Essays/Vajrapani: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 19. August 2020, 13:45 Uhr
Gods can be de-con·text·ualized and re-con·text·ualized, but they always preserve traces of their former contexts, and these traces, when re-actualized, may affect their new status in surprising ways.1
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Vajrapāṇi [Vajrapāṇi (skt.) वज्रपाणि „Vajrahand“, Vajraträger (jap. Kongōshu 金剛手)] (skt. „der den vajra [vajra (skt.) वज्र „Donnerkeil“, Ritualinstrument und Symbol des tantristischen/esoterischen Buddhismus (jap. kongō 金剛)] in der Hand hält“) spielt im eso·teri·schen Bud·dhis·mus Tibets eine zen·trale Rolle. Er zählt hier zusam·men mit Avalokiteshvara [Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)] (jap. Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt]) und Manjushri [Mañjuśrī (skt.) मञ्जुश्री Bodhisattva der Weisheit (jap. Monju 文殊)] (jap. Monju) zu den drei wich·tigsten Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] und gilt als mäch·tigs·ter Be·schüt·zer des Bud·dhis·mus. In dieser Funktion nimmt er zu·meist die Gestalt eines zor·nigen yaksha [yakṣa (skt.) यक्ष übernatürliches Wesen, Geist, Dämon (jap. yasha 夜叉)]-Dämo·nen2 an, in der auch andere Schutz·gott·heiten, z.B. Mahakala [Mahākāla (skt.) महाकाल „Großer Schwarzer“, esoterische Gottheit (jap. Makakara 摩訶迦羅 oder Daikoku 大黒)] auf·treten können. In Japan haben sich zwar andere zorn·volle Beschützer·gott·heiten durch·gesetzt, doch scheinen sowohl tibe·tische als auch japa·nische zornvolle Gottheiten auf ähn·liche Grund·typen des eso·terischen Bud·dhis·mus (mikkyō [mikkyō (jap.) 密教 esoterischer Buddhismus, Tantrismus; wtl. geheime Lehre; Gegenstück zu kengyō; in Japan vor allem durch den Shingon, aber auch durch Teile des Tendai Buddhismus vertreten]) zurück·zugehen.
Tibet, 19. Jh. Himalayan Art.
Dämonen·artige Gott·heiten wie Vajrapani besit·zen Raub·tier·zähne und ein drittes Auge, zu ihrem Schmuck gehören Toten·schädel und ein Lenden·schurz aus Tiger·fell, sie tanzen eine Art Sieges·tanz auf den Leichen ihrer ge·töte·ten Gegner. Ähn·lich wie die fried·fertigen Bodhi·sattvas unter·scheiden sie sich unter·einander haupt·säch·lich durch die At·tri·bute, die sie in der Hand halten, oder durch bestimmte para·normale Körper·merk·male, etwa die Farbe der Haut oder die Anzahl der Arme und Beine. Der vajra [vajra (skt.) वज्र „Donnerkeil“, Ritualinstrument und Symbol des tantristischen/esoterischen Buddhismus (jap. kongō 金剛)] ist Vajrapanis typischstes At·tri·but, dem er auch seinen Namen verdankt. Ein vajra (manchmal auch als „Diamant“ oder „Donnerkeil“ übersetzt) dient im eso·teri·schen Bud·dhis·mus als wichtiger Ritual·gegen·stand und gilt zugleich als magische Waffe.
Was ist ein vajra?
- In den Veden das Zepter Indras in Form eines Don·ner·keils.
- In der pura·nischen (hindu·istischen) Literatur eine Waffe aus den Knochen eines Heilers (rishi).
- Ritual·instrument und Symbol des tantris·tischen/eso·teri·schen Bud·dhis·mus, des Vajrayana [Vajrayāna (skt.) वज्रयन „Vajra-Fahrzeug“, Tantrismus, esoterischer Buddhismus (jap. mikkyō 密教 oder Kongō-jō 金剛乗)] (Fahr·zeug des vajra). Meist aus Metall mit fünf oder neun (in Japan auch ein oder drei) einwärts gebo·genen Zacken an beiden Enden.
