Exzerpt:Allen 2003

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Themengruppe Exzerpte
Behandeltes Werk
Chizuko T. Allen 2003
„Empress Jingū: A shamaness ruler in early Japan.“ Japan Forum, Vol 15(1) (2003), S. 81-98. (Exzerpt.)

Die Autorin

Die Autorin, Chizuko T. Allen, machte ihr Doktorat in Geschichte an der University of Hawaii at Manoa, wo sie auch als "Director of Scholarships and Alumni programs" und als "Lecturer of Asian Studies" tätig ist. Desweiteren hat sie einen Bacherlor für Internationale Beziehungen an der Tokyo University erlangt. Ihre bisherigen Publikationen beschäftigen sich vorwiegend mit koreanischer, aber auch japanischer Geschichte.

Inhalt des Werkes

In dem Werk argumentiert die Autorin, dass die Erzählung um Jingū Kōgō, die oft für eine rein fiktive Figur gehalten wird, tatsächich faktische Elemente aufweist. Aus ihrer Biographie lassen sich neben anderen Erkenntnissen auch Rückschlüsse auf die Rolle von Frauen als Regentinnen in der Geschichte des frühen Japan ziehen.

Einleitung

In der Einleitung des Artikels wird zunächst auf die Geschichte von Jingū Kōgō im Nihon shoki, Kojiki und Fudoki, welche alle im 8. Jahrhundert verfasst wurden, eingegangen. Auch der Name „Jingū Kōgō“ wurde ihr erst in diesem Jahrhunder verliehen. Jingū Kōgō war die Hauptfrau Chūais, welche nach dessen Tod als Regentin ihres Sohnes Prinz Homuta Wake, später Ōjin Tennō, regierte. Auffällig ist, dass sowohl das gesamte neunte Buch des Nihongi ganz ihrer Herrschaft gewidmet ist, als auch der Artikel über Chūai im Kojiki eher Jingū Kōgōs Errungenschaften als ihn selbst behandelt.

Die Erzählung in den Chroniken: Jingū Kōgō wurde u.a. von den Göttern des Sumiyoshi-Schreins und Amaterasu selbst ergriffen und sprach zu ihrem Gatten Chūai: Er solle nicht die Kumaso in Südkyūshū angreifen, sondern Silla, dem Land von Silber und Gold auf der koreanischen Halbinsel. Chūai weigerte sich und starb bald darauf. Die Götter versprachen Jingū Silla würde ihrem Sohn, welchen sie gebären würde, gehören. Daraufhin sandte sie Schiffe nach Silla, der König dort unterwarf sich und versprach Tributzahlungen. Jingū kehrte zurück und gebar Homuta wake, dessen Geburt sie durch einen Stein, welchen sie unter ihren Rock band, verzögert hatte. Sie schaltete den anderen, älteren Sohn Chūais aus und regierte danach für ihren Sohn. Mit hundert Jahren starb sie schließlich. Sie soll ein Nachkomme in der 5. Generation des Kaika Tennōs und in der 6. Generation eines Prinzen von Silla, Ame no Hihoko sein.

In sechs Bänden des Fudoki wird ihre Reise nach Silla erwähnt, worin sie auch den Beinamen sumera mikoto, ein Titel der mit heutigem „Tennō“ gleichgesetzt werden kann, erhielt. Dies könnte ein Hinweis sein, dass Jingū Kōgō tatsächlich als Regentin gesehen wurde.

Ihre Figur war in Japan in der Vorkriegszeit sehr populär. Nach dem Krieg verlor sie aber an Beachtung. Nicht nur ihr Image hat sich nämlich über die Jahrhunderte verändert, Jingū Kōgōs angebliches Handeln auf der Halbinsel Koreas wurde von Imperialisten als Legitimation der Herrschaft Japans über Korea verwendet und stellte ein Symbol des japanischen Hurra-Patriotismus dar.

Als nächstes nennt die Autorin ihre Argumente, weshalb weitere Forschung über die Person Jingū Kōgōs wichtig sei: Da vor dem 5. Jahrhundert, wo es nachgewiesen erstmals Schreiber gab, welche auf Chinesisch verfassten, Geschichten mündlich weitergegeben wurden, könne man annehmen, dass Jingū Kōgōs Geschichte damals schon existierten. Dies bedeutet, dass Kernelemente ihrer Geschichte Aufschluss über die damalige Zeit geben könnten. So ergibt die Forschung, dass die Yamato Provinz älter als angenommen sein müsse, also etwa ins 3. Jahrhundert zurückgeht. Noch dazu geben die alten Chroniken Aufschluss über die Elite Yamatos.

Hauptteil: Historizität und Erkenntnisse

Im Hauptteil wird zunächst der Forschungsstand zu Historizität der Figur Jingū Kōgōs erläutert. Nachdem die Sichtweisen, welche die Existenz Jingū Kōgōs ablehnen erörtert werden, argumentiert die Autorin mit Hilfe weiterer Quellen gegen diese Theorien und zeigt auf, dass Teile der Geschichte sehr wohl der Wahrheit entsprechen könnten.

Historizität Jingū Kōgōs

Tsuda Sōkichi (1920): Er argumentiert, dass die Perioden vor Ojin im Nihongi und Kojiki nur märchenhaft seien und der Wahrheitsgehalt zweifelhaft ist. Er führt folgende Gründe an:

  • Die Namen der Regenten wirken unecht.
  • Es ist widersprüchlich, dass Jingū Kumaso angegriffen hat, obwohl die Götter mitteilten, es würde sich friedlich unterwerfen sobald Silla eingenommen ist
  • Es sei komisch, dass Paekche Jahre nach dem Treueschwur zu Jingū erst diplomatische Beziehungen beginnt.
  • Es gibt viele übernatürliche Begebenheiten in der Geschichte.
  • Silla wird mit vielen falschen Namen bezeichnet.
  • Silla wurde als das Land der Schätze bezeichnet, obwohl es dies zu jener Zeit auf keinen Fall war, sondern es erst im 6. Jahrhundert florierte.
  • Tsuda folgerte, dass die Geschichte von Jingūs Expedition ein Ausdruck von Yamatos Überlegenheit zu Silla, zur Zeit Ōjins war. Die Person der Jingū wurde erfunden, da man eine Figur brauchte, welche man mit Himiko identifizieren konnte.

Auf diese Theorie Tsudas bauen fast alle weiteren auf, welche versuchendie Existenz von Jingū zu widerlegen.

Mizuno Yū: Er fügte der vorherigen Theorie zu, dass die meisten frühen Herrscher fiktional seien. Die Begründung: die Namen wurden erst später erfunden. Auch soll der Name Okinaga Tarashi vom Jomei Tenno (Prinz Okinaga Tarashi Hironuka) und seiner Frau herstammen. Dies wird damit begründet, dass die Stellung derer erhöht werden sollten, da sie die Eltern von Tenchi und Tenmu waren, welche die Choniken initiierten. „Okinaga“ wiederrum rührt von der einflussreichen Okinaga-Familie.

Naoki Kōjiru: Auch er entwickelte Tsudas Theorie weiter: Jingū Kōgōs Leben wurde einfach aus Ereignisse von drei anderen Regentinnen, Suiko, Kōgyoku Saimei und Jitō zusammengestellt. Zum Beispiel nennt er Kōgyoku Saimeis Vorbereitungen für eine Reise nach Silla, oder die Geburt in Tsukushi des Sohnes von Jitō.

Inoue Mitsusada: Seine Sicht ist, dass die Expeditionen zur Halbinsel Korean eigentlich durch Ōjin durchgeführt wurden. Da Himko aber mehr Eindruck hinterlassen hatte, vermischte sich das Erzählte und wurde schließlich Ōjins Mutter nachgesagt. Aoki Michiko meinte, dass die blutigen Taten vielleicht Ōjins Mutter zugeschrieben wurden um diesen friedvoller erscheinen zu lassen.

Hiergegen argumentiert die Autorin folgendermaßen:

  • Widersprüche seien vorhanden, da bei der Verschriftlichung verschiedene Quellen verwendet wurden.
  • Übernatürliche Elemente in Geschichten einzubauen war zu der damaligen Zeit gängige Praxis.
  • Die Änderung zu mehr Realismus zur Zeit Ōjins zeigt nur, dass seit diesem Zeitpunkt Geschriebenes erhältlich war.
  • Aspekte späterer Regentinnen mögen in der Person Jingūs aufscheinen, es gäbe jedoch fundamentale Unterschiede zwischen diesen. Zum Beispiel hat Jingū die Macht aktiv an sich gerissen, spätere Regentinnen wurden nur eingesetzt. Zudem hatte Ōjin wesentlich mehr Macht.
  • Nur, weil ein Name einer Person nicht vorhanden ist, heißt es nicht, dass diese nicht existiert hat. Forschern zufolge halten sich Errungenschaften leichter in den Köpfen der Menschen als Namen.
  • Es gab viele Personen mit dem Namen „Tarashi“ vor und nach Jingū.
  • Neuere Erinnerungen überschatten ältere. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich Leute besser an Himiko als an Ōjin erinnern eher unwahrscheinlich ist.
  • Sollte Ōjin tatsächlich ein brutaler Regent gewesen sein, so würde eine Expedition nach Korea ohne dBlutvergießen nur sein Image verbessern.

Forscher, welche nicht von Tsudas Theorien beeinflusst waren, legen nahe, dass die Geschichte doch in Teilen Wahrheiten beinhalten könnten. So könnte Jingū laut Okamoto Kenji eine Königin des 4. Jahrhunderts, welche für ihre Tätigkeiten auf der koreanischen Halbinsel beim Hof Yamamotos in Gedächnis blieb, repräsentieren. Uemura Tsukaguchi ist der Meinung, dass Kernelemente in den meisten Legenden wahr sind. Mishina Akihides Theorie besagt, dass Jingū zwar eine historische Persönlichkeit ist, allerdings Begebenheiten von mehreren Jahrhunderten in ihrer Geschichte verarbeitet wurden. Vermutlich war es einst eine Volkssage und Jingū könnte eine schamanische Priesterin gewesen sein, zu deren Aufgaben die Bildung von Regenten, aber auch Meeresreisen gehörten.

In search of the time of Jingu: Erkenntnisse

In diesem Unterkapitel des Artikels wird den historischen Tatsachen, welche die Geschichte suggeriert, auf den Zahn gefühlt. Die Geschichte weist auf tatsächliche politsche Begebenheiten der damaligen Zeit hin, welche auch mit dem derzeitigen Forschungsstand übereinstimmen.

Da Jingū in der Geschichte als schamanische Priesterin und Regentin dargestellt wird, muss herausgefunden werden, ob derartige Positionen nach Himiko tatsächlich existierten. Dies bestätigt sich in Frauengräbern aus dem 4. Jahrhundert. Grabbeigaben lassen darauf schließen, dass diese Frauen spirituell, militärisch und politisch aktiv waren. Dasselbe Phänomen spiegelt sich in Gräbern in Korea, wo die Ehefrau offenkundig höherrangig war als ihr Mann.

Im den frühen Jahren nach dem Pazifikkrieg wurde die Theorie entwickelt, dass Frauen mit männlichen Partnern gemeinsam regierten. Origuchi Shinobu zeigte auf, dass Frauen oftmals als Medium zwischen Göttern und dem Herrscher fungierten. Diese wurden naka sumera mikoto genannt. Auch wurden manchmal Frauen als Herrscherinnen eingesetzt wurden, sofern kein passender männlicher Herrscher verfügbar war.

Möglicherweise war die frühe japanische Gesellschaft matrilineal, was heißt, dass Schlüsselpositionen in der Politik von Mutter zu Tochter weitergegeben wurden. Daher wird angenommen, dass eine gemeinsame Herrschaft zwischen Mann (Verwaltung) und Frau (Prophezeiungen) die Norm war, was sich auch durch Himiko und ihrem Bruder im 3. Jahrhundert zeigt. Weitere Hinweise auf die Richtigkeit dieser Theorie zeigen sich in Okinawa, wo bis zum Mittelalter die Herrschaft einer Schamanin und ihrem Bruder die Norm war. Auch im 4. Jahrhundert findet man auch immer noch Spuren von diesen „Paar-Regenten“. Als Beispiel lassen sich Prinzessin Yamato totohi momose und Kaika Tenno, Prinzessin Yamato und Keikō, Prinzesin saho und Saho hiko anführen. Diese Frauen hatten womöglich mehr Macht als dargestellt. Vermutlich erst im späteren 4. Jahrhundert veränderte sich die Aufteilung der Macht, da die militärische Macht in den Vordergrund rückte. Während Grabbeigaben im 4. Jahrhundert den Schluss zulassen, dass Frauen möglicherweise Gruppen führten, schwand langsam die Macht der Frauen. Im späten 6. Jahrhundert bestieg noch Suiko den Thron, die erste Frau, welche auch in den alten Chroniken als Regentin anerkannt wurde. Grund hierfür war, dass sie als qualifiziert in den Zeiten der Krise angesehen wurde, generell werden Frauen in Krisenzeiten noch eher erwähnt.

Jingūs Lebensgeschichte zeigt aber auch noch eine sehr mächtige frau, vergleichbar mit Himiko, die ihren Sohn anstatt eines mächtigen Mannes auf den Thron setzte. Auffällig ist, dass sie allerdings schon den Sohn auswählte, nicht eine weibliche Nachfolge ihrerseits. Auch war das regierende Paar nur Mutter und Sohn oder Ehemann und Ehefrau, nicht Bruder und Schwester. Jingūs Geschichte zeigt also eine Ära der Veränderung, wo noch alte aber auch neue Muster hervortreten.

Schaut man sich Jingūs Namen Oho Tarashi Hime und Okinaga Tarashi Hime näher an, zeigt sich, dass „tarashi“ vor und nach der Zeit Jingūs für Angehörige der Königsfamilie und Götter verwendet wurde. Daraus kann geschlossen werden, dass "oho tarashi hime" und "waka tarashi hime" Titel für royale Priesterinnen war, wobei Oho die höherstehenden waren. Die echten Namen wurden vergessen, da nur der Titel genannt wurde und wenig schriftlicher Nachweis bestand. So wurden wahrscheinlich die Taten der verschiedenen „tarashi“ in der einen repräsentativen „Tarashi“, an welche sich noch am meisten erinnert wurde, vereint. Der andere Name „okinaga tarashi“ ist der einzige Familienname, welcher mit dem Titel „ tarashi“ genannt wurde. „Okinaga“ stammt hier von ihrem Vater Okinaga no Sukune. Die Okinaga-Familie war sehr einflussreich. Gelehrte meinen, dass sie im 5. und 6. Jahrhundert zwar eine zweitrangige königliche Familie war, welche aber Königinnen stellen konnte.

Des Weiteren zeigt Jingūs Geschichte vielleicht den Beginn einer neuen Beziehung zwischen Yamato und den koreanischen Königreichen. Archäologen fanden in Japan mehrere Gegenstände des frühen 4. Jahrhunderts, welche sicher ihren Ursprung auf der Halbinsel Korea haben. Die Erzählung deutet daraufhin, dass eine schamanische Regentin Einfluss auf die Beziehung zwischen Yamato und Silla hatte. Die Autorin bestätigt, dass Frauen tatsächlich von Bedeutung bei der Korea-Japan Beziehung waren.

Als letzten Aspekt, welcher die Schilderung aufzeigt, sei die Innovation in Bezug auf die Seefahrt genannt. In der Geschichte führt eine neue Route zur Halbinsel, im Gegensatz zu alten Routen, welche an früheren Stellen im Nihongi beschrieben wurden.

Anmerkung

Der Artikel gibt einen guten Umriss zur Erzählung über Jingū Kōgō und der Erkenntnisse über die damalige Zeit, welche daraus gezogen werden können. Des Weiteren bekommt man insbesondere den Forschungsstand bezüglich der Historizität Jingūs einen besonders guten und detaillierten Überblick.