Geschichte/Christentum: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 29. Juni 2020, 15:52 Uhr
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Als christliche Missio·nare im „Zeitalter der Entdeckungen“ Mitte des sech·zehnten Jahr·hun·derts auch Japan erreichten, wurden sie — wie bereits erwähnt — sehr wohl·wol·lend auf·ge·nom·men. Bereits 1549 besuchte der Begründer der Jesuitenmission Francisco de Xavier [Francisco de Xavier (west.) 1506–1552; spanischer Mönch und Missionar, Mitbegründer des Jesuitenordens, zuständig für die Missionierung Ostasiens; auch als der Heilige Franz Xaver bekannt], der Hei·lige Franz Xaver, das Land und er·richtete in Yamaguchi (West-Honshū) erste Mis·sions·schu·len. Von ihm ist über·liefert, dass er „unter den Heiden“ kein Volk ge·fun·den habe, welches dem Chris·ten·tum zu·gäng·licher sei als die Japaner. Wie in ande·ren Erd·teilen, die zu dieser Zeit von Euro·päern er·schlos·sen wurden, ging die An·kunft der Mis·sio·nare auch in Japan Hand in Hand mit der Auf·nahme von Han·dels·bezie·hungen nach Europa. Der rasche Missions·erfolg, der aus Franz Xavers Worten spricht, dürfte nicht zu·letzt mit diesem Handel in Ver·bin·dung stehen.
Ein Umstand, der die Missionierung zweifellos begünstigte, war die politische Fragmentierung des Landes in konkurrierende Fürstentümer. Viele von ihnen versuchten durch Kontakt mit Europa strategische Vorteile zu gewinnen. Ins·besondere im Norden der Insel Kyūshū fanden die Missionare in lokalen Macht·habern wie Ōmura Sumitada [Ōmura Sumitada (jap.) 大村純忠 1533–1587; erster christlicher Daimyō; getauft 1563], Ōtomo Sōrin [Ōtomo Sōrin (jap.) 大友宗麟 1530–1587; christlicher Daimyō in Kyūshū] oder Arima Harunobu [Arima Harunobu (jap.) 有馬晴信 1561?–1612; christlicher Daimyō in Kyūshū] mäch·tige Gönner, die schließ·lich sogar selbst zum Chris·ten·tum über·traten. Sie über·ließen den Portu·giesen die Bucht von Nagasaki, wo sich schließlich das Zentrum der Mission etablierte. Der Ort entwickelte sich außerdem rasch zu einer florierenden Hafen- und Handels·stadt. Von dort aus gelang es zu·nächst jesu·itischen, später auch franzis·kanischen Missio·naren, eine beträcht·liche Gefolg·schaft in Kyūshū auf·zu·bauen.1 Als nächstes konzen·trierte man sich auf die Haupt·stadt Kyōto, wo die Chris·ten durch den damals mächtig·sten Kriegs·fürsten und Reichs·einiger Oda Nobunaga [Oda Nobunaga (jap.) 織田信長 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger] wohl·wollende Duldung, wenn nicht gar För·derung erfuhren.
Schätzungen zufolge stieg die Zahl japanischen Christen auf über 700.000 an, angeleitet von etwa 300 bis 400 europäischen Missionaren. Als der Handel mit Spanien und Portugal aber Anfang des 17. Jahrhunderts von den protestantischen Mächten England und Holland übernommen wurde, entluden sich die Befürchtungen der japanischen Machthaber gegenüber dem exotischen Glauben in einer Serie von gewaltsamen Repressionen und Massenexekutionen. Das Christentum wurde per Todesstrafe verboten, Ausländern war der Aufenthalt in Japan untersagt, selbst der Handel wurde massiv eingeschränkt. Auf diese Weise war das Christentum Ende des 17. Jahrhundert mehr oder weniger ausgerottet.
Kultureller Austausch
Werk von Kanō Naizen (1570–1616). Edo-Zeit, frühes 17. Jh. Kōbe City Museum.
