Sugawara no Michizane

Aus Kamigraphie
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Sugawara Michizane.jpg
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Themengruppe Personen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen)
Name Sugawara no Michizane 菅原道真
Lebenszeit geb. 845, gest. 903 (Heian-Zeit)
Funktion, Amt Gelehrter, Poet und Staatsmann
Bemerkung wird als Gottheit der Gelehrsamkeit verehrt
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Themengruppe Gottheiten (Götter, numinose Erscheinungen)
Name Tenjin 天神 („Himmelsgott“)
Sonstige Namen Karai Tenjin 火雷天神 (wtl. „Himmlischer Feuer-Donnergott“)
Rel. Zugehörigkeiten Shintō; Tenjin Shinkō 天神信仰
Herkunft Japan
Funktion, Wirkkraft Donnergott, Gott der Landwirtschaft, Gott der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, Gott der Zerstreuung falscher Anschuldigungen, Gott der darstellenden Künste, Gott der Gelehrsamkeit
Bemerkung damals kategorisiert als: raijin 雷神 („Donnergott“), goryō 御霊 („Rachegeist“), onryō 怨霊(„zorniger Geist“)

Sugawara no Michizane 菅原道真 (845 - 903) war ein berühmter Gelehrter, Poet und Staatsmann der Heian-Zeit (784 bzw. 794 - 1185). Er fiel einer Intrige zum Opfer und wurde ins Exil geschickt. Nach seinem Tod wurde Kyōto von einer Reihe von Katastrophen heimgesucht, die mit ihm in Verbindung gebracht wurden. Schließlich wurden ihm zwei Schreine gewidmet und das Unheil nahm ein Ende bzw. wurden anderen kami zugeschrieben.

Der Kitano Tenman-gū[1] in Kyōto ist der Hauptschrein des Tenjin-Glaubens und der erste Schrein Japans, welcher einer realen Person gewidmet wurde um sie als Gottheit zu verehren. Zudem wurde er direkt von der Regierung unterstützt. Heute wird Michizane in rund 12.000 Tenjin 天神 Schreinen als Gottheit der Gelehrsamkeit verehrt. Er ist sehr beliebt bei Studenten, die sich auf ihr Eintrittsexamen bei einer Universität vorbereiten. Das jährlich am 24. und 25. Juli zu Ehren von Sugawara noch Michizane stattfindende Tenjin Matsuri 天神祭 zählt darüberhinaus zu einem der drei größten Feste Japans.

Der Weg ins Exil

Tenjin durchquert China

Im Laufe seiner Karriere zog Michizane immer mehr Neider auf sich. Einer seiner späteren Feinde war Miyoshi no Kiyoyuki 三善清行 (847-918), welcher sich, ebenso wie Michizane, dem Studium der Literatur verschrieben hatte. Seinen Hass zog Michizane auf sich als er den damals 35-jährigen Kiyoyuki bei der Prüfung zur Beamtenschaft durchfallen ließ. Kiyoyuki begann darauf eine Intrige gegen Michizane anzustiften und versuchte anhand von astrologischen Vorhersagen und geschehenen Ereignissen zu beweisen, dass der damalige Regent gestürzt werden soll. Ein weiterer Feind Michizanes war Fujiwara no Tokihira 藤原時平 (871-909)(Minister zur Linken) der durch die Verheiratung von Michizanes Töchter mit der Regentenfamilie befürchtete, dass einer der Enkel Michizanes der nächste Regent werden könnte. Aufgrund dieser Intrigen wurde Michizane ins Exil nach Dazaifu (Kyūshū) verbannt, wo er 903 im Alter von 59 starb.

Die posthume Deifizierung und der Beginn des Tenjin-Glaubens

Eine Reihe von Geschehnissen nach dem Tod Michizanes waren verantwortlich für die sich später entwickelnde Deifizierung seiner verstorbenen Seele. 909, sechs Jahre nach dem Tod Michizanes verstarb Fujiwara no Tokihira 藤原時平 (871-909), damaliger Minister zur Linken (sadaijin 左大臣), welcher aus Angst Michizane könnte aus seiner stetig wachsenden Macht selbst den Kaiserthron besteigen, bei Intrige gegen Michizane beteiligt war. In den Jahrzehnten darauf vermehrte sich die Anzahl der Sterbefälle innerhalb des Fujiwara-klans. 923 starb Kronprinz Yasuaki (Tokihiras Neffe), 925 folgte ihm der neu ernannte Kronprinz, ein Enkel Tokihiras und im Jahr 930 starb schließlich auch der damalige Kaiser Daigo 醍醐 (885-930), welcher sich von der Intrige leiten ließ und sich schließlich gegen Michizane entschied. Noch bevor Kaiser Daigo jedoch starb, ereignete sich ein Vorfall, der bis heute in allen Engi-Versionen zum Mittelpunkt in der Darstellung des zornentbrannten Geistes (goryō 御霊) Michizanes wurde: Der Blitzschlag auf den Kaiserpalast. Nach einer lange andauernden Dürre brach ein heftiges Gewitter ein und ein gewaltiger Blitz traf den Kaiserpalast. Diesem „Angriff“ fielen auf äußerst grausame Weise vier Höflinge zum Opfer, zu denen auch Miyoshi no Kiyotsura 三善清行 (oder Kiyoyuki, 847-918),der Anstifter der Intrige, zählte. Mit diesem Ereignis wurde Michizane erstmals als der grollende Donnergott Karai Tenjin 火雷天神 dargestellt.

