Mythen/Goetter der Erde/Trickster: Unterschied zwischen den Versionen
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Seine Persönlich·keit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehr·zahl der mytho·logischen Traditionen ist er für das Vor·handen·sein des Todes und den jetzigen Zu·stand der Welt ver·ant·wort·lich. Er ist aber auch ein Ver·wandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge ge·stohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet. | Seine Persönlich·keit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehr·zahl der mytho·logischen Traditionen ist er für das Vor·handen·sein des Todes und den jetzigen Zu·stand der Welt ver·ant·wort·lich. Er ist aber auch ein Ver·wandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge ge·stohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet. | ||
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Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den Mythen der euro·päi·schen Antike, allen voran in der Figur des Prome·theus, der den Menschen nach einer Über·lieferung sogar selbst aus Lehm er·schafft und ihn schließ·lich durch List in den Besitz des Feuers bringt. All dies gegen den aus·drück·lichen Befehl des Götter·vaters Zeus. Auch andere griechi·sche (Halb-)Götter rebel·lieren mit List und Tücke gegen die Ordnung der Götter, etwa Tantalos, der den Göttern, um ihre All·wis·sen·heit zu testen, seinen eige·nen Sohn zur Mahl·zeit vorsetzt, oder Sisyphos, ein noto·rischer Lügner, der kurz·zeitig sogar den Tod außer Gefecht setzt. Sie alle werden in den griechi·schen Mythen mit drasti·schen Strafen belegt, die sich vor allem durch ihre Per·manenz aus·zeichnen: Pro·me·theus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler ge·fressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hin·unter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet um·geben von Köst·lich·keiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann. | Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den Mythen der euro·päi·schen Antike, allen voran in der Figur des Prome·theus, der den Menschen nach einer Über·lieferung sogar selbst aus Lehm er·schafft und ihn schließ·lich durch List in den Besitz des Feuers bringt. All dies gegen den aus·drück·lichen Befehl des Götter·vaters Zeus. Auch andere griechi·sche (Halb-)Götter rebel·lieren mit List und Tücke gegen die Ordnung der Götter, etwa Tantalos, der den Göttern, um ihre All·wis·sen·heit zu testen, seinen eige·nen Sohn zur Mahl·zeit vorsetzt, oder Sisyphos, ein noto·rischer Lügner, der kurz·zeitig sogar den Tod außer Gefecht setzt. Sie alle werden in den griechi·schen Mythen mit drasti·schen Strafen belegt, die sich vor allem durch ihre Per·manenz aus·zeichnen: Pro·me·theus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler ge·fressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hin·unter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet um·geben von Köst·lich·keiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann. | ||
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{{glossar:Susanoo}}, der etwas missratene Sohn des japanischen Urgötter·paares {{glossar:Izanagi}} und {{glossar:Izanami}}, besitzt fast alle von Eliade auf·ge·zählten Eigen·schaften eines Tricksters, aller·dings treten sie nicht gleich·zeitig zu Tage, sondern in auf einander folgen·den Episoden, in denen sich ein er·staunlicher Charakter·wandel Susanoos vollzieht: Zu·nächst begeht er Misse·taten, die sich gezielt gegen seine Schwester {{glossar:Amaterasu}}, die Herrin des Himmels, richten. U.a. ent·weiht er ihren Palast mit den