Solange der Handel mit Portugiesen und Spaniern in Japan noch geduldet war, erregten ihre Waren, Schiffe, Kleider und Gebräuche großes Aufsehen. All dies wurde detailreich auf gold·grun·dierten Wand·schirmen fest·gehalten, die heute unter der Genre·bezeich·nung nanban byōbu [nanban byōbu (jap.) 南蛮屏風 Wandschirme mit Motiven europäischer Händler aus dem 16. und 17. Jh.] („Wandschirme der südlichen Barbaren“) bekannt sind. Man kann darauf gut erkennen, dass die europäischen Schiffe zum Großteil mit dunkel·häutigen Matro·sen bemannt waren. Wahr·schein·lich waren das Inder aus Goa, von wo aus die Portu·giesen damals ihre süd- und ost·asiati·schen Koloni·sations- und Handels·politik koordi·nierten. Auch die Jesu·iten hatten dort ihren wich·tigsten Stützpunkt. Insofern ist die Bezeich·nung „südlich“ für diese ge·mischte Gruppe von „Bar·baren“ nicht un·richtig.
Laut dem Japanologen Detlev Schauwecker, einem Spezialisten des „christlichen Zeitalters“ in Japan, handelt es sich in der Tat um ein Portrait des christlichen Daimyōs Arima Harunobu (1561?-1612). In den Jesuitendramen der Barockzeit tritt dieser unter dem Namen Protasio von Aryma als Idealtyp des japanischen „Christenfürsten“ auf. Tatsächlich wurde er auf Grund seines Glaubens unter Tokugawa Ieyasu verbannt und schließlich zum Tode verurteilt. Japanische Quellen deuten allerdings darauf hin, dass er dem Christentum zuvor abschwor. Sollte die vorliegende Darstellung tatsächlich Arima Harunobu abbilden, so zeigt sie ihn jedenfalls in einer perfekten Überblendung christlicher und buddhistischer Attribute.
Eine andere Theorie sieht die Darstellung in der Tradition des chinesischen Nestorianismus, also einer frühen Abspaltung des Christentums, die sich schon vor der Missionierung im 16. Jh. bis China verbreitet hatte.Frühe Edo-Zeit. Kōshū-shi.
Das Chris·ten·tum wurde wohl zunächst für eine exo·tische Form des Bud·dhis·mus ge·halten, da sich die ersten Dol·metscher natürlich bud·dhis·tischer Termini bedienten. Auch das links ab·ge·bildete Portrait des „Christen·fürsten“ Arima Harunobu [Arima Harunobu (jap.) 有馬晴信 1561?–1612; christlicher Daimyō in Kyūshū] zeigt, dass zu·mindest die reli·giöse Bild·sprache der frühen japanischen Christen stark dem Bud·dhis·mus verpflichtet war.
Die Jesuiten bemühten sich aller·dings konsequent, die Landes·sprache zu erlernen, den Konver·tierten Latein und Portu·giesisch bei·zu·bringen und schließ·lich christliche Schriften ins Japanische zu über·tragen. Be·rühmte Bei·spiele dieser kultu·rellen An·näherung stellen das Japani·sch-Portu·giesische Wörter·buch Nippo jisho [Nippo jisho (jap.) 日葡辞書 jap.-portugiesisches Wörterbuch, 1603 von jesuitischen Missionaren kompiliert; auch Vocabulario da lingoa de Iapam] (1603) und das Grammatik·buch Arte da lingoa de Iapam [Arte da lingoa de Iapam (west.) Japanisches Grammatikbuch in portugiesischer Sprache, 1604 unter der Leitung des portugiesischen Missionars João Rodrigues in Japan fertiggestellt] (1604) dar, die beide unter Anleitung des Missionars und Linguisten João Rodrigues [Rodrigues, João (west.) 1561/62–1633; portugiesischer Missionar der Jesuiten in Japan; betreute die Entstehung von Nippo jisho und Arte da lingoa de Iapam] entstanden. Sie sind nicht nur ein Zeichen für die Ernst·haftig·keit und den missio·narischen Eifer der Jesuiten, sie stellen dar·über hinaus eine un·er·setz·liche Quelle zur Syntax und zum Vokabular des damaligen Umgangs·japanisch dar.