Angriff des Donnergottes auf den Kaiserpalast


Ausschlaggebend für die spätere Verehrung als Donnergott waren jedoch zwei von einander unabhängig stattfindende Orakel, welche sich sogar in ihrem religiösen Schwerpunkt von einander unterscheiden. Dazu zählt eine Aufzeichnung Dōkens 道賢 (später Nichizō 日蔵,905-985[?]), ein Sohn Kiyoyukis, dessen Geist nach einundzwanzigtägiger Meditation auf dem Berg Kimpu eine Reise ins Jenseits antrat, in der er auch dem Geist Michizane, welcher sich nicht als Karai Tenjin selbst sondern als Herr des Donnergottes bezeichnete, begegnete. Um seinen wütenden Geist zu besänftigen verlangte er, als Buddha verehrt zu werden, ansonsten würde er weiterhin alle diejenigen, die ihm Unrecht getan hatten verfolgen und grausamst foltern. Nur die, die ihn verehrten würde er verschonen. Nach dieser Begegnung führte Nichizōs (wie er ab diesem Zeitpunkt genannt wird) seine Reise weiter durch die acht buddhistischen Höllen und die sechs Pfade der Reinkarnation (rokudō 六道). Das zweite Orakel ereignete sich nur ein Jahr nach Nichizōs mysteriöser Auseinandersetzung mit Michizanes Geist. Im Juli 942 erschien Michizane einer armen Frau namens Tajihi no Ayako. Nicht wie in Dōkens Aufzeichnung, in der der buddhistische Kontext deutlich hervorsticht, bezeichnet sich Michizane in diesem Orakel als Tenjin 天神 und verlangt, dass ihm zu Ehren ein Schrein in Kitano 北野 errichtet werden soll.

Um den zornigen Geist Michizanes friedlich zu stimmen und das Land vor seinem Groll zu beschützen, setzte ihn der damalige Kaiser wieder in all seine Ämter ein und gab die Order, dass egal welcher Schicht man angehöre, Michizane von nun an als Himmelsgott „Tenjin“ zu verehren ist. Nachdem sein Geist nun besänftigt zu sein schien, wich sein Ruf als Rachegeist onryō immer mehr dem eines Schutzpatrons. Er wurde zu einem kami mit „(positiver) Funktion“. Diese Funktionen beziehen sich hauptsächlich auf Anekdoten über Michizane und schreiben ihm unter anderem die Beseitigung falscher Anklagen, Aufrichtigkeit und Frömmigkeit sowie den Schutz des Staates zu. Da Sugawara no Michizane zusätzlich zu seiner politschen Position, einer der berühmtesten Dichter und Gelehrten seiner Zeit war, wurden ihm auch das künstlerische Gebiet der Poesie und Kalligraphie zugeordnet. Bald begannen Gelehrte daher, ihn als Schutzpatron der Gelehrsamkeit anzusehen. Diese Rolle hat im heutigen Volksglauben seine Stellung als Gott der Naturkatastrophen völlig verdrängt.

Kitano Tenman-gū 北野天満宮 Schrein in Kyōto


Michizane als Tenjin

Die Kitano Tenjin Engi Emaki 北野天神縁起絵巻 sind Bildrollen (emaki 絵巻), welche das Leben von Sugawara no Michizane und seine Taten nach seinem Tod darzustellen versuchen. Obwohl es 30 verschiedene Versionen dieser Bildrollen gibt, gehört das kitano tenjin engi, dass im 12 Jhdt. entstand, dennoch zu der wohl bedeutendsten Erzählung der Tenjin-Legende. Von seiner Verbannung ins Exil, über seinen Tod hinaus zu seinem Treiben als Rachegott bis hin zu den Versuchen der Menschen ihn zu besänftigen wird der Wandel des Sugawara no Michizane in dieser Erzählung deutlich porträtiert.

Michizane war einer der berühmtesten Dichter und Gelehrten seiner Zeit und hat nicht nur waka (japanischen Gedichte) verfasst, sondern beschäftigte sich auch mit kanshi(chinesischer Dichtkunst). Der chinesische Einfluss während der Muromachi-Zeit 室町時代 (1338-1573) hatte großen Einfluss auf den Tenjin-Glauben. Durch die Manifestation des Zen-Buddhismus gewann chinesische Literatur zunehmend an Bedeutung und Michizanes Werke machten ihn noch bekannter. Sogar Poeten kamen zu seinen Schreinen und trugen ihm ihre chinesischen Gedichte vor. 1241 soll Tenjin einem Zen-Mönch erschienen sein, welcher kürzlich aus China zurückgekehrt war, und bat diesen, sein Lehrling werden zu dürfen. Der Mönch schlug ihm jedoch vor, doch direkt von seinem Lehrer in China zu lernen. Daraufhin überquerte Tenjin, mehr als 300 Jahre nach seinem Tod, das Meer und reiste nach China zu dem besagten Meister, welcher sich bereiterklärte Michizane zu unterrichten. Aufgrund Michizanes Passion chinesischer Literatur gegenüber, wurde er während der Muromachi-Zeit auch als Zen-Mönch angesehen, was den Tenji-Glauben sowohl mit dem Buddhismus, als auch mit dem Shintoismus verbindet. Noch heute ist die Reise des Tenjin nach China ein ein beliebtes Motiv unter japanischen Künstlern.

Als der Konfuzianismus den Buddhismus in der Edo-Zeit 江戸時代 (1603–1867) zunehmends verdrängte, wurde Chinas Einfluss wieder stärker und es festigte sich das Bild des Tenjin als Gott der Gelehrsamkeit, der Aufrichtigkeit, Reinheit und Mäßigung. In dieser Zeit gewann der Tenjin-Glauben immer mehr Anhänger, was sich während der Meji Restauration 明治維新 (1868-1912) nicht änderte. Jedoch wurde im April 1868 das Gesetz zur Entfernung buddhistischer Elemente aus Shinto-Schreinen geordert, was für den Tenjin-Glauben bedeutete, sich völlig dem Shintoismus zuzuordnen. Heute sind die damals noch bedeutenden buddhistischen Einflüsse fast völlig in Vergessenheit geraten.

Der Tenjin-Glaube hat sich demnach, über die Jahrhunderte hinweg, immer wieder an den geistigen Wandel in Japan angepasst und sich nicht nur strikt an veraltete Lehren geklammert. Michizane selbst, als zentrale Figur des Glaubes, wird jedenfalls durchgehend, bis heute, für seine Leistungen und Ideale zu Lebzeiten, als Gelehrter, Poet und Staatsmann verehrt und respektiert und nicht nur aufgrund seiner Deifizierung.

Der Dichter Sugawara no Michizane


「飛梅」 [1]
東風吹かば
匂ひおこせよ
梅の花
あるじなしとて
春な忘れそ

"tobi-ume"
kochi fukaba
nio hi okoseyo
ume no hana
aru ji nashi tote
haru na wasureso

"Flying plum tree"
When the east wind blows,
bring your scent to me, you plum tree.
Although your master (Michizane) is absent,
never ever miss the spring to come.


Anmerkungen

Literatur

  • Robert Borgen 1994
    Sugawara no Michizane and the early Heian court. Honolulu, Hawai'i: University of Hawai'i Press 1994. (Exzerpt.)
  • Robert Borgen 1995
    „Ο̄e no Masafusa and the spirit of Michizane.“ Monumenta Nipponica 50(3) (1995), S. 357-384.
  • Niels J. Gülberg 1994
    Michizane und die Kannon von Hase: Ergänzende Anmerkungen zum mittelalterlichen Tenjin-Kult.“ Asiatische Studien/Etudes Asiatiques: Zeitschrift der Schweizerischen Asiengesellschaft/Revue de la Société Suisse-Asie 48 (1994), S. 202-214.
  • Komatsu Shigemi 小松 茂美 1991
    Kitano Tenjin engi. (Zoku Nihon no emaki, Bd. 15.) Tōkyō: Chūō Kōronsha 1991.
  • Shūichi Murayama (Hg.) 1983
    Tenjin shinkō. Tōkyō: Yūzankaku Shuppan 雄山閣出版 1983. (Shohan 初版.)
  • Herbert Plutschow 2000
    Tragic Victims in Japanese Religion, Politics, and the Arts.“ Anthropoetics- The Electronic Journal of Generative Anthropology Bd. 6 Nr.2. Los Angeles: University of California 2000. (2. Auflage.)
  • Stanca Scholz 1991
    Aspekte des mittelalterlichen Synkretismus im Bild des Tenman Tenjin im Nō. (59.) Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1991. (Exzerpt.)
  • Tōru Shinbo 1991
    Kitano tenjin engi: emaki. (Nihon no bijutsu 日本の美術, Bd. 299.) Tōkyō: Shibundō 1991.
  • Sarah L. Sumpter 2009
    „The Shōkyū version of the Kitano Tenjin engi emaki: A brief introduction to its content and function.“ Eras 11 (2009).
  • Sarah L. Sumpter 2011
    From the monstrous to the god-Like: The pacification of vengeful spirits in early-medieval Japanese handscrolls. 2011.
  • Robert Tuck 2014
    „Poets, paragons, and literary politics: Sugawara no Michizane in Imperial Japan.“ Harvard Journal of Asiatic Studies 74(1) (2014), S. 43-99.
Designed von Edoardo Chiossone 1888; Abbildung: Kitano Tenman-gū Schrein (links), gewidmet Sugawara no Michizane (rechts)