Exzerpt:Wakabayashi 1999

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Exzerpiertes Werk:

  • Haruko Wakabayashi 1999
    „From conqueror of evil to devil king: Ryο̄gen and notions of Ma in medieval Japanese Buddhism.“ Monumenta Nipponica 54/4 (1999), S. 481-507. (Exzerpt.)

Zur Autorin

Haruko Wakabayashi ist Kulturhistorikerin und promovierte 1995 an der Princeton University. Aktuell beschäftigt sie sich unter anderen mit der mittelalterlichen Wahrnehmung von Naturkatastrophen in Japan. Sie verfasste mehrere Monografien und unterrichtete an verschiedenen Universitäten, wie zum Beispiel der Princeton University, the University of Alabama, Sophia University, und der University of Tokyo.

Begriffserklärung

Wakabayashi leitet den Text damit ein, den Hohenpriester oder Dämon, den man auf Amuletten buddhistischer Tempel abgebildet findet, auf den Grund zu gehen. Oft handelt es sich hierbei um eine Form des Jie Daishi Ryōgen 慈恵大師良源(912-985). Auch bekannt als Gansan Daish 元三大師, Tsuno Daishi 角大師oder Mame Daishi 豆大師. Er war der 18. Tendai zasu 天台座主 (oberster Priester der Tendai-Schule) und wichtiger Reformer des Enryaku-ji 延暦寺. Ab der späten Heian-Zeit und im Mittelalter haben sich die Menschen vorgestellt, dass sich Ryōgen posthum in anderen Formen manifestierte. Darunter zählen z.B. die Reinkarnation von Bodhisattva Kannon 觀音 菩薩, Drachenkönig ryuō 竜王, als Gottheit Fudō Myōō 不動明王 (auch bekannt als Acala) und Teufel oder König der Dämonen maō 魔王.

Ursprung des Tsuno Daishi

Zu einer Zeit als der kenmitsu-Buddhismus instabil wurde, gelangte Ryōgen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Als das shōen-System langsam zusammenbrach, somit die Haupteinnahmequelle verloren ging, die provinzielle Kriegerklasse aufstieg und sich neue buddhistische Schulen entwickelten (Zen, Reines Land, Nichiren), gerieten kenmetsu-Priester immer mehr aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft (z.B. Kämpfe mit bewaffneten Mönchen), ihren Macht- und Prestige-Bestreben, sowie ihren luxuriösen Lebensstil, in Kritik. Unter all diesen Umständen tat sich Ryōgen unter den traditionellen Buddhisten als Beschützer des Bergs Hiei und der Tendai-Schule hervor. Kritiker von traditionellen Schulen sahen Ryōgen dagegen in einem negativen Licht. Von beiden, Befürworter und Kritikern, wurde Ryōgen gemalt als Personifizierung des ma 魔 (das Böse). Seit der späten Heian-Periode wurde daran geglaubt, dass Ryōgen die Macht besaß, das ma zu besiegen und somit waren Darstellungen von ihm Bestandteil von religiösen Ritualen, um böse Geister zu vertreiben. Ab der Kamakura-Zeit wurde er jedoch von verschiedenen literarischen Quellen als maō oder tengu 天狗 (menschlicher yōkai, mit langer Nase und rotem Gesicht) portraitiert. In weiterer Folge wurde seine Manifestation als maō sogar von Tendai-Tempel angenommen und er wurde verehrt als ein guter, beschützender maō, was den Ursprung des Tsuno Daishi darstellt.

Der leibhaftige Ryōgen

Ryōgen war Zeit seines Lebens sowohl für seine Gelehrsamkeit als auch für seine spirituellen Rituale bekannt. So führte er bereits als gojisō 護持僧 Rituale für das Wohlergehen der kaiserlichen Familie durch. Durch die erfolgreichen Gebete für die Geburt des Sohnes von Murakami-Tennō 村上天皇 (926–967) erlangte er die Gunst seines Schwiegervaters dem Rechtsminister, welcher zu der einflussreichen Familie Fujiwara gehört, Fujiwara no Morosuke藤原師輔(908-960).Somit stieg auch der politische Einfluss Ryōgens am Enryaku-ji. Eine weitere Verbindung zu Morosuke besteht auch darin, dass sein Sohn und Ryōgens Schüler Jinzen 尋禅 (943-990) nach Ryōgens Tod, der neunzehnte Tendai-Abtprimas wurde. Ryōgen nahm als Gelehrter an verschiedenen wichtigen Debatten teil, wie z.B.: mit Gishō義照(920-969) (ein Mönch der Hossō-shū vom Gangō-ji), einem Priester des Kōfuku-ji 興福寺 und Hōzō 法蔵 ein Priester des Tōdai-ji 東大寺. Eine spätere Debatte namens ōwa no shūron 応和の宗論 ging in die Geschichte ein als eine fünf-tägige Debatte mit zehn Sitzungen in deren die Interpretation des Lotus-Sutras der Nara- und Tendai-Schule diskutiert wurde. Durch diese erfolgreichen Debatten machte er sich einen Namen als Gelehrter. Als Abtprimas wurde er beauftragt Gebäude am Berg Hiei die wegen einem Feuer zerstört wurden zu restaurieren, sowie der Durchführung von Disziplinarvorschriften der Priester. Die wichtigsten Abstammungslinien aus der Tendai-Schule, die Eshin-ryū 恵心流 und Danna-ryū 檀那流 lassen sich auf Ryōgens Schüler Genshin 源信 (942-1017) und Kakuun 覚運 (953-1997) zurückführen, was seinen Status als Patriarch unterstreicht.