1615. Wikimedia Commons.
Anfang des 17. Jahrhunderts war das Christentum zwar bereits in Misskredit geraten, doch der Handel mit katholischen Ländern war nach wie vor möglich. In dieser Zeit kam es zum ersten und für lange Zeit letzten Versuch eines japanischen Machthabers, diplo·ma·tische Be·ziehun·gen mit Europa auf·zu·nehmen. 1613 stach ein nach europäi·schen Plänen konstru·iertes Schiff aus der Stadt Sendai in den Pazifik und nahm Kurs in Rich·tung Mexiko, das damals zu Spanien zählte. An Bord befand sich eine diplo·mati·sche Mission unter Führung eines gewis·sen Hasekura Tsunenaga [Hasekura Tsunenaga (jap.) 支倉常長 1571–1622; Vasall des Date Masamune und Führer einer diplomatischen Mission nach Spanien und Italien in den Jahren 1613 bis 1620], ein Vasall des Daimyō Date Masamune [Date Masamune (jap.) 伊達政宗 1567–1636; Kriegsherr und mächtiger Landesfürst (Daimyō) in Nord-Japan zur Zeit der japanischen Reichseinigung] aus Nord-Japan (damals Ōshū [Ōshū (jap.) 奥州 Bezeichnung für den nordöstlichen Teil der Insel Honshū bzw. die alte Provinz Mutsu]), der die Expe·dition organi·siert hatte. Deren wich·tigste Auf·gabe be·stand darin, ein Han·dels·ab·kom·men mit Spanien in die Wege zu leiten. Katho·lische Missio·nare und spani·sche Ent·decker beglei·teten die Mission, die schließ·lich bis nach Rom gelangte und dort vom Papst emp·fangen wurde. Hasekura und seine Begleiter hielten sich ins·gesamt zwei Jahre in Europa und meh·rere Jahre in Amerika und im pazi·fi·schen Raum auf. Erst 1620 trafen sie wieder in Japan ein, das aller·dings end·gültig auf Kon·takte mit Holland setzte und an Ver·trägen mit dem katho·lischen Spaniern kein Inter·esse mehr fand. Umge·kehrt war die Mission auch in Europa, wo sich die Kunde von japanischen Chris·ten·ver·fol·gun·gen he·rum·ge·spro·chen hatten, nicht von Erfolg gekrönt.2
Trotz dieser durchaus ernst gemeinten Bemü·hungen um einen Dialog zwischen Japan und Europa blieb das Chris·ten·tum den meisten japanischen Macht·habern doch in derselben Weise ver·dächtig, wie einzelne fun·da·men·ta·listisch-bud·dhis·tische Sekten: Es war nicht bereit, den grund·sätz·lichen Konsens in Japan zu teilen, dass letzt·lich alle (tolerierbaren) Religions·formen die gleiche Wahr·heit aus·drücken. Diese Grund·haltung des Bud·dhis·mus (s. Einführung) wurde auch von welt·lichen Herrschern im Japan der Edo-Zeit ge·teilt. Wer gegen sie jedoch verstieß, indem er anderen Lehren jede Berechtigung absprach, wurde seinerseits brutal verfolgt.
