Geschichte/Bakumatsu: Unterschied zwischen den Versionen

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{{titel| <span>Bakumatsu-Zeit, 1853–1868</span> Aufbruch in eine neue Ära }}
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| Aufbruch in eine neue Ära: Bakumatsu-Zeit, 1853–1867
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{{fl|U}}nter {{glossar:bakumatsu}} versteht man die Spätzeit des {{glossar:Tokugawa}} Shogunats ({{glossar: bakufu}}), in der es nach einer Friedens·zeit von über 250 Jahren zum Verfall der staat·lichen Auto·rität und zu bürger·kriegs·artigen Unruhen kam. Struk·turelle Fak·toren (Ver·knöche·rung der Büro·kratie und des Steuer·wesens; unzeit·gemäßes Standes·system), ungüns·tige Klima·ver·ände·rungen (→ Ernte·rück·gang Hungers·nöte), [[Mythen:Symboltiere/Namazu-e|Erdbeben]] und Seuchen (durch Kontakt mit dem Ausland ausgelöst), aber vor allem die Bedrohung durch den Westen er·zwan·gen das Ende der japa·nischen Isola·tions·politik und führten zur Schwächung der staat·lichen Auto·rität. Von den ver·schie·densten Seiten wurden Rufe nach gesell·schaft·licher Ver·änderung laut.  
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Unter {{g|bakumatsu}} versteht man die Spätzeit des {{g|Tokugawa}} Shōgunats ({{g| bakufu}}), in der es nach einer Friedenszeit von etwa 250 Jahren zum Verfall der staatlichen Autorität und zu bürgerkriegsartigen Unruhen kam. Strukturelle Faktoren (Verknöcherung der Bürokratie und des Steuerwesens; unzeitgemäßes Standessystem), ungünstige Klimaveränderungen (→ Ernterückgang Hungersnöte), [[Mythen/Symboltiere/Namazu-e|Erdbeben]] und Seuchen (durch Kontakt mit dem Ausland ausgelöst), führten zu einer Verschlechterung der Wirtschaft und einer Auflösung der bisherigen Machtstrukturen. Die wachsende  Bedrohung durch den Westen zwang das Regime zur Aufgabe seiner Isolationspolitik, was von  den verschiedensten Seiten als Zeichen der Schwäche ausgelegt wurde. Rufe nach gesellschaftlicher Veränderung verschafften sich zunehmend Gehör.  
 
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| Perry_1854.jpg
 
| Perry_1854.jpg
| Perry in Japan
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== Ankunft der Schwarzen Schiffe ==
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| Matthew Perry
 
| Matthew Perry
 
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Die Krisensituation spitzte sich 1853 zu, als sich ein amerikanisches Geschwader unter Commodore Matthew Perry (1794–1858) gewaltsam Zutritt zum Hafen von Uraga nahe {{glossar:Edo}} verschaffte. Perry erzwang im Auftrag der ameri·kani·schen Regierung Verhand·lungen, die den Ameri·kanern ein Handels- und Nieder·lassungs·recht in Japan ermög·lichen sollten. 1854 gewährte Japan dieses Recht aus Angst, andern·falls eine ähnliche Situation wie im teil·kolonia·lisierten China herauf·zube·schwören. England, Frankreich, Russland und die Nieder·lande erhielten bald ähn·liche Privi·legien. In den für Ausländer frei gege·benen Gebieten (Yokohama und Hirado) begannen die ersten Aus·länder·ghettos zu entstehen, Importe west·licher Produkte erregten allge·meines Interesse, führten aber auch zu Krisen der tradi·tionel·len Wirtschaft. Dies führte innen·politisch zu enormen Span·nungen und zu starken xeno·phoben Reaktionen, die den Nieder·gang des Shogunats beschleu·nigten. Perry's Kanonen·boote, die soge·nannten „Schwarzen Schiffe“ ({{glossar:kurobune}}), wurden zum Synonym für ein bedroh·liches Ausland.   
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Die Krisensituation spitzte sich 1853 zu, als sich ein amerikanisches Geschwader unter Commodore {{g|Perrymatthew|Matthew Perry}} (1794–1858) unter Androhung militärischer Gewalt Zutritt zum Hafen von Uraga nahe {{g|Edo}} verschaffte. Perry erzwang im Auftrag der amerikanischen Regierung Verhandlungen, die den Amerikanern ein Handels- und Niederlassungsrecht in Japan ermöglichen sollten. 1854 gewährte Japan dieses Recht aus Angst, andernfalls eine ähnliche Situation wie im teilkolonialisierten China heraufzubeschwören. England, Frankreich, Russland und die Niederlande erhielten bald ähnliche Privilegien. In den für Ausländer frei gegebenen Gebieten ({{g|yokohamashi|Yokohama}} und {{g|hiradoshi|Hirado}}) begannen die ersten Ausländerghettos zu entstehen, Importe westlicher Produkte erregten allgemeines Interesse, führten aber auch zu Krisen der traditionellen Wirtschaft. Dies führte innenpolitisch zu enormen Spannungen und zu starken xenophoben Reaktionen, die den Niedergang des Shōgunats beschleunigten. Perry's Kanonenboote, die sogenannten „Schwarzen Schiffe“ ({{g|kurobune}}), wurden zum Synonym für ein bedrohliches Ausland.   
  
Ab den 1860er Jahren kam es zu gehäuften militä·rischen Aus·einan·der·setzun·gen zwischen einzelnen Macht·blöcken in Japan. Auch Ausländer, die ja den Auslöser dieser Konflikte darstellten, waren davon betroffen.<!--
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Ab den 1860er Jahren kam es zu gehäuften militärischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Machtblöcken in Japan. Auch Ausländer, die ja den Auslöser dieser Konflikte darstellten, waren davon betroffen.<!--
 
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Der Höhepunkt ausländerfeindlicher Aktionen fällt in das Jahr 1863, als Kōmei Tennō ohne Rücksprache mit dem Bakufu den „Befehl zur Vertreibung der Barbaren“ erließ. Dieser Befehl wurde zwar auf Druck des Bakufu zurück genommen, von den Daimyō in Chōshū (West-Japan) allerdings dennoch befolgt. Vereinzelte Angriffe auf westliche Schiffe in der Meerenge von Shimonoseki führten zu einer Serie von Seeschlachten um diese wichtige Passage, in denen das Daimyat Chōshū einer Allianz westlicher Flottenverbände gegen·überstand und sich 1864 geschlagen geben musste. Dies führte zu einer vorüber·gehenden Stärkung des Shogunats.  
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Der Höhepunkt ausländerfeindlicher Aktionen fällt in das Jahr 1863, als Kōmei Tennō ohne Rücksprache mit dem Bakufu den „Befehl zur Vertreibung der Barbaren“ erließ. Dieser Befehl wurde zwar auf Druck des Bakufu zurück genommen, von den Daimyō in Chōshū (West-Japan) allerdings dennoch befolgt. Vereinzelte Angriffe auf westliche Schiffe in der Meerenge von Shimonoseki führten zu einer Serie von Seeschlachten um diese wichtige Passage, in denen das {{gb|han|Daimyat}} Chōshū einer Allianz westlicher Flottenverbände gegenüberstand und sich 1864 geschlagen geben musste. Dies führte zu einer vorübergehenden Stärkung des Shōgunats.  
 
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Unab·hängig von ihrer ideo·logischen Position bemüh·ten sich alle Lager um mili·tärische Auf·rüstung, was unwei·gerlich zur Koope·ration mit west·lichen Mächten führte. Dies setzte eine Spirale der Moderni·sierung in Gang, die nach der poli·tischen Neuord·nung von 1868 mit wach·sender Beschleu·nigung fort·gesetzt wurde.
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Unabhängig von ihrer ideologischen Position bemühten sich alle Lager um militärische Aufrüstung, was unweigerlich zur Kooperation mit westlichen Mächten führte. Dies setzte eine Spirale der Modernisierung in Gang, die nach der politischen Neuordnung von 1868 mit wachsender Beschleunigung fortgesetzt wurde.
  
 
== Die wichtigsten politischen Akteure ==
 
== Die wichtigsten politischen Akteure ==
  
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| Samurai der Bakumatsu-Zeit
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| Ii Naosuke
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| Tokugawa Nariaki
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:* Bakufu (Shōgunat), vertreten durch {{g|Iinaosuke}} (1815–1860), der die Verhandlungen mit Amerikas Vertreter {{g|harristownsend}} (1858), die Perrys Initiative besiegelten, im Alleingang abschloss. Autoritäre Haltung nach innen, kompromissbereit nach außen.
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:* Nordosten (Daimyate wie {{g|Mito}} oder {{g|Aizuhan|Aizu}} im Norden der Kantō-Region), vertreten durch Feudalherren wie {{g|Tokugawanariaki}} (1800–1860). Autoritäre Haltung nach innen, kompromisslos nach außen.
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:* Südwesten (Daimyate {{g|Satsuma}} in Kyūshū, {{g|Choushuu}} in West-Honshū, {{g|Tosa}} in Shikoku). Relativ frühe Kontakte mit dem Westen, ''bakufu''-kritisch, reformfreudig. Die meisten sogenannten Meiji-Oligarchen (politische Führer der Meiji-Zeit) stammen aus diesen Regionen.
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:* Kaiserlicher Hof (Kyōto), vertreten durch {{g|Koumeitennou}} (1831–1867) oder {{g|Iwakuratomomi}} (1825–1883). In der Bakumatsu-Zeit kommt es dank der Tennō-loyalistischen Bewegungen zu einer Politisierung des kaiserlichen Hofes. Ideologisch gibt es eine starke Verbindung nach Mito (Tokugawa Noriaki), später auch nach Chōshū. Während Iwakura zu einem Pragmatiker wird und die Politik der frühen Meiji-Zeit aktiv mitgestaltet, bleibt die Mehrzahl der politisch aktiven Höflinge in der Übergangszeit von Edo zu Meiji extrem traditionalistisch und fremdenfeindlich. 
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| Samurai der Bakumatsu-Zeit
 
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:* Bakufu (Shogunat), vertreten durch {{glossar:Iinaosuke}} (1815–1860), der die Verhandlungen mit Perry im Alleingang abschloss. Autoritäre Haltung nach innen, kompromissbereit nach außen.
 
:* Nordosten (Daimyate wie Mito oder Aizu im Norden der Kantō-Region), vertreten durch Feudalherren wie {{glossar:Tokugawanariaki}} (1800–1860). Autoritäre Haltung nach innen, kompromisslos nach außen.
 
:* Südwesten (Daimyate Satsuma in Kyushu, Chōshō in West-Honshū, Tosa in Shikoku). Relativ frühe Kontakte mit dem Westen, ''bakufu''-kritisch, reform·freudig. Die meisten soge·nannten Meiji-Oligarchen (politische Führer der Meiji-Zeit) stammen aus diesen Regionen.
 
:* Kaiserlicher Hof (Kyoto), vertreten durch {{glossar:Koumeitennou}} (1831–1867) oder {{glossar:Iwakuratomomi}} (1825–1883). In der Bakumatsu-Zeit kommt es dank der Tennō-loyalis·tischen Bewe·gungen zu einer Politi·sierung des kaiser·lichen Hofes. Ideolo·gisch gibt es eine starke Verbindung nach Mito (Tokugawa Noriaki), später auch nach Chōshū.
 
