Geschichte/Staatsshinto: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Ideen des Staatsshinto wurden u.a. von der {{Glossar:kokugaku}} („Nationale Schule“) formuliert, die sich im Laufe des neun·zehnten Jahr·hunderts zu·nehmend politi·siert hatte und den Umsturz der feudalen Ver·hält·nisse unter dem Tokugawa Shogunat ideologisch vor·berei·tete. Die meisten ''kokugaku'' Gelehrten er·achte·ten das klassi·sche Alter·tum als eine Art goldenes Zeit·alter, in dem sowohl der Tenno als auch die {{glossar:kami}} von allen Japanern als natur·gegebene Auto·ritä·ten an·er·kannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubens·lehren von Nöten gewesen wären. Diese selbst·ver·ständ·liche An·erken·nung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des {{Glossar:Shintou|Shinto}}, des Weges der ''kami'', angesehen. Shinto implizierte somit die Idee eines sakralen Königtums. Eine zentrale Forderung derer, die sich für diese Form von Shinto begeisterten, war daher auch die Wieder·her·stellung einer Einheit von religiösem Ritus und politi·schem System ({{glossar:saiseiitchi}}) in der Person des Tenno. | Die Ideen des Staatsshinto wurden u.a. von der {{Glossar:kokugaku}} („Nationale Schule“) formuliert, die sich im Laufe des neun·zehnten Jahr·hunderts zu·nehmend politi·siert hatte und den Umsturz der feudalen Ver·hält·nisse unter dem Tokugawa Shogunat ideologisch vor·berei·tete. Die meisten ''kokugaku'' Gelehrten er·achte·ten das klassi·sche Alter·tum als eine Art goldenes Zeit·alter, in dem sowohl der Tenno als auch die {{glossar:kami}} von allen Japanern als natur·gegebene Auto·ritä·ten an·er·kannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubens·lehren von Nöten gewesen wären. Diese selbst·ver·ständ·liche An·erken·nung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des {{Glossar:Shintou|Shinto}}, des Weges der ''kami'', angesehen. Shinto implizierte somit die Idee eines sakralen Königtums. Eine zentrale Forderung derer, die sich für diese Form von Shinto begeisterten, war daher auch die Wieder·her·stellung einer Einheit von religiösem Ritus und politi·schem System ({{glossar:saiseiitchi}}) in der Person des Tenno. | ||
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Die Utopien, die Japan in dieser Zeit veränderten, waren also primär auf die Ver·gangen·heit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zu·nächst in dieser Tradition. Im Gegen·satz dazu wurden die bürger·lichen Revolutionen, die Europa um die Mitte des neun·zehnten Jahr·hunderts bewegten, zumeist im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durch·geführt. Dennoch orientierten sich die Reformer der Meiji-Zeit an europäischen Staaten, wenn es um die Einzel·heiten der zu er·grei·fenden Maß·nahmen ging. Der junge {{glossar:meijitennou}}, der selbst das wichtig·ste Emblem dieser Erneuerung war, erhielt dem ent·sprechend ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden tradi·tionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militär·uniform nach westlichem Muster. Dieses doppelte Erscheinungs·bild des Meiji Tenno spiegelt nicht nur die Zerrissen·heit des damaligen Japan zwischen Traditionalis·mus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staats·tragenden Shinto offen·baren. Dieser sollte die Ideologie für eine Ent·wicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Ver·gangen·heit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungs·techni·scher und militäri·scher Rationalisierung, sowie von technologi·scher Er·neuerung, kurz von der Moderni·sierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Moderni·sierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist — westliche Technik“ ({{glossar:wakonyousai}}) zu überbrücken. Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tat·sächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schranken·loser Pragma·tismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in macht·politi·scher Hinsicht mit den euro·päischen Mächten und Amerika gleich·zu·ziehen. Ob dies nun durch Rück·besinnung auf alte Werte oder durch Über·nahme neuer Institu·tionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwan·kungen der tages·politischen Situation. | Die Utopien, die Japan in dieser Zeit veränderten, waren also primär auf die Ver·gangen·heit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zu·nächst in dieser Tradition. Im Gegen·satz dazu wurden die bürger·lichen Revolutionen, die Europa um die Mitte des neun·zehnten Jahr·hunderts bewegten, zumeist im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durch·geführt. Dennoch orientierten sich die Reformer der Meiji-Zeit an europäischen Staaten, wenn es um die Einzel·heiten der zu er·grei·fenden Maß·nahmen ging. Der junge {{glossar:meijitennou}}, der selbst das wichtig·ste Emblem dieser Erneuerung war, erhielt dem ent·sprechend ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden tradi·tionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militär·uniform nach westlichem Muster. Dieses doppelte Erscheinungs·bild des Meiji Tenno spiegelt nicht nur die Zerrissen·heit des damaligen Japan zwischen Traditionalis·mus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staats·tragenden Shinto offen·baren. Dieser sollte die Ideologie für eine Ent·wicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Ver·gangen·heit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungs·techni·scher und militäri·scher Rationalisierung, sowie von technologi·scher Er·neuerung, kurz von der Moderni·sierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Moderni·sierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist — westliche Technik“ ({{glossar:wakonyousai}}) zu überbrücken. Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tat·sächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schranken·loser Pragma·tismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in macht·politi·scher Hinsicht mit den euro·päischen Mächten und Amerika gleich·zu·ziehen. Ob dies nun durch Rück·besinnung auf alte Werte oder durch Über·nahme neuer Institu·tionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwan·kungen der tages·politischen Situation. |
Version vom 13. April 2011, 21:35 Uhr
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Staatsshinto
Als Staatsshinto (jap.
Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
Der Begriff „kokka shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) bezeichnet man heute die tragende Ideologie des jungen japanischen National·staates, wie er sich ab der so·ge·nannten
posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
Der Begriff „Meiji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Restauration im Jahr 1868 bis zur Nieder·lage Japans im Zweiten Weltkrieg (1945) her·aus·bildete. In dieser Zeit rückte die Institution des
jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
Der Begriff „Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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nach Jahr·hunderten der politischen Be·deutungs·losig·keit wieder ins Zentrum der politischen Macht. Der politische Um·bruch zwischen 1867 und 68 wird genau deshalb als „Restauration“ be·zeichnet, weil er von dem Ideal ge·tragen war, zu den politischen Ver·hältnissen des alten Japan, also zu einer zentralistischen Monarchie rund um den Tenno, zurückzukehren.
Das doppelte Gesicht des Tenno
Die Ideen des Staatsshinto wurden u.a. von der
„Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
Der Begriff „kokugaku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(„Nationale Schule“) formuliert, die sich im Laufe des neun·zehnten Jahr·hunderts zu·nehmend politi·siert hatte und den Umsturz der feudalen Ver·hält·nisse unter dem Tokugawa Shogunat ideologisch vor·berei·tete. Die meisten kokugaku Gelehrten er·achte·ten das klassi·sche Alter·tum als eine Art goldenes Zeit·alter, in dem sowohl der Tenno als auch die
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
Der Begriff „kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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von allen Japanern als natur·gegebene Auto·ritä·ten an·er·kannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubens·lehren von Nöten gewesen wären. Diese selbst·ver·ständ·liche An·erken·nung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des
Der Begriff „Shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, des Weges der kami, angesehen. Shinto implizierte somit die Idee eines sakralen Königtums. Eine zentrale Forderung derer, die sich für diese Form von Shinto begeisterten, war daher auch die Wieder·her·stellung einer Einheit von religiösem Ritus und politi·schem System (
Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat
Der Begriff „saisei itchi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) in der Person des Tenno.
Die Utopien, die Japan in dieser Zeit veränderten, waren also primär auf die Ver·gangen·heit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zu·nächst in dieser Tradition. Im Gegen·satz dazu wurden die bürger·lichen Revolutionen, die Europa um die Mitte des neun·zehnten Jahr·hunderts bewegten, zumeist im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durch·geführt. Dennoch orientierten sich die Reformer der Meiji-Zeit an europäischen Staaten, wenn es um die Einzel·heiten der zu er·grei·fenden Maß·nahmen ging. Der junge
1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
Der Begriff „Meiji Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, der selbst das wichtig·ste Emblem dieser Erneuerung war, erhielt dem ent·sprechend ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden tradi·tionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militär·uniform nach westlichem Muster. Dieses doppelte Erscheinungs·bild des Meiji Tenno spiegelt nicht nur die Zerrissen·heit des damaligen Japan zwischen Traditionalis·mus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staats·tragenden Shinto offen·baren. Dieser sollte die Ideologie für eine Ent·wicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Ver·gangen·heit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungs·techni·scher und militäri·scher Rationalisierung, sowie von technologi·scher Er·neuerung, kurz von der Moderni·sierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Moderni·sierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist — westliche Technik“ (
„Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit
Der Begriff „wakon yōsai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) zu überbrücken. Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tat·sächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schranken·loser Pragma·tismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in macht·politi·scher Hinsicht mit den euro·päischen Mächten und Amerika gleich·zu·ziehen. Ob dies nun durch Rück·besinnung auf alte Werte oder durch Über·nahme neuer Institu·tionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwan·kungen der tages·politischen Situation.
Trennung von Shinto und Buddhismus
Eine Staatsreligion zu haben erschien zunächst gerade aus dieser pragmatischen Per·spek·tive un·ab·ding·bar. Die meisten japanischen Be·ob·achter der europäischen Ver·hältnisse machten nämlich das Christentum dafür ver·ant·wortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji Reformer suchten also nach einer ver·gleich·baren ideologi·schen Macht im eigenen Land und ent·schieden sich aus diesem Grund für Shinto und Tenno. Es war jedoch un·über·sehbar, dass der Shinto erst einmal neu gestaltet – um nicht zu sagen neu erfunden – werden musste, damit er eine dem Christentum ver·gleich·bare Rolle über·nehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Buddhismus ge·trennt werden. Einer der ersten Erlasse der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von kami und Buddhas“ (
Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch
Der Begriff „shinbutsu bunri“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Alter·tum all·ge·mein·gül·tigen Auf·fassung, dass japanische kami im Grunde nur besondere Erscheinungs·formen buddhis·tischer Wesen seien (s. Honji suijaku). Dieser Bruch realisierte sich in der Praxis durch Maßnahmen wie die Abschaffung buddhistischer Titel für die kami, die Um·benen·nung von Schreinen oder die Zerstörung buddhis·tischer Statuen, die in Schreinen auf·be·wahrt wurden. Es kam überdies landes·weit zu anti-buddhis·tischen Ausschreitungen, die von be·stehen·den Ressentiments gegenüber den Privilegien des buddhis·tischen Klerus in der Edo-Zeit (s. terauke System) angeheizt wurden.
Die neuen Maßnahmen trafen aber nicht nur buddhistische Mönche, sondern auch viele Schrein·priester, da die meisten von ihnen ja gemeinsam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ tätig gewesen waren. Ohne den institu·tionellen Schutz und das liturgische Knowhow buddhis·tischer Tempel fehlte vielen Schrein·priestern schlicht die Existenz·grund·lage. Am härtesten traf die verordnete Trennung von Buddhismus und Shinto allerdings religiöse Misch·formen wie den Kult der
Der Begriff „yamabushi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, der keiner der beiden Religionen ein·deutig zu·ge·ordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.
Erste Fehlentwicklungen
Trotz der anfänglichen Sympathie der Meiji Regierung für einen wie immer gear·te·ten Shinto, zeigte die Praxis bald, dass man ohne Buddhis·mus kaum die reli·giösen Alltags·be·dürf·nisse der Japaner be·frie·digen konnte. Die meisten Führer der Restau·ration waren im übrigen keines·wegs gläubige Shintoisten. Sie neigten vor allem dem Konfuzianismus zu und sahen im Shinto lediglich ein dema·go·gisches Instru·ment zur Stär·kung des Tennoismus. Zu·gleich übten westliche Mächte Druck auf die Regierung aus, Religions·freiheit zu gewähren und damit dem Christentum neue Ent·faltungs·möglich·keiten zu geben. Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Staatsshinto.
Aus diesen Gründen wurde der Staatsshinto während der Meiji Zeit keines·wegs immer konsequent voran·ge·trieben, sondern trat im Gegenteil bald gegen·über anderen politischen Zielen in den Hintergrund: Zunächst wurde das Militärwesen und dann ein Rechts·system nach westlichem Muster eingeführt. Dieses Rechts·system nahm mit der Verfas·sung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiserreich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japanischen Staat entstanden war. Die japanische Ver·fassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor und garan·tierte darüber hinaus – mit einigen Ein·schrän·kungen – „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staats·shinto blieben in der Verfassung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten un·unter·brochen vom Tenno regiert und be·herrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tenno ist heilig und un·ver·letzlich“ (Artikel 3). Die Verfassung ließ jedoch sowohl die göttliche Herkunft des Tenno als auch seine priester·lichen Auf·gaben uner·wähnt. Auch von einer Staats·religion ist in diesem grund·legenden juristischen Dokument nicht die Rede.
Das anfängliche Scheitern des Staatsshinto ist zudem am Schicksal der Insti·tutionen ab·zu·lesen, die zu seiner Verwirklichung vorgesehen waren. In rascher Folge wurde aus dem 1868 revitali·sier·ten „Götteramt“ (
Götteramt, wtl. Amt für Götter des Himmels und der Erde
Der Begriff „Jingi-kan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) ein „Götter Ministerium“ (
„Götter Ministerium“, Ministerium für Shinto-Schreinangelegenheiten, 1871–1872; s.a. Jingi-kan
Der Begriff „Jingi-shō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
), das sich 1872 im „Ministerium für religiöse An·gelegen·heiten“ (
Ministerium für religiöse Angelegenheiten, 1872–1877
Der Begriff „Kyōbu-shō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) auflöste. Zu diesem Zeitpunkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Mischform aus Shinto, Konfuzianismus und Buddhismus wäre wohl eher als Staats·religion geeignet denn Shinto allein. Im Gegen·satz zur tradi·tionellen kokugaku vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tenno, sondern be·mühte sich um eine ent·wickelte Moral·lehre in der Art des Konfuzianismus. Es folgte eine staatlich unter·stützte Kampagne zur Ver·breitung von patriotischen Grund·sätzen, die dem Tenno zu größerer Be·deutung verhelfen und der „Moral des Volkes“ förderlich sein sollten. Doch auch diese Kampagne scheiterte bald an der Tatsache, dass man sich über ein paar banale moralische Grund·regeln hinaus auf keine nennens·werten Inhalte einigen konnte.
Tennozentrismus
Dennoch herrschte bereits innerhalb der maßgeblichen politischen und intellektu·ellen Kreise der Meiji Zeit ein Grund·konsens, dass an der Institution des Tenno nicht zu rütteln sei. Der Tenno diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen ver·schiedene Identität fest·zu·machen war, obwohl er während des gesam·ten japanischen Mittel·alters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Er·scheinung getreten und somit der breiten Mehrheit der Be·völke·rung so gut wie unbekannt war. Die Aufgabe, den Tenno zu einer all·ge·meinen Identifikations·figur zu machen, wurde vor allem über zwei Schienen bewerkstelligt: einerseits über das allgemeine Erziehungs·wesen, andererseits über die Shinto Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allgemeinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogmatischer Mittel:
- In den Schulen wurden Portraits des Tenno und seiner Gemahlin aufbewahrt, die Gegenstand besonderer Zere·monien bei regel·mäßigen feierlichen Anlässen wurden. Lehrer wie Schüler hatten sich dann tief vor diesen Bildern zu ver·neigen, als ob sie es mit einer Gottheit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im allgemeinen der Schule verwiesen.
- Die allgemeinen Feiertage wurden landesweit neu geregelt. Höfische Riten, die einst·mals nur vom Tenno selbst voll·zogen wurden, sollten nun in allen Schreinen statt·finden. Dazu kamen neue Feiertage wie etwa der Jahrestag der Reichs·gründung durch
wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)
Der Begriff „Jinmu Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, welche getreu den mytho·logischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.
- Jeder Staatsbürger war dazu angehalten, an solchen Feiertagen einen Schrein auf·zu·suchen und dort dem Tenno seine Reverenz zu erweisen (auch wenn der Schrein selbst vielleicht keiner Ahnen·gott·heit des Tenno geweiht war). Die Schrein·priester wurden ihrer·seits nur am Rande in die Verehrung des Tenno ein·ge·bunden und führten großteils ihre tradi·tionellen Riten weiter fort. Sie waren interes·santer·weise explizit dazu auf·ge·fordert, sich aus theologischen und missio·narischen An·gelegen·heiten heraus zu halten.
- Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landesweites hierarchisches Rangsystem ein·ge·gliedert, dem der Ise Schrein vor·stand. Schrein·priester wurden nach und nach als Beamte an·ge·sehen, erbliches Priester·tum wurde gesetzlich untersagt.
In dieser Form erlangte der Staatshinto im zwanzigsten Jahr·hundert — zu·nächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904–05) und dann in der frühen Shōwa Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung, machte sich in der öffent·lichen Erziehung und im japanischen Alltag breit und wurde zu einer Massen·be·wegung ähn·lich dem Faschismus in den mit Japan ver·bündeten Nationen Deutschland und Italien.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston.
Die „nicht-religiöse Natur“ des Shinto
Nicht nur die Schreinpriester, auch der Begriff „Shinto“ wurde ab dem In·kraft·treten der „Kaiserlichen Verfassung“ (1889) mehr und mehr in den Hinter·grund gedrängt. Dies hängt zweifellos damit zusammen, dass die Ver·fassung selbst ausdrücklich „Freiheit des Glaubens“ garantierte. Hätte man nun offiziell von einem Staats·shinto, bzw. einer shinto·istischen Staats·religion gesprochen, so wäre diese un·weiger·lich mit der Verfassung in Konflikt ge·raten. Aus diesem Grund wurden alle staat·lich ver·ordneten Formen der Tenno-Verehrung nicht als „religiöse Handlungen“, sondern als „staats·bürgerl·iche Pflichten“ bezeichnet, auch wenn sie im Rahmen von Schrein·riten statt·fanden. Innerhalb des vor·herrschen·den politischen Diskurses wurde die Tenno Verehrung als eine Art erweiterter Familienkult interpretiert, da beide, Tenno und Untertanen gött·lichen Ursprungs seien, der Tenno also eine Art Vater des ge·samten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shinto, den jeder Japaner zu be·folgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditionellen Zere·monien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staats·kult mit religiösen Verehrungs·mustern zu fördern, ohne dass dies im Widerspruch zur ver·fassungs·mäßig garantierten Religions·freiheit stand.
Dem entsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji Zeit weder von einer Staats·religion noch von einem Staats·shinto die Rede. Wenn Shinto explizit an·ge·sprochen wurde, dann als „Schrein Shinto“ (
Schreinshintō; im Ggs. zu „Sektenshintō“ (kyōha shintō), ...
Der Begriff „jinja shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Dieser Schrein Shinto wurde in Regierungs·texten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shinto“ (
Sektenshintō, s.a. kyōha shintō
Der Begriff „shūha shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) gegen·über gestellt (s. dazu auch Einführung: Shinto). Somit steht „Schrein Shinto“ im Kontext der Vorkriegszeit für das, was später als „Staatsshinto“ be·zeichnet wurde. „Staatsshinto“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staats·shintoisti·sche System durch die amerikanische Shinto Direktive (1945, s.u.) offiziell ab·ge·schafft worden war. Somit wird der Begriff „Staatsshinto“ erst rückwirkend auf die Religions·politik vor Ende des Zweiten Weltkriegs angewendet.
Kokutai
Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shinto“ im System des Staatsshinto weit seltener zu finden ist, als man a priori ver·muten würde. Die Schlagworte, unter denen sich der Kult um Staat und Tenno festigte, lauteten eher „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ (
„Nationale Moral“, „Volksmoral“; Schlagwort der nationalistischen Propaganda der Zwischenkriegszeit
Der Begriff „kokumin dōtoku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ (
„Nationaler Geist“, „Volksgeist“; Schlagwort der nationalistischen Propaganda der Zwischenkriegszeit
Der Begriff „kokumin seishin“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
). Der vielleicht wichtigste Begriff inner·halb der Ideologie des Staatsshinto ist jedoch das ominöse
Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“
Der Begriff „kokutai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
.
Kokutai, wtl. „Landeskörper“, könnte man un·vor·ein·ge·nommen mit „Staat“ oder „Staatswesen“ über·setzen. Im Deutschen ruft eine derartige Über·setzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem kokutai im Laufe der Zeit zu·ge·sprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Über·setzung „Nationalwesen“ treffender. Tat·säch·lich entzieht sich der Begriff aber einer Übersetzung, weil er in den ver·schie·densten Schriften der Vorkriegszeit eine Aura des Heiligen, Unan·tast·baren zu·ge·sprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vor·ge·nommen worden wäre. Selbst juridische Texte sprachen von der Ver·letzung der Würde des kokutai, ohne zu klären, was kokutai sei. Ähn·liches gilt auch für Texte, die sich explizit mit kokutai be·schäftigen, wie das berüchtigte Kokutai no hongi („Grundprinzipien [unseres] Nationalwesens“) aus dem Jahr 1937. Ein ge·meinsames Motiv aller kokutai Diskurse liegt jedoch darin, dass die Heiligkeit des Tenno, die zu·gleich die Heiligkeit des Staates ist, aus dem kokutai ab·ge·leitet wurde, welches selbst nicht mehr hinter·fragt werden konnte.
Die Göttlichkeit des Tenno
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Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tenno selbst eine Gottheit in Menschen·gestalt (
(der Tennō als) Gottheit in menschlicher Gestalt
Der Begriff „arahitogami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) und seine Ab·stammung von der Sonnengottheit ein historisches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der „Kaiserliche Erziehungserlass“ aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tenno persönlich zu seinen Unter·tanen spricht, enthält neben einem all·ge·mein ge·haltenen Aufruf zu Tugend und Patriotismus („unverbrüchliche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehr·mals den Hinweis auf die „kaiserlichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“ (ein Zitat des Herrschaftsauftrags durch
Der Begriff „Amaterasu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Der Text ver·weist damit indirekt auf die Mythen und die dort ge·schilderte göttliche Ab·stammung des Tenno Hauses, lässt es aber dahin·ge·stellt, in wie weit den dort ge·schilderten Be·geb·nissen wörtlich Glauben zu schenken sei.
Nun wurde aber dieser Erziehungserlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleich·sam religiös ver·ehrt und bei diversen An·lässen kollektiv rezitiert. Diese Ver·ehrung allein machte den Text gege·nüber kritischen Ein·wänden immun und bot statt·dessen einen treff·lichen Anlass, die mythologischen Er·zählungen vom Herrschafts·auftrag der Sonnengottheit an ihren Enkel und die Er·oberung des ganzen Landes durch
wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)
Der Begriff „Jinmu Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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in den Schul·unterricht ein·fließen zu lassen. Dies schloss aber keines·falls aus, dass zumindest während der Meiji Zeit und bis in die vier·ziger Jahre des 20. Jahrhunderts an den Universitäten ernst·zu·nehmende historische Forschung be·trieben wurde, die durch·aus auch die Historizität der Mythen thematisierte. Selbst zum Shinto waren unter·schiedliche Meinungen ge·stattet. Un·antast·bar blieb einzig und allein der Tenno selbst, so·dass auch die Frage, ob er nun gött·lich sei oder nicht und was man sich unter der Göttlichkeit des Tenno vor·zu·stellen habe, gar nicht gestellt wurde.
Shintopolitik nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staatsshinto unter amerikanischer Besatzung bereits 1945 offiziell ab·ge·schafft. In der soge·nannten Shinto-Direktive der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:
Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Ver·breitung des Shinto ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen.
(S.a. Hardacre 1989: 167)
Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tenno schließlich selbst – zweifellos auf Druck der Besatzungs·mächte – an die Bevölkerung. In seiner ersten Rundfunkansprache über·haupt, die als „Proklamation des Menschseins“ (Ningen sengen) in die Geschichte einging, verkündete er:
Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegenseitigem Vertrauen und liebe·vollem Respekt ge·flochten. Sie ent·standen nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie be·ruhen nicht auf dem Wahn, der Tenno sei ein Gott in Menschen·gestalt und das japanische Volk sei eine höher·wertige Rasse, vom Schicksal be·stimmt die Welt zu beherrschen.
(S.a. Antoni 1998: 333)
Damit widerrief also der Tenno einerseits seine mythologisch begründete Göttlichkeit, nicht aber die grund·sätzliche Autorität, die ihm unter dem Staats·shinto zu·ge·sprochen wurde. Zweifellos ent·sprach auch dies dem Kalkül der Amerikaner, die sich ent·schlossen hatten, Japan mit Hilfe des Tenno zu reformieren.
Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Ver·fassung ver·ankert, sämtliche Shinto Schreine, inklusive des
kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
Der Begriff „Ise Jingū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
, wurden als religiöse Körper·schaften definiert und jeglicher staat·lichen Förderung ent·zogen. Auch der Religions·unterricht in öffentlichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shinto) gilt seither in Japan als reine Privatsache.
Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, blieb die Ideologie des Staats·shinto un·auf·ge·arbeitet. Einzelne Religionshistoriker wie etwa Shimazono Susumu argumentieren sogar, dass der Staatshinto in der Person des Tenno, der ja nach wie vor auch religiöse Zeremonien voll·zieht, bis heute fort·besteht. Des weiteren ist nicht zu über·sehen, dass sich einzelne symbolträchtige Embleme des Staatsshinto, wie etwa der der
Schrein des Meiji Tennō in Tōkyō, err. 1920
Der Begriff „Meiji Jingū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
- oder der
Yasukuni Schrein, Tōkyō; Schrein zum Gedenken an Kriegsgefallene
Der Begriff „Yasukuni Jinja“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, nach wie vor großer Beliebt·heit erfreuen. Auch wenn kritische Intellektuelle immer wieder Diskussionen über die Ab·schaffung aller Überbleibsel des Staats·shinto entfachen, bleibt die Grundfrage in der japanischen Öffentlichkeit un·ent·schieden: Muss man den Staatsshinto zur Gänze als Produkt eines über·wundenen oder zu über·windenden Ultra-Nationalismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japanischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideologisch missbraucht wurde?
Diskussionspunkte
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Staatsshinto.
Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regel·mäßigen Aus·ein·ander·setzungen rund um den Staats·shinto führen:
Yasukuni Schrein, Tōkyō; Schrein zum Gedenken an Kriegsgefallene
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, Tokyo. Sicherlich das umstrittenste Reizthema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Helden·tempel, in dem die Seelen der für Japan ge·fallenen Soldaten als
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
Der Begriff „kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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ver·ehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staatsshinto be·sonders ge·fördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer ge·wöhlichen staats·un·ab·hängigen Religions·ge·meinschaft ver·setzt, doch gibt es Be·strebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feier·lich·keiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wähler·schaften hervorrufen. (Mehr dazu auf der Sidepage Yasukuni.)
Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“
Der Begriff „kokutai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe Maruyama Masao wies darauf hin, dass die kokutai-Ideologie in Japan ihre magische Bannkraft gerade des·halb ent·faltete und noch immer be·sitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst ge·macht wurde: „Ein scharfes Be·wusst·sein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort kokutai be·zeichnete nicht·religiöse Religion besaß, fehlt der Nach·kriegs·generation bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ (Maruyama 1988, S. 45)
wtl. „Götterland“
Der Begriff „shinkoku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
(„Götterland“): Ein mit kokutai verwandter Begriff, der die Einzigartigkeit Japans auf die die Tat·sache zurück·führt, dass es das „Land der kami“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den An·griffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück ver·folgen lässt (s. Shinto im Mittelalter). Unter dem Staats·shinto hatte der Begriff große Konjunktur, ver·schwand in der Folge weit·gehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlamentsrede von Premierminister Mori Yoshiro im Jahr 2000 wieder auf und ent·fachte eine neue Welle von Argumenten gegen, bzw. für die Wieder·erstarkung nationalistischen Denkens in Japan.
Alternativer Ausdruck für Shintō
Der Begriff „kannagara no michi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
(wtl. „Weg des Gottseins“). Kannagara bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tenno angewandt. Teil·weise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von
Der Begriff „Shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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auf. In der Moderne bot der Be·griff reichlich Platz für alle möglichen mystifizierenden Interpretationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigentlich zu bedeuten habe.
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- Schließlich gibt es eine fortdauernde Diskussion über die Kriegs·ver·antwortung des Tenno sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegen·satz zum Staatsshinto wurde das Kaisertum ja nicht voll·kommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Ent·scheidungs·gewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zu·sammen·hang mit dem
kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
Der Begriff „Ise Jingū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, hält der Tenno aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der internationalen Politik nach wie vor eine keines·wegs unbedeutende repräsentative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung ver·ankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito (
1901–1989; 124. Kaiser Japans; (r. 1926–1989); Eigenname: Hirohito.
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) un·ge·achtet seiner Rolle als Staats·ober·haupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tenno-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod be·kleidete, sowohl außer·halb Japans als auch bei einigen japanischen Intellektuellen heftige Kritik.
Literatur
Ältere Werke:
Web Ressourcen
- „Kokutai-Ideologie“, Hagiwara Yoshihisa (dt.)
Ein Artikel des japanischen Philosophen Hagiwara Yoshihisa, erschienen in K. Slamun (Hg.), Aufklärungsperspektiven, J.C.B. Mohr, 1989. - „Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion: Erörtert am Beispiel der ‚Deutschen Christen‘ und des japanischen Shinto.“, Christoph Kleine
Artikel des Japanologen und Religionswissenschaftlers Christoph Kleine, erschienen im Online Journal Marburg Journal of Religion 7/1, 2002. - Yasukuni Jinja (en.)
Einige Fakten zu diesem kontroversen Thema. [Über Internet Archive, 2010/8] - Imperial Household Agency Homepage (en., jap.)
Zur Orientierung über die heutigen Funktionen des Tenno. - Tennō no misasagi (jap.)
Ein Überblick über sämtliche Grabstätten historischer Tenno - viele davon eigentlich Denkmäler aus der Zeit des Staatsshinto (Teil der oben genannten Website). - Constitutional Revision Research Project, Harvard University (en.)
Dieses Projekt widmet sich der aktuellen Debatte über eine Änderung der jap. Verfassung, enthält aber auch zahlreiche Dokumente und Links zur Geschichte der japanischen Verfassung.Letzte Überprüfung der Linkadressen: Aug. 2010