Verbote und Repressionen
Nach Nobunagas Er·mor·dung im Jahr 1582 übernahm sein Gefolgs·mann Toyotomi Hideyoshi [Toyotomi Hideyoshi (jap.) 豊臣秀吉 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)] (1537–1598) die Füh·rung seiner Truppen und setzte den Eini·gungs·prozess des Landes zügig fort. Bei einer Inspek·tions·tour durch Kyūshū 1587 erlebte er den dorti·gen Erfolg der Christen mit eige·nen Augen und begann Zweifel an der Toleranz seines Vor·gän·gers zu hegen. Wie Nobunaga hatte auch er die Erfah·rung ge·macht, dass gerade die·jenigen feind·lichen Heere, die von reli·giösen Gruppie·rungen ge·führt wurden, am schwie·rigs·ten zu unter·werfen waren. Obwohl die Christen ihm nicht feind·lich ent·gegen·traten, sah er in ihnen offen·bar auf·rührerisches Potential. Daher erließ er 1587 überraschend ein erstes Verbot der Missionierung, demzufolge alle europäischen Missionare des Landes verwiesen werden sollten (Bateren tsuihōrei [Bateren tsuihōrei (jap.) 伴天連追放令 erste japanische Verordnung zur Vertreibung der christlichen Missionare durch Toyotomi Hideyoshi, 1587/7/24]). Da Hideyoshi aber weiter am Handel mit den Portu·giesen interessiert war, willigte er schließlich in Kompromisse mit den Portugiesen ein, sodass seine Ver·bote des Chris·ten·tums nicht kon·se·quent um·ge·setzt wurden. Die Zeit der still·schwei·genden Duldung hatte schließ·lich ein Ende, als ein spanischer Kapitän in Hideyoshis Gegenwart damit prahlte, dass die Spanier zuerst Missionare in ein Land sandten, um es später mit Waffen·gewalt zu erobern.3 1597 (ein Jahr vor Hide·yoshis Tod) kam es zu ersten Exekutionen von Christen (v.a. spanische Franziskaner und ihre japanischen Anhänger), die als die 26 Märtyrer von Nagasaki in die Geschichte eingingen.
Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] (1543–1616), der dritte der „Drei Reichs·einiger“, betrieb nach seiner Macht·ergrei·fung (1600, bzw. 1603) vor·über·gehend eine tolerantere Politik — noch war auch er am Handel mit den Portu·giesen inter·essiert. Als aber immer mehr euro·päische Protes·tanten (Holländer, Engländer) nach Japan kamen, verloren die Portu·giesen ihr Handels·monopol. Zugleich wurde auch der euro·päische Religions·streit zwischen Katholiken und Protestanten in Japan sicht·bar. Ieyasu sah sich daraufhin nicht länger genötigt, die von ihm als potentiell ge·fähr·lich ein·gestuf·te fremde Religion zu dulden. Anfang 1614 kam es neuerlich zu einem totalen Verbot (Hai kirishitan bun [Hai kirishitan bun (jap.) 排吉利支丹文 Verordnung gegen das Christentum, 1614 (Keichō 18/12), im Namen von Shōgun Hidetada angeordnet von seinem Vater, Tokugawa Ieyasu, verfasst von Konchi-in Sūden]). Missio·nare, japanische Christen und sogar christliche Daimyō [Daimyō (jap.) 大名 Territorialfürst, Titel des Kriegeradels] wurden nun mit noch gnadenloserer Konsequenz als unter Hideyoshi des Landes ver·wiesen oder hingerichtet.
Unter Ieyasus Nach·folgern verstärkten sich die Repres·sionen, Christen wurden sys·tema·tisch aus·ge·forscht. Da sie für ihren un·be·dingten Glauben bekannt waren, ließen sie sich identi·fizieren, indem man sie zwang, auf Bildern von Jesus oder Maria oder auf Kruzi·fixen herum·zu·trampeln. Wer dies ver·weigerte, ent·larvte sich als Christ und wurde zu·meist ge·kreuzigt. Diese Praxis wurde als fumie [fumie (jap.) 踏み絵 „Bildertreten“; Zwangsmaßnahme zur Entlarvung von Christen], wtl. „Bildertreten“ be·zeichnet. 1622 kam es neuerlich zu öffent·lichen Hin·rich·tungen in Nagasaki, denen 51 Christen zum Opfer fielen.