Definition nach Himalayan Art
Die dämo·nischen Schutz·gott·heiten des tibe·tischen Buddhis·mus lassen sich zum Groß·teil auf indische Ur·sprünge zurück·führen und sind auch in anderen buddhis·tischen Regionen — wenn auch meist weniger prominent — vertreten. Wenn man sie zum ersten Mal betrachtet, drängt sich un·will·kürlich die Frage auf, wie diese Ikono·graphie mit dem fried·vollen Bild der üblichen Buddha- und Bodhi·sattva-Statuen in Ein·klang zu bringen ist. Man stößt in diesem Zu·sammen·hang recht bald auf Erklä·rungen, die in derar·tigen Dar·stel·lungen einen meta·physischen Kampf gegen Ver·blen·dung und welt·liche Begierden sehen und meist genau erläutern, wie etwa die Krone mit den fünf Toten·schädeln den Sieg über die „Fünf Gifte“ (panca kleshavisha [pañca kleśaviṣa (skt.) पञ्चक्लेशविष „Fünf Gifte“, Falschheit, Stolz, Begierde, Eifersucht und Hass; fünf Leidenschaften (klesha), die den Menschen ans Diesseits binden]) symbolisiert. Warum aber nimmt dabei die Dar·stellung der Gewalt bzw. der Be·strafung größeren Raum ein als die Darstellung der Belohnung? Und wieso tritt diese Art der Dar·stellung im Buddhis·mus offenbar erst relativ spät und zumeist im Zu·sammen·hang mit eso·teri·schen Richtungen auf? Mit den folgenden Bei·spielen aus der Ikono·graphie des „vajra-Trägers“ soll eine An·näherung an diese Fragen versucht werden.
Herkunft und früheste Ikonographie
Eine häufig zitierte Theorie besagt, dass Vajrapani sich ur·sprüng·lich aus dem vedischen Gewitter- und Kriegs·gott Indra [Indra (skt.) इन्द्र hohe indische Gottheit, vergleichbar mit Zeus/Jupiter (jap. Taishaku-ten 帝釋天)] ent·wickelt hat, der eben·falls ein vajra als Emblem besitzt, und den Namen Vajrapani zu seinen Bei·namen zählt. Der vajra, den Indra in der Hand hält, ist übrigens zu·gleich Waffe und könig·liches Zepter und wird über·dies als „Donner·stab“ gedeutet, wie ihn auch Zeus oder Thor besitzen.
Doch frühe Dar·stel·lungen aus Gandhara [Gandhāra (skt.) गन्धार Königreich im heutigen Pakistan bzw. gleichnamige Stadt (auch Purushapura, heute Peshavar); nach den griechischen Eroberungen unter Alexander dem Großen unter dem Einfluss der hellenistischen Kultur, später, im 1.–3. Jh. u.Z. Hauptstadt des buddhistischen Kushana Reichs; frühes Zentrum der buddhistischen Kunst] (1. bis 3. Jahr·hun·dert im heutigen Pakistan), die Vajrapani im graeco-bud·dhis·tischen Stil por·trait·ieren, weisen diese Figur nicht als König oder Herrscher aus. Er tritt hier als eine Art Leib·wächter im Gefolge des Buddha Shakyamuni [Śākyamuni (skt.) शाक्यमुनि „Der Weise des Shakya-Klans“, buddhistischer Name des historischen Buddha (Gautama Siddhartha) (jap. Shaka 釈迦 oder Shakamuni 釈迦牟尼)] in Erschei·nung. Auf·fal·lend ist dabei die starke Ver·wandt·schaft mit dem grie·chischen Helden Herakles. Der vajra in seiner Hand ähnelt einem Knüppel, wie ihn auch Herakles gerne trägt.
Kushan Periode, 3. Jh. Metropolitan Museum of Art.
Kushana Periode, N-Indien, 1.–3.Jh. u.Z. Huntington Archive.
Die kriege·rischen Figuren Herakles und Indra könnten also beide für die vielen gewalt·tätigen Aspekte in der späteren Aus·ge·staltung des Vajrapani ver·ant·wort·lich sein.
Vom friedlichen Bodhisattva zum zornigen Dämonen
Zunächst scheint sich Vajrapani jedoch von Buddhas Leib·wächter zu einem Bodhisattva [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] hoch·gearbeitet zu haben. Als solcher wird er in fried·voller androgyner Gestalt mit mildem Lächeln und ent·spannten Zügen abgebildet. Dar·stel·lungen dieser Art dürften v.a. im Indien des siebenten und achten Jahr·hun·derts häufig gewesen sein, tauchen ver·einzelt aber auch später noch in Tibet auf. Die einzige Ge·mein·sam·keit dieser ikono·graphi·schen Form mit dem zornigen Vajrapani ist der vajra in seiner Hand.
Nepal, Licchavi Periode, 6. oder 7. Jh. Metropolitan Museum of Art.
Schon der friedliche Vajrapani wird bis·weilen von einem zwergen·haften Dämonen begleitet, der in der Fach·sprache als krodha [krodha (skt.) क्रोध „Zorn“, zornvolle Gottheit (jap. funnuson 憤怒尊)]-Gottheit, also als zorn·volle Schutz·gott·heit, bezeichnet wird. Dieser Dämon spielt zu·nächst gegen·über dem Bodhi·sattva Vajra·pani eine ähnliche Rolle, wie Vajrapani selbst gegen·über Buddha. Die beson·dere ikono·graphi·sche Aus·arbeitung des zornvoll-dämonischen Vajrapani mit seiner be·droh·lichen Mimik und dem charak·teris·tischen Tanz auf den Leichen seiner Feinde scheint aber erst mit dem Auf·kommen des Tantrismus [tantra (skt.) तन्त्र „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)] oder esote·rischen Bud·dhis·mus zu erfolgen.