  
{{h2+3| Ideologische Lager }}
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== Ideologien ==
 
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=== Politische Slogans ===
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; Politische Slogans  
* {{glossar: sonnoujoui}}, „Ehrt den Kaiser, ver·treibt die Bar·ba·ren!“  
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* {{g| sonnoujoui}}, „Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“  
* {{glossar: saiseiitchi}}, „Einheit von Ri·tus und Re·gie·rung“
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* {{g| saiseiitchi}}, „Einheit von Ritus und Regierung“
* {{glossar: Fukokukyouhei}}, „Reiches Land, star·kes Heer“  
+
* {{g| Fukokukyouhei}}, „Reiches Land, starkes Heer“  
* {{glossar: wakonyousai}}, „Japa·ni·scher Geist, west·liche Tech·nik“
+
* {{g| wakonyousai}}, „Japanischer Geist, westliche Technik“
* {{glossar: bunmeikaika}}, „Aufklä·rung und Öff·nung“
+
* {{g| bunmeikaika}}, „Aufklärung und Öffnung“
  
 
; Weitere Schlagworte
 
; Weitere Schlagworte
* {{glossar: kokutai}}, Landes·körper, Natio·nal·wesen
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* {{g| kokutai}}, Landeskörper, Nationalwesen
* {{glossar: fukkoshintou}}, Restau·ra·tions Shinto
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* {{g| fukkoshintou}}, Restaurations Shintō
* {{glossar: karagokoro}}, „chine·si·scher Geist“  
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* {{g| karagokoro}}, „chinesischer Geist“  
* {{glossar: yamatodamashii}} oder ''yamato-gokoro'', „ja·pa·ni·scher Geist“
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* {{g| yamatodamashii}} oder ''yamato-gokoro'', „japanischer Geist“
* {{glossar: rangaku}}, westliche Wis·sen·schaf·ten
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* {{g| rangaku}}, westliche Wissenschaften
 
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=== Hirata Schule ===
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=== Hirata-Schule ===
  
Die „Nationalen Studien“ ({{glossar:kokugaku}}) erfreuten sich gegen Ende der Edo-Zeit insgesamt steigender Beliebt·heit, doch be·schränk·ten sich die meisten Ver·treter auf die Produk·tion von gelehrten Ab·hand·lungen, Gedichten und Romanen.  Innerhalb der Schule des {{glossar:Hirataatsutane}} kam es jedoch zu einer starken Politi·sierung, die auf einen Sturz des Shugunats und eine Regierung unter kaiser·licher Führung ausge·richtet war.  
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Die „Nationalen Studien“ ({{g|kokugaku}}) erfreuten sich gegen Ende der Edo-Zeit insgesamt steigender Beliebtheit, doch beschränkten sich die meisten Vertreter auf die Produktion von gelehrten Abhandlungen, Gedichten und Romanen.  Innerhalb der Schule des {{g|Hirataatsutane}} kam es jedoch zu einer starken Politisierung, die auf einen Sturz des Shōgunats und eine Regierung unter kaiserlicher Führung ausgerichtet war.  
  
Zu den Forderungen der Hirata Schule zählte der Slogan {{glossar: saiseiitchi}}, „Einheit von Ritus und Regie·rung“, also die poli·tische und religiöse Auto·rität geeint in der Person des Tennō. Als Werte·system schwebte Atsutane die religiöse Welt Japans vor jeglichem bud·dhis·tischen und chine·sischen Einfluss vor. Man sprach von der „Wieder·her·stel·lung des antiken Shinto“ ({{glossar: fukkoshintou}}), die in den ersten Jahren der Meiji-Zeit dann tatsächlich zu den poli·tischen Agenda der neuen Regierung zählte.  
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Zu den Forderungen der Hirata-Schule zählte der Slogan {{g| saiseiitchi}}, „Einheit von Ritus und Regierung“, also die politische und religiöse Autorität geeint in der Person des Tennō. Als Wertesystem schwebte Atsutane die religiöse Welt Japans vor jeglichem buddhistischen und chinesischen Einfluss vor. Man sprach von der „Wiederherstellung des antiken Shintō“ ({{g| fukkoshintou}}), die in den ersten Jahren der {{g|Meiji}}-Zeit dann tatsächlich zu den politischen Agenda der neuen Regierung zählte.  
  
Wie schon {{glossar:motoorinorinaga}} ideali·sierte Hirata Atsutane den vor·geblich schlichten, reinen „japa·nischen Geist“ ({{glossar: yamatodamashii}} oder ''yamatogokoro''), der ohne kompli·zierte Lehr·sätze spontan zu richtigen Ent·schei·dungen finden würde, im Kontrast zum „chine·sischen Geist“ ({{glossar: karagokoro}}), der mora·lische Ent·schei·dungen durch Bücher·wissen unnötig ver·kompli·zieren würde. Damit war eine Kritik am Konfu·zianis·mus und natürlich auch am Buddhis·mus verbunden.
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Wie schon {{g|motoorinorinaga}} idealisierte Hirata Atsutane den vorgeblich schlichten, reinen „japanischen Geist“ ({{g| yamatodamashii}} oder ''yamatogokoro''), der ohne komplizierte Lehrsätze spontan zu richtigen Entscheidungen finden würde, im Kontrast zum „chinesischen Geist“ ({{g| karagokoro}}), der moralische Entscheidungen durch Bücherwissen unnötig verkomplizieren würde. Damit war eine Kritik am {{g|jukyou|Konfuzianismus}} und natürlich auch am Buddhismus verbunden.
  
Den größten Einfluss hatte die Hirata Schule in „bürgerlichen“ und bäuer·lichen Kreisen sowie  in der Welt der [[schreine|Shinto-Schreine]]. Hier konnte Hirata Atsutane seine Stellung festigen, indem er zeitweise als Leiter der familien·eige·nen Shinto-Aka·demien der Priester·dynastien [[geschichte: shinto Mittelalter|Yoshida]] und Shira·kawa fungierte. Unter seinem Adoptiv·sohn {{glossar: Hiratakanetane}} wurde Atsutane zu einer alles über·ragen·den Gründer·figur stilisiert, während es gelang ein über·regio·nales Netzwerk an Schülern und Spon·soren aufzu·bauen. Zwischen Atsutanes Tod im Jahr 1843 und der Blüte-Zeit der Schule in der frühen Meiji-Zeit erhöhte sich die Anzahl zahlender Schüler von 500 auf über 4000.<ref>Wachutka 2013, S. 4.</ref>
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Den größten Einfluss hatte die Hirata-Schule in „bürgerlichen“ und bäuerlichen Kreisen sowie  in der Welt der [[schreine|Shintō-Schreine]]. Hier konnte Hirata Atsutane seine Stellung festigen, indem er zeitweise als Leiter von neu gegründeten Shintō-Akademien fungierte. Die eigentlichen Inhaber dieser Akademien waren allerdings die Priesterdynastien [[Geschichte/Shinto Mittelalter|Yoshida]] und {{g|shirakawake}}, welche Atsutane aus ideologischer Sicht viel zu Buddhismus-freundlich waren. Daher gründete Atsutane auch eigene Shintō Schulen. Unter seinem Adoptivsohn {{g| Hiratakanetane}} wurde Atsutane zu einer alles überragenden Gründerfigur stilisiert, während es gelang ein überregionales Netzwerk an Schülern und Sponsoren aufzubauen. Zwischen Atsutanes Tod im Jahr 1843 und der Blüte-Zeit der Schule in der frühen Meiji-Zeit erhöhte sich die Anzahl zahlender Schüler von 500 auf über 4000.<ref>Wachutka 2013, S. 4.</ref>
  
=== Späte Mito Schule ===
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=== Späte Mito-Schule ===
  
 
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Die Späte Mito Schule hatte, im Gegensatz zur Hirata Schule, einen definitiven regionalen Kern in Mito, der Hauptstadt des Damyats Mito. Seit {{glossar: Tokugawamitsukuni}} widmete sich die Gelehrtentradition in Mito vornehmlich dem gigantischen Geschichtswerk {{glossar: dainihonshi}}. Doch auch in Mito kam es unter dem oben erwähnten Tokugawa Nariaki, einem Nachfahren des Mitsukuni, zu einer starken Politisierung. Der Mito-Gelehrte {{glossar:Aizawaseishisai}} trug durch seine „Neuen Thesen“ (''Shinron'', 1825) zur Verbreitung des Slogans {{glossar: sonnoujoui}} („Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“) bei, der besonders nach 1853/54 (Perry) in ganz Japan widerhallte. Während die daran zum Ausdruck gebrachte, radikal fremdenfeindliche Haltung nach der Meiji-Restauration (1868) rasch in den Hintergrund trat, erfuhr ein weiterer, von Aizawa popularisierter Terminus umso mehr Aktualität, nämlich {{glossar: kokutai}} (wtl. „Landes-Körper“). Damit war im Wesentlichen die spezifische, angeblich unvergängliche Position des Tennō in der japanischen Geschichte und Kultur gemeint, doch erhielt der Terminus im Kontext des modernen Nationalismus verschiedene ideologische Schattierungen.  
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Die Mito-Schule hatte, im Gegensatz zur Hirata-Schule, einen regionalen Kern in der gleichnamigen Hauptstadt des Daimyats ({{g|han}}) Mito. Seit dem siebzehnten Jahrhundert waren Gelehrte in Mito mit der Abfassung eines gigantischen Geschichtswerks beschäftigt, der {{g| dainihonshi}}, die von {{g| Tokugawamitsukuni}} ins Leben gerufen worden war. Doch auch in Mito kam es unter dem oben erwähnten Tokugawa Nariaki, einem Nachfahren des Mitsukuni, zu einer starken Politisierung. Der Mito-Gelehrte {{g|Aizawaseishisai}} trug durch seine „Neuen Thesen“ ({{g|Shinron}}, 1825) zur Verbreitung des Slogans {{g| sonnoujoui}} („Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“) bei, der besonders nach 1853/54 (Perry) in ganz Japan widerhallte. Während die darin zum Ausdruck gebrachte, radikal fremdenfeindliche Haltung nach der Meiji-Restauration (1868) rasch in den Hintergrund trat, erfuhr ein weiterer, von Aizawa popularisierter Terminus umso mehr Aktualität, nämlich {{g| kokutai}} (wtl. „Landes-Körper“). Damit war im Wesentlichen die spezifische, angeblich unvergängliche Position des Tennō in der japanischen Geschichte und Kultur gemeint, doch erhielt der Terminus im Kontext des modernen Nationalismus verschiedene ideologische Schattierungen, sodass man ihn manchmal als „Staatswesen“, manchmal aber auch als „nationale Essenz“ oder „nationale Identität“ übersetzen kann.  
  
Beide Begriffe stammen im übrigen aus konfuzianischen Klassikern. Daran zeigt sich bereits, dass die Mito-Schule nicht auf das Reservoir traditioneller konfuzianischer Werte verzichten wollte, auch wenn sie ebenso wie die ''kokugaku'' den Buddhismus kritisierte und dem Shinto nahe stand. Die Mischung aus konfuzianischer Moral und nationalen Mythen, die in der Mito Schule perfektioniert wurde, ist bis heute ein Markenzeichen konservativ-nationalistischer Kreise in Japan.
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Die Ausdrücke ''sonnō jōi'' und ''kokutai'' stammen im übrigen ursprünglich aus konfuzianischen Klassikern. Daran zeigt sich bereits, dass die Mito-Schule nicht auf das Reservoir traditioneller konfuzianischer Werte verzichten wollte, auch wenn sie ebenso wie die Kokugaku den Buddhismus kritisierte und dem Shintō nahe stand. Die Mischung aus konfuzianischer Moral und nationalen Mythen, die in der Mito-Schule perfektioniert wurde, ist bis heute ein Markenzeichen konservativ-nationalistischer Kreise in Japan.
  
Mit der Gründung einer neuen Akademie, dem {{glossar: koudoukan}} (1841), wurden die politischen Visionen der späten Mito Schule institutionalisiert und verdrängten den historiographischen Ansatz der frühen Zeit. Neben Aizawa etablierte sich auch Fujita Tōko (1806–1855) als prononcierter Vertreter eines Tennō-zentrierten und zugleich konfuzianischen Nationalismus.  
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Mit der Gründung einer neuen Akademie, dem {{g|koudoukan}} (1841), wurden die politischen Visionen der späten Mito-Schule institutionalisiert und verdrängten den historiographischen Ansatz der frühen Zeit. Neben Aizawa etablierte sich auch {{g|Fujitatouko}} als prononcierter Vertreter eines Tennō-zentrierten und zugleich konfuzianischen Nationalismus.  
  
In realpolitischer Hinsicht unterschied sich die Mito Ideologie allerdings auch insofern von der Hirata Schule, als es nie um die Abschaffung des Shogunats ging. Es sollte lediglich die Hierarchie zwischen Tennō und Shōgun symbolisch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Tokugawa Nariaki sah darin explizit ein Mittel, um den Gedanken der Loyalität zwischen Shogun und Kriegerkaste auch innerhalb des Verbandes der Daimyō wieder stärker zu akzentuieren. Im übrigen versuchte er, durch politische Pakte mit dem Kaiserhof seine eigene Position innerhalb des Tokugawa Sippenverbandes zu stärken.  
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In realpolitischer Hinsicht unterschied sich die Mito-Ideologie allerdings auch insofern von der Hirata-Schule, als es nie um die Abschaffung des Shōgunats ging. Es sollte lediglich die Hierarchie zwischen Tennō und Shōgun symbolisch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Tokugawa Nariaki sah darin explizit ein Mittel, um den Gedanken der Loyalität zwischen Shōgun und Kriegerkaste auch innerhalb des Verbandes der Daimyō wieder stärker zu akzentuieren. Im übrigen versuchte er, durch politische Pakte mit dem Kaiserhof seine eigene Position innerhalb des {{g|tokugawa}}-Sippenverbandes zu stärken.  
  