eigenen Exkre·menten, zerstört Felder und eine Webe·halle, tötet ein Pferd und eine Dienerin Ama·terasus und schafft auf diese Weise den Grund, warum sich Ama·terasu, die Sonne, vorüber·gehend ver·dunkelt (in eine Höhle zurückzieht). Zur Strafe werden Susanoo die Nägel aus·ge·rissen, dann muss er auf·wendige Opfer·gaben leisten und schließ·lich wird er aus dem Himmel ver·bannt. Diese Strafen sind grau·sam, aber be·grenzt. Er muss nicht wie seine griechi·schen Kollegen alle Zeiten hindurch leiden. | {{glossar:Susanoo}}, der etwas missratene Sohn des japanischen Urgötter·paares {{glossar:Izanagi}} und {{glossar:Izanami}}, besitzt fast alle von Eliade auf·ge·zählten Eigen·schaften eines Tricksters, aller·dings treten sie nicht gleich·zeitig zu Tage, sondern in auf einander folgen·den Episoden, in denen sich ein er·staunlicher Charakter·wandel Susanoos vollzieht: Zu·nächst begeht er Misse·taten, die sich gezielt gegen seine Schwester {{glossar:Amaterasu}}, die Herrin des Himmels, richten. U.a. ent·weiht er ihren Palast mit den eigenen Exkre·menten, zerstört Felder und eine Webe·halle, tötet ein Pferd und eine Dienerin Ama·terasus und schafft auf diese Weise den Grund, warum sich Ama·terasu, die Sonne, vorüber·gehend ver·dunkelt (in eine Höhle zurückzieht). Zur Strafe werden Susanoo die Nägel aus·ge·rissen, dann muss er auf·wendige Opfer·gaben leisten und schließ·lich wird er aus dem Himmel ver·bannt. Diese Strafen sind grau·sam, aber be·grenzt. Er muss nicht wie seine griechi·schen Kollegen alle Zeiten hindurch leiden. | ||
− | Statt·dessen kann sich Susanoo in der irdischen Welt eine neue Existenz aufbauen und wird in dieser Rolle zum Kultur·heros. Die entschei·dende Wendung vollzieht sich im Kampf gegen die tyran·nische Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}}, den er — typisch Trickster — eher durch List als durch Stärke gewinnt, indem er die Schlange betrunken macht. Auf der Grundlage von Vergleichen mit rezenten volks·religiösen Festen, in denen das Motiv dieses Kampfes auftaucht, hat der japanische Volkskundler Matsudaira Narimitsu (1897–1979) bereits 1946 die These aufgestellt, dass Susanoo und die Schlange im Grunde zwei Aspekte der gleichen Gottheit darstellen.<ref name=matsudaira/> Demnach lässt sich der Orochi-Mythos auch dahingehend inter·pretieren, dass Susanoo den gewalt·tätigen Aspekt ({{glossar:aramitama}}) seiner göttlichen Natur besiegt und sich somit zu einem Wohltäter wandelt. | + | Statt·dessen kann sich Susanoo in der irdischen Welt eine neue Existenz aufbauen und wird in dieser Rolle zum Kultur·heros. Die entschei·dende Wendung vollzieht sich im Kampf gegen die tyran·nische Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}}, den er — typisch Trickster — eher durch List als durch Stärke gewinnt, indem er die Schlange betrunken macht. Auf der Grundlage von Vergleichen mit rezenten volks·religiösen Festen, in denen das Motiv dieses Kampfes auftaucht, hat der japanische Volkskundler Matsudaira Narimitsu (1897–1979) bereits 1946 die These aufgestellt, dass Susanoo und die Schlange im Grunde zwei Aspekte der gleichen Gottheit darstellen.<!-- |
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+ | Matsudaira Narimitsu, ''Matsuri, honshitsu to shosō.'' Tokyo: Nikkō Shoin, 1946; zitiert nach Ouwehand 1958, S. 151–58. | ||
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+ | Demnach lässt sich der Orochi-Mythos auch dahingehend inter·pretieren, dass Susanoo den gewalt·tätigen Aspekt ({{glossar:aramitama}}) seiner göttlichen Natur besiegt und sich somit zu einem Wohltäter wandelt. | ||