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Die Repres·sionen erreichten 1637 und 38, zur Zeit der sog. terauke System). Bald getraute sich nie·mand mehr, sich öffent·lich zum Chris·ten·tum zu bekennen, im Unter·grund blieben aber einige Gemeinden (die sog. „Krypto-Christen“, kakure kirishitan [kakure kirishitan (jap.) 隠れキリシタン „Krypto-Christen“; christliche Geheimbünde]) bis zur frühen Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit, genauer bis zur Auf·hebung des Chris·ten·bannes 1873, bestehen. Interessanter·weise gibt es bis heute Nach·fahren dieser Krypto-Christen, die lieber bei ihrer heimlich über·lieferten Version des Chris·ten·tums bleiben, statt sich der katholischen „Mutter·kirche“ anzuschließen.
Rebellion in Kyūshū, ihren Höhe·punkt. Der Grund für diesen Auf·stand lag wohl haupt·sächlich in der exzes·siven Be·steuerung der Bauern, doch wurde das Chris·ten·tum, das ja in Kyūshū tatsächlich besonders verbreitet war, als Ursache ge·brand·markt. Die Rebellion wurde niedergeschlagen, fast 40.000 Auf·ständische wurden dabei ge·tötet. In der Folge wurde die Ver·folgung der Christen auf ganz Japan ausgedehnt. Um zu gewähr·leisten, dass in keinem japa·nischen Haus·halt mehr Christen lebten, mussten sich alle Japaner in die Gläubigen·register der bud·dhis·tischen Tempel eintragen lassen (s.Werk von Shiba Kōkan (1747–1818). Edo-Zeit, 1790. Japan Netherlands Exchange in the Edo-Period, National Diet Library, Tōkyō.
Mit dem abso·luten Verbot des Chris·ten·tums setzte in Japan auch die „Politik der Ab·schlie·ßung des Landes“ (sakoku [sakoku (jap.) 鎖国 Abschließung des Landes in der Edo-Zeit, 1639–1853]) ein, die bis zur er·zwung·enen Öffnung des Hafens von Yokohama durch den ameri·kanischen Admiral Perry [Perry, Matthew (west.) 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte] (1853) bei·be·halten wurde. Einziges Fenster zur euro·päischen Welt war der Handels·stütz·punkt auf Dejima [Dejima (jap.) 出島 künstliche Insel in der Bucht von Nagasaki; während der Edo-Zeit war hier der einzige europäische Handelsstützpunkt], eine künst·liche Insel im Hafen von Nagasaki, deren Zugang vom Shōgunat streng kontrol·liert wurde. Ursprüng·lich für den Handel mit Portugal errichtet, wurde Dejima 1641 den Nieder·landen überant·wortet. Das religiös auf·geschlos·sene Holland wurde damit während der gesamten Edo-Zeit zum Re·präsen·tanten der gesamten west·lichen Kultur in Japan.
Gründe der Christenverfolgung
Die japanischen Christen·ver·folgungen sind nicht nur als Aus·druck von be·sonderer Fremden·feind·lich·keit oder Anti-Chris·tianismus zu sehen, viel·mehr wurden alle reli·giösen Gruppen, die mit dem Anspruch auf·traten, allein selig·machend zu sein, auf ähnliche Weise be·handelt. Ähnlich wie die Christen wurden auch einzelne radikale Frak·tionen der Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus]- und Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)]-Schulen als Häretiker ge·brand·markt und verfolgt.
Es gab aber auch politische Gründe, den Einfluss der Europäer zu begrenzen. Wahr·schein·lich hatte sich auch in Japan herum·ge·sprochen, dass die euro·päi·schen Mächte in Indien zu dieser Zeit bereits einige Landes·teile kolonisiert hatten und nicht zögern würden, selbiges auch in Japan zu ver·suchen. In der Tat offen·baren jesui·tische Quellen, dass es unter den Jesuiten auch eine Fraktion in den Mönch·stand ge·tretener Hidalgos gab, die ernsthaft darüber nach·dachten, Japan mit mili·tärischer Gewalt zu unterwerfen.