 
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Nicht nur ideologisch, sondern auch militärisch zählten Nariaki und seine Vasallen aus Mito zu den schlagkräftigsten Vertretern der ''sonnō jōi'' Bewegung. Empört über die aus ihrer Sicht übereilten Verträge mit den Westmächten gelang es einigen Mito Samurai den politischen Hauptverantwortlichen, Ii Naosuke, 1860 zu ermorden. Nariaki, der im gleichen Jahr eines natürlichen Todes starb, wurde daraufhin zum wiederholten Male aus der Hauptstadt Edo in seine Provinz verbannt, doch ansonsten fiel die Reaktion des Bakufu verhältnismäßig milde aus und der politische Einfluss Mitos nahm zu.  
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Nicht nur ideologisch, sondern auch militärisch zählten Nariaki und seine Vasallen aus Mito zu den schlagkräftigsten Vertretern der ''sonnō jōi'' Bewegung. Empört über die aus ihrer Sicht übereilten Verträge mit den Westmächten gelang es einigen Mito Samurai den politischen Hauptverantwortlichen, Ii Naosuke, 1860 zu ermorden. Nariaki wurde daraufhin zum wiederholten Male aus der Hauptstadt Edo in seine Provinz verbannt, wo er im gleichen Jahr eines natürlichen Todes starb, doch ansonsten fiel die Reaktion des Bakufu verhältnismäßig milde aus und der politische Einfluss Mitos nahm zu.  
  
1866 sollten Nariakis realpolitische Ziele schließlich Realität werden, als sein Sohn {{glossar: tokugawayoshinobu|Yoshinobu}} (auch: Keiki) zum neuen Shogun gekürt wurde. Doch wurde seine Regierung nach kaum einem Jahr durch den Putsch Tennō-loyaler Truppen aus West-Japan beendet. Während eine Art Kompromiss zwischen Bakufu und Tennō-Restauration für kurze Zeit möglich schien, kam es 1868 schließlich doch zu einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, in dem sich die Mito Anhänger als Feinde des Tennō wiederfanden. In der Meiji-Zeit wurde die Mito Schule allerdings schon bald wieder rehabilitiert.
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1866 sollten Nariakis realpolitische Ziele schließlich Realität werden, als sein Sohn {{g| tokugawayoshinobu|Yoshinobu}} (auch: Keiki) zum neuen Shōgun gekürt wurde. Doch wurde seine Regierung nach kaum einem Jahr durch den Putsch Tennō-loyaler Truppen aus West-Japan beendet. Während eine Art Kompromiss zwischen Bakufu und Tennō-Restauration für kurze Zeit möglich schien, kam es 1868 schließlich doch zu einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, in dem sich die Mito-Anhänger als Feinde des Tennō wiederfanden. In der Meiji-Zeit wurde die Mito-Schule allerdings schon bald wieder rehabilitiert.
  
 
=== Reform-Ideologen ===
 
=== Reform-Ideologen ===
  
Der Westen Japans wurde traditionell von Familien beherrscht, die die Tokugawa zu den ''tozama daimyō'' zählten. Es waren dies wörtlich „entfernte Landesfürsten“, deren Vorfahren einst gegen die Tokugawa gekämpft hatten. Sie waren daher politisch isoliert, doch dank der Nähe zum Kontinent und der damit verbundenen Kontrolle von Handelsrouten gelang es ihnen in der Bakumatsu-Zeit, die wirtschaftlichen Probleme des Landes besser zu meistern als andere Regionen.  
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Der Westen Japans wurde traditionell von Familien beherrscht, die die Tokugawa zu den {{g|tozamadaimyou}} zählten. Es waren dies wörtlich „entfernte Landesfürsten“, deren Vorfahren einst gegen die Tokugawa gekämpft hatten. Sie waren daher politisch isoliert, doch dank der Nähe zum Kontinent und der damit verbundenen Kontrolle von Handelsrouten gelang es ihnen in der Bakumatsu-Zeit, die wirtschaftlichen Probleme des Landes besser zu meistern als andere Regionen.
  
Ähnlich wie Mito etablierten auch die westlichen Daimyate regionale Akademien, in denen allerdings auch „holländische Studien“ ({{glossar: rangaku}}) gelehrt wurden. Darunter verstand man sämtliche aus Europa und Amerika stammende Wissensgebiete, im besonderen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Diese Studien wurden vor allem in Hinblick auf die Modernisierung des Militärs voran getrieben. Die größere Offenheit gegenüber westlichen Technologien dürfte wohl auch der Grund dafür gewesen sein, warum sich Truppen aus West-Japan schließlich in der Meiji-Restauration durchsetzen konnten.  
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Ähnlich wie Mito etablierten die westlichen Daimyate regionale Akademien, in denen allerdings auch „holländische Studien“ ({{g| rangaku}}) gelehrt wurden. Darunter verstand man sämtliche aus Europa und Amerika stammende Wissensgebiete, im besonderen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Diese Studien wurden vor allem in Hinblick auf die Modernisierung des Militärs voran getrieben. Die größere Offenheit gegenüber westlichen Technologien dürfte wohl auch der Grund dafür gewesen sein, warum sich Truppen aus West-Japan schließlich in der Meiji-Restauration durchsetzen konnten.  
  
Ideologisch waren aber auch die meisten Intellektuellen aus West-Japan durch den ''sonnō jōi'' Slogan geprägt. Auch im Lager der Reformer oder Modernisierer sah man also die Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität und den Hinauswurf der Westmächte als oberstes Ziel an. Der Unterschied lag in der Wahl der Mittel bzw. in der Bereitschaft, vom westlichen Feind zu lernen.
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Ideologisch waren die meisten Intellektuellen aus West-Japan jedoch ebenso durch den ''sonnō jōi'' Slogan geprägt wie ihre ost-japanischen Kollegen. Auch im Lager der Reformer oder Modernisierer sah man also die Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität und den Hinauswurf der Westmächte als oberstes Ziel an. Der Unterschied lag in der Wahl der Mittel bzw. in der Bereitschaft, vom westlichen Feind zu lernen.
  
 
=== Yoshida Shōin ===
 
=== Yoshida Shōin ===
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{{glossar: Yoshidashouin}} (1830–1859) ist der bekannteste Vertreter der west·japa·nischen ''sonnō jōi''-Bewe·gung. Er hatte einen beson·ders nach·haltigen Einfluss, da ein hoher Anteil von Politi·kern der Meiji-Zeit, ange·fangen von Premier {{glossar:Itouhirobumi}}, einst zu seinen Schülern gezählt hatten. Er starb aller·dings schon in jungen Jahren als poli·tischer Häftling des Shogunats und wird daher auch als „Märty·rer der Meiji-Restau·ration“ be·zeich·net.  
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{{g| Yoshidashouin}} (1830–1859) ist der bekannteste Vertreter der westjapanischen ''sonnō jōi''-Bewegung. Er hatte einen besonders nachhaltigen Einfluss, da ein hoher Anteil von Politikern der Meiji-Zeit, angefangen von Premier {{g|Itouhirobumi}}, einst zu seinen Schülern gezählt hatten. Er starb allerdings schon in jungen Jahren als politischer Häftling des Shōgunats und wird daher auch als „Märtyrer der Meiji-Restauration“ bezeichnet.  
  
Shōin stammte aus Hagi, dem Zentrum des Daimyats Chōshū (heute Yamaguchi-ken) im äußers·ten Westen der Haupt·insel Honshū. Schon als Jugend·licher stu·dierte ''und lehrte'' er an einer Art Militär·aka·demie in Hagi, geriet aber auch unter den Einfluss von Sakuma Shōzan (1811–1864), der kon·fuzia·nische Studien mit west·licher Natur·wissen·schaft verband. 1854 (mit vier·und·zwanzig) fasste Shōin den Ent·schluss, heimlich auf Perrys Schif·fen nach Amerika zu reisen, um die westlichen Wissen·schaf·ten aus nächster Nähe kennen zu lernen. Nach·dem der Plan ver·eitelt wurde, ver·brachte Shōin die meiste Zeit seines restlichen Lebens unter Arrest. In Hagi bedeutete dies jedoch nicht, dass er auf Lehre und Studium verzichten musste, im Gegenteil, er verwandelte seine Zelle – mit wohlwollender Duldung des Landesfürsten – in eine Gelehrtenstube und begann einen rasch wachsenden Schülerkreis um sich zu scharen. Kaum in Freiheit, schmiedete er ein Mord-Komplott gegen Ii Naosuke (s.o.), das wiederum scheiterte und ihm weitere komfortable Gefängnisaufenthalte in Hagi bescherte. Ii Naosuke verlangte jedoch im Zuge der „Säuberung der Ansei-Ära“ Shōins Auslieferung nach Edo, die mit der Hinrichtung Yoshida Shōins endete.  
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Shōin stammte aus Hagi, dem Zentrum des Daimyats {{g|Choushuu}} (heute Yamaguchi-ken) im äußersten Westen der Hauptinsel Honshū. Schon als Jugendlicher studierte ''und lehrte'' er an einer Art Militärakademie in Hagi, geriet aber auch unter den Einfluss von {{g|Sakumashouzan}}, der konfuzianische Studien mit westlicher Naturwissenschaft verband. 1854 (mit vierundzwanzig) fasste Shōin den Entschluss, heimlich auf Perrys Schiffen nach Amerika zu reisen, um die westlichen Wissenschaften aus nächster Nähe kennen zu lernen. Nachdem der Plan vereitelt wurde, verbrachte Shōin die meiste Zeit seines restlichen Lebens unter Arrest. In Hagi bedeutete dies jedoch nicht, dass er auf Lehre und Studium verzichten musste, im Gegenteil, er verwandelte seine Zelle – mit wohlwollender Duldung des Landesfürsten – in eine Gelehrtenstube und begann einen rasch wachsenden Schülerkreis um sich zu scharen. Kaum in Freiheit, schmiedete er ein Mord-Komplott gegen einen Vertrauten von Ii Naosuke (s.o.), das wiederum scheiterte und ihm weitere komfortable Gefängnisaufenthalte in Hagi bescherte. Ii Naosuke verlangte jedoch schließlich Shōins Auslieferung nach Edo (im Zuge der „politischen Säuberungen der {{g|ansei}}-Ära“,  1858–1859), die mit der Hinrichtung Yoshida Shōins endete.  
  
Trotz seines radikalen Anti-Ausländer Aktivismus wirkt Shōin weniger fremdenfeindlich als etwa die Mito-Schule, da er sich für eine Öffnung des Landes und eine Auseinandersetzung mit der westlichen Kultur und Technik engagierte. Seine Haltung lässt sich mit den Slogans {{glossar: fukokukyouhei}} und {{glossar: wakonyousai}} beschreiben, die etwa zu dieser Zeit entstanden. In letzter Konsequenz nahm Shōin jedoch bereits den Kolonialismus des zwanzigsten Jahrhunderts vorweg, indem er das Ziel vorgab, sich westliche Technologien anzueignen, um selbst in der Lage zu sein, benachbarte Länder zu anektieren und zur Weltmacht aufzusteigen.<!--
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Trotz seines radikalen Anti-Ausländer Aktivismus wirkt Shōin weniger fremdenfeindlich als etwa die Mito-Schule, da er sich für eine Öffnung des Landes und eine Auseinandersetzung mit der westlichen Kultur und Technik engagierte. Seine Haltung lässt sich mit den Slogans {{g| fukokukyouhei}} und {{g| wakonyousai}} beschreiben, die etwa zu dieser Zeit entstanden. In letzter Konsequenz nahm Shōin jedoch bereits den Kolonialismus des zwanzigsten Jahrhunderts vorweg, indem er das Ziel vorgab, sich westliche Technologien anzueignen, um selbst in der Lage zu sein, benachbarte Länder zu annektieren und zur Weltmacht aufzusteigen.<!--
--><ref> „[Wir müssen] die Mandschrei besetzen und Russland bedrohen, Korea unterwerfen und uns China zuwenden, die Südinseln in Besitz nehmen und Indien angreifen.“  Brief an Yamada Raiki, 1856, zitiert nach Dumoulin 1939. Heinrich Dumoulins Aufsatz ist im übrigen ein gutes Beispiel für die kritiklose Verherrlichung von Shōins Patriotismus durch einen führenden deutschen Japanologen der Zwischenkriegszeit.
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--><ref> „[Wir müssen] die Mandschurei besetzen und Russland bedrohen, Korea unterwerfen und uns China zuwenden, die Südinseln in Besitz nehmen und Indien angreifen.“  Brief an Yamada Raiki, 1856, zitiert nach Dumoulin 1939. Heinrich Dumoulins Aufsatz ist im übrigen ein gutes Beispiel für die kritiklose Verherrlichung von Shōins Patriotismus durch einen führenden deutschen Japanologen der Zwischenkriegszeit.
 
