Asahara Shōkō: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 16. Juli 2021, 10:11 Uhr

Asahara1.jpg
Seiten-Infobox
Themengruppe Personen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen)
Name Asahara Shōkō 麻原彰晃
Lebenszeit geb. 1955 in Kumamoto, gest. 2018 in Tōkyō (Shōwa / Heisei)
Sonstige Namen Matsumoto Chizuo 松本智津夫 (bürgerlicher Name)
Funktion, Amt Geistiges Oberhaupt / Erlöser
Bemerkung Gründer der Ōmu Shinrikyō オウム真理教
Diese Seite entstand im Kontext des Seminars Religiöse Biographien.

Asahara Shōkō 麻原彰晃 ist der Gründer der Neureligion Ōmu Shinrikyō オウム真理教, die unter anderem für den Giftgasanschlag in der Tōkyōter Ubahn 1995 verantwortlich ist. Mittlerweile verbüßt er eine lebenslange Haftstrafe und wartet auf seine Hinrichtung. Die Gruppierung besteht unter dem neuen Namen Aleph アレフ weiter und befindet sich unter behördlicher Beobachtung.

Kindheit und Jugend

Matsumoto Chizuo 松本智津夫 wurde 1955 in Kumamoto als sechstes von sieben Kindern geboren. Die Familie Matsumoto, deren Vater ein Tatamimattenhersteller war, lebte in armen Verhältnissen. Da Chizuo schon seit der Geburt auf dem linken Auge vollständig und auf dem rechten teilweise blind war, besuchte er ein von der Präfektur verwaltetes Internat für Sehbehinderte (Atkins 2004, S. 24). Als Schüler sei er dadurch negativ aufgefallen, dass er seine schwache, jedoch vorhandene Sehkraft gegenüber vollständig blinden Kindern zu seinem Vorteil ausgenutzt oder jüngere Mitschüler schikaniert hätte. Schon als Schulkind soll Matsumoto den Traum geäußert haben, Premierminister Japans zu werden.

In der Oberschule spezialisierte er sich auf traditionelle chinesische Medizin. Nach dem Schulabschluss 1975 versuchte er, in die Kumamoto Daigaku aufgenommen zu werden. Nachdem er bei der Aufnahmeprüfung scheiterte, zog er nach Tōkyō, mit dem Vorhaben, in der Tōkyō Daigaku aufgenommen zu werden. Nachdem er auch an dieser Aufnahmeprüfung scheiterte, lernte er Ishii Tomoko 石井知子 kennen und heiratete sie. Um für seine Familie sorgen zu können, gab er sein Ziel, an einer renommierten Universität zu studieren, auf und eröffnete 1978 eine Praxis für Akupunktur in Funabashi 船橋, Chiba (Reader 2000, S. 9). Schon als junger Erwachsener kam er mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt. 1976 wurde er wegen Körperverletzung und 1981 wegen Verstoßes des Arzneimittelgesetzes zu Geldstrafen verurteilt. Mastumoto soll wirkungslose Mittel wie mit Alkohol vermengte Mandarinenschalen als Wundermedizin teuer verkauft haben.

Ōmu Shinrikyō

Das Symbol Ōmu Shinrikyōs

Nachdem sein Betrug aufgeflogen war, galt Matsumotos Chizuos Interesse der Religion, besonders indischen und tibetischen Strömungen des Buddhismus. Dies führte zu seinem Eintritt in die 1978 gegründete buddhistische Schule Agonshū, von dieser er einige Lehren und Praktiken adaptieren sollte. Matsumoto wandte sich besonders den Yogatechniken der Sekte zu, welche er meisterte. 1984 trat er wieder aus und gründete in Tōkyō sein eigenes Yogastudio Ōmu no Kai オウムの会 (Om-Gesellschaft), welches er 1986 in Ōmu Shinsen no Kai オウム神仙の会 (Gesellschaft der Om-Einsiedler mit übernatürlichen Kräften) umbenannte. Om ॐ, der letzte Buchstabe des Sanskrit-Alphabetes, verkörpert das Absolute und ist besonders im Yoga ein wichtiges Mantra. Hauptsächlich unterrichtete er zum Teil von Agonshū adaptierte Yogatechniken. Auch andere in Agonshū beinhaltete Elemente, wie beispielsweise die Prophezeiung einer Apokalypse oder das Vorhandensein übermenschlicher Kräfte, wurden schon zu dieser Zeit von Matsumoto, wenn auch abgeändert, adaptiert (Reader 1996, S. 20–22; Reader 2000, S. 48–51; Repp 1997, S. 14).

Gründung

Eines der Treffen zwischen Asahara und dem Dalai Lama

Während dieser Zeit hatte Matsumoto diverse Auftritte in Nischenmedien, welche sich mit dem Mystischem beschäftigen, wie zum Beispiel die Magazine und Towairaito zōn. Dies verhalf ihm, neue Mitglieder für seinen Yogaverein anzuwerben. Da Yoga alleine jedoch für die Erleuchtung nicht ausreiche, unternahm er Pilgerreisen, die ihn zu Orten führten, wo der Buddhismus schon länger praktiziert wurde als in Japan. Obwohl er meist nach Indien reiste, traf er sich auch wiederholt mit dem Dalai Lama, welcher ihm laut eigenen Angaben ein Empfehlungsschreiben ausgestellt haben soll. Allerdings wurde das seitens des Dalai Lamas nie bestätigt. Auch Journalisten der Yomiuri Shinbun kamen zum Schluss, dass es wohl kein Empfehlungsschreiben gab (Repp 1997, S. 95). Matsumoto übernahm auch Lehren von tibetischen Schulen, wie zum Beispiel das Vajrayana (wajirayāna ヴァジラヤーナ)[1]. Zu dieser Zeit soll Matsumoto bereits das shakutipatto シャクティパット, eine Methode zur Übertragung von geistiger Energie, beherrscht haben. 1986 behauptete er, während eines Aufenthalts in Indien erleuchtet worden zu sein, änderte seinen Namen in Asahara Shōkō 麻原彰晃 und machte aus seinem Yogazirkel eine Religion, welche er 1987 in Ōmu Shinrikyō オウム真理教, wörtlich die Om-Lehre der reinen Wahrheit, umbenannte (Watanabe 2005, S. 383). Viele Elemente des Buddhismus sind in Asaharas Sekte wieder zu finden, wie beispielsweise das Konzept von Karma, oder das Erlangen der Erleuchtung als oberstes Ziel. Zu Asaharas Lehren gehörte zudem die Überzeugung, dass aufgrund des vielen schlechten Karmas, welches von der Menschheit angehäuft worden war, eine Apokalypse bevorstehe. Im Gegensatz zu anderen neuen Sekten wie Agonshū sah Asahara die Apokalypse als unabwendbar. Daher war das Ziel Ōmu Shinrikyōs nicht die Verhinderung des Weltunterganges, sondern die Rettung (kyūsai 救済) möglichst vieler Seelen. Diese sei nur durch die Erleuchtung garantiert, deren Schlüssel Asaharas Lehren und Praktiken gewesen seien.

Anwerbung und Finanzierung

Asahara während einer Vorführung seiner Schwebekünste

Während sich Asaharas öffentliche Auftritte zu Zeiten von Ōmu Shinsen no Kai noch auf Artikel in Zeitschriften beschränkten, kam er nach der Gründung der Sekte zu Auftritten in Medien mit größerer Reichweite. Asahara war landesweit im Fernsehen zu sehen, beispielsweise 1991 in der Sendung TV takkuru derakkusu TVタックル・デラックス von TV Asahi テレビ朝日 oder 1987 in Tsurutarō no tere monja 鶴太郎のテレもんじゃ des Senders Nihon terebi 日本テレビ, wo er shakutipatto präsentierte und vorführte. Des Weiteren schrieb er auch Bücher, welche mit wenigen Ausnahmen vom eigenen Verlag Ōmu Shuppan オウム出版 publiziert wurden. In den 1990er-Jahren wurden jährlich mehrere Bücher mit Asahara als Autor veröffentlicht. Auch an Universitäten konnte Asahara als Gast seine Lehren vorstellen. Zusätzlich wurden neue Mitglieder an diversen Campus durch Flugblattverteilungen angeworben. Asahara erhielt Zuspruch für seine scharfe Kritik am Buddhismus in Japan, der sich laut ihm sehr weit vom Ursprung entfernt habe und sich auf Riten und das Geschäft konzentriere (Repp 1997, S. 17). Auch die japanische Gesellschaft wurde beispielsweise für den hohen Leistungsdruck kritisiert. Selbst nach der Ausbildung müsse man von früh bis spät am Arbeitsplatz sein und habe keine Zeit für Erholung oder das Spirituelle im Leben (Repp 1997, S. 21–22). Somit konnte Asahara neben der Vielzahl an jungen Menschen auch einige über 40-Jährige für seine Sekte interessieren. Auch im Ausland konnten neue Mitglieder angeworben werden. Ōmu Shinrikyō hatte unter anderem Niederlassungen in den USA und in Deutschland (Reader 2000, S. 176). Am erfolgreichsten war die Sekte jedoch in Russland, wo die Mitgliederzahl zu ihrem Höhepunkt fast dreimal so hoch war wie in Japan (Reader 2002, S. 195; Repp 1997, S. 48).

Ōmu Shinrikyō finanzierte sich anfänglich mit den großzügigen Spenden, welche neu eingetretene Mitglieder zu entrichten hatten. Durch die erfolgreiche Anwerbungsstrategie der Sekte stellte dies für den Anfang eine solide Einnahmequelle dar. Im Laufe der Jahre weiteten sich die Einnahmequellen auch auf das Betreiben von Nudelrestaurants und Immobilienhandel aus. Aufgrund einiger Praktiken wie Erpressung, von welcher die Sekte bei Immobilienkäufen und -verkäufen Gebrauch gemacht haben soll, kam es wiederholt zu Anklagen. 1989 stellte Ōmu Shinrikyō den Antrag der staatlichen Anerkennung als Religion, welcher in der ersten Instanz abgelehnt wurde. Mittels Berufung wurde schließlich doch die Anerkennung zugesprochen (Reader 2002, S. 201), was mit erheblichen steuerlichen Vorteilen verbunden war (Wieczorek 2003, S. 242). Die Schwierigkeiten, die Ōmu Shinrikyō bei diesem Prozess hatte, können als Indiz dafür gesehen werden, dass ein Empfehlungsschreiben des Dalai Lama nie existierte.

Politische Aktivität

1989 gründete Asahara die politische Partei Shinritō 真理党, wörtlich Wahrheitspartei. Das Ziel der Partei — wie auch der Sekte an sich — sollte die Rettung der Menschheit sein. Bei den japanischen Unterhauswahlen 1990 kandidierten neben Asahara 24 weitere Mitglieder Ōmu Shinrikyōs. Einige der Sektenanhänger kostümierten sich als Elefanten oder trugen Masken, auf denen Asaharas Gesicht abgebildet war. An Ständen und Veranstaltungen wurden Musikstücke der Sekte, zum Beispiel Shōkō Māchi 彰晃マーチ, wiedergegeben, während weibliche Mitglieder Tänze aufführten (Repp 1997, S. 19; Wieczorek 2003, S. 243–244). Die Wahlplakate der Shinritō waren schlicht gestaltet. Auf ihnen waren meist nur ein Foto des Kandidaten in weißer Kleidung sowie dessen holy name (hōrī nēmu ホーリーネーム)[2] groß und sein bürgerlicher Name klein abgebildet. Mitglieder der Wahlkampagne sollen von anderen Parteien der Sabotage ihrer Veranstaltungen verdächtigt worden sein. Auch Wahlplakate anderer Personen und Parteien sollen heruntergerissen worden sein. Allerdings führte keine Aktivität zum Erfolg, da alle Kandidaten die Anzahl der nötigen Stimmen zum Einzug weit verfehlte. Die Shinritō kandidierte nach dieser herben Niederlage kein weiteres Mal für eine Wahl.

Verbrechen

Für Asahara bedeutete die Niederlage der Shinritō die Weichenstellung von katastrophalen Konsequenzen. Finstere Mächte hätten sich, so Asahara, mit der japanischen Regierung gegen Ōmu Shinrikyō verschworen und Wahlmanipulation betrieben, da es anders nicht zu erklären wäre, dass eine Partei, deren Ziel die Rettung der Menschheit ist, verliert. Daraus schloss er, dass das Vajrayana, das „Fahrzeug“, welches die Menschheit retten soll, stark von seinem Weg abgewichen sei und der Zeitpunkt der Apokalypse nah sei (Watanabe 2005, S. 387). Er bezeichnete sich zu dieser Zeit als Reinkarnation Buddhas, Shivas und Jesu Christi, was er durch seine Bücher öffentlich kundtat (Snow 2003, S. 17; Wieczorek 2003, S. 245), in denen er auch den Weltuntergang für 1997 voraussagte. Von diesem Zeitpunkt an ließ er im Verborgenen biologische und chemische Waffen wie Sarin, Phosgen oder Anthrax produzieren (Reader 2000, S. 158–159).

Jedoch wurden auch vor der Wahlniederlage verbrecherische Tätigkeiten in Auftrag gegeben. 1988 kam es zum ersten Todesfall durch das strenge Training innerhalb der Sekte. Solche Todesfälle wurden vertuscht, indem die Leichen verbrannt und Verwandte nicht kontaktiert wurden. Unter den shukke 出家[3] war Kontakt zu Außenstehenden, so auch zur eigenen Familie, ohnehin verpönt. Mitwisser der Vertuschungen, welche ihre Gedanken des Austrittes äußerten, wurden ermordet und deren Leichen ebenfalls verbrannt (Watanabe 2005, S. 385–386). 1989 wurde der Rechtsanwalt Sakamoto Tsutsumi 坂本堤, der besorgte Familienmitglieder von shukke vor Gericht gegen Ōmu Shinrikyō vertreten sollte, mitsamt seiner Familie ermordet (Reader 2000, S. 150). 1994 veranlasste Asahara einen Giftgasanschlag mit Sarin in Matsumoto, Nagano. Das Ziel war es, Richter zu töten, die den Vorsitz bei einem Gerichtsprozess innehatten, der einen Streit um Immobilien klären sollte. 1995 wurde der weitaus bekanntere Giftgasanschlag in U-Bahn-Waggons in Tōkyō veranlasst. Da das Ziel die japanische Regierung war, wurde das Sarin bei Bahnhöfen unter dem Regierungsviertel freigesetzt.

Prozess und Berichterstattung

Nach seiner Verhaftung 1995 trat Asahara aus seiner selbst gegründeten Sekte aus. Seine Verteidigung plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit, da er beispielsweise während des Prozesses von Invasionen von Außerirdischen oder der USA sprach, oder gebrochen auf Englisch zusammenhanglose Phrasen murmelte. Während der psychologischen Untersuchungen hat Asarara jedoch im Gegensatz zum Prozess und der Haft stets geschwiegen (Reader 2000, S. 35). Dies machte es unmöglich, Asaharas Motiven zweifelsfrei auf den Grund zu gehen. Asahara wurde deshalb für zurechnungsfähig befunden. 2004 wurde er in erster Instanz unter anderem des Massenmordes für schuldig befunden und zum Tod durch den Strick verurteilt. Das Höchstgericht bestätigte sowohl das Urteil, als auch das Strafmaß. Die Todesstrafe wurde bis Juli 2017 noch nicht vollstreckt.

Nachdem die Ermittlungen bezüglich der Anschläge zu Ōmu Shinrikyō führten, begab sich auch eine Vielzahl an Reportern zu hohen Mitgliedern und Außenstellen Ōmu Shinrikyōs. Wochenlang wurde täglich über Ōmu Shinrikyō in Zeitungen und im Fernsehen berichtet (Reader 1996, S. 8). Von den meisten großen Medien wurde Asahara als von Grund auf böse und schlecht, sogar als Dämon bezeichnet. Dass Asahara sich keiner Schuld bewusst wäre und sich auch nicht für die Vorfälle entschuldigte, würde ihn schon als böse klassifizieren, da man in der japanischen Gesellschaft für seine Fehler gerade stehen müsse (Repp 1997, S. 54). Des Weiteren hielt Asaharas Familie einige Regeln, wie beispielsweise Enthaltsamkeit oder Vegetarismus, an welche sich sämtliche Mitglieder zu halten hatten, selbst nicht ein. Asahara hätte zudem Gedankenkontrolle und Gehirnwäsche im großen Stil betrieben. Die Bestätigung für diese Thesen holten sie sich durch Interviews mit ehemaligen Sektenmitgliedern, Mitschülern und Lehrern Asaharas (Reader 1996, S. 4–5; Reader 2000, S. 36). Auch vor Gericht beteuerten Angeklagte, dass sie von Asahara manipuliert gewesen worden sein. Dies geschah wohl in der Hoffnung, mit einer geringen Strafe davon zu kommen, da es zu Revidierungen solcher Plädoyers kam (Watanabe 2005, S. 394–395). Trotz dieser Revidierungen und des Fehlens von Beweisen, dass Gehirnwäsche stattgefunden hat, wurde diese These von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert.

Gegensätzlich der Berichterstattung suchten Soziologen und Religionswissenschaftler die Gründe für Asaharas Intentionen und die Bereitschaft der Mitglieder, diesen Folge zu leisten, woanders. Seine Sehbehinderung und die Entsendung durch die Eltern weg von Zuhause in ein Internat führten zu Groll gegen die eigene Familie (Reader 2000, S. 40), und möglicherweise auch zu Minderwertigkeitskomplexen. Diese könnten dadurch bestärkt worden sein, dass er an den Aufnahmeprüfungen für die zwei renommierten Universitäten Kumamoto Daigaku und Tōkyō Daigaku scheiterte. Die letzte herbe Niederlage bei den Wahlen 1990 könnte sich daher gravierend auf Asaharas geistigen Zustand ausgewirkt haben. Dies würde die Theorie stützen, dass Asahara nicht von Beginn an die Absicht hatte zu morden (Reader 2000, S. 230–231). Allerdings haben erste schwere Verbrechen innerhalb der Sekte, darunter auch Morde, bereits vor den Wahlen stattgefunden. Dass Asahara Mitglieder durch Gedankenkontrolle anwarb, findet wenig bis keinen Anklang im wissenschaflichen Diskurs. Vielmehr konnte Ōmu Shinrikyō durch die Kritik an der Leistungsgesellschaft und den großen Religionen Japans als Protestbewegung interpretiert werden (Repp 1997, S. 57–59). Den Beweggründen der Jünger, selbst Befehlen zum Mord Folge zu leisten und Asahara bis zum heutigen Tag anzubeten, auf den Grund zu gehen, ist schwierig. Einerseits widersprachen sich Angeklagte vor Gericht selbst, andererseits wird die Anbetung Asaharas weitgehend abgestritten.

Aleph

Als klar wurde, dass Ōmu Shinrikyō hinter den Giftgasanschlägen steckte und illegale Waffen herstellte, trat die Mehrheit der Mitglieder aus. Gebäude und Grundstücke wurden beschlagnahmt sowie Entschädigungszahlungen für die Opfer gefordert. Außerdem wurde der Status als offiziell anerkannte Religion aberkannt und die Sekte unter Beobachtung gestellt. Sowohl die finanzielle Lage, als auch das Image der Sekte waren am Tiefpunkt. Obwohl ein Imagewechsel für den Fortbestand der Sekte wichtig war, wurden die zwei ehelichen Söhne Asaharas als Nachfolger der Sektenführung auserkoren. Ōmu Shinrikyō bezeichnete die Vorfälle als kriminelle Handlung von Einzeltätern und wies jegliche Schuld von sich.

Jōyū Fumihiro

Nach jahrelangen Dementis gab es erst im Jahr 1999 eine offizielle Entschuldigung für den Giftgasanschlag in Tōkyō. Die Sekte distanzierte sich auch erst zu dieser Zeit offiziell von Asahara Shōkō, was vermutlich mit dem Ende der Haftstrafe des Pressesprechers Jōyū Fumihiro 上祐史浩 zusammenhängt, welcher nach dem Anschlag 1995 laut eigener Aussage zwar Asahara noch als seinen Meister bezeichnete, aber nach der Haft zu einem der größten internen Kritiker Asaharas wurde. Um dies zu unterstreichen, benannte sich die Sekte 2000 in Aleph アレフ um. Aleph א, der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets, steht im Gegensatz zu Om ॐ, dem letzten Buchstaben des Sanskrit-Alphabets. Allerdings soll dies nur die offizielle Position der Sekte sein. Die Mitglieder würden weiterhin Asahara anbeten und an seine Ideale glauben. Die Umbenennung soll ebenso bereits vor der Verhaftung von Asahara geplant gewesen sein. Außerdem hatten die Kinder Asaharas weiterhin wichtige Positionen in Aleph inne.

Nachdem die Asahara-Befürworter in einem über Jahre andauernden internen Machtkampf zahlmäßig überlegen waren, spalteten sich Mitglieder, die dieser Linie nicht folgen wollten, 2007 unter der Führung Jōyū Fumihiros ab und gründeten die Sekte Hikari no Wa ひかりの輪 (Ring des Lichts) (Odō 2013, S. 131–133). Seitdem besteht ein rivalisierendes Verhältnis zwischen den beiden Gruppierungen. Sowohl Aleph, als auch Hikari no Wa stehen weiterhin unter der Beobachtung der Behörden.

Verweise

Anmerkungen

  1. Im Tibetischen Buddhismus ist das Vajrayana eines der Wege (yana, wörtl. Fahrzeuge), um zum Ziel der Buddhaschaft zu gelangen.
  2. Beim Eintritt in das Innere des Sekte als shukke wurde der Person ein Name von Asahara zugeteilt. Bei diesen Namen handelt es sich hauptsächlich um buddhistische Begriffe auf Pali oder Sanskrit.
  3. Als shukke (wörtl. das Haus bzw. die Familie verlassen) wurden Mitglieder bezeichnet, die in den Zentren der Sekte wohnten, um sich dort dem intensiven Training zu widmen, um die Erleuchtung zu erlangen

Siehe auch

Literatur

  • Stephen Atkins 2004
    Encyclopedia of modern worldwide extremists and extremist groups. Santa Barbara: Greenwood Publishing Group 2004.
  • Shūji Odō 2013
    „Hikari no wa ni okeru Ōmu Shinrikyō (Arefu) no sōkatsu to sabetsuka.“ Religion & society 19 (2013), S. 131-138. (Exzerpt.)
  • Ian Reader 1996
    A poisonous cocktail? Aum Shinrikyō's Path to Violence. Copenhagen: NIAS Publications 1996.
  • Ian Reader 2000
    Religious violence in contemporary Japan: The case of Aum Shinrikyō. Richmond: Curzon 2000.
  • Ian Reader 2002
    „Dramatic confrontations: Aum Shinrikyō against the world.“ In: Bromley, David G. und J. Gordon Melton (Hg.), Cults, Religion, and Violence 10. Cambridge: Cambridge University Press 2002, S. 189-208.
  • Martin Repp 1997
    Aum Shinrikyō: Ein Kapitel krimineller Religionsgeschichte. Marburg: Diagonal-Verlag 1997.
  • Robert Snow 2003
    Deadly cults: The crimes of true believers. Santa Barbara: Greenwood Publishing Group 2003.
  • Manabu Watanabe 2005
    „Kyūsai to bōryoku: Ōmu Shinrikyō moto mikibu no nyūshin to dakkai no ichiji rei.“ Journal of religious studies 79(2) (2005), S. 375-398. (Exzerpt.)
  • Iris Wieczorek 2003
    „Die Aum Shinrikyō in Japan: Zerstörung, um die Welt zu retten?“ Buddhismus in Geschichte und Gegenwart 8 (2003), S. 229-256. (Vortragsmanuskript.)

Externe Links