Mythen/Goetter der Erde/Trickster: Unterschied zwischen den Versionen

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Der englische Begriff „''trickster''“ („Gauner, Schelm, Halunke“) hat sich u.a. in der Kulturanthropologie als Fachbegriff eingebürgert und wird dort für mythologische Figuren mit stark ambivalenten Charakterzügen verwendet.  Auf dieser Seite möchte ich  darauf hinweisen, dass es auch in den japanischen Mythen Figuren gibt, die als Trickster einzustufen sind. Zunächst muss aber geklärt werden, was ein „Trickster“ überhaupt ist.
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Der bekannte Mythenforscher Mircea Eliade definierte die seiner Meinung nach arche·typische Gestalt des Tricksters anhand von Beispielen aus Nordamerika folgendermaßen:
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== Eliades Trickster ==
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Besonders von der Psychologie C.G. Jungs beeinflusste Autoren wie z.B. der bekannte Mythenforscher {{g|Eliademircea}} sahen im Trickster eine archetypische Gestalt,
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die sich in allen Kulturen in der einen oder anderen Form wiederfinden lässt. Auf der Basis nordamerikanischer Indianermärchen definierte Eliade den Trickster folgendermaßen:
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Seine Persönlichkeit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehr·zahl der mytho·logischen Traditionen ist er für das Vor·handen·sein des Todes und den jetzigen Zu·stand der Welt ver·ant·wort·lich. Er ist aber auch ein Ver·wandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge ge·stohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet.
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Seine Persönlichkeit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehrzahl der mythologischen Traditionen ist er für das Vorhandensein des Todes und den jetzigen Zustand der Welt verantwortlich. Er ist aber auch ein Verwandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge gestohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet.
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[… Er ist] intelligent und dumm zugleich, den Göttern nahe durch seine „Uranfänglichkeit“ und seine Kräfte, aber den Menschen noch näher durch seinen gefräßigen Hunger, seine außergewöhnliche Sexualität und seine Amoralität.  
  
Aber auch als Kulturheros bewahrt er die spezifischen Züge eines Betrügers. Wenn er das Feuer oder ein anderes dem Menschen un·be·dingt not·wen·diges Gut stiehlt, das ein göttliches Wesen eifer·süchtig hütet (Sonne, Wasser, Wild, Fische), so gelingt ihm das nicht auf heroische Weise, sondern mittels Schlau·heit oder Betrug. Der Erfolg seiner Bemühungen wird oft durch seine Un·ge·schick·lich·keit in Frage gestellt (die Erde wird etwa durch Feuer oder Flut vernichtet).
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[…] Gewisse charakteristische Züge der menschlichen Verhältnisse von heute sind die Folge der Einmischung des Tricksters in den Akt der Schöpfung. Er triumphiert zum Beispiel über Monstren, ohne sich als Heros zu gebärden: Viele Dinge gelingen, aber ebenso viele mißlingen ihm; er organisiert und vollendet die Welt, aber mit so vielen Irrtümern und Ungeschicklichkeiten, daß schließlich nichts vollkommen zustande kommt.<ref>
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Mircea Eliade (1969), zitiert nach Hartmut Dietz, ''[http://www.physiologus.de/trickster.htm Neuer Physiologus]'' (2011/12/01)
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Nur mit List oder Täuschung gelingt es ihm, die Menschen von den kanni·balischen Ungeheuern zu befreien.
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== Bekannte Trickster ==
  
Ein weiterer charakteristischer Zug des Tricksters ist seine ambivalente Haltung gegenüber dem Heiligen. Er karikiert und parodiert scha·ma·nis·tische Erfahrungen oder priesterliche Rituale. Die Schutzgeister des Schamanen werden von ihm auf groteske Weise mit seinen Ex·kre·men·ten identifiziert, und er parodiert den ekstatischen Flug des Schamanen, obwohl er selbst am Ende immer her·unter·fällt. Es ist klar, daß dieses paradoxe Benehmen eine zwei·fache Bedeutung hat: Der Trickster macht sich über das Heilige, die Priester und die Scha·ma·nen lustig, die Lächer·lich·keit richtet sich aber auch gegen ihn selbst. Wenn er nicht der hart·näckige und listen·reiche Feind des Schöpfergottes ist (wie in den kalifornischen Mythen), dann erweist er sich als eine schwer zu definierende Persön·lich·keit, intelligent und dumm zugleich, den Göttern nahe durch seine „Uranfänglichkeit“ und seine Kräfte, aber den Menschen noch näher durch seinen ge·fräßigen Hunger, seine außer·ge·wöhn·liche Sexualität und seine Amoralität.
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Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den nordischen Mythen (Loki) oder in den Mythen der griechischen Antike, wo Figuren wie Prometheus, Tantalos oder Sisyphos die anderen Götter mit Tricks überlisten wollen:
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* Prometheus bringt den Menschen gegen den ausdrücklichen Befehl von Zeus das Feuer.  
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* Tantalos möchte die Allwissenheit der anderen Götter auf die Probe stellen und setzt ihnen seinen eigenen Sohn zur Mahlzeit vor.
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* Sisyphos, ein notorischer Lügner, setzt  kurzzeitig den Tod außer Gefecht.  
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Sie alle werden mit drastischen Strafen belegt: Prometheus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler gefressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hinunter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet umgeben von Köstlichkeiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann.
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Was diese Trickster interessant macht, ist, dass sie den Menschen helfen, indem sie den Göttern schaden. Trickster-Erzählungen führen die eigene Kultur auf einen Kulturheros zurück, der in den Augen der Götter einen Tabubruch, einen verbotenen Akt oder ein Verbrechen begangen hat. Die Ambivalenz des Tricksters verdeutlicht somit den Widerspruch zwischen göttlicher und menschlicher Ordnung und kann auch als Ausdruck eines tief empfundenen Widerspruchs zwischen menschlicher Kultur und göttlicher Schöpfung bzw. der Natur gedeutet werden.  
  