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Shōin akzentuierte also die reformistischen Aspekte der ''sonnō jōi'' Ideologie, die vor und während des Umschwungs von 1868 tatsächlich Gestalt annahmen:
 
Shōin akzentuierte also die reformistischen Aspekte der ''sonnō jōi'' Ideologie, die vor und während des Umschwungs von 1868 tatsächlich Gestalt annahmen:
:* Tennō-Zentrismus (''sonnō'') als Mittel der Zentralisierung von staatlicher Gewalt und  
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* Tennō-Zentrismus (''sonnō'') als Mittel der Zentralisierung von staatlicher Gewalt und  
:* Studium des Westens, um gegen Angriffe der „Barbaren“ (''jōi'') gewappnet zu sein.
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* Maßnahmen gegen den Westen (''jōi'') auf der Grundlage eines genauen Studiums der „Barbaren“.
Unter seinen Schülern gab es sicher einige, die das später aufkommenden Schlagwort {{glossar:bunmeikaika}}, „Aufklärung und Öffnung“, so breit
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Unter Shōins Schülern kam schließlich ein weiteres Schlagwort zur Geltung, nämlich „Aufklärung und Öffnung“, {{g|bunmeikaika}}, was man auch als Euphemismus für „Verwestlichung“ interpretieren könnte. Nach der Meiji-Restauration verschrieben sich manche Reformer diesem Schlagwort auf so radikale Weise, dass es zur Negierung der eigenen Traditionen und Bräuche und zu einer Bejahung alles Westlich-Modernen kam. Diese Identifikation mit einer als höher und mächtiger empfundenen Kultur, führte aber nicht zur Aufgabe jedes nationalen Selbstbewusstseins. Dieses fand im Gegenteil eine neue Identifikationsfigur im japanischen Kaiserhaus und ein neues Aktionsfeld im modernisierten Militär. Insgesamt folgte die Meiji-Politik daher in erstaunlich hohem Maß den Leitlinien, die Yoshida Shōin nicht nur in seinen Schriften, sondern auch in seinem politischen Aktivismus vorgegeben hatte.
interpretierten, dass es zur Geringschätzung eigener Traditionen und Bräuche kam. Diese Identifikation mit einer als höher und mächtiger empfundenen Kultur war bei Shōin sicher noch nicht absehbar. Doch insgesamt folgte die Meiji-Politik in erstaunlich hohem Maß den Leitlinien, die Yoshida Shōin sowohl in seien Schriften als auch in seinem politischen Aktivismus vorgegeben hatte.
 
  
 
== Gesellschaftliche Veränderungen ==
 
== Gesellschaftliche Veränderungen ==
  
In territorialer Hinsicht lassen sich die Ereignisse zwischen 1853 und 1868, die letzt·lich zur {{glossar:Meiji}}-Restau·ration führten, auch als eine Art inner·japani·scher Ost-West Konflikt darstellen. Der Osten war die Domäne der Tokugawa, gegen die sich im Laufe der Edo-Zeit eine neue Oppo·sition formiert hatte. Der kaiser·liche Hof stellte so etwas ein Pfand dar, das den Sieger im Aus·tausch gegen die Wahrung seines zere·moniel·len Prestiges in jedem Fall legiti·mieren würde.  Das west·liche Lager konnte sich zwar leichter für eine neue Herr·schafts·form im Namen des Tennō begeis·tern, war aber zunächst noch gespalten. Erst als sich die mäch·tigsten Daimyō (Mori und Shimazu) zu einer Allianz zu·sammen·schlossen, gelang es, das Bakufu, das schluss·endlich vom Nordosten mili·tärisch unter·stützt wurde, zu stürzen. Nach der formalen Ange·lobung der neuen Regierung durch {{glossar:meijitennou}} im 4. Monat 1868 dauerte es aber noch ein ganzes Jahr, bis die letzten Truppen aus Edo, Mito und Aizu, die sich zuletzt in Hokkaidō ver·schanzten, mili·tärisch unter·worfen werden konnten ({{glossar:boushinsensou|Bōshin}}-Krieg).  
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In territorialer Hinsicht lassen sich die Ereignisse zwischen 1853 und 1868, die letztlich zur {{g|Meiji}}-Restauration führten, auch als eine Art innerjapanischer Ost-West Konflikt darstellen. Der kaiserliche Hof stellte so etwas ein Pfand dar, das den Sieger in jedem Fall legitimieren würde, sofern er sich  dem Tennō symbolisch unterordnete. Der Osten war die Domäne der Tokugawa, gegen die sich im Laufe der Edo-Zeit eine neue Opposition formiert hatte. Das westliche Lager, das überwiegend aus Tokugawa-fernen {{g|tozamadaimyou}} bestand, konnte sich zwar leichter für eine neue Herrschaftsform im Namen des Tennō begeistern, war aber zunächst noch gespalten. Erst als sich die mächtigsten Daimyō ({{g|mourishi|Mōri}} und {{g|shimazushi|Shimazu}}) zu einer Allianz zusammenschlossen, gelang es, das Bakufu, das schlussendlich vom Nordosten militärisch unterstützt wurde, zu stürzen. Nach der formalen Angelobung der neuen Regierung durch {{g|meijitennou}} im 4. Monat 1868 dauerte es aber noch ein ganzes Jahr, bis die letzten Truppen aus Edo, Mito und Aizu, die sich zuletzt in Hokkaidō verschanzten, militärisch unterworfen werden konnten ({{g|boushinsensou|Bōshin}}-Krieg).  
  
Soziologisch gesehen führten die Ereignisse der Bakumatsu-Zeit zum Aufstieg neuer Schichten. Die Daimyō-Dynastien des Krieger·adels traten in den Hintergrund, junge, ehrgeizige Vertreter des niederen Samurai-Standes übernahmen im Namen des Tennō die politische Führung. In der Meiji-Zeit regierte zunächst eine Allianz von Hofadeligen ({{glossar:kuge}}) und ehemaligen Vasallen der westlichen Daimyō. Diese ersetzten die alten Rangsystem des Hof- und Kriegeradels durch neue, an Europa angelehnte Titel (Fürst, Graf, Baron...) und bildeten auf diese Weise eine neue Aristokratie, der nun auch der Geldadel angehörte und die die Gesellschaft bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dominierte. Dies erklärt wahrscheinlich auch, warum die alten Klanrivalitäten, die das politische Geschehen die ganze Edo-Zeit hindurch bestimmt hatten, in der Meiji-Zeit so rasch beseitigt werden konnten.  
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Soziologisch gesehen führten die Ereignisse der Bakumatsu-Zeit zum Aufstieg neuer Schichten. Die Daimyō-Dynastien des Kriegeradels traten in den Hintergrund, junge, ehrgeizige Vertreter des niederen Samurai-Standes übernahmen im Namen des Tennō die politische Führung. In der Meiji-Zeit regierte zunächst eine Allianz von Hofadeligen ({{g|kuge}}) und ehemaligen Vasallen der westlichen Daimyō. Diese ersetzten die alten Rangsysteme des Hof- und Kriegeradels durch neue, an Europa angelehnte Titel (Fürst, Graf, Baron...). Sie bildeten auf diese Weise eine neue Aristokratie, der nun auch der Geldadel angehörte. Dieser neue Adel sollte die Gesellschaft bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dominieren. Die Tatsache, dass sich dieser Adel vorwiegend aus sozialen „Aufsteigern“ zusammensetzte, erklärt wahrscheinlich auch, warum die alten Klanrivalitäten, die das politische Geschehen die ganze Edo-Zeit hindurch bestimmt hatten, in der Meiji-Zeit so rasch beseitigt werden konnten.  
  
Die Bakumatsu-Zeit war also auch eine Zeit des Klassenkampfes, der eine mit der franzö·sischen Revo·lution vergleich·bare Um·schich·tung der Gesell·schafts·struktur mit sich brachte. All dies geschah allerdings auf der Grundlage der ''sonnō''-Ideologie, die eine schein·bare Kontinuität in Form der Tennō-Herrschaft versprach und sämt·liche Ver·ände·rungen unter dem Mantel der loyalen Pflicht·erfüllung gegen·über Kaiser und Vaterland recht·fertigte.  
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| ''Ee ja nai ka'' Volkstänze als Ausdruck von ''yonaoshi'', 1867
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Die Schnelligkeit und scheinbare Leichtigkeit dieser Veränderungen war vor allem zwei Faktoren geschuldet: Dem Druck von außen (Gefahr der Kolonialisierung), den man sicher zu recht als reale Gefahr ansah, und dem Druck „von unten“, in Form von Bauernaufständen und milliennaristischen Bewegungen, die eine unspezifische, aber durchaus machtvolle Sehnsucht nach „Welterneuerung“ ({{g|yonaoshi}}) zum Ausdruck brachten. In dieser Situation war den politischen Eliten offenbar bewusst, dass eine Fortsetzung des gesellschaftlichen Stillstands den Untergang der nationalen Souveränität und/oder flächendeckende Volksaufstände bedeutet hätte und dass ein Systemwandel daher unumgänglich war. Dieser Eindruck ergibt sich jedenfalls angesichts der relativ hohen Kompromiss- und Reformbereitschaft der oben skizzierten Lager. Auf persönlicher Ebene sah die Sache allerdings anders aus: Kaum eine politisch exponierte Persönlichkeit dieser Tage starb eines natürlichen Todes, Attentate, Meuchelmorde und spektakuläre {{g|seppuku}}  standen auf der Tagesordnung. Daran sollte sich auch nach dem Umsturz von 1868 nur wenig ändern.
  
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Die Bakumatsu-Zeit war also auch eine Zeit des Klassenkampfes, der eine mit der französischen Revolution vergleichbare Umschichtung der Gesellschaftsstruktur mit sich brachte. All dies geschah allerdings auf der Grundlage der ''sonnō''-Ideologie, die eine Rückkehr zu einer idealisierten Tennō-Herrschaft versprach und sämtliche Veränderungen unter dem Mantel der loyalen Pflichterfüllung gegenüber Kaiser und Vaterland rechtfertigte.
 
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* [http://library.brown.edu/cds/perry/Heine_Memoir.html With Perry to Japan], Auszüge aus den Memoiren des Malers Wilhelm Heine, Brown University. (S.a. ''[https://openlibrary.org/books/OL20562156M/Reise_um_die_Erde_nach_Japan_an_Bord_der_Expeditions-escadre_unter_Commodore_m.c._Perry_in_den_... Reise um die Erde nach Japan an Bord der Expeditions-Escadre unter Commodore M.C. Perry]'', 1856, dtspr. Original auf Open Library).
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* [http://ocw.mit.edu/ans7870/21f/21f.027/black_ships_and_samurai/ Black Ships and Samurai], Teilprojekt von ''Visualizing Cultures'', Massachusetts Institute of Technology.
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Aktuelle Version vom 9. Januar 2023, 17:39 Uhr

Aufbruch in eine neue Ära Bakumatsu-Zeit, 1853–1867

Unter bakumatsu [bakumatsu (jap.) 幕末 Ende des Tokugawa-Shōgunats, 1853–1867; wtl. Ende der Zeltregierung (bakufu)] versteht man die Spätzeit des Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.] Shōgunats (bakufu [bakufu (jap.) 幕府 wtl. „Zeltregierung“; Militärregierung, Shōgunat]), in der es nach einer Friedenszeit von etwa 250 Jahren zum Verfall der staatlichen Autorität und zu bürgerkriegsartigen Unruhen kam. Strukturelle Faktoren (Verknöcherung der Bürokratie und des Steuerwesens; unzeitgemäßes Standessystem), ungünstige Klimaveränderungen (→ Ernterückgang → Hungersnöte), Erdbeben und Seuchen (durch Kontakt mit dem Ausland ausgelöst), führten zu einer Verschlechterung der Wirtschaft und einer Auflösung der bisherigen Machtstrukturen. Die wachsende Bedrohung durch den Westen zwang das Regime zur Aufgabe seiner Isolationspolitik, was von den verschiedensten Seiten als Zeichen der Schwäche ausgelegt wurde. Rufe nach gesellschaftlicher Veränderung verschafften sich zunehmend Gehör.

