Grundbegriffe/Yin und Yang/Kalender: Unterschied zwischen den Versionen

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{{fl|I}}n Japan galt bis 1873 ein sogenannter luni-solarer Kalender nach chinesischem Muster, der über 1.200 Jahre mit nur geringen Modifikationen beibehalten worden war. Seine Grundprinzipien waren die gleichen wie in allen anderen ostasiatischen Kulturen. Die Besonderheiten dieses Systems werden auf dieser Seite überblicksartig beschrieben, die wichtigsten Elemente sind tabellenartig aufgelistet.   
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In Japan galt bis 1873 ein sogenannter luni-solarer Kalender nach chinesischem Muster, der über 1.200 Jahre mit nur geringen Modifikationen beibehalten worden war. Seine Grundprinzipien waren die gleichen wie in allen anderen ostasiatischen Kulturen. Die Besonderheiten dieses Systems werden auf dieser Seite überblicksartig beschrieben, die wichtigsten Elemente sind tabellenartig aufgelistet.   
  
 
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Ein lunisolarer Kalender misst die Monatslänge nach dem Mond, die Jahreslänge aber nach der Sonne. Jeder Monat beginnt und endet mit dem Neumond, während die Monatsmitte durch den Vollmond angezeigt wird. Da aber eine Mondphase 29,53 Tage andauert, schwanken die Monatslängen im chinesischen Kalender zwischen 29 und 30 Tagen. 12 Mondphasen ergeben auf diese Weise im Schnitt 254 Tage. Es fehlen also 11 Tage, damit ein Sonnenjahr von 365 Tagen voll wird. Um diese Differenz auszugleichen, wird jedes zweite oder dritte Jahr ein Schaltmonat notwendig.<!--
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Ein lunisolarer Kalender misst die Monatslänge nach dem Mond, die Jahreslänge aber nach der Sonne. Im chinesischen System beginnt und endet jeder Monat  mit dem Neumond, während die Monatsmitte durch den Vollmond angezeigt wird. Da aber eine Mondphase 29,53 Tage andauert, sind die Monate auch im chinesischen Kalender unterschiedlich lang, nämlich entweder 29 oder 30 Tage. 12 Mondphasen ergeben auf diese Weise im Schnitt 354 Tage. Es fehlen also 11 Tage, damit ein Sonnenjahr von 365 Tagen voll wird. Um diese Differenz auszugleichen, wird jedes zweite oder dritte Jahr ein Schaltmonat notwendig. Der Schaltmonat selbst verdoppelt einen existierenden Monat, sodass auch ein Schaltjahr nominell nur 12 Monate besitzt. Darüber hinaus gilt das Prinzip, dass die Frühlings-Tagundnachtgleiche immer in den 2. Monat fallen muss, die Sommer-Sonnenwende in den 5. Monat, die Herbst-Tagundnachtgleiche in den 8. und die Winter-Sonnenwende in den 11. Monat.
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Der Schaltmonat selbst verdoppelt einen existierenden Monat, sodass auch ein Schaltjahr nominell nur 12 Monate besitzt. Welcher Monat in welchem Jahr verdoppelt wird, ergibt sich nach Berechnungen, die vom Grundprinzip ausgehen, dass die Frühlings-Tagundnachtgleiche immer in den 2. Monat fallen muss, die Sommer-Sonnenwende in den 5. Monat, die Herbst-Tagundnachtgleiche in den 8. und die Winter-Sonnenwende in den 11. Monat.
 
  
 
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Daher gibt es sowohl im westlichen, gregorianischen als auch im traditionellen chinesischen Kalender die zwölf Monate, die aber leider nie ganz mit einander übereinstimmen.  Vielmehr hat das chinesische  System zur  Folge, dass das traditionelle Neujahr – also der Beginn des ersten Monats – nach westlichem Kalender frühestens auf einen 21. Januar und spätestens auf einen 20. Februar fällt. Das wiederum bedingt Ungenauigkeiten bei der Angabe historischer Daten, wenn lediglich auf das Jahr, nicht aber auf den Monat Bedacht genommen wird.  
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Daher gibt es sowohl im westlichen, gregorianischen als auch im traditionellen chinesischen Kalender die zwölf Monate, die aber leider nie ganz mit einander übereinstimmen.  Vielmehr hat das chinesische  System zur  Folge, dass das traditionelle Neujahr – also der Beginn des ersten Monats – nach westlichem Kalender frühestens auf einen 21. Januar und spätestens auf einen 20. Februar fällt. Das wiederum bedingt Ungenauigkeiten bei der Angabe historischer Daten, wenn lediglich auf das Jahr, nicht aber auf den Monat Bedacht genommen wird.
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=== Berechnung der Schaltmonate ===
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Schon im chinesischen Altertum war bekannt, dass 19 Sonnenjahre genau so lang sind wie 235 Mondphasen. Um das Prinzip „12 Mondphasen = ein Jahr“ an den Sonnenrhythmus anzupassen, muss es demnach innerhalb eines Zyklus von 19 Jahren sieben Jahre mit Schaltmonaten geben. Welcher Monat in welchem Jahr verdoppelt wird, ergibt sich nach Berechnungen, die das Sonnenjahr in zwölf gleich lange Abschnitte unterteilen. Diese virtuellen Sonnenmonate nannten die Chinesen {{g|zhongqi}} (jap. ''chūki''). Sie beginnen mit dem Frühlingsanfang (der Tag zwischen Wintersonnenwende und Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche). Jeder Mondmonat (Periode zwischen Neumond und Neumond) erhält die Nummer des ''zhongqi'', das während seiner Dauer beginnt. Selbst wenn der Beginn des dritten ''zhongqi'' auf den 30. Tag eines Mondmonats fällt, bekommt dieser Mondmonat die Nummer drei. Da ein ''zhongqi'' aber etwas länger als eine Mondphase ist, tritt unweigerlich der Fall ein, dass eine Mondphase zur Gänze innerhalb eines ''zhongqi'' Platz hat. Ein solcher Monat wird dann zum Schaltmonat ({{g|runyue}}, jap. ''jungetsu'') erklärt, dh. er wird noch einmal nach der Zahl des Vormonats benannt und erhält das Zeichen 閏 vorangestellt. Auch für die Berechnung der „kurzen“ und „langen“ Monate (29 bzw. 30 Tage) werden die ''zhongqi'' herangezogen. All das würde wunderbar funktionieren, wäre nicht selbst die Regel 7 Schaltmonate in 19 Jahren noch zu ungenau. Daher müssen alle paar hundert Jahre Anpassungen vorgenommen werden. Es sind diese Anpassungen, in denen sich der japanische und der chinesische Kalender unterscheiden.<ref>S. dazu {{zitiert|Tamura 2012}}.</ref>
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All dies legt nahe, dass die Kalenderkunde im alten China auf astronomischen Kenntnissen und mathematischen Berechnungen aufbaute, die dem europäischen Sonnenkalender in nichts nachstanden. Im übrigen stellt die lunisolare Kalenderform wahrscheinlich den ältesten Kalendertypus dar und wurde auch von den alten Babyloniern und Ägyptern benutzt. All diese Kalender hatten den schönen Effekt, dass sowohl die Sonne als auch der Mond zur intuitiven Bestimmung der Zeit genutzt werden konnten. Der Nachteil liegt natürlich darin, dass etwa jedes dritte Jahr dreizehn anstatt zwölf Monate dauert.
  
 
== Zwölf Tierkreiszeichen ==
 
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Ausgehend von der Zahl Zwölf benützt man in Ostasien zur Einteilung von Raum und Zeit zwölf Tierkreiszeichen (eig. „Erdzweige“, {{g|juunishi}}):
 
Ausgehend von der Zahl Zwölf benützt man in Ostasien zur Einteilung von Raum und Zeit zwölf Tierkreiszeichen (eig. „Erdzweige“, {{g|juunishi}}):
 
<p style="text-align:center"> Ratte (Maus), Ochse (Büffel, Rind), Tiger, Hase, Drache, Schlange,<br>Pferd, Ziege (Schaf), Affe, Hahn, Hund, Eber (Schwein)</p>
 
<p style="text-align:center"> Ratte (Maus), Ochse (Büffel, Rind), Tiger, Hase, Drache, Schlange,<br>Pferd, Ziege (Schaf), Affe, Hahn, Hund, Eber (Schwein)</p>
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Die meisten Tiere haben die gleichen Namen wie in der Alltagssprache, doch kürzt man manchmal den Namen ab, wenn man das Tierkreiszeichen meint: Ratte = '''''ne'''<s>zumi</s>'', Hase = '''''u'''<s>sagi</s>'', Schlange = <s>''he''</s>''bi>'''mi''''', Wildschwein = '''''i'''<s>noshishi</s>''. Die den Tieren zugeordneten {{g|Kanji}} sind Spezialzeichen der Kalenderkunde (s.u.).
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Die  {{g|Kanji}} der Tierkreiszeichen sind Spezialzeichen der Kalenderkunde. Die japanischen Namen entsprechen hingegen den geläufigen Namen, doch kürzt man bei manchen Tieren den Namen ab, wenn man das Tierkreiszeichen meint: Ratte = '''''ne'''<s>zumi</s>'', Hase = '''''u'''<s>sagi</s>'', Schlange = <s>''he''</s>''bi>'''mi''''', Wildschwein = '''''i'''<s>noshishi</s>''.
 
  
 
Da die Messung der Tagesstunden eng mit dem Sonnenstand verbunden ist, repräsentieren die Tiernamen auch Himmelsrichtungen:   
 
Da die Messung der Tagesstunden eng mit dem Sonnenstand verbunden ist, repräsentieren die Tiernamen auch Himmelsrichtungen:   
  
 
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: Ratte= Norden, Pferd= Süden, Hase= Osten, Hahn= Westen
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Bei den Monaten beginnt die Zählung mit dem Tiger, folgt aber ansonsten dem Stundenschema:  
 
Bei den Monaten beginnt die Zählung mit dem Tiger, folgt aber ansonsten dem Stundenschema:  
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== Der Sechzigerzyklus ==
 
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Tage und Jahre werden grundsätzlich ebenfalls nach dem Tierkreisschema gezählt. Doch fasst man fünf Dutzende von Jahren im Sechzigerzyklus ({{g|kanshi}}) zusammen. Dabei kommen auch die Fünf Wandlungsphasen zum Einsatz:   
  
 
: Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser (Zyklus der Hervorbringung)  
 
: Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser (Zyklus der Hervorbringung)  
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Die Kombination der Zwölf Erdzweige und der Zehn Himmelsstämme ergibt den Sechzigerzyklus. Er enthält 60 und nicht 120 Elemente, da ein Erdzweig-Tier mit Yang-Aspekt nur einem Yang-Himmelsstamm, und ein Yin-Tier nur einem Yin-Stamm zugeordnet wird.
 
Die Kombination der Zwölf Erdzweige und der Zehn Himmelsstämme ergibt den Sechzigerzyklus. Er enthält 60 und nicht 120 Elemente, da ein Erdzweig-Tier mit Yang-Aspekt nur einem Yang-Himmelsstamm, und ein Yin-Tier nur einem Yin-Stamm zugeordnet wird.
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Die Zählung der Tage nach dem Sechzigerzyklus erfolgt in kontinuierlicher Reihenfolge, völlig unabhängig von Monaten oder Jahren. Sie war und ist vor allem für die Astrologie, etwa die Bestimmung von Glücks- und Unglückstagen von Bedeutung. Die Zählung der Jahre nach dem Sechzigerzyklus ist ebenfalls unabhängig von anderen Zählungen wie z.B. Ärabezeichnungen ({{g|nengou}}) oder dynastischen Jahresangaben.
  
 
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Aktuelle Version vom 7. August 2024, 13:21 Uhr

Der traditionelle Kalender

In Japan galt bis 1873 ein sogenannter luni-solarer Kalender nach chinesischem Muster, der über 1.200 Jahre mit nur geringen Modifikationen beibehalten worden war. Seine Grundprinzipien waren die gleichen wie in allen anderen ostasiatischen Kulturen. Die Besonderheiten dieses Systems werden auf dieser Seite überblicksartig beschrieben, die wichtigsten Elemente sind tabellenartig aufgelistet.

Grundprinzip

Ein lunisolarer Kalender misst die Monatslänge nach dem Mond, die Jahreslänge aber nach der Sonne. Im chinesischen System beginnt und endet jeder Monat mit dem Neumond, während die Monatsmitte durch den Vollmond angezeigt wird. Da aber eine Mondphase 29,53 Tage andauert, sind die Monate auch im chinesischen Kalender unterschiedlich lang, nämlich entweder 29 oder 30 Tage. 12 Mondphasen ergeben auf diese Weise im Schnitt 354 Tage. Es fehlen also 11 Tage, damit ein Sonnenjahr von 365 Tagen voll wird. Um diese Differenz auszugleichen, wird jedes zweite oder dritte Jahr ein Schaltmonat notwendig. Der Schaltmonat selbst verdoppelt einen existierenden Monat, sodass auch ein Schaltjahr nominell nur 12 Monate besitzt. Darüber hinaus gilt das Prinzip, dass die Frühlings-Tagundnachtgleiche immer in den 2. Monat fallen muss, die Sommer-Sonnenwende in den 5. Monat, die Herbst-Tagundnachtgleiche in den 8. und die Winter-Sonnenwende in den 11. Monat.

Koyomi 1857.jpg
1 Kalenderblatt für das Jahr 1857
Kalenderblatt für das Jahr 1857 (Ansei 4). Das Bild enthält diverse für das alltägliche Kalenderwesen wichtige Informationen, z.B. dass dieses Jahr 384 Tage hat, da es sich um ein Schaltjahr handelt. Der Schaltmonat wurde nach dem 5. Monat eingeschoben. Weitere wichtige Informationen beziehen sich auf die Länge der einzelnen Monate: „klein“ (小), d.h. 29 Tage, oder „groß“ (大), 30 Tage. Die Schlange rechts im Bild zeigt an, dass es sich um ein Schlangenjahr (genauer Feuer-Schlangen-Jahr, hinoto no mi no toshi) handelt. Die meisten Informationen sind allerdings horoskopischer Natur.
Edo-Zeit, 1857. National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ).

Daher gibt es sowohl im westlichen, gregorianischen als auch im traditionellen chinesischen Kalender die zwölf Monate, die aber leider nie ganz mit einander übereinstimmen. Vielmehr hat das chinesische System zur Folge, dass das traditionelle Neujahr – also der Beginn des ersten Monats – nach westlichem Kalender frühestens auf einen 21. Januar und spätestens auf einen 20. Februar fällt. Das wiederum bedingt Ungenauigkeiten bei der Angabe historischer Daten, wenn lediglich auf das Jahr, nicht aber auf den Monat Bedacht genommen wird.

Berechnung der Schaltmonate

Schon im chinesischen Altertum war bekannt, dass 19 Sonnenjahre genau so lang sind wie 235 Mondphasen. Um das Prinzip „12 Mondphasen = ein Jahr“ an den Sonnenrhythmus anzupassen, muss es demnach innerhalb eines Zyklus von 19 Jahren sieben Jahre mit Schaltmonaten geben. Welcher Monat in welchem Jahr verdoppelt wird, ergibt sich nach Berechnungen, die das Sonnenjahr in zwölf gleich lange Abschnitte unterteilen. Diese virtuellen Sonnenmonate nannten die Chinesen zhongqi [zhongqi (chin.) 中氣 Sonnenmonat; Fachbegriff aus der chinesischen Kalenderkunde] (jap. chūki). Sie beginnen mit dem Frühlingsanfang (der Tag zwischen Wintersonnenwende und Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche). Jeder Mondmonat (Periode zwischen Neumond und Neumond) erhält die Nummer des zhongqi, das während seiner Dauer beginnt. Selbst wenn der Beginn des dritten zhongqi auf den 30. Tag eines Mondmonats fällt, bekommt dieser Mondmonat die Nummer drei. Da ein zhongqi aber etwas länger als eine Mondphase ist, tritt unweigerlich der Fall ein, dass eine Mondphase zur Gänze innerhalb eines zhongqi Platz hat. Ein solcher Monat wird dann zum Schaltmonat (runyue [runyue (chin.) 閏月 Schaltmonat; Spezialterminus der chin. Kalenderkunde; jap. jungetsu oder uruutsuki], jap. jungetsu) erklärt, dh. er wird noch einmal nach der Zahl des Vormonats benannt und erhält das Zeichen 閏 vorangestellt. Auch für die Berechnung der „kurzen“ und „langen“ Monate (29 bzw. 30 Tage) werden die zhongqi herangezogen. All das würde wunderbar funktionieren, wäre nicht selbst die Regel 7 Schaltmonate in 19 Jahren noch zu ungenau. Daher müssen alle paar hundert Jahre Anpassungen vorgenommen werden. Es sind diese Anpassungen, in denen sich der japanische und der chinesische Kalender unterscheiden.1

All dies legt nahe, dass die Kalenderkunde im alten China auf astronomischen Kenntnissen und mathematischen Berechnungen aufbaute, die dem europäischen Sonnenkalender in nichts nachstanden. Im übrigen stellt die lunisolare Kalenderform wahrscheinlich den ältesten Kalendertypus dar und wurde auch von den alten Babyloniern und Ägyptern benutzt. All diese Kalender hatten den schönen Effekt, dass sowohl die Sonne als auch der Mond zur intuitiven Bestimmung der Zeit genutzt werden konnten. Der Nachteil liegt natürlich darin, dass etwa jedes dritte Jahr dreizehn anstatt zwölf Monate dauert.

Zwölf Tierkreiszeichen

Ausgehend von der Zahl Zwölf benützt man in Ostasien zur Einteilung von Raum und Zeit zwölf Tierkreiszeichen (eig. „Erdzweige“, jūni shi [jūni shi (jap.) 十二支 Zwölf Erdzweige (chin. Tierkreiszeichen)]):

Ratte (Maus), Ochse (Büffel, Rind), Tiger, Hase, Drache, Schlange,
Pferd, Ziege (Schaf), Affe, Hahn, Hund, Eber (Schwein)

Die meisten Tiere haben die gleichen Namen wie in der Alltagssprache, doch kürzt man manchmal den Namen ab, wenn man das Tierkreiszeichen meint: Ratte = nezumi, Hase = usagi, Schlange = hebi>mi, Wildschwein = inoshishi. Die den Tieren zugeordneten kanji [kanji (jap.) 漢字 chin. Schriftzeichen im japanischen Schriftsystem] sind Spezialzeichen der Kalenderkunde (s.u.).

Tagesstunden

Die Tierkreiszeichen gliedern den Tag in folgender Weise:

Tier On2 Kun3 Yin/Yang Stunde4
1 Ratte/Maus SHI ne Yang 1 (23:00–1:00)
2 Ochse/Rind CHŪ ushi Yin 2 (1:00–3:00)
3 Tiger IN tora Yang 3 (3:00–5:00)
4 Hase u Yin 4 (5:00–7:00)
5 Drache SHIN tatsu Yang 5 (7:00–9:00)
6 Schlange SHI mi Yin 6 (9:00–11:00)
7 Pferd GO uma Yang 7 (11:00–13:00)
8 Ziege/Schaf BI hitsuji Yin 8 (13:00–15:00)
9 Affe SHIN saru Yang 9 (15:00–17:00)
10 Hahn tori Yin 10 (17:00–19:00)
11 Hund JUTSU inu Yang 11 (19:00–21:00)
12 Wildschwein GAI i Yin 12 (21:00–23:00)

Da die Messung der Tagesstunden eng mit dem Sonnenstand verbunden ist, repräsentieren die Tiernamen auch Himmelsrichtungen:

Ratte= Norden, Pferd= Süden, Hase= Osten, Hahn= Westen

Monatszählung

Bei den Monaten beginnt die Zählung mit dem Tiger, folgt aber ansonsten dem Stundenschema:

1. Tiger, 2. Hase, 3. Drache, 4. Schlange, 5. Pferd, 6. Ziege, 7. Affe, 8. Hahn, 9. Hund, 10. Schwein, 11. Ratte, 12. Ochse

Das lässt sich damit erklären, dass das Neujahr (der Beginn des ersten Monats) grundsätzlich immer auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende fällt. Die Wintersonnenwende selbst ist jedoch fest mit dem Nord-Tier, der Ratte, verknüpft. Auch die anderen „Monate der Hauptrichtungen“ müssen — trotz gelegentlich notwendiger Schaltmonate — mit den Wendepunkten des Sonnenlaufs auf folgende Weise übereinstimmen:

Wintersonnenwende 11. Monat (Ratte, N, Yang)
Sommersonnenwende 5. Monat (Pferd, S, Yang)
Frühlings-Tagundnachtgleiche 2. Monat (Hase, O, Yin)
Herbst-Tagundnachtgleiche 8. Monat (Hahn, W, Yin)

Acht Richtungen

Die acht Himmelsrichtungen, die auch durch die sog. Acht Trigramme repräsentiert sind, stehen auf folgende Weise mit den Tierkreiszeichen in Verbindung:

Trig. Kanji On2 Tier Kun3 Richtung Element
KAN Ratte (ne) Norden Wasser
GON Rind
Tiger
ushitora Nordost Berg
SHIN Hase (u) Osten Donner
SON Drache
Schlange
tatsumi Südost Wind
RI Pferd (uma) Süden Feuer
KON Ziege
Affe
hitsujisaru Südwest Erde
DA Hahn (tori) Westen Sumpf
KEN Hund
Schwein
inui Nordwest Himmel

Der Sechzigerzyklus

Tage und Jahre werden grundsätzlich ebenfalls nach dem Tierkreisschema gezählt. Doch fasst man fünf Dutzende von Jahren im Sechzigerzyklus (kanshi [kanshi (jap.) 干支 Sechzigerzyklus des traditionellen Kalenders, wtl. Himmelsstämme (干) und Erdzweige (支)]) zusammen. Dabei kommen auch die Fünf Wandlungsphasen zum Einsatz:

Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser (Zyklus der Hervorbringung)

Zehn Himmelsstämme

Ordnet man den Fünf Wandlungsphasen jeweils einen Yin- und einen Yang-Aspekt zu, erhält man die sog. Zehn Himmelsstämme (jikkan [jikkan (jap.) 十干 zehn Himmelsstämme; Kategorie der traditionellen Kalenderkunde]).

Kanji On2 Kun3 Yang/Yin Element
1 kinoe 木の兄 Yang Holz (ki 木)
2 OTSU kinoto 木の弟 Yin
3 HEI hinoe 火の兄 Yang Feuer (hi 火)
4 TEI hinoto 火の弟 Yin
5 BO tsuchinoe 土の兄 Yang Erde (tsuchi 土)
6 KI tsuchinoto 土の弟 Yin
7 kanoe 金の兄 Yang Metall (kane 金)
8 SHIN kanoto 金の弟 Yin
9 JIN mizunoe 水の兄 Yang Wasser (mizu 水)
10 KI mizunoto 水の弟 Yin

Die Kombination der Zwölf Erdzweige und der Zehn Himmelsstämme ergibt den Sechzigerzyklus. Er enthält 60 und nicht 120 Elemente, da ein Erdzweig-Tier mit Yang-Aspekt nur einem Yang-Himmelsstamm, und ein Yin-Tier nur einem Yin-Stamm zugeordnet wird.

Die Zählung der Tage nach dem Sechzigerzyklus erfolgt in kontinuierlicher Reihenfolge, völlig unabhängig von Monaten oder Jahren. Sie war und ist vor allem für die Astrologie, etwa die Bestimmung von Glücks- und Unglückstagen von Bedeutung. Die Zählung der Jahre nach dem Sechzigerzyklus ist ebenfalls unabhängig von anderen Zählungen wie z.B. Ärabezeichnungen (nengō [nengō (jap.) 年号 Jahresdevise oder Äraname, Motto der Politik zu dieser Zeit; traditionelle Form der historischen Zeitrechnung in China und Japan]) oder dynastischen Jahresangaben.

Sechzigerzyklus, schematisch

Ratte Büffel Tiger Hase Drache Schlange Pferd Ziege Affe Hahn Hund Schwein
Holz + 1甲子 51甲寅 41甲辰 31甲午 21甲申 11甲戌
Holz – 2乙丑 52乙卯 42乙巳 32乙未 22乙酉 12乙亥
Feuer + 13丙子 3丙寅 53丙辰 43丙午 33丙申 23丙戌
Feuer – 14丁丑 4丁卯 54丁巳 44丁未 34丁酉 24丁亥
Erde + 25戊子 15戊寅 5戊辰 55戊午 45戊申 35戊戌
Erde – 26己丑 16己卯 6己巳 56己未 46己酉 36己亥
Metall + 37庚子 27庚寅 17庚辰 7庚午 57庚申 47庚戌
Metall – 38辛丑 28辛卯 18辛巳 8辛未 58辛酉 48辛亥
Wasser + 49壬子 39壬寅 29壬辰 19壬午 9壬申 59壬戌
Wasser – 50癸丑 40癸卯 30癸巳 20癸未 10癸酉 60癸亥
  • Plus (+) und Minus (–) steht für Yang und Yin
  • Die Ziffern stehen für die zeitliche Abfolge innerhalb des Sechzigerzyklus

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. S. dazu Tamura 2012.
  2. abc onyomi, sinojap. Lesung eines Zeichens
  3. abc kunyomi, jap. Lesung eines Zeichens
  4. Die Stundenlänge ist streng genommen abhängig von der Jahreszeit, da die Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang in jeweils sechs Einheiten geteilt wird.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen

  • NengoCalc Umrechnungstool für vormoderne japanische Kalenderdaten

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Susan Tamura, „Adjusting Calculations to Ideals in the Chinese and Japanese Calendars“. In: J. Ben-Dov, W. Horowitz, J. M. Steele (Hg.), Living the Lunar Calendar. Oxford: Oxbow Books, 2012, 349–372. (Online.)
Reinhard Zöllner, Japanische Zeitrechnung. München: Iudicium, 2003.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Koyomi 1857.jpg
    Kalenderblatt für das Jahr 1857 (Ansei 4). Das Bild enthält diverse für das alltägliche Kalenderwesen wichtige Informationen, z.B. dass dieses Jahr 384 Tage hat, da es sich um ein Schaltjahr handelt. Der Schaltmonat wurde nach dem 5. Monat eingeschoben. Weitere wichtige Informationen beziehen sich auf die Länge der einzelnen Monate: „klein“ (小), d.h. 29 Tage, oder „groß“ (大), 30 Tage. Die Schlange rechts im Bild zeigt an, dass es sich um ein Schlangenjahr (genauer Feuer-Schlangen-Jahr, hinoto no mi no toshi) handelt. Die meisten Informationen sind allerdings horoskopischer Natur.
    Edo-Zeit, 1857. National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ).

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • jikkan 十干 ^ zehn Himmelsstämme; Kategorie der traditionellen Kalenderkunde
  • jūni shi 十二支 ^ Zwölf Erdzweige (chin. Tierkreiszeichen)
  • kanji 漢字 ^ chin. Schriftzeichen im japanischen Schriftsystem
  • kanshi 干支 ^ Sechzigerzyklus des traditionellen Kalenders, wtl. Himmelsstämme (干) und Erdzweige (支)
  • nengō 年号 ^ Jahresdevise oder Äraname, Motto der Politik zu dieser Zeit; traditionelle Form der historischen Zeitrechnung in China und Japan
  • runyue (chin.) 閏月 ^ Schaltmonat; Spezialterminus der chin. Kalenderkunde; jap. jungetsu oder uruutsuki
  • zhongqi (chin.) 中氣 ^ Sonnenmonat; Fachbegriff aus der chinesischen Kalenderkunde