Kritik zu Lebzeiten

Trotz all seiner Errungenschaften wurde ihm vorgeworfen Priestern mit aristokratischem Hintergrund zu bevorzugen und ihnen besondere Privilegien zu gewährleisten, ein Beispiel hierfür wäre sein Schüler Jinzen. Während seiner Amtszeit als oberster Priester spalteten sich auch die zwei Fraktionen der Tendai-Schule am Berg Hiei in den Sammon- 山門 Zweig am Enryaku-ji und den Jimon- 寺門 Zweig am Onjō-ji 園城寺. Der erste Aufgezeichnete Vorfall bei dem Priester mit Gewalt einberufen werden, sogenannte gōso 強訴, lässt sich auch unter seiner Herrschaft nachweisen. Er wurde dafür verantwortlich gemacht militärische Mönche und deren gewalttätige Konflikte und Proteste auf den Hiei zu bringen.

Legenden nach dem Ableben

Die ersten verherrlichten Darstellungen lassen sich in den Hagiografien namens jie daisōjō den 慈恵大僧正伝 und jie daisōjō shūiden 慈恵大僧正拾遺伝 geschrieben 1031 und 1032, nicht einmal 50 Jahre nach seinem Tod finden. In diesen frühen Hagiographien wird von seiner wundersamen Geburt, Kindheit und seinen Errungenschaften erzählt. Darüber hinaus wird er als Wiedergeburt des Saichō 最澄 (Gründer der Tendai-Schule), eine göttliche Reinkarnation gonge no hito 権化 und zusammen mit Gishō 義照(920-969) (ein Mönch der Hossō-shū vom Gangō-ji) und Hōzō 法蔵 (ein Priester des Tōdai-ji 東大寺) als einer der drei strahlenden Gottheiten sankō tenshi 三光天子 (alle 3 verstorben am dritten Tag des ersten Monats) abgebildet. Außerdem kamen früh Geschichten auf in denen er als einer der acht Drachenkönige abgebildet wird. Eine Geschichte im Kojidan 古事談 , eine Sammlung von Märchen aus dem frühen 13. Jhdt. besagt: Die acht Drachenkönige überquerten auf je einem Schiff das Meer. Als am letzten Schiff niemand war und man sich fragte warum, war die Antwort, dass der letzte Meister für den Berg zuständig ist und deshalb nicht das Schiff physisch fahren konnte. Es wird erzählt, dass man daher wusste, dass Ryōgen eine Manifestation des Drachenkönigs Uhatsura war (Kojidan:58-59). Auch ein Vers, geschrieben vom Poeten Ōe no Masafusa 大江匡房 (1041-1111), beschreibt den posthumen Ryōgen als Drachenkönig. Demnach bleib er weiterhin am Berg Hiei um diesen und die buddhistischen Gesetze zu schützen. Somit erreichte er nicht ōjō 往生 (=Wiedergeburt im reinen Land), genauso wie Kūkai 空海 (774-835) dem Nachgesagt wird in einem Stadium der Meditation weiterhin am Berg Kōya zu leben, oder die Bodhisattvas die sich dafür entscheiden in der Welt der Fühlenden zu bleiben, um diese zu retten. Ryōgen soll am Berg Hiei geblieben sein, um das Dharma zu schützen und wurde somit bald als gohōshin 護法神(=Schutzgottheit der Lehre Buddhas), Hüter des Bergs Hiei verehrt. Als gohōshin wird er in mehreren Quellen verehrt. Grund dafür ist vermutlich seine Tätigkeit und den Mehrwert den er bei der Restauration des Bergs Hiei hinterließ, sowie sein dogmatischer Charakter, seine Verstärkung bei dem Konflikt von Sanmon und Jimon. Dadurch entstand ein starkes Gefühl der Autorität, welches auch noch nach seinem Tod nachhallte. Auch die Beziehungen die er zu Lebzeiten pflegte, hatten einen Effekt auf die posthume Verehrung seiner Person. Fujiwara no Kaneie 藤原兼家 (929-990) (dritter Sohn des Morosuke und Hauptpatron des Ryōgens) hielt an seinem ersten Todestag ihm zu Ehren eine Gedenkfeier. Danach setzte die Fjiwara-Familie diese Tradition fort und wiederholt diese Feier jedes Jahr und wurde später bekannt als Gansan-e 元三会. In der frühen Kamakura-Zeit hielten viele Tendai-Tempel und aristokratische Familien jährliche Gansan-e, sowie jährliche oder monatliche Vortragssitzungen (bekannt als Jie Daishi kō 慈恵大師講) in Gedenken an Ryōgen ab. Mit der Zeit verbreitete sich die Verehrung Ryōgens auch in den unteren Gesellschaftsschichten und somit entstand, eventuell mit der Ausnahme des Kūkai, einer der weitverbreitesten Kulte eines Patriarchen. Er wurde sogar berühmter als Saichō, der Gründer der Tendai-Schule selbst.