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Dieser grundlegende kulturelle Selbstzweifel ist in Ostasien allerdings kaum auszumachen. Die chinesische Literatur kennt zum Beispiel einen Trickster in Gestalt des Affen {{g|Sunwukong}}, der nach allen möglichen Missetaten und Bestrafungen zum Diener des berühmten Pilgers {{g|Xuanzang}} wird und mithilft den Buddhismus in China zu verbreiten.<!--
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Die Geschichte beruht auf den Aufzeichnungen Xuanzangs aus dem 7. Jh., die sich im Laufe der Zeit mit phantastischen Legenden anreicherten und im 16. Jahrhundert unter dem Titel ''Reise in den Westen'' als Roman erschienen. Die ''Reise in den Westen'' wurde auch in Japan eifrig gelesen und diente als Vorlage für die Manga-Serie ''Dragon Ball'', in der sich der Affe Sun Wukong (jap. Songokū) in einen manierlichen Manga-Helden wandelt. 
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In diesem Fall handelt also ein Trickster, trotz seines zwiespältigen Charakters, im Auftrag des Buddha.  
  
Gewisse charakteristische Züge der menschlichen Verhältnisse von heute sind die Folge der Einmischung des Tricksters in den Akt der Schöpfung. Er triumphiert zum Beispiel über Monstren, ohne sich als Heros zu gebärden: Viele Dinge gelingen, aber ebenso viele mißlingen ihm; er organisiert und vollendet die Welt, aber mit so vielen Irrtümern und Ungeschick·lichkeiten, daß schließlich nichts vollkommen zustande kommt. In dieser Hinsicht kann man in der Figur des Tricksters eine Projektion des Menschen sehen, der eine neue Art der Religion sucht.
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== Trickster in Japan ==
|quelle= Mircea Eliade (1969), zitiert nach Hartmut Dietz, ''[http://www.physiologus.de/trickster.htm Neuer Physiologus]'' (2011/12/01).  
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===Susanoo ===
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==Antike Sagenwelt==
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{{g|Susanoo}}, der etwas missratene Sohn des japanischen Urgötterpaares {{g|Izanagi}} und {{g|Izanami}}, besitzt die typische Ambivalenz  eines Tricksters — sowohl kindlich naiv als auch schlau, sowohl  Tunichtgut als auch tapferer Held — allerdings treten diese Eigenschaften nicht gleichzeitig zu Tage, sondern in aufeinander folgenden Episoden, in denen sich ein erstaunlicher Charakterwandel des Protagonisten vollzieht:
Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den Mythen der europäischen Antike, allen voran in der Figur des Prometheus, der den Menschen nach einer Über·lieferung sogar selbst aus Lehm er·schafft und ihn schließ·lich durch List in den Besitz des Feuers bringt. All dies gegen den aus·drück·lichen Befehl des Göttervaters Zeus. Auch andere griechische (Halb-)Götter rebellieren mit List und Tücke gegen die Ordnung der Götter, etwa Tantalos, der den Göttern, um ihre All·wissen·heit zu testen, seinen eigenen Sohn zur Mahl·zeit vorsetzt, oder Sisyphos, ein notorischer Lügner, der kurz·zeitig sogar den Tod außer Gefecht setzt. Sie alle werden in den griechischen Mythen mit drastischen Strafen belegt, die sich vor allem durch ihre Permanenz auszeichnen: Prometheus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler ge·fressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hin·unter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet umgeben von Köstlichkeiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann.
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* Zunächst wird Susanoo als kindlicher Charakter vorgestellt, dessen Heulen Stürme auslösen kann.
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* Dann misst er sich in einem Wettstreit mit seiner Schwester {{g|Amaterasu}}, aus dem Kinder entstehen, die schließlich zu den Urahnen des {{g|tennou}}-Geschlechts werden.  
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* Es folgen die berühmten Missetaten des Susanoo: Er beschmiert Amaterasus Palast mit den eigenen Exkrementen, zerstört Felder und eine Webehalle, tötet ein Pferd und eine Dienerin Amaterasus und schafft auf diese Weise den Grund, warum sich Amaterasu, die Sonne, vorübergehend verdunkelt (in eine Höhle zurückzieht).  
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* Zur Strafe werden Susanoo die Nägel ausgerissen, dann muss er aufwendige Opfergaben leisten und schließlich wird er aus dem Himmel verbannt.
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* Auf der Erde — seinem Exil — kämpft er gegen die tyrannische Schlange {{g|Yamatanoorochi}}, die er — typisch Trickster —  eher durch List als durch Stärke besiegt, indem er sie betrunken macht.
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* Schlussendlich endet Susanoo als Herr über die Unterwelt und erfüllt damit ein weiteres Kriterium Eliades, die Nähe zum Tod. 
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Demnach lässt sich der Susanoo-Mythos auch dahingehend interpretieren, dass Susanoo den gewalttätigen Aspekt ({{g|aramitama}}) seiner göttlichen Natur besiegt und seine Trickster-Züge abstreift. Andererseits haben
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Volkskundler, die Susanoos Kampf im Kontext von rezenten volksreligiösen Festen analysierten, die These aufgestellt, dass Susanoo und die Schlange im Grunde zwei Aspekte der gleichen Gottheit darstellen, womit sein ambivalenter Charakter erneut bestätigt wäre.<!--
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Matsudaira Narimitsu, ''Matsuri, honshitsu to shosō.'' Tokyo: Nikkō Shoin, 1946; zitiert nach Ouwehand 1958, S. 151–58.
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In der religiösen Praxis wurde und wird Susanoo häufig als Seuchengott verehrt, der Krankheiten sowohl bringen als auch heilen kann. Auch in dieser Rolle tritt eine Trickster-artige Ambivalenz zu Tage.<ref>S. dazu {{zitiert|Weiss 2022}}.</ref>
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=== Ōkuninushi ===
  
Gerade am Beispiel des Prometheus drängt sich die Idee auf, dass er stell·ver·tretend für die Entweihung büßen muss, welche die mensch·liche Kultur gegenüber der gött·lichen Ordnung darstellt. Auch in der biblischen Erbsünde, bzw. dem Kreuzestod Christi kann man diese Idee von mensch·licher Kultur als Frevel finden (Jesus über·nimmt dabei eine theologisch transzendierte Tricksterrolle, in der die komische Seite fehlt).
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{{g|ookuninushi}}, ein Sohn (bzw. Nachkomme) des Susanoo, arbeitet mit vielen Tricks, ist aber insgesamt ein sehr positiver Charakter. Aus diesem Grund ist er vielleicht keine archetypische Trickstergestalt, doch klingen zahlreiche der genannten Charaktereigenschaften in den ihn betreffenden Erzählungen durch.  
  
==Trickster in Japan==
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Ōkuninushis Streiche und Tricks richten sich vorerst nicht gegen die höchsten Götter, sondern nur gegen die eigene Familie einschließlich seines Vaters. Ōkuninushi tappt dabei in eine Reihe von Fallen, aus denen er sich aber immer mit List und mit der Hilfe von Frauen befreien kann. 
{{glossar:Susanoo}}, der etwas missratene Sohn des japanischen Urgötter·paares {{glossar:Izanagi}} und {{glossar:Izanagi}}, besitzt fast alle von Eliade auf·ge·zählten Eigen·schaften eines Tricksters, aller·dings treten sie nicht gleich·zeitig zu Tage, sondern in auf einander folgenden Episoden. Zu·nächst begeht er Missetaten, die sich gezielt gegen seine Schwester {{glossar:Amaterasu}}, die herrin des Himmels, richten. U.a. ent·weiht er ihren Palast mit den eigenen Exkrementen, zerstört Felder und eine Webehalle, tötet ein Pferd und eine Dienerin Amaterasus. Zur Strafe werden ihm die Nägel aus·ge·rissen, dann muss er aufwendige Opfer·gaben leisten und schließ·lich wird er aus dem Himmel ver·bannt. Diese Strafen sind grausam, aber be·grenzt. Er muss nicht wie seine griechi·schen Kollegen alle Zeiten hindurch leiden.
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Schlussendlich stiehlt er Susanoo seine Waffen und übernimmt damit die Herrschaft auf Erden. In zahlreichen Liebesaffairen spielt er auch das von Eliade angeführte Element der „außergewöhnlichen Sexualität“ aus. Schließlich  muss er dem „himmlischen Enkelsohn“ {{g|ninigi}} weichen, doch vermag er mit vielen Tricks, seine Abdankung hinaus zu zögern. Am Ende zieht auch er sich in eine Art Unterwelt zurück (s.a. den Essay  {{showTitel|Essays/Okuninushi|anf=1}}).
  
Stattdessen kann sich Susanoo in der irdischen Welt eine neue Existenz aufbauen und wird in dieser Rolle zum Kulturheros. Als Kulturheros verliert  er seine subversiven Züge.  Seine List, mit der er die tyran·nische Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}} un·schäd·lich macht, ist eben·so·wenig gegen die Ordnung der Götter gerichtet, wie die sonstigen Wohl·taten, die er für die Menschen ersinnt (nach einer Version erschafft er nützliche Bäume und Getreide). Seine Identität als Tunichtgut und seine Identität als Wohltäter der Menschheit werden im japanischen Mythos in getrennten Episoden zum Ausdruck gebracht, als ob der Gott im Zuge seiner Bestrafung eine Charakter·wandlung durch·gemacht hätte. Menschliche Kultur an sich ist mit der Ordnung der (himmlischen) Götter kompatibel.
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=== Yamato Takeru ===
Schluss·end·lich endet Susanoo als Herr über die Unterwelt und erfüllt damit ein weiteres Kriterium Eliades, die Nähe zum Tod. 
 
  
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Auch Prinz {{g|yamatotakeru}} ist eine Gestalt mit tricksterartigen Zügen. Als Sohn des (semi-mythologischen) {{g|keikoutennou}} fällt er allerdings nicht mehr in das sogenannte Göttliche Zeitalter. Schon als Kind mit übermenschlichen Kräften ausgestattet, tötet er seinen älteren Bruder aufgrund eines trivialen Missverständnisses.<!--
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|Susanoo kämpft gegen die achtköpfige Schlange
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Nachdem der ältere Bruder nicht bei den gemeinsamen Mahlzeiten erscheint, erhält Yamato Takeru die Anweisung seines Vaters Keikō Tennō, seinen Bruder „zu belehren und zu warnen.“ Er interpretiert dies jedoch aufgrund einer unübersetzbaren Doppelbedeutung dahingehend, seinem Bruder die Gliedmaßen auszureißen, was er auch in die Tat umsetzt. (''Kojiki'', Antoni 2012, S. 143–44; s.a. Isomae 1999, S. 363.)
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Seinem Vater wird der Sohn unheimlich und er schickt ihn in scheinbar aussichtslose Feldzüge, die Yamato Takeru allerdings mit List, Schläue und der ihm eigenen Brutalität meistert. Damit wird auch Yamato Takeru  zu einem Kulturheros des frühen {{g|Yamato}}-Reiches. Die Ambivalenz des Tricksters ist im Fall Yamato Takerus auf einen Vater-Sohn Konflikt herunter gebrochen, der beinahe in ein Happy End zu münden scheint. Letztlich führt jedoch Leichtsinn dazu, dass Takeru in der Begegnung mit einer feindlichen Gottheit den Kürzeren zieht. Sein früher Tod wird in gewisser Weise dadurch wettgemacht, dass sich sein Totengeist als weißer Vogel in die Lüfte erhebt und in dieser Form — als einer der letzten mythologischen Gestalten — auch Verehrung als Schreingottheit genießt: Die meisten der über ganz Japan verstreuten „Weißvogel Schreine“ ({{g|shiratorijinja}}) sind Yamato Takeru geweiht.
  
In {{glossar:ookuninushi}}, einem Sohn des Susanoo, begegnen wir einer weiteren japanischen Trickster·gestalt. Seine Streiche und Tricks richten sich vorerst nicht gegen die höchsten Götter, sondern nur gegen die eigene Familie einschließ·lich seines Vaters. Er übernimmt
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=== Der Feuergott ===
kurzzeitig die Herrschaft auf Erden und spielt dabei vor allem das von Eliade angeführte Element der „außer·ge·wöhn·lichen Sexualität“ aus. Schließlich  muss er dem „himm·lischen Enkelsohn“ Amaterasus weichen, doch vermag er mit vielen Tricks, seine Abdankung hinaus zu zögern. Am Ende zieht auch er sich in eine Art Unterwelt zurück (s. Sidepage [[Ōkuninushi]]).
 
  
Auch Prinz {{glossar:yamatotakeru}} ist eine Gestalt mit trickster·artigen Zügen. Als Sohn des (mytho·logischen) Keikō Tennō fällt er allerdings nicht mehr in das sogenannte Gött·liche Zeitalter. Schon als Kind mit über·mensch·lichen Kräften aus·gestattet, tötet er seinen älteren Bruder aufgrund eines lächer·lichen Miss·ver·ständ·nisses. Seinem Vater wird der Sohn unheimlich und er schickt ihn in scheinbar aus·sichts·lose Feldzüge, die Yamato Takeru allerdings souverän meistert und damit zum Macht·gewinn des frühen {{glossar:Yamato}}-Reiches beiträgt. Die Ambivalenz des Tricksters ist im Fall Yamato Takerus auf einen Vater-Sohn Konflikt herunter gebrochen, der beinahe in einem Happy End zu enden scheint. Letztlich führt jedoch Leichtsinn dazu, dass Takeru in der Begeg·nung mit einer feindlichen Gottheit den Kürzeren zieht. Sein früher Tod wird in gewisser Weise dadurch wett·gemacht, dass er als einer der letzten mytho·logi·schen Gestalten Verehrung als Schrein·gottheit genießt.  
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Das Motiv des Feuers als ambivalentes Medium, mit Hilfe dessen sich die Menschen gegen die Ordnung der Götter erheben, lässt sich in undeutlichen Spuren in der Geschichte vom Tod der Göttermutter {{g|Izanami}} wiederfinden. Sie wird durch die Geburt des Feuers tödlich verletzt, was den Göttervater {{g|Izanagi}} dazu bringt, das Feuer-Kind mit einem Schwert in Stücke zu schlagen. Doch in diesem Fall entstehen aus diesen Stücken neue Gottheiten, die als Schwert- und Feuergötter besonders kriegerische Eigenschaften haben: {{g|Takemikazuchi}} und {{g|Futsunushi}}. Sie treten in späteren Episoden als Helden auf Seite der Ahnen des Tennō-Hauses auf. In diesem Fall ist die Ambivalenz des Feuers  in seinen chronologisch wechselnden Rollen zu erkennen, nicht aber gleichzeitig in einer Figur vorhanden, sodass man nicht von einem typischen Feuer-Trickster sprechen kann. Wenn man aber bedenkt, dass schließlich heroische Aufgaben auf die beiden Feuer-Schwertgötter warten, so gleicht ihr Werdegang demjenigen Susanoos, der sich von Negativen zum Positiven entwickelt. Japanischen Mythenerzählern scheinen derartige Plots näher gelegen zu haben als die durchgehende Ambivalenz der Trickster-Figur.
  
Die Gestalt des Tricksters ist den japanischen Mythen also keineswegs fremd. Fast alle von Eliade geschilderten Elemente lassen sich finden, lediglich der im Trickster sichtbare Wider·spruch zwischen göttlicher und menschlicher Ordnung ist kaum zu erkennen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die bekannten Mythen·fassungen in erster Linie aus den offiziellen Reichs·chroniken stammen (vgl. [[Texte|Mythentexte]]) und dort zweifellos im Hinblick auf die Legitimation des Kaiser·hauses hin „geschönt“ wurden. Es mag aber auch sein, dass der ödipale Konflikt zwischen Göttern und Menschen doch nicht so universell ist, wie Eliade annahm.
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== Zusammenfassung ==
  
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Der Trickster-Begriff lässt sich also auch auf den japanischen Mythos anwenden und hat insbesondere in Susanoo einen typischen Vertreter. Das einzige Trickster-Motiv, das weder im Susanoo-Mythenkomplex noch sonst wo in den klassischen Mythen auftaucht, ist der Diebstahl von göttlichen Privilegien (etwa das Feuer), aus denen sich gegen den göttlichen Plan die Kultur der Menschen entwickelt. Dies mag dem besonderen Charakter der japanischen Mythen als Legitimation der Tennō-Dynastie geschuldet sein: Zwischen Menschen und Göttern wird kein fundamentaler Gegensatz postuliert, da ja zumindest die Tennō-Dynastie aus Göttern hervorgegangen ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Mythologien ist die menschliche Kultur an sich daher in Japan kein Frevel, sondern steht mit der Ordnung der (himmlischen) Götter im Einklang. Dieses harmonische Bild erfährt jedoch in Episoden wie Susanoos Misstaten oder Ōkuninushis Abdankung immer wieder Risse und man kann vermuten, dass es auch Erzählvarianten gab, in denen die negativen Seiten der japanischen Trickster viel deutlicher zum Ausdruck kamen als in den heute bekannten, staatlich abgesegneten Mythologien.
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Aktuelle Version vom 9. Januar 2023, 17:45 Uhr

Japanische Trickster

Der englische Begriff „trickster“ („Gauner, Schelm, Halunke“) hat sich u.a. in der Kulturanthropologie als Fachbegriff eingebürgert und wird dort für mythologische Figuren mit stark ambivalenten Charakterzügen verwendet. Auf dieser Seite möchte ich darauf hinweisen, dass es auch in den japanischen Mythen Figuren gibt, die als Trickster einzustufen sind. Zunächst muss aber geklärt werden, was ein „Trickster“ überhaupt ist.

Susanoo toyokuni.jpg
1 Susanoo kämpft gegen die achtköpfige Schlange
Susanoo rettet Prinzessin Kushinada vor der achtköpfigen Schlange (hebi). Im Vordergrund acht Töpfe mit Sake, Susanoos Trick, um das Monster betrunken zu machen. Wie für viele ukiyo-e der mittleren Periode typisch, ist der Held mit den Zügen eines Kabuki-Schauspielers ausgestattet.
Werk von Utagawa Toyokuni (1769–1825). Spätere Edo-Zeit. Tokyo National Museum.

Eliades Trickster

Besonders von der Psychologie C.G. Jungs beeinflusste Autoren wie z.B. der bekannte Mythenforscher Mircea Eliade [Eliade, Mircea (west.) 1907–1986, rumänischer Religionswissenschaftler und Ethnologe, lehrte an der Universität Chicago] sahen im Trickster eine archetypische Gestalt, die sich in allen Kulturen in der einen oder anderen Form wiederfinden lässt. Auf der Basis nordamerikanischer Indianermärchen definierte Eliade den Trickster folgendermaßen:

Seine Persönlichkeit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehrzahl der mythologischen Traditionen ist er für das Vorhandensein des Todes und den jetzigen Zustand der Welt verantwortlich. Er ist aber auch ein Verwandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge gestohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet.

[… Er ist] intelligent und dumm zugleich, den Göttern nahe durch seine „Uranfänglichkeit“ und seine Kräfte, aber den Menschen noch näher durch seinen gefräßigen Hunger, seine außergewöhnliche Sexualität und seine Amoralität.

[…] Gewisse charakteristische Züge der menschlichen Verhältnisse von heute sind die Folge der Einmischung des Tricksters in den Akt der Schöpfung. Er triumphiert zum Beispiel über Monstren, ohne sich als Heros zu gebärden: Viele Dinge gelingen, aber ebenso viele mißlingen ihm; er organisiert und vollendet die Welt, aber mit so vielen Irrtümern und Ungeschicklichkeiten, daß schließlich nichts vollkommen zustande kommt.1

Bekannte Trickster

Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den nordischen Mythen (Loki) oder in den Mythen der griechischen Antike, wo Figuren wie Prometheus, Tantalos oder Sisyphos die anderen Götter mit Tricks überlisten wollen:

  • Prometheus bringt den Menschen gegen den ausdrücklichen Befehl von Zeus das Feuer.
  • Tantalos möchte die Allwissenheit der anderen Götter auf die Probe stellen und setzt ihnen seinen eigenen Sohn zur Mahlzeit vor.
  • Sisyphos, ein notorischer Lügner, setzt kurzzeitig den Tod außer Gefecht.

Sie alle werden mit drastischen Strafen belegt: Prometheus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler gefressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hinunter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet umgeben von Köstlichkeiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann.

Was diese Trickster interessant macht, ist, dass sie den Menschen helfen, indem sie den Göttern schaden. Trickster-Erzählungen führen die eigene Kultur auf einen Kulturheros zurück, der in den Augen der Götter einen Tabubruch, einen verbotenen Akt oder ein Verbrechen begangen hat. Die Ambivalenz des Tricksters verdeutlicht somit den Widerspruch zwischen göttlicher und menschlicher Ordnung und kann auch als Ausdruck eines tief empfundenen Widerspruchs zwischen menschlicher Kultur und göttlicher Schöpfung bzw. der Natur gedeutet werden.

Dieser grundlegende kulturelle Selbstzweifel ist in Ostasien allerdings kaum auszumachen. Die chinesische Literatur kennt zum Beispiel einen Trickster in Gestalt des Affen Sun Wukong [Sun Wukong (chin.) 孫悟空 Held in Affengestalt des chinesischen Klassikers Reise in den Westen (Xi you ji 西遊記, 16. Jh.); jap. Songokū], der nach allen möglichen Missetaten und Bestrafungen zum Diener des berühmten Pilgers Xuanzang [Xuanzang (chin.) 玄奘 602–664; berühmter chin. Pilgermönch und buddh. Gelehrter; Autor eines einflussreichen Reiseberichts über das buddhistische Indien, der später als „Reise nach dem Westen“ in einen Roman gefasst wurde] wird und mithilft den Buddhismus in China zu verbreiten.2 In diesem Fall handelt also ein Trickster, trotz seines zwiespältigen Charakters, im Auftrag des Buddha.

Trickster in Japan

Susanoo

Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu], der etwas missratene Sohn des japanischen Urgötterpaares Izanagi [Izanagi (jap.) 伊耶那岐/伊奘諾 Göttervater; auch Izanaki (ki hier männliche Endung); Bruder und Mann von Izanami] und Izanami [Izanami (jap.) 伊耶那美/伊奘冉 Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi], besitzt die typische Ambivalenz eines Tricksters — sowohl kindlich naiv als auch schlau, sowohl Tunichtgut als auch tapferer Held — allerdings treten diese Eigenschaften nicht gleichzeitig zu Tage, sondern in aufeinander folgenden Episoden, in denen sich ein erstaunlicher Charakterwandel des Protagonisten vollzieht:

  • Zunächst wird Susanoo als kindlicher Charakter vorgestellt, dessen Heulen Stürme auslösen kann.
  • Dann misst er sich in einem Wettstreit mit seiner Schwester Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise], aus dem Kinder entstehen, die schließlich zu den Urahnen des Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]-Geschlechts werden.
  • Es folgen die berühmten Missetaten des Susanoo: Er beschmiert Amaterasus Palast mit den eigenen Exkrementen, zerstört Felder und eine Webehalle, tötet ein Pferd und eine Dienerin Amaterasus und schafft auf diese Weise den Grund, warum sich Amaterasu, die Sonne, vorübergehend verdunkelt (in eine Höhle zurückzieht).
  • Zur Strafe werden Susanoo die Nägel ausgerissen, dann muss er aufwendige Opfergaben leisten und schließlich wird er aus dem Himmel verbannt.
  • Auf der Erde — seinem Exil — kämpft er gegen die tyrannische Schlange Yamata no Orochi [Yamata no Orochi (jap.) 八岐大蛇 Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt], die er — typisch Trickster — eher durch List als durch Stärke besiegt, indem er sie betrunken macht.
  • Schlussendlich endet Susanoo als Herr über die Unterwelt und erfüllt damit ein weiteres Kriterium Eliades, die Nähe zum Tod.

Demnach lässt sich der Susanoo-Mythos auch dahingehend interpretieren, dass Susanoo den gewalttätigen Aspekt (aramitama [aramitama (jap.) 荒魂 wtl. rauer (wilder) Geist; gewalttätige Natur (mitama) einer Gottheit (im Ggs. zu nigimitama, milder Geist)]) seiner göttlichen Natur besiegt und seine Trickster-Züge abstreift. Andererseits haben Volkskundler, die Susanoos Kampf im Kontext von rezenten volksreligiösen Festen analysierten, die These aufgestellt, dass Susanoo und die Schlange im Grunde zwei Aspekte der gleichen Gottheit darstellen, womit sein ambivalenter Charakter erneut bestätigt wäre.3

In der religiösen Praxis wurde und wird Susanoo häufig als Seuchengott verehrt, der Krankheiten sowohl bringen als auch heilen kann. Auch in dieser Rolle tritt eine Trickster-artige Ambivalenz zu Tage.4

Ōkuninushi

Ōkuninushi [Ōkuninushi (jap.) 大国主 mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes], ein Sohn (bzw. Nachkomme) des Susanoo, arbeitet mit vielen Tricks, ist aber insgesamt ein sehr positiver Charakter. Aus diesem Grund ist er vielleicht keine archetypische Trickstergestalt, doch klingen zahlreiche der genannten Charaktereigenschaften in den ihn betreffenden Erzählungen durch.

Ōkuninushis Streiche und Tricks richten sich vorerst nicht gegen die höchsten Götter, sondern nur gegen die eigene Familie einschließlich seines Vaters. Ōkuninushi tappt dabei in eine Reihe von Fallen, aus denen er sich aber immer mit List und mit der Hilfe von Frauen befreien kann. Schlussendlich stiehlt er Susanoo seine Waffen und übernimmt damit die Herrschaft auf Erden. In zahlreichen Liebesaffairen spielt er auch das von Eliade angeführte Element der „außergewöhnlichen Sexualität“ aus. Schließlich muss er dem „himmlischen Enkelsohn“ Ninigi [Ninigi (jap.) 瓊瓊杵 mytholog. Gottheit, Enkel Amaterasus] weichen, doch vermag er mit vielen Tricks, seine Abdankung hinaus zu zögern. Am Ende zieht auch er sich in eine Art Unterwelt zurück (s.a. den Essay „Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter“).

Yamato Takeru

Auch Prinz Yamato Takeru [Yamato Takeru (jap.) 倭建/日本武 Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato] ist eine Gestalt mit tricksterartigen Zügen. Als Sohn des (semi-mythologischen) Keikō Tennō [Keikō Tennō (jap.) 景行天皇 mythol. Herrscher, offiziell der 12. japanische Tennō, Sohn von Suinin Tennō, Vater von Yamato Takeru; mythol. Daten 71–130 u.Z.] fällt er allerdings nicht mehr in das sogenannte Göttliche Zeitalter. Schon als Kind mit übermenschlichen Kräften ausgestattet, tötet er seinen älteren Bruder aufgrund eines trivialen Missverständnisses.5 Seinem Vater wird der Sohn unheimlich und er schickt ihn in scheinbar aussichtslose Feldzüge, die Yamato Takeru allerdings mit List, Schläue und der ihm eigenen Brutalität meistert. Damit wird auch Yamato Takeru zu einem Kulturheros des frühen Yamato [Yamato (jap.) 大和/倭 Kernland der Tennō-Dynastie in Zentraljapan (Präfektur Nara); archaischer Name für Japan]-Reiches. Die Ambivalenz des Tricksters ist im Fall Yamato Takerus auf einen Vater-Sohn Konflikt herunter gebrochen, der beinahe in ein Happy End zu münden scheint. Letztlich führt jedoch Leichtsinn dazu, dass Takeru in der Begegnung mit einer feindlichen Gottheit den Kürzeren zieht. Sein früher Tod wird in gewisser Weise dadurch wettgemacht, dass sich sein Totengeist als weißer Vogel in die Lüfte erhebt und in dieser Form — als einer der letzten mythologischen Gestalten — auch Verehrung als Schreingottheit genießt: Die meisten der über ganz Japan verstreuten „Weißvogel Schreine“ (Shiratori Jinja [Shiratori Jinja (jap.) 白鳥神社 wtl. Weißvogel Schrein; in vielen Landesteilen Japans vorkommende Schreine; meist Yamato Takeru geweiht, der sich nach seinem Tod in einen weißen Vogel verwandelt haben soll]) sind Yamato Takeru geweiht.

Der Feuergott

Das Motiv des Feuers als ambivalentes Medium, mit Hilfe dessen sich die Menschen gegen die Ordnung der Götter erheben, lässt sich in undeutlichen Spuren in der Geschichte vom Tod der Göttermutter Izanami [Izanami (jap.) 伊耶那美/伊奘冉 Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi] wiederfinden. Sie wird durch die Geburt des Feuers tödlich verletzt, was den Göttervater Izanagi [Izanagi (jap.) 伊耶那岐/伊奘諾 Göttervater; auch Izanaki (ki hier männliche Endung); Bruder und Mann von Izanami] dazu bringt, das Feuer-Kind mit einem Schwert in Stücke zu schlagen. Doch in diesem Fall entstehen aus diesen Stücken neue Gottheiten, die als Schwert- und Feuergötter besonders kriegerische Eigenschaften haben: Takemikazuchi [Takemikazuchi (jap.) 建御雷 Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt] und Futsunushi [Futsunushi (jap.) 経津主 Mythologischer Schwertgott]. Sie treten in späteren Episoden als Helden auf Seite der Ahnen des Tennō-Hauses auf. In diesem Fall ist die Ambivalenz des Feuers in seinen chronologisch wechselnden Rollen zu erkennen, nicht aber gleichzeitig in einer Figur vorhanden, sodass man nicht von einem typischen Feuer-Trickster sprechen kann. Wenn man aber bedenkt, dass schließlich heroische Aufgaben auf die beiden Feuer-Schwertgötter warten, so gleicht ihr Werdegang demjenigen Susanoos, der sich von Negativen zum Positiven entwickelt. Japanischen Mythenerzählern scheinen derartige Plots näher gelegen zu haben als die durchgehende Ambivalenz der Trickster-Figur.

Zusammenfassung

Der Trickster-Begriff lässt sich also auch auf den japanischen Mythos anwenden und hat insbesondere in Susanoo einen typischen Vertreter. Das einzige Trickster-Motiv, das weder im Susanoo-Mythenkomplex noch sonst wo in den klassischen Mythen auftaucht, ist der Diebstahl von göttlichen Privilegien (etwa das Feuer), aus denen sich gegen den göttlichen Plan die Kultur der Menschen entwickelt. Dies mag dem besonderen Charakter der japanischen Mythen als Legitimation der Tennō-Dynastie geschuldet sein: Zwischen Menschen und Göttern wird kein fundamentaler Gegensatz postuliert, da ja zumindest die Tennō-Dynastie aus Göttern hervorgegangen ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Mythologien ist die menschliche Kultur an sich daher in Japan kein Frevel, sondern steht mit der Ordnung der (himmlischen) Götter im Einklang. Dieses harmonische Bild erfährt jedoch in Episoden wie Susanoos Misstaten oder Ōkuninushis Abdankung immer wieder Risse und man kann vermuten, dass es auch Erzählvarianten gab, in denen die negativen Seiten der japanischen Trickster viel deutlicher zum Ausdruck kamen als in den heute bekannten, staatlich abgesegneten Mythologien.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Mircea Eliade (1969), zitiert nach Hartmut Dietz, Neuer Physiologus (2011/12/01)
  2. Die Geschichte beruht auf den Aufzeichnungen Xuanzangs aus dem 7. Jh., die sich im Laufe der Zeit mit phantastischen Legenden anreicherten und im 16. Jahrhundert unter dem Titel Reise in den Westen als Roman erschienen. Die Reise in den Westen wurde auch in Japan eifrig gelesen und diente als Vorlage für die Manga-Serie Dragon Ball, in der sich der Affe Sun Wukong (jap. Songokū) in einen manierlichen Manga-Helden wandelt.
  3. Matsudaira Narimitsu, Matsuri, honshitsu to shosō. Tokyo: Nikkō Shoin, 1946; zitiert nach Ouwehand 1958, S. 151–58.
  4. S. dazu Weiss 2022.
  5. Nachdem der ältere Bruder nicht bei den gemeinsamen Mahlzeiten erscheint, erhält Yamato Takeru die Anweisung seines Vaters Keikō Tennō, seinen Bruder „zu belehren und zu warnen.“ Er interpretiert dies jedoch aufgrund einer unübersetzbaren Doppelbedeutung dahingehend, seinem Bruder die Gliedmaßen auszureißen, was er auch in die Tat umsetzt. (Kojiki, Antoni 2012, S. 143–44; s.a. Isomae 1999, S. 363.)

Literatur

Siehe auch Literaturliste

David Weiss, The God Susanoo and Korea in Japan's Cultural Memory. London: Bloomsbury, 2022.
Klaus Antoni (Ü.), Kojiki: Aufzeichnungen alter Begebenheiten. Berlin: Verlag der Weltreligionen (Insel Verlag), 2012. [Mit einer begleitenden Studie und ausführlichen Text-Anmerkungen.]
Mircea Eliade, Die Sehnsucht nach dem Ursprung: Von den Quellen der Humanität. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1989. [Erstauflage 1969.]
Jun'ichi Isomae, „Myth in Metamorphosis: Ancient and Medieval Versions of the Yamatotakeru Legend“. Monumenta Nipponica 54:3 (1999), 361–85.
Cornelius Ouwehand, „Some Notes on the God Susa-no-o“. Monumenta Nipponica 14:3/4 (1958), 384–407.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Susanoo toyokuni.jpg
    Susanoo rettet Prinzessin Kushinada vor der achtköpfigen Schlange (hebi). Im Vordergrund acht Töpfe mit Sake, Susanoos Trick, um das Monster betrunken zu machen. Wie für viele ukiyo-e der mittleren Periode typisch, ist der Held mit den Zügen eines Kabuki-Schauspielers ausgestattet.
    Werk von Utagawa Toyokuni (1769–1825). Spätere Edo-Zeit. Tokyo National Museum.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amaterasu 天照 ^ Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise
  • aramitama 荒魂 ^ wtl. rauer (wilder) Geist; gewalttätige Natur (mitama) einer Gottheit (im Ggs. zu nigimitama, milder Geist)
  • Eliade, Mircea (west.) ^ 1907–1986, rumänischer Religionswissenschaftler und Ethnologe, lehrte an der Universität Chicago
  • Futsunushi 経津主 ^ Mythologischer Schwertgott
  • Izanagi 伊耶那岐/伊奘諾 ^ Göttervater; auch Izanaki (ki hier männliche Endung); Bruder und Mann von Izanami
  • Izanami 伊耶那美/伊奘冉 ^ Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi
  • Keikō Tennō 景行天皇 ^ mythol. Herrscher, offiziell der 12. japanische Tennō, Sohn von Suinin Tennō, Vater von Yamato Takeru; mythol. Daten 71–130 u.Z.
  • Ninigi 瓊瓊杵 ^ mytholog. Gottheit, Enkel Amaterasus
  • Ōkuninushi 大国主 ^ mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
  • Shiratori Jinja 白鳥神社 ^ wtl. Weißvogel Schrein; in vielen Landesteilen Japans vorkommende Schreine; meist Yamato Takeru geweiht, der sich nach seinem Tod in einen weißen Vogel verwandelt haben soll
  • Sun Wukong (chin.) 孫悟空 ^ Held in Affengestalt des chinesischen Klassikers Reise in den Westen (Xi you ji 西遊記, 16. Jh.); jap. Songokū
  • Susanoo 須佐之男/素戔男 ^ mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu
  • Takemikazuchi 建御雷 ^ Mythologischer Schwertgott (wtl. Gewittergott); Ahnengottheit der Fujiwara; u.a. in den Schreinen Kashima und Kasuga verehrt
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
  • Xuanzang (chin.) 玄奘 ^ 602–664; berühmter chin. Pilgermönch und buddh. Gelehrter; Autor eines einflussreichen Reiseberichts über das buddhistische Indien, der später als „Reise nach dem Westen“ in einen Roman gefasst wurde
  • Yamata no Orochi 八岐大蛇 ^ Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt
  • Yamato 大和/倭 ^ Kernland der Tennō-Dynastie in Zentraljapan (Präfektur Nara); archaischer Name für Japan
  • Yamato Takeru 倭建/日本武 ^ Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato