einzudringen. Die Frau betet Kannon an und wird von Krebsen gerettet, die die Schlange töten.
The Grave of Chopsticks (Kōriyama et al. 2015:286-287)
Eines Nachts wird die junge Tochter eines Kaisers von einem Adligen besucht, der sie bittet, ihn zu heiraten. Er besucht sie jede Nacht, bis sie es ihrem Vater, dem Kaiser erzählt. Dieser meint, es könne sich nur um einen Gott handeln. Die Prinzessin und der mysteriöse Mann lieben sich zwar, jedoch will die Prinzessin wissen, wer er wirklich ist. Er sagt ihr, wo sie seine Identität herausfinden kann, im Gegenzug für das Versprechen, sich nicht zu erschrecken. Die Prinzessin folgte seinen Anweisungen und fand in einem kleinen Fläschchen Öl eine winzige Schlange. Sie erschreckt sich. Als der Mann während der Nacht zurückkommt, sagt er ihr, er könne sie nicht mehr sehen. Sie versucht ihn aufzuhalten und er sticht sie mit einem Essstäbchen in ihre Geschlechtsteile, woraufhin sie stirbt.
Kannon
A man from Michinoku Province, who catches hawks’ chicks, is saved by Kannon (Kōriyama et al. 2015:70-73)
Ein Mann, der Falkenküken fängt und verkauft, wird von einem Dorfbewohner ausgetrickst und bei einer Klippe gelassen. Der Mann sieht dies als Bestrafung für seine Taten und betet zu Kannon, ihn zum Reinen Land zuzulassen, da er immer ergeben gewesen ist. Während er betet, taucht eine große, furchteinflößende giftige Schlange aus dem Meer auf und kriecht auf den Mann zu. Als er sein Schwert in den Kopf der Schlange sticht, kriecht die Schlange bis auf den Gipfel der Klippe, noch während der Mann das Schwert festhält, und verschwindet. Gerettet, glaubt der Mann, er wurde von Kannon in Schlangengestalt gerettet.
Drachenkönige
Obwohl es viele Erzählungen gibt (besonders in dem indischen Abschnitt), die Drachenkönige 龍王 (Nāgarāja oder ryūō) behandeln, werden diese kaum beschrieben und erscheinen selten explizit als Schlangen, wie in der Erzählung 16/15. Diese Drachenkönige stammen ursprünglich aus Indien und werden halb menschlich und halb schlangenartig dargestellt. Sie sind semi-himmlische Gottheiten, jedoch in einigen Fällen auch ehemalige Menschen. Obwohl Schlangen nicht immer direkt in den Erzählungen, in denen Drachenkönige vorkommen, erwähnt werden, kann man sich vorstellen, dass auch diese in das Thema dieses Artikels passen.
A believer in Kannon goes to the dragon’s palace and returns rich (Kōriyama et al. 2015:74-78)
Ein junger, armer Mann trifft auf einen Mann, der eine kleine Schlange mit sich trägt. Er fragt ihn, für was er die Schlange braucht und der Mann antwortet, dass er das Fett von kleinen Schlangen benötigt. Nach einigen Verhandlungen, gibt der junge Mann ihm seinen Kimono im Tausch für die Schlange, da es eine Sünde ist, lebende Wesen zu töten. Er bringt die kleine Schlange zurück zu einem Teich. Kurz darauf trifft er ein hübsches junges Mädchen, das sich bei ihm bedankt, ihr Leben gerettet zu haben. Dem Mann wird klar, dass das Mädchen die Schlange gewesen sein muss. Sie führt ihn zurück zum Teich und dann zu einem prunkvollem Schloss, wo der Mann die Familie des Schlangen-Mädchens trifft. Er wird herzlich willkommen geheißen und zu einem Bankett eingeladen. Anschließend stellt sich heraus, dass es sich um die Familie des Drachenkönigs handelt und aus Dankbarkeit geben sie dem Mann einen unerschöpflichen Goldklumpen.
Verweise
Siehe auch
Yamata no Orochi
Schlangen
Oni#Nure_onna
Quellen
- Konjaku monogatari-shū
- Rolle des Dōjō-ji Noh Stückes
- Nanao Art Museum
- Uji shūi monogatari
- Naoshi Kōriyama, Bruce Allen (Ü.) 2015Japanese tales from times past: Stories of fantasy and folklore from the Konjaku monogatari shu. Tokyo: Tuttle Publishing 2015.
- Douglas E. Mills 1970A collection of tales from Uji: A study and translation of Uji shūi monogatari. Cambridge: Cambridge University Press 1970.