8. Jh. Amico Library.
Ca. 10. Jh. Huntington Archive.
Die Unterwerfung Shivas durch Vajrapani
Vajrapanis Wandel vom fried·lichen Bodhi·sattva zum krie·ge·ri·schen „Be·zwin·ger der Drei Wel·ten“ ist di·rekt mit einer tan·tris·ti·schen Le·gen·de ver·knüpft, die ihn als mar·tia·li·schen Be·glei·ter des höchs·ten aller eso·teri·schen Buddhas, Mahavairocana [Mahāvairocana (skt.) महावैरोचन „Große Sonne, Großes Licht“, auch Vairocana (jap. Dainichi 大日)] (jap. Dainichi [Dainichi Nyorai (jap.) 大日如来 Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“]), aus·weist. In ihrer frühes·ten Form findet sich die Legende in einem chine·sischen Text aus dem achten Jahr·hun·dert:
... Then Vajrapani raised his vajra away from his heart and waving it, he surveyed the whole circle of the three·fold world to its limits. He spoke: “Come my friends, to the teachings of the Tathagatas. Obey my command!” ... Then Maheshvara [Maheśvara (skt.) महेश्वर „Großer Herr/Gott“, Beinamen des Shiva (jap. Daijizai-ten 大自在天)], the lord of the whole three·fold world in this worldly sphere, proud of his over·lord·ship of the whole three·fold world, appeared very wrathful and said:
“Listen you yaksha,
I am Ishvara [īśvara (skt.) ईश्वर „Herr“, König, Gott], Lord of the threefold world, creator, destroyer, Lord of all Spirits, God of Gods, Mighty God. So how should I carry out the order of a yaksha ...
Listen, you evil being, quickly enter the mandala [maṇḍala (skt.) मण्डल „Kreis“, schematische Darstellung der kosmischen Ordnung (jap. mandara 曼荼羅)] and hold my pledge. ...”
Then Maheshvara by the power of his over·lordship of the three·fold world and of his own know·ledge, to·get·her with his whole company, mani·fested a fearful and wrath·ful and greatly terri·fying form ... Then Vajrapani, waving his vajra and laughing, said:
“Approach you eater of corpses and human flesh, you who use the ashes of the funeral pyres as your food, as your couch, as your clothing, obey my command! ...”
Then Vajrapani pro·nounced his own vajra-syllable: “Hum!” As soon as he pro·nounced this, all the great gods who belong to the three·fold world, fell down on their faces, emitting miserable cries, and they went to Vajrapani for pro·tection. The Great God himself remained motion·less on the ground, ...3
Nach dieser Legen·de be·kommt Vajra·pani also seinen Namen, „vajra-Träger“, nach·dem Maha·vairo·cana ihn durch ein mantra [mantra (skt.) मन्त्र Gebetsformel (jap. shingon 真言)] (magi·sche Formel) in ein krie·ge·risches Monster ver·wandelt. Maha·vairo·cana übergibt dem ver·wan·del·ten Vajra·pani ein vajra-Zepter und er·klärt ihn zu einem Feld·herrn der bud·dhis·ti·schen Lehre, um den mäch·tigs·ten Feind des Bud·dhis·mus, Shiva [Śiva (skt.) शिव „Glückverheißender“, indische Göttheit, auch Maheshvara oder Ishvara (jap. Daijizai-ten 大自在天)] zu un·ter·wer·fen. Es ge·lingt Vajra·pani, Shiva zu be·sie·gen, indem er das Mantra „Hum“ in·to·niert. Wäh·rend sich Shivas Ge·folge un·mit·telbar „bekeh·ren“ lässt, wider·setzt sich Shiva (zu·sam·men mit seiner Ge·spielin Umā) hart·näckig der Lehre des Buddha und muss daher von Vajra·pani ge·tötet wer·den.4 Dieser Mythos ist offen·sicht·lich aus der Aus·ein·ander·set·zung des Buddhis·mus mit dem Shivais·mus ent·stan·den. Er zählt zu den funda·men·talen Ur·sprungs·legenden des ge·sam·ten eso·teri·schen Bud·dhis·mus.
In der späteren Ent·wicklung des eso·te·ri·schen Bud·dhis·mus in Tibet steigt Vajra·pani neben Avalokiteshvara [Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)] (Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt]) und Mañjuśrī zu den drei wich·tigs·ten Bodhi·satt·vas auf. Sie stehen ge·mein·sam für das Mit·gefühl (Avalokiteśvara), die Weis·heit (Mañjuśrī) und die Macht (Vajra·pani) aller Buddhas der Ver·gan·gen·heit, Gegen·wart und Zukunft. Obwohl alle drei Bodhi·satt·vas so·wohl über zorn·volle als auch über fried·volle Erschei·nungs·formen verfügen, werden Avaloki·teshvara und Man·jushri über·wiegend friedlich, Vajra·pani dagegen vor·wie·gend zorn·voll dar·ge·stellt. Dies dürfte wohl mit der er·wähnten Legende der Unter·wer·fung Shivas zu tun haben. Ver·schie·dene tantris·tische Texte vari·ier·ten offen·bar sowohl die Legen·den als auch die Namen von Shivas Be·zwin·gern, sodass letzt·lich eine Reihe ähn·licher Be·schüt·zer·figuren (Mahakala, etc.) ent·stand. Es finden sich sogar weibliche Be·schützer·gott·heiten, die bei·spiels·weise als be·kehrte Dämo·ninnen (Dakini [Dakini (jap.) 荼枳尼 weibl. buddhist. Schutzgottheit, identifiziert mit Inari; skt. Dākinī; auch: menschenfressende Dämonin], Vajrayogini [Vajrayoginī (skt.) वज्रयोगिनी weibl. buddhist. Schutzgottheit, identifiziert mit Inari; auch: menschenfressende Dämonin]) gedeu·tet werden. Die ur·sprüng·lichen Modelle für all diese Figu·ren stellen aber jeweils die von ihnen be·kämpf·ten Feinde des Bud·dhis·mus (in erster Linie Shiva) dar. Die Attri·bute (Waffen, etc.) dieser Feinde werden in den Bud·dhis·mus auf·genom·men und auf die sieg·reichen bud·dhis·tischen Gestalten über·tragen. So tragen z.B. viele bud·dhis·tische Beschützer einen Lenden·schurz aus Tigerfell — ur·sprüng·lich ein Attribut Shivas.
Vajrapani in Japan
Vorlage:Sidebox3 In Japan ist die Figur des Vajrapani weniger prominent als im tibet·ischen Bud·dhis·mus und hat sich im übrigen in mehrere Einzel·figuren auf·ge·split·tert, die jeweils einen bestimmten Ent·wick·lungs·stand der Vajrapani-Ikono·graphie re·prä·sen·tieren. In einer ikono·graphisch frühen Form begegnet man Vajrapani unter dem Namen Shukongō-jin [Shukongō-jin (jap.) 執金剛神 skt. Vajrapani. Buddhistische Wächterfigur] (s. Abb. unten). Diese Form ist in Japan schon seit dem achten Jahr·hun·dert belegt und ist eng verwandt mit den noch heute geläufigen Tor·wächtern (niō [niō (jap.) 仁王 Wächterfigur, Torwächter]), die auch unter Be·zeich·nungen wie kongōshu [kongōshu (jap.) 金剛手 Vajra-Hand, skt. Vajrapani; s.a. Niō] oder kongō rikishi [kongō rikishi (jap.) 金剛力士 Buddhistische Wächterfigur, „Vajra-Kraftkerl“; Synonym Niō] bekannt sind. Sie sind zumeist mit einem ein·zackigen vajra bewaff·net. Auch sie exis·tierten bereits im achten Jahr·hun·dert. Funde aus den Tausend-Buddha-Höhlen in Dunhuang [Dunhuang (chin.) 敦煌 Oasenstadt an der Seidenstraße zwischen dem Tarim-Becken und China; zumeist von China, aber zeitweise auch von Tibet beherrschtes Handelszentrum; buddhistisches Zentrum mit ausgedehnten Höhlentempeln] (Nordwest-China) belegen, dass ähn·liche Figuren auch im China der dama·ligen Zeit recht bekannt gewesen sein müssen (Abb. re.). Als Wächter der Tempel·tore nehmen diese frühen Mani·festa·tionen Vajrapanis noch eher unter·geord·nete Rollen ein. Mit ein wenig Phantasie kann man in ihnen noch den hellenis·tischen Leib·wächter des Buddha in Gestalt des Herakles erkennen.
Nara Zeit. Huntington Archive.
Kamakura-Zeit. The British Museum.
Heian-Zeit, 839. unbekannt.
Edo-Zeit, 1702. Ryūgoku University Library.
Die voll aus·gebildete eso·te·rische Form Vajrapanis zeigt sich in Gōzanze Myōō [Gōzanze Myōō (jap.) 降三世明王 skt. Trailokyavijaya, einer der Fünf Großen Myōō] (skt. Trailokyavijaya [Trailokyavijaya (skt.) त्रैलोक्यविजय „Bezwinger der drei Welten“, einer der Fünf Großen Myōō (jap. Gōzanze 降三世)], Bezwinger der Drei Welten), einem der Fünf Großen Mantra-Könige. Sein Name bezieht sich auf die oben erwähnte Legende der Unter·werfung Shivas. Diese Figur wurde zu·sam·men mit dem eso·teri·schen Buddhis·mus Anfang des neunten Jahr·hunderts in Japan bekannt. Die ältesten japa·nischen Dar·stel·lungen sind ebenso alt oder älter als vergleich·bare Funde aus Indien, was beweist, dass sich die Texte, die als Grund·lage dieser Dar·stel·lung dienen, innerhalb von zwei oder drei Gene·rationen über die gesamte Welt des Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] Bud·dhis·mus verbrei·teten. Doch bleibt diese zorn·volle Schutz·gott·heit in Japan hin·sicht·lich Status und Be·deu·tung deut·lich hinter Fudō Myōō [Fudō Myōō (jap.) 不動明王 prominentester japanischer myōō (Mantra-König), wtl. „der Unbewegliche“] (skt. Acala [Acala (skt.) अचल „Unbeweglich“, Beinamen des in Japan wichtigsten Mantra-Königs (jap. Fudō 不動)]) zurück und ist heute weit·gehend unbe·kannt. Umge·kehrt tritt Acala/Fudō außerhalb Japans weit weniger prominent in Erscheinung als Vajrapani. Dies zeigt, dass es innerhalb der verschie·denen eso·teri·schen Tradi·tionen des Buddhis·mus trotz gemein·samer Grund·texte große regionale Unter·schiede gibt.
Schlussfolgerungen
Geht man von rein äußer·lichen Merkmalen aus, so finden wir in der kriege·rischen Ikono·graphie Vajrapanis im Wesent·lichen zwei Grund·typen: Einer·seits die hoch·gewach·senen Figuren, die mitunter Rüstungen tragen, aber auch gerne fast nackt mit quellenden Muskeln und Adern darge·stellt werden. Anderer·seits die unter·setzten, dick·bäuchigen Zwerge, die häufig mit tier·ischen Merk·malen, etwa Raub·tier·zähnen, aus·ge·stattet sind, zumeist über zahlreiche Arme und Köpfe verfügen und vor·nehm·lich auf den Leichen ihrer Feinde tanzen. Der erste Typus lässt sich mög·licher·weise tat·säch·lich auf die Figur des hellenis·tischen Herakles zurück·führen. Der zweite dürfte auf die indi·schen Yaksha-Dämonen zurück·gehen, die ur·sprüng·lich Feinde des Bud·dhis·mus waren, dann aber „bekehrt“ und zu Wächtern um·funktio·niert wurden, ohne dass sie ihre furcht·ein·flößen·den Merkmale verloren. Vajrapani scheint keiner dieser Grund·formen eindeutig zu·zu·ordnen zu sein. Selbst sein namens·gebendes At·tri·but, der vajra, lässt sich sowohl auf den Knüppel des Herakles als auch auf den „Donnerkeil“ der indischen Mytho·logie zurück·führen. Somit scheint es, als ob in der kriege·rischen Figur des Vajarapani zwei ikono·gra·phische Erinne·rungen, eine hellenis·tische und eine „hinduis·tische“, gespeichert sind. Während Vajrapani in Tibet heute zumeist der dick·bäuchige Dämon ist, erinnern die japa·nischen Niō eher an Herakles. Häufig gibt es auch Misch·formen, etwa musku·löse aber schlanke Figuren, die die charak·teris·tische Tanzpose der Yakshas einnehmen, wie der ja·pa·nische Gōzanze Myōō.
Zu einer Auf·wertung Vajrapanis kam es erst relativ spät in der Ent·wicklung der buddhis·tischen Ikono·graphie, im Zu·sammen·hang mit dem so·genan·nten eso·teri·schen oder tantris·tischen Buddhis·mus. Erst in dieser Tradition erhalten „zorn·volle“ krodha-Gott·heiten einen ähnlichen oder gar höheren Status als fried·volle Buddhas und Bodhi·sattvas. In einer 2002 erschie·nenen Studie bringt der Indologe Ronald Davidson die Ent·stehung des esote·rischen Bud·dhis·mus vor allem mit zwei Faktoren in Ver·bindung: 1) der zu·nehmen·den Militari·sierung Indiens im frühen indischen Mittel·alter (6.–8. Jh) und 2) den damit ein·her·gehen·den Sieges·zug des Shivaismus, also jener Richtung des „Hinduismus“, die Shiva als obersten Welten·herrscher ansieht. In einer politisch höchst wechsel·vollen Zeit mit zahl·reichen militä·rischen Aus·ein·ander·setzun·gen gelang es dieser Glau·bens·richtung, Shiva mit neuen, für die Kriegs·herren attraktiven kriege·rischen Aspekten auszu·statten. Der Bud·dhis·mus sah sich nach Ansicht Davidsons gezwungen, gegen die Konkurrenz der Shiva Anhänger eben·falls neue Gott·heiten ins Spiel zu bringen, die die Lehre des Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] wehrhaft vertei·digten.
Obwohl sich der eso·teri·sche Bud·dhis·mus rasch innerhalb der Welt des Mahayana verbreitete, sind die neuen Schutz·gott·heiten, die er mit sich brachte, nicht überall gleicher·maßen populär. Die unter·schied·lichen Bewer·tungen des Status von Vajrapani, Acala (Fudō) und anderen Wächter·göttern legen nahe, dass es ver·schie·dene Ansichten darüber gab und gibt, welcher krieger·ischen Gestalt der höchste Status gebühre und welches genau ihr Aufga·ben·bereich sein sollte. Der Kunst·historiker Rob Linrothe versucht, die unter·schied·lichen Formen der krodha-Ikono·graphie in histo·rische Ent·wicklungs·phasen zu unter·teilen, die mit Ver·ände·rungen von Theorie und Praxis inner·halb des esote·rischen Buddhis·mus selbst korrellieren. Mit Linrothes Modell lassen sich u.a. die Unter·schiede zwischen japanischen und tibetischen Vajrapani-Dar·stellun·gen gut erklären, da Tibet im Wesent·lichen vom späten eso·te·rischen Bud·dhis·mus geprägt wurde, während sich in Japan durch den domi·nanten Einfluss Kūkais [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi] und seiner Schule eine frühere Ent·wick·lungs·phase nach·haltig durch·setzen konnte und die japa·nische Ikono·graphie bis heute prägt. Japan reprä·sentiert also interes·santer·weise ein früheres Stadium des esote·rischen Bud·dhis·mus als Tibet.
Unab·hängig von diesen Unter·schieden bleibt fest·zuhalten, dass diese kriege·rische Figuren in den meisten bud·dhis·tischen Regionen Einzug hielten. Sie wurden offen·bar besonders in kriege·rischen Zeiten benötigt, wenn auch bud·dhis·tische Mönche ge·zwungen waren, Besitz oder Leben mit der Waffe zu ver·tei·digen bzw. aktiv in mili·tärische Aus·ein·ander·setzungen ein·zu·schrei·ten. Auch in Japan ent·stan·den martia·lische Schutz·gott·heiten, die weniger die Gläubigen anziehen, als die Feinde des Bud·dhis·mus ab·schrecken sollten. Sie erlebten ihre Blüte im Zu·sammen·hang mit dem esote·rischen Bud·dhis·mus während des japani·schen Mittel·alters, als das Land politisch zer·splittert und von Bürger·kriegen gezeichnet war. Dass in zahl·reichen Regionen der bud·dhis·tischen Welt ein ausge·prägter Gewalt·aspekt in die Ikono·graphie Eingang fand, scheint somit mit der Erfahrung tat·säch·licher kriege·rischer Gewalt in Beziehung zu stehen.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Bernard Faure, Gods of Medieval Japan: The fluid pantheon, Vol. 1, „Prologue“. University of Hawai'i Press, 2015.
- ↑ Yaksha [yakṣa (skt.) यक्ष übernatürliches Wesen, Geist, Dämon (jap. yasha 夜叉)] (jap. yasha) ist ein mehr·deutiger Begriff. Er bezieht sich zunächst auf eine be·stimmte, eher nieder·rangige „Rasse“ indischer Gott·heiten, die oft als men·schen·fressende Dämonen auftreten. Als solche haben Yakshas Ähnlich·keiten mit den rakshasa [rākṣasa (skt.) राक्षस indischer Dämon (jap. rasetsu 羅刹)]s (jap. rasetsu), aber auch mit den asura [asura (skt.) असुर kämpfende Geister, eine von sechs Formen der Wiedergeburt (jap. ashura 阿修羅)]s (jap. ashura), den krie·geri·schen Geistern. Die Yakshas kann man sich als mytholo·gische Söldner vorstellen: sie sind tüchtige Krieger und nur dann böse, wenn sie einem bösen Herren dienen. Wenn sie aber im Dienste positiv besetzter Figuren wie etwa Vaishravana [Vaiśravaṇa (skt.) वैश्रवण „Sohn des Gerühmten“, Himmelswächter des Nordens, aka. Kubera (jap. Bishamon-ten 毘沙門天 oder Tamon-ten 多聞天)], jap. Bishamon-ten, stehen, ist gegen ihr Tun nichts einzu·wenden. Im eso·teri·schen Buddhis·mus geht die Gestalt der dick·bäuchigen Dämonen wahr·schein·lich auf die Yakshas zurück. Auch Vajrapani wird in dieser Gestalt dar·gestellt: Er agiert als Feldherr im Auftrag Buddhas, während seine ikono·graphi·sche Form einem ur·sprüng·lich nieder·rangigen, dick·bäuchigen Dämonen gleicht.
- ↑ Auszug aus Mark Elmore, The Roots of a Warrior: The Early History(s) of Vajrapani nach dem Sarvatathdgata-tattvasamgraha („The Summary of All Tathdgatasi Reality“) aus dem frühen achten Jh. (http://www.uweb.ucsb.edu/~elmorem/vajrapani/, inaktiv). Das Sarva-tathāgata-tattva-samgraha ist nur als chi·ne·sische Übersetzung bekannt. Der indische Text wird jedoch u.a. von Amoghavajra [Amoghavajra (skt.) अमोघवज्र 705–774; buddh. Mönch aus Samarkand, Autor und Übersetzer zahlreicher Schriften des esoterischen Buddhismus aus dem Sanskrit ins Chinesische; chin. Bukong Jingang (jap. Fukū Kongō 不空金剛)], einem Mit·be·gründer des eso·teri·schen Bud·dhis·mus in China, zitiert (Linrothe 1999, S. 26, 30).
- ↑ S.a. Davidson 2002: 147–151. Linrothe 1999: 183–186. Shiva erlangt schließ·lich als Bhameshvara-nirgosa (der tonlose Herr der Asche) eine Wieder·geburt als Buddha.
Internetquellen
- Vajrapani: Bodhisattva and Deity, The Shelley & Donald Rubin Foundation (en.)
Übersichtsseite zum Thema Vajrapani auf Himalayan Art.
Literatur
Bilder
- ^ Vajrapani mit vier Armen, drei Augen. In der rechten, weggespreizten Hand ein Vajra, in der Linken ein Seil, die beiden anderen Arme zur mudra der Dämonenabwehr geformt (vgl. Gōsanze Mudra). Tanzt auf der Leiche eines Dämonen (Aparajita) mit ebenfalls vier Armen und einem Elefantenrüssel.
Tibet, 19. Jh. Himalayan Art. - ^ Vajrapani-Statue aus Terracotta.
Zentralasien, 5. Jh. Asianart.com. - ^ Buddha in Begleitung von Vajrapani.
Gandhara, 1.Jh u.Z. SMB-online, Staatliche Museen zu Berlin. - ^ Buddhas erste Predigt im sog. Hirschpark von Sarnath. Als nackter, Herkules-artiger Leibwächter (mit Knüppel) ist Vajrapani hinter dem Buddha zu sehen. Diese graeco-romanische Figur ist typisch für die frühe buddhistische Ikonographie. Das Rad in Buddhas rechter Hand symbolisiert die Lehre des Buddhismus.
Kushan Periode, 3. Jh. Metropolitan Museum of Art. - ^ Darstellung der Unterwerfung der schwarzen Schlange in Rajgrha durch Buddha und Vajrapani.
Kushana Periode, N-Indien, 1.–3.Jh. u.Z. Huntington Archive. - ^ Statue des Bodhisattva Vajrapani.
Nepal, Licchavi Periode, 6. oder 7. Jh. Metropolitan Museum of Art. - ^ Darstellung des friedlichen Vajrapani.
Indien, 7. oder 8. Jh. Museumkennis, (NL). - ^ Wandmalerei des Vajrapani.
Ajanta (Nord-Dekhan, Indien), Höhle #1, 7. Jh. Wikimedia Commons.
- ^ Darstellung des Vajrapani in seiner friedlichen Form.
Tibet, 19. Jh. Himalayan Art. - ^ Frühes Beispiel eines kriegerischen Vajrapani mit Raubtierzähnen, Schlangenkette, zu Berge stehendem Haar und hervorquellenden Augen. Hier allerdings noch nicht tanzend, sondern im für friedliche Bodhisattvas typischen halben Lotossitz.
8. Jh. Amico Library. - ^ Trailokyavijaya (jap. Gōzanze) ist ein Beiname von Vajrapani. Er bezieht sich auf die Tatsache, dass Vajrapani den Gott Shiva, den Herrn der Drei Welten (Götterwelt, Menschenwelt, Unterwelt), besiegt hat. Shiva und seine Gespielin Parvati (oder Umā) sind auch die beiden Leichen, auf denen Trailokyavijaya tanzt. Vajrapani besitzt in dieser Manifestation vier Köpfe (der vierte ist rückwärts gewandt) und acht Arme. Von seinen acht Händen (die sicher auch einen Vajra gehalten haben) sind nur die innersten erhalten. Sie formen die Mudra (Handgeste) „Abwehr von Unheil“, die auch auf japanischen Abbildungen von Gōzanze Myōō zu sehen ist. (Datierung nach Linroth 1999, Ruthless Compassion, S. 196.)
Ca. 10. Jh. Huntington Archive. - ^ Shukongō-jin ist einer der Namen des buddhistischen „Vajraträgers“ (skt. Vajrapani). Die Statue ist das älteste Abbild dieser Figur in Japan. Das Nihon ryōiki enthält eine Legende (Band 2, #21), der zufolge ein wunderhaftes Leuchten, das von dieser Figur ausging, zur Gründung des Tōdaiji führte (s. Nihon Ryo-Wiki). Überdies dürfte die Figur des Shukongō-jin das Modell der buddhistischen Torwächter darstellen, die allerdings stets paarweise (links und rechts des Tores) auftreten. S. dazu Niō.
Nara Zeit. Huntington Archive. - ^ Fukūkensaku Kannon (wtl. Kannon mit dem niemals leeren [rettenden] Seil) ist eine Form Kannons, die erst mit dem esoterischen Buddhismus (ab dem 8. Jh.) aufkam. Als Begleiter des Bodhisattvas fungieren auf dieser Darstellung Shukongō-jin (Vajrapani) und Bishamon-ten. Die Darstellung des Shukongō-jin erinnert stark an die gleichnamige Nara-zeitliche Statue aus dem Tōdaiji. Die Kombination dieser drei Gottheiten ist ungewöhnlich und beruht auf keiner textlichen Grundlage (vgl. British Museum).
Kamakura-Zeit. The British Museum. - ^ Gōzanze Myōō (skt. Trailokyavijaya) mit vier Gesichtern und acht Armen, auf den Körpern von Shiva und seiner Gespielin Parvati (Umā) tanzend. Statue aus der Gruppe der n der „Fünf Großen Myōō“ (Godai Myōō) des Tōji in Kyōto, die zusammen mit anderen Figuren des esoterischen Buddhismus im Auftrag von Kūkai als dreidimensionales Mandala angelegt und 839 vollendet wurden. S.a. Tōji kōbō-ichi (2011/10)
Heian-Zeit, 839. unbekannt. - ^ Gōzanze Myōō (skt. Trailokyavijaya), mit vier Gesichtern und acht Armen, auf den Körpern von Shiva und seiner Gespielin Parvati (Umā) tanzend. Kopie des verlorenen Jikkan-shō (1139; auch Zuzōshō).
Edo-Zeit, 1702. Ryūgoku University Library.
Glossar
- Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर ^ „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)
- Bishamon-ten 毘沙門天 ^ Himmelswächter des Nordens, Glücksgott; abgeleitet von einem indischen Gott des Reichtums, Vaishravana
- Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
- Dainichi Nyorai 大日如来 ^ Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
- Davidson, Ronald (west.) ^ amerikanischer Indologe und Religionswissenschaftler an der Fairfield University in Connecticut
- Gandhāra (skt.) गन्धार ^ Königreich im heutigen Pakistan bzw. gleichnamige Stadt (auch Purushapura, heute Peshavar); nach den griechischen Eroberungen unter Alexander dem Großen unter dem Einfluss der hellenistischen Kultur, später, im 1.–3. Jh. u.Z. Hauptstadt des buddhistischen Kushana Reichs; frühes Zentrum der buddhistischen Kunst
- Linrothe, Rob (west.) ^ 1951–; amerikanischer Kunsthistoriker und Professor an der Northwestern University in Evanston, Illinois
- Mahāvairocana (skt.) महावैरोचन ^ „Große Sonne, Großes Licht“, auch Vairocana (jap. Dainichi 大日)
- Śākyamuni (skt.) शाक्यमुनि ^ „Der Weise des Shakya-Klans“, buddhistischer Name des historischen Buddha (Gautama Siddhartha) (jap. Shaka 釈迦 oder Shakamuni 釈迦牟尼)
- Shukongō-jin 執金剛神 ^ skt. Vajrapani. Buddhistische Wächterfigur
- Trailokyavijaya (skt.) त्रैलोक्यविजय ^ „Bezwinger der drei Welten“, einer der Fünf Großen Myōō (jap. Gōzanze 降三世)
- Vaiśravaṇa (skt.) वैश्रवण ^ „Sohn des Gerühmten“, Himmelswächter des Nordens, aka. Kubera (jap. Bishamon-ten 毘沙門天 oder Tamon-ten 多聞天)
- Vajrayoginī (skt.) वज्रयोगिनी ^ weibl. buddhist. Schutzgottheit, identifiziert mit Inari; auch: menschenfressende Dämonin