Jedenfalls wird Susanoo in dieser Episode zum Kultur·heros und verliert seine subver·siven Züge. Seine List, mit der er die Schlange un·schäd·lich macht, ist eben·so·wenig gegen die Ordnung der Götter gerichtet, wie die sonstigen Wohl·taten, die er für die Menschen ersinnt (nach einer Version erschafft er nützliche Bäume und Getreide). Susanoos Iden·tität als Tunicht·gut und seine Identität als Wohl·täter der Mensch·heit werden im japa·nischen Mythos also in getrenn·ten Episo·den zum Aus·druck gebracht, als ob der Gott im Zuge seiner Bestra·fung eine Charakter·wand·lung durch·gemacht hätte. Mensch·liche Kultur an sich ist mit der Ordnung der (himm·lischen) Götter kompa·tibel. | Jedenfalls wird Susanoo in dieser Episode zum Kultur·heros und verliert seine subver·siven Züge. Seine List, mit der er die Schlange un·schäd·lich macht, ist eben·so·wenig gegen die Ordnung der Götter gerichtet, wie die sonstigen Wohl·taten, die er für die Menschen ersinnt (nach einer Version erschafft er nützliche Bäume und Getreide). Susanoos Iden·tität als Tunicht·gut und seine Identität als Wohl·täter der Mensch·heit werden im japa·nischen Mythos also in getrenn·ten Episo·den zum Aus·druck gebracht, als ob der Gott im Zuge seiner Bestra·fung eine Charakter·wand·lung durch·gemacht hätte. Mensch·liche Kultur an sich ist mit der Ordnung der (himm·lischen) Götter kompa·tibel. | ||
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− | Auch Prinz {{glossar:yamatotakeru}} ist eine Gestalt mit trickster·artigen Zügen. Als Sohn des (mytho·logischen) Keikō Tennō fällt er allerdings nicht mehr in das sogenannte Gött·liche Zeitalter. Schon als Kind mit über·mensch·lichen Kräften aus·gestattet, tötet er seinen älteren Bruder aufgrund eines trivialen Miss·ver·ständ·nisses.<ref | + | Auch Prinz {{glossar:yamatotakeru}} ist eine Gestalt mit trickster·artigen Zügen. Als Sohn des (mytho·logischen) Keikō Tennō fällt er allerdings nicht mehr in das sogenannte Gött·liche Zeitalter. Schon als Kind mit über·mensch·lichen Kräften aus·gestattet, tötet er seinen älteren Bruder aufgrund eines trivialen Miss·ver·ständ·nisses.<!-- |
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+ | Nachdem der ältere Bruder nicht bei den gemein·samen Mahlzeiten erscheint, erhält Yamato Takeru die Anweisung seines Vaters Keikō Tennō, seinen Bruder zu „belehren und warnen.“ Er interpretiert dies jedoch aufgrund einer unüber·setzbaren Doppel·bedeutung dahingehend, seinem Bruder die Glied·maßen auszureißen, was er auch in die Tat umsetzt. (''Kojiki'', Antoni 2012, S. 143–44; s.a. Isomae 1999, S. 363.) | ||
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+ | Seinem Vater wird der Sohn unheimlich und er schickt ihn in scheinbar aus·sichts·lose Feldzüge, die Yamato Takeru allerdings mit List, Schläue und der ihm eigenen Brutalität meistert. Damit wird auch Yamato Takeru zu einem Kultur·heros des frühen {{glossar:Yamato}}-Reiches. Die Ambivalenz des Tricksters ist im Fall Yamato Takerus auf einen Vater-Sohn Konflikt herunter gebrochen, der beinahe in ein Happy End zu münden scheint. Letztlich führt jedoch Leichtsinn dazu, dass Takeru in der Begeg·nung mit einer feindlichen Gottheit den Kürzeren zieht. Sein früher Tod wird in gewisser Weise dadurch wett·gemacht, dass er als einer der letzten mytho·logi·schen Gestalten Verehrung als Schrein·gottheit genießt. | ||
