Exzerpt:Yamaguchi K 2019

Aus Kamigraphie
(Weitergeleitet von Exzerpt:Yamaguchi 2019)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Seiten-Infobox
Themengruppe Exzerpte
Behandeltes Werk
Kenji Yamaguchi 2019
„Gozu tennō tanjō no nazo o toku kagi: Shiotsukō iseki kishōmon-satsu ni shirusareta.“ Himoji shiryō kenkyū 非文字資料研究 [The study of nonwritten cultural materials] 19 (2019), S. 1-20. (Exzerpt The Key to Solving the Mystery of the Birth of Ancient Deity Gozu Tenno: "Gotoutenno" written in the Pledge Documents on the Wood Board of Shiozu Port ruins.)

Autor

Yamaguchi Kenji 山口建治 ist emeritierter Professor der Fakultät für ausländische Studien der Abteilung Sinologie der Universität Kanagawa. Momentan ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum für nichtliterarische Materialien an der Universität Kanagawa tätig. [1] Sein Forschungsfeld umfasste die chinesische Literatur und chinesischen Volkglauben, darüber hinaus publizierte er über Ursprünge von Oni 鬼 und Zeremonien ihrer Austreibung na no girei 儺の儀礼.[2]

Der Artikel

In der Frühzeit wurde die Seuchengottheit Gozu Tennō 牛頭天王 auch als Gotō Tennō 五頭天王 bezeichnet. Dieser Name wird auf die chinesische Volksgottheit Godō Daishin 五道大神, welcher auch Godō-shin 五道神 oder Godō Shogun 五道将軍 genannt wurde (10), zurückgeführt. Die Hypothese beruht hauptsächlich auf der ähnlichen Natur und Funktion der verschiedenen Gottheiten und den Ähnlichkeiten in der Lesung der Schriftzeichen für gotō 五頭 und gozu 牛頭. Der Autor untersucht anhand kishōmon 起請文, welche auf Holztafeln mokkan 木簡 geschrieben sind, die Ursprünge von Gozu Tennō in der Übermittlung von chinesischen Gottheiten auf das japanische Archipel. (3)

kishōmon auf einem mokkan der Shiozu Hafenruinen

Die kishōmon der Shiozu Hafenruinen

Von 2006 bis 2009 wurden im Norden des Biwa-Sees in der Präfektur Shiga in Hafenruinen Überreste von religiösen Gebäuden entdeckt, welche im 8. Jahrhundert entstanden und vermutlich im 12. Jahrhundert aufgegeben wurden. Neben vielen Tongefäßen und Tintensteinen wurden auch etwa 300 mokkan gefunden, von denen auf den meisten kishōmon geschrieben sind. (3)

Kishōmon ist ein schriftlicher Schwur an die Götter und besagt, dass bei Brechung des Eides die Person durch die magische Kraft der Götter oder des Buddhas bestraft wird. Die Shiozu kishōmon sind in drei Abschnitte unterteilt: Zuerst werden die Götter aufgeführt, die herabgerufen werden sollen (kamibun 神文), gefolgt von dem Versprechen (kakugen 確言) und der Bestrafung (batsumon 罰文). Die Zusammensetzung der Gottheiten, die im ersten Teil erwähnt werden, ist höchst interessant. Unter den aufgezählten Gottheiten wird auf einem mokkan sowohl Godō Daishin als auch Gion Gotō Tennō 祗園五頭天王 erwähnt. Godō Daishin ist ein chinesischer Volksgott, der kaum in der japanischen Literatur vorkommt, aber eine wichtige Rolle in den Ritualen des König Enmaten 焔魔天 spielt. Der Name Godō Daishin ist im Gegensatz zu anderen kishōmon-Sammlungen zwei Mal deutlich und korrekt geschrieben und drei Mal eine Kombination aus Gottheiten: Anstatt Godō Daishin nehmen Taizan-fukun 泰山府君 und Shimeishiroku 司命司禄 seinen Platz ein, welche zu den Göttern der himmlischen Reiche und Schutzgötter des Buddhismus zählen. Der älteste mokkan wird auf 1137 und der jüngste auf 1191 datiert, woraus sich schließen lässt, dass in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Rituale des Königs Enmas aktiv praktiziert wurden. (2-7)

Godō Daishin im Ritual des Königs Enma

König Enma mit Gefolge auf einem Büffel, in der Hand hält er das Banner mit Menschenkopf

In der Buddhistischen Enzyklopädie Mochizuki Bukkyō daijiten 望月仏教大辞典 ist ein Abschnitt über das Ritual des König Enmas aus einer Schrift der Tang-Dynastie, welches in Zeiten von Seuchen und anderer Krankheiten ausgeführt werden solle, übersetzt: Im Hof von Enma gibt es einen Speer mit einem Banner, auf dem ein Menschenkopf abgebildet ist. Indem König Enma das Feuerlicht sieht, das aus seinem Mund kommt oder sich eine weiße Lotusblume öffnet, kann er beurteilen, ob es sich um einen guten oder schlechten Menschen handelt. Taizan-fukun und Godō Daishin verwenden dann die Ergebnisse des Urteils des Königs, um die endgültige Entscheidung über die Person zu treffen und eine Strafe wie beispielsweise Tod durch Krankheit auszuführen. Wenn König Enma guter Laune ist, sterben Menschen nicht und es kommen keine Seuchen auf, aber es verbreiten sich Krankheit und Tod, wenn er zornig ist. (10)

Obwohl Godō Daishin unter König Enma steht, trifft er die endgültige Entscheidung über Leben und Tod eines Menschen, weswegen er für die damaligen Menschen wie ein stellvertretender Vollstrecker des Urteils des Königs Enma gewirkt haben muss. (10)

In einem anderen Ritualbuch aus der Zeit von Kaiser Tang Xuanzong wird die Art und Weise von Opferritualen beschrieben. Auch wenn der Text nur aus 4000 Zeichen besteht, wird überaus oft das Wort Seuche ekibyō 疫病 erwähnt. An einer Textstelle wird ein tapferer Dämonenkönig beschrieben, der hinter dem Berg lebt, auf dem Taizan-fukun wohnt. Der Autor identifiziert ihn als Godō Daishin und er wurde damals als Befehlshaber der Dämonen angesehen, da in China die Ansicht verbreitet war, dass Seuchen von Dämonen und bösen Geistern verursacht werden. In Japan wurde sie mit der Zeit durch sogenannte japanische Rachegeister onyrō 怨霊 ersetzt.[3] (12-13)

Godō Daishin und Gotō Tennō in Japan

Godō Daishin taucht vor allem in buddhistischen Schriften zwischen dem 9. und 14. Jahrundert auf, wobei er besonders häufig im 12. Jahrhundert erwähnt wird. In diesen Texten wird er als Familienmitglied von König Enma aufgefasst und kommt vor allen in Passagen vor, in denen Rituale und Praktiken von Enma beschrieben werden. Godō Daishin wurde daher in Japan vermutlich als eine Gottheit eingeführt, die mit den Riten für Enma, enmatenhō 焔魔天法, in Verbindung steht. Während die Tendai-Schule ihn bereits zu Ende des 9. Jahrhunderts akzeptiert, erwähnt ihn die Shingon-Schule erst zu Beginn des 12. Jahrhunderts. (10)

Besonders beliebt war das Ritual in der Aristokratie vom 11. bis 13. Jahrhundert. Beispielsweise baten Beamten Götter und Buddha um Sicherheit und Schutz vor Unglück, in Dokumenten der Familie Fukuchiin Fukuchiin-ka bunsho 福智院家文書 wird auch die Macht des Enmas erwähnt, der Krankheiten beseitigen, den Körper schützen sowie Groll und Dämonen zerstören kann. (11-12)

Da Mönche und Priester esoterischen Buddhismus mikkyō 密教 praktizierten, durften solche Rituale eigentlich nur im Verborgenen ausgeübt werden. Da jedoch ab der Heian-Zeit religiöse Rituale zur Verehrung von Seuchengöttern ekijin saishi 疫神祭祀 unter der allgemeinen Bevölkerung weit verbreitet waren, aber Mönche Statuen von Godō Daishin noch seinen Namen öffentlich zur Schau stellen wollten, wurde es nötig, speziell eine Gottheit für buddhistische Tempel zu haben. (16) Die bereits als Gion-Seuchengottheit verehrte Statue des Godō Daishin musste tief im Tempel versteckt oder zerstört werden, damit eine neue Statue der Gion-Gottheit als Ersatz geschaffen werden konnte. Somit wurde die Gion-Gottheit Gotō Tennō in Bezug auf Seuche und Krankheit kreiert, welche später den Namen Gozu Tennō annahm. Der Name Gotō Tennō taucht auch in einem Bericht vom 14. April 1220 in folgender Form auf: Gotō Tengyōku (mama) 五頭天玉(ママ). Es wird angenommen, dass der Name Gotō Tennō weit verbreitet war, bevor man sich auf Gozu Tennō festlegte. Bis heute gibt es noch an verschiedenen Orten in Japan einige kleine Schreine, welche früher Gotō Tennō hießen. (13)

Der Name Gozu Tennō wurde vermutlich später ausgewählt, da gotō godō zu sehr ähnelte und um die Tatsache zu verschleiern, dass der Ursprung des Gion Tenjin 祇園の天神 Godō Daishin ist. (18) Mit Änderung des Namens folgte auch eine andere Darstellung des Gottes: Die meisten früheren Statuen hatten die Form eines Kriegsherrn mit drei oder vier Gesichtern und Furcht einflößendem Aussehen, während Gozu Tennō als Statue mit Ochsenkopf sich erst später entwickelte.[4](13)

Zusammenfassung

Die mokkan der Shiozu Hafenruinen, auf denen die zwei Namen Godō Daishin und Gotō Tennō geschrieben sind, geben somit einen kurzen Einblick in den Prozess der Entstehung der Seuchengottheit Gozu Tennō.

Solch eine Theorie der Namensentwicklung darf sich jedoch nicht linear vorgestellt werden. Der Autor erwähnt ebenfalls in seiner Arbeit, dass im Honchō seiki 本朝世紀 aus dem Jahr 1148 zum ersten Mal der Name Gozu Tennō aufkommt. Dort steht geschrieben, dass im Jahr 1070 ein Feuer im Gion-Schrein ausbrach und die Füße/Beine von Kaiser Gozu vom Feuer beschädigt wurden: Gozu Tennō o-ashi shōzon 牛頭天皇御足焼損. (12)

Es ist vermutlich so gewesen, dass bei der Festlegung des Namens Gozu Tennō auf einen bereits existierenden ähnlichen Gott zurückgegriffen wurde und über mehrere Jahrhunderte hinweg mehrere Schreibweisen und Namen der Gion-Gottheit im Umlauf waren. Der Autor benutzt außerdem oft vage Zeitangaben wie "später" in Bezug auf den genaueren Entwicklungszeitpunkt des Namens Gozu Tennō, weswegen tiefergehende Untersuchungen der damaligen Zeit ausgehend von historischem Material über diese Seuchengottheit für ein kohärentes und klares Verständnis nötig sind.

Anmerkungen

  1. Literatur:Yamaguchi 2019:1
  2. Profil von Yamaguchi Kenji
  3. Aus diesen Rachegeistern entwickelte sich vermutlich die Vorstellung der goryō 御霊. Genauere Informationen über die Hintergünde sind der Wikipedia-Seite 御霊信仰 zu entnehmen.
  4. Der Ochsenkopf ist höchstwahrscheinlich durch koreanische Einflüsse und Ähnlichkeiten in ihren Glaubensvorstellungen über Krankheit und Seuche mit Gozu Tennō verbunden worden. Siehe dazu das Exzerpt:McMullin 1988 über die Hintergründe der Legende von Gozu Tennō.