Perry 1854.jpg
1 Perrys Empfang in Japan, 1854
Im Gebiet des heutigen Yokohama, wo später auch die ersten Ausländerkolonien entstanden, treffen amerikanische Marine Offiziere unter Commodore Perry mit ihren japanischen Verhandlungspartnern zusammen. Das Bild beruht auf einem Aquarell von Wilhelm Heine (1827–1885), einem deutschen Künstler, der Perrys Mission als offizieller „Photograph“ begleitete.
Werk von Wilhelm Heine. Edo-Zeit, 1856. US Naval History & Heritage.

Ankunft der Schwarzen Schiffe

Die Krisensituation spitzte sich 1853 zu, als sich ein amerikanisches Geschwader unter Commodore Matthew Perry [Perry, Matthew (west.) 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte] (1794–1858) unter Androhung militärischer Gewalt Zutritt zum Hafen von Uraga nahe Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);] verschaffte. Perry erzwang im Auftrag der amerikanischen Regierung Verhandlungen, die den Amerikanern ein Handels- und Niederlassungsrecht in Japan ermöglichen sollten. 1854 gewährte Japan dieses Recht aus Angst, andernfalls eine ähnliche Situation wie im teilkolonialisierten China heraufzubeschwören. England, Frankreich, Russland und die Niederlande erhielten bald ähnliche Privilegien. In den für Ausländer frei gegebenen Gebieten (Yokohama [Yokohama-shi (jap.) 横浜市 Großstadt in der Präfektur Kanagawa] und Hirado [Hirado-shi (jap.) 平戸市 Stadt in der Präfektur Nagasaki]) begannen die ersten Ausländerghettos zu entstehen, Importe westlicher Produkte erregten allgemeines Interesse, führten aber auch zu Krisen der traditionellen Wirtschaft. Dies führte innenpolitisch zu enormen Spannungen und zu starken xenophoben Reaktionen, die den Niedergang des Shōgunats beschleunigten. Perry's Kanonenboote, die sogenannten „Schwarzen Schiffe“ (kurobune [kurobune (jap.) 黒舟 „Schwarze Schiffe“; volkstümliche Bezeichnung für die amerikanischen Kanonenboote, die 1853 die Öffnung Japans erzwangen]), wurden zum Synonym für ein bedrohliches Ausland.

Kurobune.jpg
3 Perrys „Schwarze Schiffe“
Drei Schiffe des Geschwaders von US Commodore Matthew Perry bei seinem zweiten Besuch Japans, 1854. Perry war mit insgesamt neun Schiffen und etwa 1800 Mann Besatzung unterwegs. Im Vordergrund das Flaggschiff „Powhatan“ — der als kurobune bekannt gewordenen Schiffe — Amerikas dritter, brandneuer Schaufelraddampfer (1850). Das Bild stammt aus einer japanischen Querbildrolle auf der Grundlage von Zeichnungen von Hibata Ōsuke, der den Besuch der Amerikaner und ihre technischen Wunderwerke akribisch aufzeichnete.
Edo-Zeit, 1854. The British Museum.

Ab den 1860er Jahren kam es zu gehäuften militärischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Machtblöcken in Japan. Auch Ausländer, die ja den Auslöser dieser Konflikte darstellten, waren davon betroffen.1 Unabhängig von ihrer ideologischen Position bemühten sich alle Lager um militärische Aufrüstung, was unweigerlich zur Kooperation mit westlichen Mächten führte. Dies setzte eine Spirale der Modernisierung in Gang, die nach der politischen Neuordnung von 1868 mit wachsender Beschleunigung fortgesetzt wurde.

Die wichtigsten politischen Akteure

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Politische Zentren der Bakumatsu-Zeit
  • Bakufu (Shōgunat), vertreten durch Ii Naosuke [Ii Naosuke (jap.) 井伊直弼 1800–1860; Staatsmann des Bakufu; wegen pro-amerikanischer Politik ermordet] (1815–1860), der die Verhandlungen mit Amerikas Vertreter Townsend Harris [Harris, Townsend (west.) 1804–1878; erster Konsul der Vereinigten Staaten in Japan] (1858), die Perrys Initiative besiegelten, im Alleingang abschloss. Autoritäre Haltung nach innen, kompromissbereit nach außen.
  • Nordosten (Daimyate wie Mito [Mito (jap.) 水戸 Fürstentum bzw. Stadt im Nordosten der Kantō-Ebene, heute Teil von Ibaraki-ken.] oder Aizu [Aizu-han (jap.) 会津藩 Edo-zeitliches Daimyat in Nord-Japan, im Westen der heutigen Präfektur Fukushima] im Norden der Kantō-Region), vertreten durch Feudalherren wie Tokugawa Nariaki [Tokugawa Nariaki (jap.) 徳川斉昭 1800–1860; Daimyō von Mito; Staatsmann; Vertreter der sonnō jōi-Ideologie] (1800–1860). Autoritäre Haltung nach innen, kompromisslos nach außen.
  • Südwesten (Daimyate Satsuma [Satsuma (jap.) 薩摩 alte Provinz im Süden der Insel Kyūshū, in der Edo-Zeit Fürstentum (Daimyat), das sich weitgehend mit der heutigen Präfektur Kagoshima deckte.] in Kyūshū, Chōshū [Chōshū (jap.) 長州 auch Nagato; alte Provinz im Westen von Japans Hauptinsel Honshū, heute Teil von Yamaguchi-ken.] in West-Honshū, Tosa [Tosa (jap.) 土佐 ehem. Provinz auf der Insel Shikoku, heute Kōchi-ken] in Shikoku). Relativ frühe Kontakte mit dem Westen, bakufu-kritisch, reformfreudig. Die meisten sogenannten Meiji-Oligarchen (politische Führer der Meiji-Zeit) stammen aus diesen Regionen.
  • Kaiserlicher Hof (Kyōto), vertreten durch Kōmei Tennō [Kōmei Tennō (jap.) 孝明天皇 1831–1867; 121. Tennō Japans; (r. 1846–1867); letzter Tennō der Edo-Zeit, Vorgänger und Vater des Meiji Tennō] (1831–1867) oder Iwakura Tomomi [Iwakura Tomomi (jap.) 岩倉具視 1825–1883; Staatsmann der Meiji-Zeit; Leiter der Iwakura Mission Iwakura Shisetsudan, 1871–1873)] (1825–1883). In der Bakumatsu-Zeit kommt es dank der Tennō-loyalistischen Bewegungen zu einer Politisierung des kaiserlichen Hofes. Ideologisch gibt es eine starke Verbindung nach Mito (Tokugawa Noriaki), später auch nach Chōshū. Während Iwakura zu einem Pragmatiker wird und die Politik der frühen Meiji-Zeit aktiv mitgestaltet, bleibt die Mehrzahl der politisch aktiven Höflinge in der Übergangszeit von Edo zu Meiji extrem traditionalistisch und fremdenfeindlich.
Choshu samurai.jpg
6 Samurai der Bakumatsu-Zeit
Eine Gruppe junger Samurai bei militärischer Lagebesprechung (1864?). Einige in traditioneller Kleidung, andere teilweise in westlichen Uniformjacken. Der Photograph, Felice Beato, eröffnete 1863 eines der ersten Photostudios in Japan und erhielt schon vor 1868 die Möglichkeit, außerhalb der Ausländerghettos zu photographieren.
Werk von Felice Beato. Späte Edo-Zeit, 1860er Jahre. Wikimedia Commons.

Ideologien

Politische Slogans
  • sonnō jōi [sonnō jōi (jap.) 尊王攘夷 „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)], „Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“
  • saisei itchi [saisei itchi (jap.) 祭政一致 Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat], „Einheit von Ritus und Regierung“
  • fukoku kyōhei [fukoku kyōhei (jap.) 富国強兵 „reiches Land, starkes Heer“; politischer Slogan des 19. Jh.s], „Reiches Land, starkes Heer“
  • wakon yōsai [wakon yōsai (jap.) 和魂洋才 „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit], „Japanischer Geist, westliche Technik“
  • bunmei kaika [bunmei kaika (jap.) 文明開化 „Aufklärung und Öffnung“; Modernisierungs-Slogan des 19. Jh.s], „Aufklärung und Öffnung“
Weitere Schlagworte
  • kokutai [kokutai (jap.) 国体 Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“], Landeskörper, Nationalwesen
  • fukko shintō [fukko shintō (jap.) 復古神道 „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō], Restaurations Shintō
  • karagokoro [karagokoro (jap.) 唐心/漢意 „chinesischer Geist“; xenophober Begriff der kokugaku], „chinesischer Geist“
  • yamato-damashii [yamato-damashii (jap.) 大和魂 „japanischer Geist“; Japanertum; nationalistisches Schlagwort] oder yamato-gokoro, „japanischer Geist“
  • rangaku [rangaku (jap.) 蘭学 „Holland Studien“; in der Edo-Zeit: westliche Wissenschaft; der Namen erklärt sich aus der Tatsache, dass es im Edo-zeitlichen Japan den Holländern als einziger westlicher Nation gestattet war, Handelsverbindungen mit Japan zu unterhalten.], westliche Wissenschaften

Hirata-Schule

Die „Nationalen Studien“ (kokugaku [kokugaku (jap.) 国学 „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete]) erfreuten sich gegen Ende der Edo-Zeit insgesamt steigender Beliebtheit, doch beschränkten sich die meisten Vertreter auf die Produktion von gelehrten Abhandlungen, Gedichten und Romanen. Innerhalb der Schule des Hirata Atsutane [Hirata Atsutane (jap.) 平田篤胤 1776–1843; kokugaku-Gelehrter] kam es jedoch zu einer starken Politisierung, die auf einen Sturz des Shōgunats und eine Regierung unter kaiserlicher Führung ausgerichtet war.

Zu den Forderungen der Hirata-Schule zählte der Slogan saisei itchi [saisei itchi (jap.) 祭政一致 Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat], „Einheit von Ritus und Regierung“, also die politische und religiöse Autorität geeint in der Person des Tennō. Als Wertesystem schwebte Atsutane die religiöse Welt Japans vor jeglichem buddhistischen und chinesischen Einfluss vor. Man sprach von der „Wiederherstellung des antiken Shintō“ (fukko shintō [fukko shintō (jap.) 復古神道 „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō]), die in den ersten Jahren der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit dann tatsächlich zu den politischen Agenda der neuen Regierung zählte.

Wie schon Motoori Norinaga [Motoori Norinaga (jap.) 本居宣長 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)] idealisierte Hirata Atsutane den vorgeblich schlichten, reinen „japanischen Geist“ (yamato-damashii [yamato-damashii (jap.) 大和魂 „japanischer Geist“; Japanertum; nationalistisches Schlagwort] oder yamatogokoro), der ohne komplizierte Lehrsätze spontan zu richtigen Entscheidungen finden würde, im Kontrast zum „chinesischen Geist“ (karagokoro [karagokoro (jap.) 唐心/漢意 „chinesischer Geist“; xenophober Begriff der kokugaku]), der moralische Entscheidungen durch Bücherwissen unnötig verkomplizieren würde. Damit war eine Kritik am Konfuzianismus [jukyō (jap.) 儒教 Konfuzianismus, Lehre des Konfuzius (Kong Zi oder Kong Fuzi); wtl. Lehre der Gelehrten] und natürlich auch am Buddhismus verbunden.

Den größten Einfluss hatte die Hirata-Schule in „bürgerlichen“ und bäuerlichen Kreisen sowie in der Welt der Shintō-Schreine. Hier konnte Hirata Atsutane seine Stellung festigen, indem er zeitweise als Leiter von neu gegründeten Shintō-Akademien fungierte. Die eigentlichen Inhaber dieser Akademien waren allerdings die Priesterdynastien Yoshida und Shirakawa-ke [Shirakawa-ke (jap.) 白川家 Priesterfamilie, die traditionellerweise das oberste Amt (haku) des höfischen Götteramts (Jingi-kan) innehatte und in der Edo-Zeit zusammen mit den konkurrierenden Yoshida die oberste Instanz der Shinto-Priester darstellte], welche Atsutane aus ideologischer Sicht viel zu Buddhismus-freundlich waren. Daher gründete Atsutane auch eigene Shintō Schulen. Unter seinem Adoptivsohn Hirata Kanetane [Hirata Kanetane (jap.) 平田鉄胤 1799–1880; Kokugaku-Gelehrter] wurde Atsutane zu einer alles überragenden Gründerfigur stilisiert, während es gelang ein überregionales Netzwerk an Schülern und Sponsoren aufzubauen. Zwischen Atsutanes Tod im Jahr 1843 und der Blüte-Zeit der Schule in der frühen Meiji-Zeit erhöhte sich die Anzahl zahlender Schüler von 500 auf über 4000.2

Späte Mito-Schule

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7 Aizawa Seishisai
Der Mito-Gelehrte Aizawa Seishisai, 1782–1863.
19.Jhd. Bildquelle: Bakumatsu Guide, (bildbearbeitet).

Die Mito-Schule hatte, im Gegensatz zur Hirata-Schule, einen regionalen Kern in der gleichnamigen Hauptstadt des Daimyats (han [han (jap.) lokales Feudalfürstentum, Spätmittelalter bis Edo-Zeit; auch Daimyat (Lehen eines Daimyō)]) Mito. Seit dem siebzehnten Jahrhundert waren Gelehrte in Mito mit der Abfassung eines gigantischen Geschichtswerks beschäftigt, der Dai Nihon-shi [Dai Nihon-shi (jap.) 大日本史 Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906], die von Tokugawa Mitsukuni [Tokugawa Mitsukuni (jap.) 徳川光圀 1628–1701; Daimyō von Mito, konfuzianischer Gelehrter und Historiker] ins Leben gerufen worden war. Doch auch in Mito kam es unter dem oben erwähnten Tokugawa Nariaki, einem Nachfahren des Mitsukuni, zu einer starken Politisierung. Der Mito-Gelehrte Aizawa Seishisai [Aizawa Seishisai (jap.) 会沢正志斎 1782–1863; Gelehrter der Mito Schule; wichtiger Vertreter der sonnō jōi-Ideologie] trug durch seine „Neuen Thesen“ (Shinron [Shinron (jap.) 新論 1825 von Aizawa Seishisai geschriebene Kollektion von Essays, welche sich unter anderem mit der Tokugawa Verteidigungspolitik auseinandersetzen], 1825) zur Verbreitung des Slogans sonnō jōi [sonnō jōi (jap.) 尊王攘夷 „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)] („Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“) bei, der besonders nach 1853/54 (Perry) in ganz Japan widerhallte. Während die darin zum Ausdruck gebrachte, radikal fremdenfeindliche Haltung nach der Meiji-Restauration (1868) rasch in den Hintergrund trat, erfuhr ein weiterer, von Aizawa popularisierter Terminus umso mehr Aktualität, nämlich kokutai [kokutai (jap.) 国体 Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“] (wtl. „Landes-Körper“). Damit war im Wesentlichen die spezifische, angeblich unvergängliche Position des Tennō in der japanischen Geschichte und Kultur gemeint, doch erhielt der Terminus im Kontext des modernen Nationalismus verschiedene ideologische Schattierungen, sodass man ihn manchmal als „Staatswesen“, manchmal aber auch als „nationale Essenz“ oder „nationale Identität“ übersetzen kann.

Die Ausdrücke sonnō jōi und kokutai stammen im übrigen ursprünglich aus konfuzianischen Klassikern. Daran zeigt sich bereits, dass die Mito-Schule nicht auf das Reservoir traditioneller konfuzianischer Werte verzichten wollte, auch wenn sie ebenso wie die Kokugaku den Buddhismus kritisierte und dem Shintō nahe stand. Die Mischung aus konfuzianischer Moral und nationalen Mythen, die in der Mito-Schule perfektioniert wurde, ist bis heute ein Markenzeichen konservativ-nationalistischer Kreise in Japan.

Mit der Gründung einer neuen Akademie, dem Kōdōkan [Kōdōkan (jap.) 弘道館 Akademie der konfuzianischen Mito-Schule; wtl. Schule zur Verbreiterung des Weges; gegr. 1841 von Tokugawa Nariaki] (1841), wurden die politischen Visionen der späten Mito-Schule institutionalisiert und verdrängten den historiographischen Ansatz der frühen Zeit. Neben Aizawa etablierte sich auch Fujita Tōko [Fujita Tōko (jap.) 藤田東湖 1806–1855; Gelehrter der Mito-Schule] als prononcierter Vertreter eines Tennō-zentrierten und zugleich konfuzianischen Nationalismus.

In realpolitischer Hinsicht unterschied sich die Mito-Ideologie allerdings auch insofern von der Hirata-Schule, als es nie um die Abschaffung des Shōgunats ging. Es sollte lediglich die Hierarchie zwischen Tennō und Shōgun symbolisch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Tokugawa Nariaki sah darin explizit ein Mittel, um den Gedanken der Loyalität zwischen Shōgun und Kriegerkaste auch innerhalb des Verbandes der Daimyō wieder stärker zu akzentuieren. Im übrigen versuchte er, durch politische Pakte mit dem Kaiserhof seine eigene Position innerhalb des Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.]-Sippenverbandes zu stärken.

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8 Mito Kämpfer unter dem Banner sonnō jōi
Aufständische Vassallen von Mito in einer militärischen Konfrontation mit den Truppen des bakufu, die als Aufstand der Tengu-Partei (tengu-tō no ran, 1864–65) in die Geschichte einging. Auf ihrem Banner haben die Tennō-treuen Mito-Kämpfer den Wahlspruch sonnō jōi, „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“, angebracht. In diesem Fall kämpfte aber selbst das Fürstenhaus von Mito auf der Seite des Shōgunats gegen die eigenen Vasallen.
Werk von Utagawa Kuniteru (1808–1876). Späte Edo-Zeit. Wikimedia Commons.

Nicht nur ideologisch, sondern auch militärisch zählten Nariaki und seine Vasallen aus Mito zu den schlagkräftigsten Vertretern der sonnō jōi Bewegung. Empört über die aus ihrer Sicht übereilten Verträge mit den Westmächten gelang es einigen Mito Samurai den politischen Hauptverantwortlichen, Ii Naosuke, 1860 zu ermorden. Nariaki wurde daraufhin zum wiederholten Male aus der Hauptstadt Edo in seine Provinz verbannt, wo er im gleichen Jahr eines natürlichen Todes starb, doch ansonsten fiel die Reaktion des Bakufu verhältnismäßig milde aus und der politische Einfluss Mitos nahm zu.

1866 sollten Nariakis realpolitische Ziele schließlich Realität werden, als sein Sohn Yoshinobu [Tokugawa Yoshinobu (jap.) 徳川慶喜 1837–1913; letzter Tokugawa-Shōgun aus der Linie der Mito Tokugawa; (r. 1866–1867); auch Tokugawa Keiki] (auch: Keiki) zum neuen Shōgun gekürt wurde. Doch wurde seine Regierung nach kaum einem Jahr durch den Putsch Tennō-loyaler Truppen aus West-Japan beendet. Während eine Art Kompromiss zwischen Bakufu und Tennō-Restauration für kurze Zeit möglich schien, kam es 1868 schließlich doch zu einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, in dem sich die Mito-Anhänger als Feinde des Tennō wiederfanden. In der Meiji-Zeit wurde die Mito-Schule allerdings schon bald wieder rehabilitiert.

Reform-Ideologen

Der Westen Japans wurde traditionell von Familien beherrscht, die die Tokugawa zu den tozama daimyō [tozama daimyō (jap.) 外様大名 Gruppe von Daimyō die erst nach der Schlacht von Sekigahara zu Vasallen von Tokugawa Ieyasu wurden; ehemalige Gegner der Tokugawa Shōgune] zählten. Es waren dies wörtlich „entfernte Landesfürsten“, deren Vorfahren einst gegen die Tokugawa gekämpft hatten. Sie waren daher politisch isoliert, doch dank der Nähe zum Kontinent und der damit verbundenen Kontrolle von Handelsrouten gelang es ihnen in der Bakumatsu-Zeit, die wirtschaftlichen Probleme des Landes besser zu meistern als andere Regionen.

Ähnlich wie Mito etablierten die westlichen Daimyate regionale Akademien, in denen allerdings auch „holländische Studien“ (rangaku [rangaku (jap.) 蘭学 „Holland Studien“; in der Edo-Zeit: westliche Wissenschaft; der Namen erklärt sich aus der Tatsache, dass es im Edo-zeitlichen Japan den Holländern als einziger westlicher Nation gestattet war, Handelsverbindungen mit Japan zu unterhalten.]) gelehrt wurden. Darunter verstand man sämtliche aus Europa und Amerika stammende Wissensgebiete, im besonderen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Diese Studien wurden vor allem in Hinblick auf die Modernisierung des Militärs voran getrieben. Die größere Offenheit gegenüber westlichen Technologien dürfte wohl auch der Grund dafür gewesen sein, warum sich Truppen aus West-Japan schließlich in der Meiji-Restauration durchsetzen konnten.

Ideologisch waren die meisten Intellektuellen aus West-Japan jedoch ebenso durch den sonnō jōi Slogan geprägt wie ihre ost-japanischen Kollegen. Auch im Lager der Reformer oder Modernisierer sah man also die Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität und den Hinauswurf der Westmächte als oberstes Ziel an. Der Unterschied lag in der Wahl der Mittel bzw. in der Bereitschaft, vom westlichen Feind zu lernen.

Yoshida Shōin

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9 Yoshida Shōin
Der politische Reformer und Wegbereiter der Meiji Restauration Yoshida Shōin.
National Diet Library, Tōkyō.

Yoshida Shōin [Yoshida Shōin (jap.) 吉田松陰 1830–1859; Gelehrter der westlichen Wissenschaften; Aktivist der sonnō jōi-Ideologie] (1830–1859) ist der bekannteste Vertreter der westjapanischen sonnō jōi-Bewegung. Er hatte einen besonders nachhaltigen Einfluss, da ein hoher Anteil von Politikern der Meiji-Zeit, angefangen von Premier Itō Hirobumi [Itō Hirobumi (jap.) 伊藤博文 1841–1909; Staatsmann; Premierminister der Meiji-Zeit], einst zu seinen Schülern gezählt hatten. Er starb allerdings schon in jungen Jahren als politischer Häftling des Shōgunats und wird daher auch als „Märtyrer der Meiji-Restauration“ bezeichnet.

Shōin stammte aus Hagi, dem Zentrum des Daimyats Chōshū [Chōshū (jap.) 長州 auch Nagato; alte Provinz im Westen von Japans Hauptinsel Honshū, heute Teil von Yamaguchi-ken.] (heute Yamaguchi-ken) im äußersten Westen der Hauptinsel Honshū. Schon als Jugendlicher studierte und lehrte er an einer Art Militärakademie in Hagi, geriet aber auch unter den Einfluss von Sakuma Shōzan [Sakuma Shōzan (jap.) 佐久間象山 1811–1864; Gelehrter des Konfuzianismus, des Militärwesens und der Rangaku (westliche Wissenschaften)], der konfuzianische Studien mit westlicher Naturwissenschaft verband. 1854 (mit vierundzwanzig) fasste Shōin den Entschluss, heimlich auf Perrys Schiffen nach Amerika zu reisen, um die westlichen Wissenschaften aus nächster Nähe kennen zu lernen. Nachdem der Plan vereitelt wurde, verbrachte Shōin die meiste Zeit seines restlichen Lebens unter Arrest. In Hagi bedeutete dies jedoch nicht, dass er auf Lehre und Studium verzichten musste, im Gegenteil, er verwandelte seine Zelle – mit wohlwollender Duldung des Landesfürsten – in eine Gelehrtenstube und begann einen rasch wachsenden Schülerkreis um sich zu scharen. Kaum in Freiheit, schmiedete er ein Mord-Komplott gegen einen Vertrauten von Ii Naosuke (s.o.), das wiederum scheiterte und ihm weitere komfortable Gefängnisaufenthalte in Hagi bescherte. Ii Naosuke verlangte jedoch schließlich Shōins Auslieferung nach Edo (im Zuge der „politischen Säuberungen der Ansei [Ansei (jap.) 安政 jap. Äranamen, 1855–1860, bekannt für besonders strenge Verfolgung von Oppositionellen (Ansei-Säuberungen, 1858–1859)]-Ära“, 1858–1859), die mit der Hinrichtung Yoshida Shōins endete.

Trotz seines radikalen Anti-Ausländer Aktivismus wirkt Shōin weniger fremdenfeindlich als etwa die Mito-Schule, da er sich für eine Öffnung des Landes und eine Auseinandersetzung mit der westlichen Kultur und Technik engagierte. Seine Haltung lässt sich mit den Slogans fukoku kyōhei [fukoku kyōhei (jap.) 富国強兵 „reiches Land, starkes Heer“; politischer Slogan des 19. Jh.s] und wakon yōsai [wakon yōsai (jap.) 和魂洋才 „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit] beschreiben, die etwa zu dieser Zeit entstanden. In letzter Konsequenz nahm Shōin jedoch bereits den Kolonialismus des zwanzigsten Jahrhunderts vorweg, indem er das Ziel vorgab, sich westliche Technologien anzueignen, um selbst in der Lage zu sein, benachbarte Länder zu annektieren und zur Weltmacht aufzusteigen.3

Shōin akzentuierte also die reformistischen Aspekte der sonnō jōi Ideologie, die vor und während des Umschwungs von 1868 tatsächlich Gestalt annahmen:

  • Tennō-Zentrismus (sonnō) als Mittel der Zentralisierung von staatlicher Gewalt und
  • Maßnahmen gegen den Westen (jōi) auf der Grundlage eines genauen Studiums der „Barbaren“.

Unter Shōins Schülern kam schließlich ein weiteres Schlagwort zur Geltung, nämlich „Aufklärung und Öffnung“, bunmei kaika [bunmei kaika (jap.) 文明開化 „Aufklärung und Öffnung“; Modernisierungs-Slogan des 19. Jh.s], was man auch als Euphemismus für „Verwestlichung“ interpretieren könnte. Nach der Meiji-Restauration verschrieben sich manche Reformer diesem Schlagwort auf so radikale Weise, dass es zur Negierung der eigenen Traditionen und Bräuche und zu einer Bejahung alles Westlich-Modernen kam. Diese Identifikation mit einer als höher und mächtiger empfundenen Kultur, führte aber nicht zur Aufgabe jedes nationalen Selbstbewusstseins. Dieses fand im Gegenteil eine neue Identifikationsfigur im japanischen Kaiserhaus und ein neues Aktionsfeld im modernisierten Militär. Insgesamt folgte die Meiji-Politik daher in erstaunlich hohem Maß den Leitlinien, die Yoshida Shōin nicht nur in seinen Schriften, sondern auch in seinem politischen Aktivismus vorgegeben hatte.

Gesellschaftliche Veränderungen

In territorialer Hinsicht lassen sich die Ereignisse zwischen 1853 und 1868, die letztlich zur Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Restauration führten, auch als eine Art innerjapanischer Ost-West Konflikt darstellen. Der kaiserliche Hof stellte so etwas ein Pfand dar, das den Sieger in jedem Fall legitimieren würde, sofern er sich dem Tennō symbolisch unterordnete. Der Osten war die Domäne der Tokugawa, gegen die sich im Laufe der Edo-Zeit eine neue Opposition formiert hatte. Das westliche Lager, das überwiegend aus Tokugawa-fernen tozama daimyō [tozama daimyō (jap.) 外様大名 Gruppe von Daimyō die erst nach der Schlacht von Sekigahara zu Vasallen von Tokugawa Ieyasu wurden; ehemalige Gegner der Tokugawa Shōgune] bestand, konnte sich zwar leichter für eine neue Herrschaftsform im Namen des Tennō begeistern, war aber zunächst noch gespalten. Erst als sich die mächtigsten Daimyō (Mōri [Mōri-shi (jap.) 毛利氏 einflussreicher Daimyō-Klan seit der Sengoku Jidai, in der Edo-Zeit Daimyō von Chōshū im Westen von Honshū] und Shimazu [Shimazu-shi (jap.) 島津氏 einflussreicher Daimyō-Klan in Satsuma, Kyūshū (heute Kagoshima-ken)]) zu einer Allianz zusammenschlossen, gelang es, das Bakufu, das schlussendlich vom Nordosten militärisch unterstützt wurde, zu stürzen. Nach der formalen Angelobung der neuen Regierung durch Meiji Tennō [Meiji Tennō (jap.) 明治天皇 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito] im 4. Monat 1868 dauerte es aber noch ein ganzes Jahr, bis die letzten Truppen aus Edo, Mito und Aizu, die sich zuletzt in Hokkaidō verschanzten, militärisch unterworfen werden konnten (Bōshin [Bōshin Sensō (jap.) 戊辰戦争 Bōshin-Krieg (1868–1869); Bürgerkrieg zwischen Tennō-Loyalisten und Shōgunatstruppen am Beginn der Meiji-Zeit. Bōshin bezeichnet das Jahr 1868]-Krieg).

Soziologisch gesehen führten die Ereignisse der Bakumatsu-Zeit zum Aufstieg neuer Schichten. Die Daimyō-Dynastien des Kriegeradels traten in den Hintergrund, junge, ehrgeizige Vertreter des niederen Samurai-Standes übernahmen im Namen des Tennō die politische Führung. In der Meiji-Zeit regierte zunächst eine Allianz von Hofadeligen (kuge [kuge (jap.) 公家 Hofadel; die führenden höfischen Familien]) und ehemaligen Vasallen der westlichen Daimyō. Diese ersetzten die alten Rangsysteme des Hof- und Kriegeradels durch neue, an Europa angelehnte Titel (Fürst, Graf, Baron...). Sie bildeten auf diese Weise eine neue Aristokratie, der nun auch der Geldadel angehörte. Dieser neue Adel sollte die Gesellschaft bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dominieren. Die Tatsache, dass sich dieser Adel vorwiegend aus sozialen „Aufsteigern“ zusammensetzte, erklärt wahrscheinlich auch, warum die alten Klanrivalitäten, die das politische Geschehen die ganze Edo-Zeit hindurch bestimmt hatten, in der Meiji-Zeit so rasch beseitigt werden konnten.

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10 Ee ja nai ka Volkstänze als Ausdruck von yonaoshi, 1867
Die im Titel angesprochenen Erntedank-Tänze (hōnen odori) werden hier von Alltags-Figuren ausgeführt wie Bauern, Freudenmädchen oder fahrenden Nonnen, dazwischen mischen sich aber auch Götter wie Ebisu, Shōki oder Uhō Dōji. Das Bild ist eigentlich ein Kalender, auf dem verschiedene Kalenderdaten für das Jahr Keiō 4 (1868) eingeschrieben sind. Die zwölf tanzenden Figuren sind wohl auch die zwölf Monate, angedeutet durch die Zwölf Tierkreiszeichen (jūni shi).

Dabei ließ sich der Künstler offenbar von den Umzügen inspirieren, die ab Mitte 1867 in vielen Landesteilen spontan um sich griffen. Diese sind nach dem Refrain der Gesänge, die dabei gesungen wurden, als ee ja nai ka („ist doch gut so“ oder „was ist schon dabei“) Umzüge bekannt. Auslöser waren z.T. auch Gerüchte von mysteriösen Geldregen, die sich insbesondere während der Pilgerfahrten nach Ise ereigneten.

Dass sich im kommenden Jahr 1868 ein politischer Umschwung ereignen würde, war dem Künstler natürlich nicht bewusst, doch deutet sich in dem hektischen Treiben die aufgeladene Stimmung unter der allgemeinen Bevölkerung in den Jahren 1867 und 1868 an. Diese Stimmung scheint auf dem Bild durch die Münzen hervorgerufen zu werden, die von der drachenreitenden Gestalt in der linken oberen Bildecke in die Menge geworfen werden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Amaterasu, die Hauptgottheit des Ise Schreins.
Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). Edo-Zeit, 1867. National Diet Library, Tōkyō.

Die Schnelligkeit und scheinbare Leichtigkeit dieser Veränderungen war vor allem zwei Faktoren geschuldet: Dem Druck von außen (Gefahr der Kolonialisierung), den man sicher zu recht als reale Gefahr ansah, und dem Druck „von unten“, in Form von Bauernaufständen und milliennaristischen Bewegungen, die eine unspezifische, aber durchaus machtvolle Sehnsucht nach „Welterneuerung“ (yonaoshi [yonaoshi (jap.) 世直し Welterneuerung; „Weltsanierung“; gesamtgesellschaftliche Umwälzung]) zum Ausdruck brachten. In dieser Situation war den politischen Eliten offenbar bewusst, dass eine Fortsetzung des gesellschaftlichen Stillstands den Untergang der nationalen Souveränität und/oder flächendeckende Volksaufstände bedeutet hätte und dass ein Systemwandel daher unumgänglich war. Dieser Eindruck ergibt sich jedenfalls angesichts der relativ hohen Kompromiss- und Reformbereitschaft der oben skizzierten Lager. Auf persönlicher Ebene sah die Sache allerdings anders aus: Kaum eine politisch exponierte Persönlichkeit dieser Tage starb eines natürlichen Todes, Attentate, Meuchelmorde und spektakuläre seppuku [seppuku (jap.) 切腹 ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“] standen auf der Tagesordnung. Daran sollte sich auch nach dem Umsturz von 1868 nur wenig ändern.

Die Bakumatsu-Zeit war also auch eine Zeit des Klassenkampfes, der eine mit der französischen Revolution vergleichbare Umschichtung der Gesellschaftsstruktur mit sich brachte. All dies geschah allerdings auf der Grundlage der sonnō-Ideologie, die eine Rückkehr zu einer idealisierten Tennō-Herrschaft versprach und sämtliche Veränderungen unter dem Mantel der loyalen Pflichterfüllung gegenüber Kaiser und Vaterland rechtfertigte.

Verweise

Fußnoten

  1. Der Höhepunkt ausländerfeindlicher Aktionen fällt in das Jahr 1863, als Kōmei Tennō ohne Rücksprache mit dem Bakufu den „Befehl zur Vertreibung der Barbaren“ erließ. Dieser Befehl wurde zwar auf Druck des Bakufu zurück genommen, von den Daimyō in Chōshū (West-Japan) allerdings dennoch befolgt. Vereinzelte Angriffe auf westliche Schiffe in der Meerenge von Shimonoseki führten zu einer Serie von Seeschlachten um diese wichtige Passage, in denen das Daimyat Chōshū einer Allianz westlicher Flottenverbände gegenüberstand und sich 1864 geschlagen geben musste. Dies führte zu einer vorübergehenden Stärkung des Shōgunats.
  2. Wachutka 2013, S. 4.
  3. „[Wir müssen] die Mandschurei besetzen und Russland bedrohen, Korea unterwerfen und uns China zuwenden, die Südinseln in Besitz nehmen und Indien angreifen.“ Brief an Yamada Raiki, 1856, zitiert nach Dumoulin 1939. Heinrich Dumoulins Aufsatz ist im übrigen ein gutes Beispiel für die kritiklose Verherrlichung von Shōins Patriotismus durch einen führenden deutschen Japanologen der Zwischenkriegszeit.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Aizawa Seishisai, Preprandial Chat. (History of Japanese Education Translation Series 2.) Bloomington: Indiana University, 2000. (Online.) [Ü. Todd Munson; originale Publikation: Taishoku kanwa, 1841.]
Heinrich Dumoulin, „Yoshida Shôin (1830–1859): Ein Beitrag zum Verständnis der geistigen Quellen der Meijierneuerung“. Monumenta Nipponica 1:2 (1939), 350–77.
Matthew V. Lamberti, „Tokugawa Nariaki and The Japanese Imperial Institution: 1853–1858“. Harvard Journal of Asiatic Studies 32 (1972), 97–123.
Umihara Tōru, Yoshida Shōin and Shōka Sonjuku: The True Spirit of Education. (History of Japanese Education Translation Series 1.) Bloomington: Indiana University, 1999. (Online.) [Ü. Charles Andrews.]
Michael Wachutka, Kokugaku in Meiji-period Japan: The Modern Transformation of ‘National Learning’ and the Formation of Scholarly Societies. Leiden, Boston: Global Oriental, 2013.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Perry 1854.jpg
    Im Gebiet des heutigen Yokohama, wo später auch die ersten Ausländerkolonien entstanden, treffen amerikanische Marine Offiziere unter Commodore Perry mit ihren japanischen Verhandlungspartnern zusammen. Das Bild beruht auf einem Aquarell von Wilhelm Heine (1827–1885), einem deutschen Künstler, der Perrys Mission als offizieller „Photograph“ begleitete.
    Werk von Wilhelm Heine. Edo-Zeit, 1856. US Naval History & Heritage.
  2. ^ 
    Perry.jpg
    Ikonisches Portrait des Matthew Perry.
    Werk von Mathew Brady (1823?–1896). 1856–1858. Metropolitain Museum of Art.
  3. ^ 
    Kurobune.jpg
    Drei Schiffe des Geschwaders von US Commodore Matthew Perry bei seinem zweiten Besuch Japans, 1854. Perry war mit insgesamt neun Schiffen und etwa 1800 Mann Besatzung unterwegs. Im Vordergrund das Flaggschiff „Powhatan“ — der als kurobune bekannt gewordenen Schiffe — Amerikas dritter, brandneuer Schaufelraddampfer (1850). Das Bild stammt aus einer japanischen Querbildrolle auf der Grundlage von Zeichnungen von Hibata Ōsuke, der den Besuch der Amerikaner und ihre technischen Wunderwerke akribisch aufzeichnete.
    Edo-Zeit, 1854. The British Museum.
  4. ^ 
    Ii naosuke.jpg
    Posthumes Portrait des Obersten Rates (tairō) Ii Naosuke, 1815–1860. Nachdem Naosuke 1854 Verträge mit Amerika abgeschlossen hatte, ohne die Zustimmung des Tennō abzuwarten, wurde er in den Augen der sonnō jōi-Anhänger zur meist gehassten politischen Figur. 1860 gelang schließlich ein Mordanschlag auf ihn durch Samurai aus Mito. Das Portrait wurde posthum von einem Sohn Naosukes angefertigt. Dieser führte zunächst das Daimyat von Yoita und betätigte sich in der Meiji-Zeit weiter als Politiker, wandte sich aber auch hobbymäßig der westlichen Malerei zu.
    Werk von Ii Naoyasu (1851–1935). Meiji-Zeit. Setagaya City.
  5. ^ 
    Tokugawa nariaki.jpg
    Tokugawa Nariaki (1800–1860), Daimyō von Mito, in westlicher Drucktechnik portraitiert.
    Edo-Zeit, 19. Jh. Wikimedia Commons.
  1. ^ 
    Choshu samurai.jpg
    Eine Gruppe junger Samurai bei militärischer Lagebesprechung (1864?). Einige in traditioneller Kleidung, andere teilweise in westlichen Uniformjacken. Der Photograph, Felice Beato, eröffnete 1863 eines der ersten Photostudios in Japan und erhielt schon vor 1868 die Möglichkeit, außerhalb der Ausländerghettos zu photographieren.
    Werk von Felice Beato. Späte Edo-Zeit, 1860er Jahre. Wikimedia Commons.
  2. ^ 
    Aisawa seishisai.jpg
    Der Mito-Gelehrte Aizawa Seishisai, 1782–1863.
    19.Jhd. Bildquelle: Bakumatsu Guide, (bildbearbeitet).
  3. ^ 
    Tengu no ran.jpg
    Aufständische Vassallen von Mito in einer militärischen Konfrontation mit den Truppen des bakufu, die als Aufstand der Tengu-Partei (tengu-tō no ran, 1864–65) in die Geschichte einging. Auf ihrem Banner haben die Tennō-treuen Mito-Kämpfer den Wahlspruch sonnō jōi, „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“, angebracht. In diesem Fall kämpfte aber selbst das Fürstenhaus von Mito auf der Seite des Shōgunats gegen die eigenen Vasallen.
    Werk von Utagawa Kuniteru (1808–1876). Späte Edo-Zeit. Wikimedia Commons.
  4. ^ 
    Yoshida shoin.jpg
    Der politische Reformer und Wegbereiter der Meiji Restauration Yoshida Shōin.
    National Diet Library, Tōkyō.
  5. ^ 
    Eejanaika kyosai.jpg
    Die im Titel angesprochenen Erntedank-Tänze (hōnen odori) werden hier von Alltags-Figuren ausgeführt wie Bauern, Freudenmädchen oder fahrenden Nonnen, dazwischen mischen sich aber auch Götter wie Ebisu, Shōki oder Uhō Dōji. Das Bild ist eigentlich ein Kalender, auf dem verschiedene Kalenderdaten für das Jahr Keiō 4 (1868) eingeschrieben sind. Die zwölf tanzenden Figuren sind wohl auch die zwölf Monate, angedeutet durch die Zwölf Tierkreiszeichen (jūni shi).

    Dabei ließ sich der Künstler offenbar von den Umzügen inspirieren, die ab Mitte 1867 in vielen Landesteilen spontan um sich griffen. Diese sind nach dem Refrain der Gesänge, die dabei gesungen wurden, als ee ja nai ka („ist doch gut so“ oder „was ist schon dabei“) Umzüge bekannt. Auslöser waren z.T. auch Gerüchte von mysteriösen Geldregen, die sich insbesondere während der Pilgerfahrten nach Ise ereigneten.

    Dass sich im kommenden Jahr 1868 ein politischer Umschwung ereignen würde, war dem Künstler natürlich nicht bewusst, doch deutet sich in dem hektischen Treiben die aufgeladene Stimmung unter der allgemeinen Bevölkerung in den Jahren 1867 und 1868 an. Diese Stimmung scheint auf dem Bild durch die Münzen hervorgerufen zu werden, die von der drachenreitenden Gestalt in der linken oberen Bildecke in die Menge geworfen werden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Amaterasu, die Hauptgottheit des Ise Schreins.
    Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). Edo-Zeit, 1867. National Diet Library, Tōkyō.


Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Aizawa Seishisai 会沢正志斎 ^ 1782–1863; Gelehrter der Mito Schule; wichtiger Vertreter der sonnō jōi-Ideologie
  • Aizu-han 会津藩 ^ Edo-zeitliches Daimyat in Nord-Japan, im Westen der heutigen Präfektur Fukushima
  • Ansei 安政 ^ jap. Äranamen, 1855–1860, bekannt für besonders strenge Verfolgung von Oppositionellen (Ansei-Säuberungen, 1858–1859)
  • bakufu 幕府 ^ wtl. „Zeltregierung“; Militärregierung, Shōgunat
  • bakumatsu 幕末 ^ Ende des Tokugawa-Shōgunats, 1853–1867; wtl. Ende der Zeltregierung (bakufu)
  • Bōshin Sensō 戊辰戦争 ^ Bōshin-Krieg (1868–1869); Bürgerkrieg zwischen Tennō-Loyalisten und Shōgunatstruppen am Beginn der Meiji-Zeit. Bōshin bezeichnet das Jahr 1868
  • bunmei kaika 文明開化 ^ „Aufklärung und Öffnung“; Modernisierungs-Slogan des 19. Jh.s
  • Chōshū 長州 ^ auch Nagato; alte Provinz im Westen von Japans Hauptinsel Honshū, heute Teil von Yamaguchi-ken.
  • Dai Nihon-shi 大日本史 ^ Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • Fujita Tōko 藤田東湖 ^ 1806–1855; Gelehrter der Mito-Schule
  • fukko shintō 復古神道 ^ „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō
  • fukoku kyōhei 富国強兵 ^ „reiches Land, starkes Heer“; politischer Slogan des 19. Jh.s
  • han^ lokales Feudalfürstentum, Spätmittelalter bis Edo-Zeit; auch Daimyat (Lehen eines Daimyō)
  • Harris, Townsend (west.) ^ 1804–1878; erster Konsul der Vereinigten Staaten in Japan
  • Hirado-shi 平戸市 ^ Stadt in der Präfektur Nagasaki
  • Hirata Atsutane 平田篤胤 ^ 1776–1843; kokugaku-Gelehrter
  • Hirata Kanetane 平田鉄胤 ^ 1799–1880; Kokugaku-Gelehrter
  • Ii Naosuke 井伊直弼 ^ 1800–1860; Staatsmann des Bakufu; wegen pro-amerikanischer Politik ermordet
  • Itō Hirobumi 伊藤博文 ^ 1841–1909; Staatsmann; Premierminister der Meiji-Zeit
  • Iwakura Tomomi 岩倉具視 ^ 1825–1883; Staatsmann der Meiji-Zeit; Leiter der Iwakura Mission Iwakura Shisetsudan, 1871–1873)
  • jukyō 儒教 ^ Konfuzianismus, Lehre des Konfuzius (Kong Zi oder Kong Fuzi); wtl. Lehre der Gelehrten
  • karagokoro 唐心/漢意 ^ „chinesischer Geist“; xenophober Begriff der kokugaku
  • kokugaku 国学 ^ „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
  • kokutai 国体 ^ Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“
  • Kōdōkan 弘道館 ^ Akademie der konfuzianischen Mito-Schule; wtl. Schule zur Verbreiterung des Weges; gegr. 1841 von Tokugawa Nariaki
  • Kōmei Tennō 孝明天皇 ^ 1831–1867; 121. Tennō Japans; (r. 1846–1867); letzter Tennō der Edo-Zeit, Vorgänger und Vater des Meiji Tennō
  • kuge 公家 ^ Hofadel; die führenden höfischen Familien
  • kurobune 黒舟 ^ „Schwarze Schiffe“; volkstümliche Bezeichnung für die amerikanischen Kanonenboote, die 1853 die Öffnung Japans erzwangen
  • Meiji 明治 ^ posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
  • Meiji Tennō 明治天皇 ^ 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
  • Mito 水戸 ^ Fürstentum bzw. Stadt im Nordosten der Kantō-Ebene, heute Teil von Ibaraki-ken.
  • Motoori Norinaga 本居宣長 ^ 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)
  • Mōri-shi 毛利氏 ^ einflussreicher Daimyō-Klan seit der Sengoku Jidai, in der Edo-Zeit Daimyō von Chōshū im Westen von Honshū
  • Perry, Matthew (west.) ^ 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte
  • rangaku 蘭学 ^ „Holland Studien“; in der Edo-Zeit: westliche Wissenschaft; der Namen erklärt sich aus der Tatsache, dass es im Edo-zeitlichen Japan den Holländern als einziger westlicher Nation gestattet war, Handelsverbindungen mit Japan zu unterhalten.
  • saisei itchi 祭政一致 ^ Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat
  • Sakuma Shōzan 佐久間象山 ^ 1811–1864; Gelehrter des Konfuzianismus, des Militärwesens und der Rangaku (westliche Wissenschaften)
  • Satsuma 薩摩 ^ alte Provinz im Süden der Insel Kyūshū, in der Edo-Zeit Fürstentum (Daimyat), das sich weitgehend mit der heutigen Präfektur Kagoshima deckte.
  • seppuku 切腹 ^ ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“
  • Shimazu-shi 島津氏 ^ einflussreicher Daimyō-Klan in Satsuma, Kyūshū (heute Kagoshima-ken)
  • Shinron 新論 ^ 1825 von Aizawa Seishisai geschriebene Kollektion von Essays, welche sich unter anderem mit der Tokugawa Verteidigungspolitik auseinandersetzen
  • Shirakawa-ke 白川家 ^ Priesterfamilie, die traditionellerweise das oberste Amt (haku) des höfischen Götteramts (Jingi-kan) innehatte und in der Edo-Zeit zusammen mit den konkurrierenden Yoshida die oberste Instanz der Shinto-Priester darstellte
  • sonnō jōi 尊王攘夷 ^ „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)
  • Tokugawa 徳川 ^ Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.
  • Tokugawa Mitsukuni 徳川光圀 ^ 1628–1701; Daimyō von Mito, konfuzianischer Gelehrter und Historiker
  • Tokugawa Nariaki 徳川斉昭 ^ 1800–1860; Daimyō von Mito; Staatsmann; Vertreter der sonnō jōi-Ideologie
  • Tokugawa Yoshinobu 徳川慶喜 ^ 1837–1913; letzter Tokugawa-Shōgun aus der Linie der Mito Tokugawa; (r. 1866–1867); auch Tokugawa Keiki
  • Tosa 土佐 ^ ehem. Provinz auf der Insel Shikoku, heute Kōchi-ken
  • tozama daimyō 外様大名 ^ Gruppe von Daimyō die erst nach der Schlacht von Sekigahara zu Vasallen von Tokugawa Ieyasu wurden; ehemalige Gegner der Tokugawa Shōgune
  • wakon yōsai 和魂洋才 ^ „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit
  • yamato-damashii 大和魂 ^ „japanischer Geist“; Japanertum; nationalistisches Schlagwort
  • Yokohama-shi 横浜市 ^ Großstadt in der Präfektur Kanagawa
  • yonaoshi 世直し ^ Welterneuerung; „Weltsanierung“; gesamtgesellschaftliche Umwälzung
  • Yoshida Shōin 吉田松陰 ^ 1830–1859; Gelehrter der westlichen Wissenschaften; Aktivist der sonnō jōi-Ideologie