Im übrigen waren sich Hideyoshi und Ieyasu sehr wohl der Rolle be·wusst, die der Handel bzw. neue, aus Europa impor·tierte Waffen bei der Reichs·einigung ge·spielt hatten: Dank neuer Kriegs·techno·logien gelang es den „progressiveren“ unter den Kriegs·herren, die existierende mili·tärische Patt·stellung zu kippen und mehr und mehr Ver·bündete auf ihre Seite zu ziehen. Als dieser Prozess der Einigung ab·ge·schlossen war, trachtete das Tokugawa Shōgunat danach, die Vor·teile, die ihm zur Macht verholfen hatten, poten·ziellen Gegnern zu ver·wehren. Da aber Daimyō, die das Chris·ten·tum förderten, zweifel·los privilegierte Be·ziehungen zum euro·päischen Handel hatten, standen die neuen Herrscher über kurz oder lang vor der Wahl, ent·we·der selbst das Chris·ten·tum zu fördern oder es zu verbieten, und entschieden sich für das letztere.
Schließlich darf man nicht unterschätzen, wie schwierig es ist, vor dem Hintergrund asiatischer Traditionen den Vorstellungen des Christentums Glauben zu schenken. Das Befremden, das selbst aufgeklärte Japaner des 19. Jahrhunderts gegenüber dem Christentum empfanden, drückt sich noch in den Berichten der ersten japanischen Diplomaten aus, die sich nach der Öffnung Japans (1868) im Rahmen der sogenannten Iwakura-Mission (1871–1873) auf Inspektionsreise in die führenden, christlich geprägten Industrienationen begaben. Über die Figur Jesu Christi schreibt der Iwakura-Chronist Kume Kunitake [Kume Kunitake (jap.) 久米邦武 1839–1931, japanischer Gelehrter der Meiji-Zeit; als junger Mann Sekretär der Iwakura Mission (1871–73), später Professor für Geschichte an der Kaiserlichen Universität Tōkyō] u.a. folgendes:
In allen Städten Amerikas und Europas fanden wir Bilder eines blutüberströmten Körpers, der vom Kreuz hängt. Sie sind an Kirchenwänden und in privaten Häusern angebracht. Man könnte meinen, man befände sich auf einem Friedhof oder würde auf einem Richtplatz übernachten. Welch ein seltsamer Brauch!
Beiō kairan jikki 米欧回覧実記 (1878)4
Verweise
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Fußnoten
- ↑ Die Jesuiten standen in der Regel in portugiesischem, die Franziskaner in spanischem Dienst.
- ↑ Insgesamt hinterließ der Besuch der japanischen Gesandtschaft jedoch einen positiven Eindruck. Ein Bericht des Franziskanermönchs Luis Sotelo (1574–1624), der die Mission von Anfang an begleitet hatte, erschien auf Italienisch und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Die deutsche Ausgabe ist online auf den Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek zugänglich: Relation Unnd gründtlicher Bericht von deß Königreichs Voxu in Japonischen Keyserthumb Gottseliger Bekehrung (1617).
- ↑ Tronu 2012, S. 132.
- ↑ Übersetzt nach englischen Auszügen des Berichts (Kume 2009, S. 98) und dem japanischen Original (S. 361).
Literatur
Bilder
- ^ Wandschirm mit europäischen „Barbaren“ (nanban). Kurz vor der Vertreibung der Europäer aus Japan zogen diese großes Interesse auf sich. An Bord des Schiffes sind europäisch-hellhäutige und dunkelhäutige (indische?) Personen zu sehen. Die dunkelhäutigen sind Diener und Matrosen. Im Vordergrund ist zu sehen, dass die europäischen Händler selbst Tiger im Gepäck hatten (auf einem anderen Bild ist auch ein Elefant zu sehen).
Werk von Kanō Naizen (1570–1616). Edo-Zeit, frühes 17. Jh. Kōbe City Museum. - ^ Offiziell handelt es sich hier um ein Abbild des buddhistischen Bodhisattvas Kokūzō (skt. Akashagarbha), der häufig mit einem Wunschjuwel, das er in Brusthöhe hält, dargestellt wird. Auf dieser Darstellung fällt allerdings auf, dass das „Wunschjuwel“ eher dem Weltenberg Sumeru gleicht, auf dem jedoch ein Kreuz thront. Dies erinnert wiederum an das christliche Herrschaftssymbol von Reichsapfel mit Kreuz. Auch der Mantel des Dargestellten entspricht nicht der gängigen Bodhisattva Ikonographie. Schließlich sind in dem Gewand vier Gesichter versteckt, die ebenfalls Rätsel aufgeben. Die lange in einer Schachtel verwahrte Darstellung, deren Ursprung im Dunklen liegt, dürfte jedenfalls unter christlichem Einfluss entstanden sein.
Laut dem Japanologen Detlev Schauwecker, einem Spezialisten des „christlichen Zeitalters“ in Japan, handelt es sich in der Tat um ein Portrait des christlichen Daimyōs Arima Harunobu (1561?-1612). In den Jesuitendramen der Barockzeit tritt dieser unter dem Namen Protasio von Aryma als Idealtyp des japanischen „Christenfürsten“ auf. Tatsächlich wurde er auf Grund seines Glaubens unter Tokugawa Ieyasu verbannt und schließlich zum Tode verurteilt. Japanische Quellen deuten allerdings darauf hin, dass er dem Christentum zuvor abschwor. Sollte die vorliegende Darstellung tatsächlich Arima Harunobu abbilden, so zeigt sie ihn jedenfalls in einer perfekten Überblendung christlicher und buddhistischer Attribute.
Eine andere Theorie sieht die Darstellung in der Tradition des chinesischen Nestorianismus, also einer frühen Abspaltung des Christentums, die sich schon vor der Missionierung im 16. Jh. bis China verbreitet hatte.
Frühe Edo-Zeit. Kōshū-shi.
- ^ Hasekura Tsunenaga, der Leiter einer japanischen Mission nach Spanien und Italien, als Christ. Das Bild wurde zur Zeit von Hasekuras Audienz bei Papst Paul V in Italien angefertigt.
1615. Wikimedia Commons. - ^ Skizze der künstlichen Insel Dejima (oder Deshima) in der Bucht von Nagasaki, die den einzigen europäischen Handelsstützpunkt der Edo-Zeit darstellte. Die dort Ansässigen waren offiziell alles Holländer. Sie wurden streng kontrolliert und durften die Insel nur selten und in Begleitung verlassen, stellten aber für viele Japaner auch einen faszinierenden Anziehungspunkt dar. So auch für den Maler und Autor Shiba Kōkan (1747–1818), der Deshima besuchen durfte und hier unter anderem die westliche Ölmalerei erlernte. Das über Deshima nach Japan gebrachte Wissen wurde „Holland-Wissenschaft“ (rangaku) genannt. Shiba Kōkan war auch als Gelehrter in dieser Wissenschaft aktiv und gilt als großer Popularisierer von westlicher Wissenschaft und Kunst im Edo-zeitlichen Japan.
Im rechten Bildteil steht: „Die Holländer haben auf Deshima einen Kyūshū-Stützpunkt errichtet. Jedes Jahr bringen sie aus ihrem Land 55 kanme (ca. 200 kg) Silber nach Japan.“ Das bezieht sich möglicherweise auf die „Miete“, die die Holländer für Dejima zahlen mussten. Im linken Bildteil sind die Ausmaße der Insel verzeichnet. Demnach war die fächerförmige Insel 35 kan (ca. 63m) breit und maß an der Außenseite 180 kan (ca. 324m).
Werk von Shiba Kōkan (1747–1818). Edo-Zeit, 1790. Japan Netherlands Exchange in the Edo-Period, National Diet Library, Tōkyō.
Glossar
- Arima Harunobu 有馬晴信 ^ 1561?–1612; christlicher Daimyō in Kyūshū
- Arte da lingoa de Iapam (west.) ^ Japanisches Grammatikbuch in portugiesischer Sprache, 1604 unter der Leitung des portugiesischen Missionars João Rodrigues in Japan fertiggestellt
- Bateren tsuihōrei 伴天連追放令 ^ erste japanische Verordnung zur Vertreibung der christlichen Missionare durch Toyotomi Hideyoshi, 1587/7/24
- Date Masamune 伊達政宗 ^ 1567–1636; Kriegsherr und mächtiger Landesfürst (Daimyō) in Nord-Japan zur Zeit der japanischen Reichseinigung
- Francisco de Xavier (west.) ^ 1506–1552; spanischer Mönch und Missionar, Mitbegründer des Jesuitenordens, zuständig für die Missionierung Ostasiens; auch als der Heilige Franz Xaver bekannt
- Hai kirishitan bun 排吉利支丹文 ^ Verordnung gegen das Christentum, 1614 (Keichō 18/12), im Namen von Shōgun Hidetada angeordnet von seinem Vater, Tokugawa Ieyasu, verfasst von Konchi-in Sūden
- Hasekura Tsunenaga 支倉常長 ^ 1571–1622; Vasall des Date Masamune und Führer einer diplomatischen Mission nach Spanien und Italien in den Jahren 1613 bis 1620
- Iwakura Shisetsudan 岩倉使節団 ^ Iwakura-Mission; diplomatische Delegation unter Führung von Iwakura Tomomi, die im Rahmen einer Weltreise von 1871 bis 1873 Amerika sowie mehrere Länder Europas besuchte
- Kaempfer, Engelbert (west.) ^ 1651–1716; deutscher Arzt und Naturforscher, Japanreisender (1790–1792); Autor einer detaillierten Japanbeschreibung
- kakure kirishitan 隠れキリシタン ^ „Krypto-Christen“; christliche Geheimbünde
- Kume Kunitake 久米邦武 ^ 1839–1931, japanischer Gelehrter der Meiji-Zeit; als junger Mann Sekretär der Iwakura Mission (1871–73), später Professor für Geschichte an der Kaiserlichen Universität Tōkyō
- nanban byōbu 南蛮屏風 ^ Wandschirme mit Motiven europäischer Händler aus dem 16. und 17. Jh.
- Nippo jisho 日葡辞書 ^ jap.-portugiesisches Wörterbuch, 1603 von jesuitischen Missionaren kompiliert; auch Vocabulario da lingoa de Iapam
- Oda Nobunaga 織田信長 ^ 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger
- Perry, Matthew (west.) ^ 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte
- Rodrigues, João (west.) ^ 1561/62–1633; portugiesischer Missionar der Jesuiten in Japan; betreute die Entstehung von Nippo jisho und Arte da lingoa de Iapam
- Sengoku Jidai 戦国時代 ^ Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615
- Siebold, Philipp Franz von (west.) ^ 1796–1866; deutscher Arzt, Naturforscher, Japanreisender und Sammler; Pionier der Japanforschung
- Tenshō shisetsu 天正使節 ^ Tenshō-Gesandtschaft; diplomatische Mission zur Zeit der Tenshō-Ära, die zwischen 1582–1590 von Japan nach Rom führte, durchgeführt von vier jugendlichen Samurai, die von den Jesuiten christlich erzogen worden waren
- Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉 ^ 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)
Quelle: 26 Martyrs Museum, Nagasaki [2010/8]