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Die Gestalt des Tricksters ist den japanischen Mythen also keineswegs fremd. Fast alle von Eliade geschilderten Elemente lassen sich finden, lediglich der im Trickster sichtbare Wider·spruch zwischen göttlicher und menschlicher Ordnung ist kaum zu erkennen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die bekannten Mythen·fassungen in erster Linie aus den offiziellen Reichs·chroniken stammen (vgl. [[Texte|Mythentexte]]) und dort zweifellos im Hinblick auf die Legitimation des Kaiser·hauses hin „geschönt“ wurden. Es mag aber auch sein, dass der ödipale Konflikt zwischen Göttern und Menschen doch nicht so universell ist, wie Eliade annahm. | Die Gestalt des Tricksters ist den japanischen Mythen also keineswegs fremd. Fast alle von Eliade geschilderten Elemente lassen sich finden, lediglich der im Trickster sichtbare Wider·spruch zwischen göttlicher und menschlicher Ordnung ist kaum zu erkennen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die bekannten Mythen·fassungen in erster Linie aus den offiziellen Reichs·chroniken stammen (vgl. [[Texte|Mythentexte]]) und dort zweifellos im Hinblick auf die Legitimation des Kaiser·hauses hin „geschönt“ wurden. Es mag aber auch sein, dass der ödipale Konflikt zwischen Göttern und Menschen doch nicht so universell ist, wie Eliade annahm. | ||
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Version vom 15. April 2016, 12:25 Uhr
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Mythen/Goetter_der_Erde/Trickster.
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Mythen/Goetter_der_Erde/Trickster.
Der bekannte Mythen·forscher Mircea Eliade [Eliade, Mircea (west.) 1907–1986, rumänischer Religionswissenschaftler und Ethnologe, lehrte an der Universität Chicago] definierte die seiner Meinung nach arche·typische Gestalt des Tricksters anhand von Beispielen aus Nord·amerika folgender·maßen:
Seine Persönlich·keit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehr·zahl der mytho·logischen Traditionen ist er für das Vor·handen·sein des Todes und den jetzigen Zu·stand der Welt ver·ant·wort·lich. Er ist aber auch ein Ver·wandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge ge·stohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet.
Aber auch als Kultur·heros bewahrt er die spezifischen Züge eines Betrügers. Wenn er das Feuer oder ein anderes dem Menschen un·be·dingt not·wen·diges Gut stiehlt, das ein göttliches Wesen eifer·süchtig hütet (Sonne, Wasser, Wild, Fische), so gelingt ihm das nicht auf heroische Weise, sondern mittels Schlau·heit oder Betrug. Der Erfolg seiner Bemühungen wird oft durch seine Un·ge·schick·lich·keit in Frage gestellt (die Erde wird etwa durch Feuer oder Flut vernichtet).
Nur mit List oder Täuschung gelingt es ihm, die Menschen von den kanni·balischen Ungeheuern zu befreien.
Ein weiterer charakte·ristischer Zug des Tricksters ist seine ambivalente Haltung gegenüber dem Heiligen. Er karikiert und parodiert scha·ma·nis·tische Erfahrungen oder priesterliche Rituale. Die Schutz·geister des Schamanen werden von ihm auf groteske Weise mit seinen Ex·kre·men·ten identifiziert, und er parodiert den ekstatischen Flug des Schamanen, obwohl er selbst am Ende immer her·unter·fällt. Es ist klar, daß dieses paradoxe Benehmen eine zwei·fache Bedeutung hat: Der Trickster macht sich über das Heilige, die Priester und die Scha·ma·nen lustig, die Lächer·lich·keit richtet sich aber auch gegen ihn selbst. Wenn er nicht der hart·näckige und listen·reiche Feind des Schöpfer·gottes ist (wie in den kalifor·nischen Mythen), dann erweist er sich als eine schwer zu definierende Persön·lich·keit, intelligent und dumm zugleich, den Göttern nahe durch seine „Uranfäng·lichkeit“ und seine Kräfte, aber den Menschen noch näher durch seinen ge·fräßigen Hunger, seine außer·ge·wöhn·liche Sexualität und seine Amoralität.
[...]
Gewisse charakte·ristische Züge der menschlichen Verhältnisse von heute sind die Folge der Ein·mischung des Tricksters in den Akt der Schöpfung. Er triumphiert zum Beispiel über Monstren, ohne sich als Heros zu gebärden: Viele Dinge gelingen, aber ebenso viele mißlingen ihm; er organisiert und vollendet die Welt, aber mit so vielen Irrtümern und Ungeschick·lichkeiten, daß schließlich nichts vollkommen zustande kommt. In dieser Hinsicht kann man in der Figur des Tricksters eine Projektion des Menschen sehen, der eine neue Art der Religion sucht.
Mircea Eliade (1969), zitiert nach Hartmut Dietz, Neuer Physiologus (2011/12/01).
Antike Sagenwelt
Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den Mythen der euro·päi·schen Antike, allen voran in der Figur des Prome·theus, der den Menschen nach einer Über·lieferung sogar selbst aus Lehm er·schafft und ihn schließ·lich durch List in den Besitz des Feuers bringt. All dies gegen den aus·drück·lichen Befehl des Götter·vaters Zeus. Auch andere griechi·sche (Halb-)Götter rebel·lieren mit List und Tücke gegen die Ordnung der Götter, etwa Tantalos, der den Göttern, um ihre All·wis·sen·heit zu testen, seinen eige·nen Sohn zur Mahl·zeit vorsetzt, oder Sisyphos, ein noto·rischer Lügner, der kurz·zeitig sogar den Tod außer Gefecht setzt. Sie alle werden in den griechi·schen Mythen mit drasti·schen Strafen belegt, die sich vor allem durch ihre Per·manenz aus·zeichnen: Pro·me·theus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler ge·fressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hin·unter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet um·geben von Köst·lich·keiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann.
Gerade am Beispiel des Prometheus drängt sich die Idee auf, dass er stell·ver·tretend für die Ent·wei·hung büßen muss, welche die mensch·liche Kultur gegen·über der gött·lichen Ord·nung darstellt. Auch in der bibli·schen Erbsünde, bzw. dem Kreu·zes·tod Christi kann man diese Idee von mensch·licher Kultur als Frevel finden (Jesus über·nimmt dabei eine theo·logisch trans·zen·dierte Trickster·rolle, in der die komische Seite fehlt).
Trickster in Japan
Susanoo
mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu
Der Begriff „Susanoo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
, der etwas missratene Sohn des japanischen Urgötter·paares
Göttervater; auch Izanaki (ki hier männliche Endung); Bruder und Mann von Izanami
Der Begriff „Izanagi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
und
Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi
Der Begriff „Izanami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
, besitzt fast alle von Eliade auf·ge·zählten Eigen·schaften eines Tricksters, aller·dings treten sie nicht gleich·zeitig zu Tage, sondern in auf einander folgen·den Episoden, in denen sich ein er·staunlicher Charakter·wandel Susanoos vollzieht: Zu·nächst begeht er Misse·taten, die sich gezielt gegen seine Schwester
Der Begriff „Amaterasu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
, die Herrin des Himmels, richten. U.a. ent·weiht er ihren Palast mit den eigenen Exkre·menten, zerstört Felder und eine Webe·halle, tötet ein Pferd und eine Dienerin Ama·terasus und schafft auf diese Weise den Grund, warum sich Ama·terasu, die Sonne, vorüber·gehend ver·dunkelt (in eine Höhle zurückzieht). Zur Strafe werden Susanoo die Nägel aus·ge·rissen, dann muss er auf·wendige Opfer·gaben leisten und schließ·lich wird er aus dem Himmel ver·bannt. Diese Strafen sind grau·sam, aber be·grenzt. Er muss nicht wie seine griechi·schen Kollegen alle Zeiten hindurch leiden.
Statt·dessen kann sich Susanoo in der irdischen Welt eine neue Existenz aufbauen und wird in dieser Rolle zum Kultur·heros. Die entschei·dende Wendung vollzieht sich im Kampf gegen die tyran·nische Schlange
Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt
Der Begriff „Yamata no Orochi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
, den er — typisch Trickster — eher durch List als durch Stärke gewinnt, indem er die Schlange betrunken macht. Auf der Grundlage von Vergleichen mit rezenten volks·religiösen Festen, in denen das Motiv dieses Kampfes auftaucht, hat der japanische Volkskundler Matsudaira Narimitsu (1897–1979) bereits 1946 die These aufgestellt, dass Susanoo und die Schlange im Grunde zwei Aspekte der gleichen Gottheit darstellen.1
Demnach lässt sich der Orochi-Mythos auch dahingehend inter·pretieren, dass Susanoo den gewalt·tätigen Aspekt (
wtl. rauer (wilder) Geist; gewalttätige Natur (mitama) einer Gottheit (im Ggs. zu nigimitama, milder Geist)
Der Begriff „aramitama“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
) seiner göttlichen Natur besiegt und sich somit zu einem Wohltäter wandelt.
Jedenfalls wird Susanoo in dieser Episode zum Kultur·heros und verliert seine subver·siven Züge. Seine List, mit der er die Schlange un·schäd·lich macht, ist eben·so·wenig gegen die Ordnung der Götter gerichtet, wie die sonstigen Wohl·taten, die er für die Menschen ersinnt (nach einer Version erschafft er nützliche Bäume und Getreide). Susanoos Iden·tität als Tunicht·gut und seine Identität als Wohl·täter der Mensch·heit werden im japa·nischen Mythos also in getrenn·ten Episo·den zum Aus·druck gebracht, als ob der Gott im Zuge seiner Bestra·fung eine Charakter·wand·lung durch·gemacht hätte. Mensch·liche Kultur an sich ist mit der Ordnung der (himm·lischen) Götter kompa·tibel. Schluss·end·lich endet Susanoo als Herr über die Unter·welt und erfüllt damit ein wei·teres Krite·rium Eliades, die Nähe zum Tod.
Werk von Utagawa Toyokuni (1769–1825). Spätere Edo-Zeit. Tokyo National Museum.
Ōkuninushi
In
mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
Der Begriff „Ōkuninushi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
, einem Sohn (bzw. Nachkommen) des Susanoo, begegnen wir einer weiteren japanischen Trickster·gestalt. Seine Streiche und Tricks richten sich vorerst nicht gegen die höchsten Götter, sondern nur gegen die eigene Familie einschließ·lich seines Vaters. Er übernimmt kurzzeitig die Herrschaft auf Erden und spielt dabei vor allem das von Eliade angeführte Element der „außer·ge·wöhn·lichen Sexualität“ aus. Schließlich muss er dem „himm·lischen Enkelsohn“ Amaterasus weichen, doch vermag er mit vielen Tricks, seine Abdankung hinaus zu zögern. Am Ende zieht auch er sich in eine Art Unterwelt zurück (s. Sidepage Ōkuninushi).
Yamato Takeru
Auch Prinz
Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato
Der Begriff „Yamato Takeru“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
ist eine Gestalt mit trickster·artigen Zügen. Als Sohn des (mytho·logischen) Keikō Tennō fällt er allerdings nicht mehr in das sogenannte Gött·liche Zeitalter. Schon als Kind mit über·mensch·lichen Kräften aus·gestattet, tötet er seinen älteren Bruder aufgrund eines trivialen Miss·ver·ständ·nisses.2
Seinem Vater wird der Sohn unheimlich und er schickt ihn in scheinbar aus·sichts·lose Feldzüge, die Yamato Takeru allerdings mit List, Schläue und der ihm eigenen Brutalität meistert. Damit wird auch Yamato Takeru zu einem Kultur·heros des frühen
Kernland der Tennō-Dynastie in Zentraljapan (Präfektur Nara); archaischer Name für Japan
Der Begriff „Yamato“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
Bilder
-Reiches. Die Ambivalenz des Tricksters ist im Fall Yamato Takerus auf einen Vater-Sohn Konflikt herunter gebrochen, der beinahe in ein Happy End zu münden scheint. Letztlich führt jedoch Leichtsinn dazu, dass Takeru in der Begeg·nung mit einer feindlichen Gottheit den Kürzeren zieht. Sein früher Tod wird in gewisser Weise dadurch wett·gemacht, dass er als einer der letzten mytho·logi·schen Gestalten Verehrung als Schrein·gottheit genießt.
Zusammenfassung
Die Gestalt des Tricksters ist den japanischen Mythen also keineswegs fremd. Fast alle von Eliade geschilderten Elemente lassen sich finden, lediglich der im Trickster sichtbare Wider·spruch zwischen göttlicher und menschlicher Ordnung ist kaum zu erkennen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die bekannten Mythen·fassungen in erster Linie aus den offiziellen Reichs·chroniken stammen (vgl. Mythentexte) und dort zweifellos im Hinblick auf die Legitimation des Kaiser·hauses hin „geschönt“ wurden. Es mag aber auch sein, dass der ödipale Konflikt zwischen Göttern und Menschen doch nicht so universell ist, wie Eliade annahm.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Matsudaira Narimitsu, Matsuri, honshitsu to shosō. Tokyo: Nikkō Shoin, 1946; zitiert nach Ouwehand 1958, S. 151–58.
- ↑ Nachdem der ältere Bruder nicht bei den gemein·samen Mahlzeiten erscheint, erhält Yamato Takeru die Anweisung seines Vaters Keikō Tennō, seinen Bruder zu „belehren und warnen.“ Er interpretiert dies jedoch aufgrund einer unüber·setzbaren Doppel·bedeutung dahingehend, seinem Bruder die Glied·maßen auszureißen, was er auch in die Tat umsetzt. (Kojiki, Antoni 2012, S. 143–44; s.a. Isomae 1999, S. 363.)
Literatur
Bilder
- ^ Eliade.jpg
- ^ Susanoo rettet Prinzessin Kushinada vor der achtköpfigen Schlange (hebi). Im Vordergrund acht Töpfe mit Sake, Susanoos Trick, um das Monster betrunken zu machen. Wie für viele ukiyo-e der mittleren Periode typisch, ist der Held mit den Zügen eines Kabuki-Schauspielers ausgestattet.
Werk von Utagawa Toyokuni (1769–1825). Spätere Edo-Zeit. Tokyo National Museum.
Glossar
- aramitama 荒魂 ^ wtl. rauer (wilder) Geist; gewalttätige Natur (mitama) einer Gottheit (im Ggs. zu nigimitama, milder Geist)
- Eliade, Mircea (west.) ^ 1907–1986, rumänischer Religionswissenschaftler und Ethnologe, lehrte an der Universität Chicago
- Futsunushi 経津主 ^ Mythologischer Schwertgott
- Keikō Tennō 景行天皇 ^ mythol. Herrscher, offiziell der 12. japanische Tennō, Sohn von Suinin Tennō, Vater von Yamato Takeru; mythol. Daten 71–130 u.Z.
- Ōkuninushi 大国主 ^ mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
- Shiratori Jinja 白鳥神社 ^ wtl. Weißvogel Schrein; in vielen Landesteilen Japans vorkommende Schreine; meist Yamato Takeru geweiht, der sich nach seinem Tod in einen weißen Vogel verwandelt haben soll
- Sun Wukong (chin.) 孫悟空 ^ Held in Affengestalt des chinesischen Klassikers Reise in den Westen (Xi you ji 西遊記, 16. Jh.); jap. Songokū
- Takemikazuchi 建御雷 ^ Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt
- Yamata no Orochi 八岐大蛇 ^ Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt
- Yamato Takeru 倭建/日本武 ^ Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato