Ökonomische Veränderungen der Schreine in der Meiji-Zeit

Aus Kamigraphie
Version vom 28. August 2023, 10:59 Uhr von Bescheid (Diskussion | Beiträge) (→‎Fall von Konpira)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Meiji-Restauration brachte große Veränderungen in der japanischen Gesellschaft in allen Aspekten des Lebens hervor. In der Meiji-Zeit (1868-1912) wurde die Regierungsgewalt von dem Shōgun an den Kaiser übertragen. Diese politischen Veränderungen legten den Grundstein für das moderne Japan. Neben den politischen Veränderungen hatte Meiji Restauration auch einen starken Einfluss auf die Religion Japans, der sich nicht nur in der Gesellschaft bemerkbar machte, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft der Tempel und Schreine ausübte.

Buddhismus und Shintoismus in der Edo-Zeit

Bereits in der Edo-Zeit gab es Versuche der Shōgunatsregierung (bakufu) die Schreine und Tempel zu kontrollieren. Im Jahr 1665 wurden die Schreine Regulierungen shosha negi kannushi hatto 諸社禰宜神主法度 erlassen. Dies erlaubte einerseits den shissōke Familien 執湊家, von denen die einflussreichste die Shirakawa Familie war und anderseits der Yoshida Familie mit ihrem großen Einfluss am Hof die Schreine zu kontrollieren.

Bei den Tempeln entwickelte sich das terauke System, das das Bakufu zuerst als Maßnahme gegen das Christentum einsetzte. Jeder Bürger musste seine „Rechtgläubigkeit“ durch Mitgliedschaft in einer buddhistischen Tempelgemeinde bestätigen. Jährlich wurde mit diesem System ein Zensus der lokalen Bevölkerung durchgeführt, indem buddhistische Tempel alle Familien, Geburten und Todesfälle innerhalb ihrer Gläubigengemeinde registrierten und diese Daten an die Behörden weitergaben. Für Zertifikate nahmen Tempel bisweilen sogar Entgelte entgegen, was zu einer wichtigen Einnahmequelle wurde. Insgesamt gewannen die Tempel durch das terauke-System an Macht.

Religiöse Veränderungen der Meiji-Zeit

Entwicklung der Shintō Administration für Schreine

Während sich die neue Regierung aufbaute, entwickelten sich seit dem Jahr 1868 Behörden, die für Shintō verantwortlich waren. Als höchste Amt entstand Jingikan 神祇官, Amt für Schreinwesen, das für alle Angelegenheiten bezüglich Schreine, deren Besitze und die Priester verantwortlich war.

Im Jahr 1871 wurde das Amt in ein Ministerium für Schreinwesen Jingishō 神祇省 umorganisiert. Die bedeutendste Änderung des Ministeriums war die Etablierung der Schrein-Ränge der Meiji-Zeit. Jingishō veröffentlichte seit diesem Jahr auch die Veränderungen in seinem Namen.

Jingishō wurde im Jahr 1872 durch Kyōbushō 教部省, Ministerium für Religionen, ersetzt. Durch Kyōbushō veränderte sich die Funktion der Priester, die zwischen den Jahren 1872 und 1882 als Kyōdōshoku 教導職 - Beauftragte für Lehre - tätig waren. Seit dem Jahr 1873 durften in den Tempeln und Schreinen auch Schulen errichtet werden. Weiters wurden im Jahr 1872 die Shintō-Begräbnisse eingeführt, die zu der Funktion als Kyōdōshoku gehörten. Mit dem Abschaffen dieser Funktion im Jahr 1882 wurden auch die Begräbnisse nicht mehr durchgeführt.

Zentralisierung der Schreine

Ab 1872 wurden mehrere Änderungen bezüglich der Errichtung oder Auflösung von Schreinen und Tempeln wirksam. Ohne Genehmigung des damaligen Finanzministeriums und Kyōbushō durften keine neuen Tempel oder Schreine eingerichtet werden. Um eine Neugründung zu ermöglichen, wurden strenge Regeln festgelegt, die unter anderem eine langfristige finanzielle Absicherung und angemessene Grundstücke erforderten. Diese Regelungen waren auch für Schreinwiederherstellungen gültig.

Durch Kyōbushō wurden auch Schreinzusammenschlüsse geregelt. Im Jahr 1874 kam es zu Unstimmigkeiten, Weil die Regionalbehörden die Regierung über Zusammenlegungen von Schreinen nicht immer gründlich informierten und die Geschichte der Schreine nicht berücksichtigt wurde. Deshalb untersagte das Kyōbushō weitere Zusammenschlüsse der Schreine.

haibutsu kishaku und shinbutsu bunri

Um Shinto vom Buddhismus trennen zu können, wurde die „Trennung von Buddhismus und Shinto“ angeordnet, bekannt auch als shinbutsu bunri 神仏分離. Das Ziel war, den Einfluss von Buddhismus abzuschaffen. Die Regierung versuchte alle buddhistischen Symbole aus öffentlichen Orten zu entfernen. Dieser Schritt war für die Regierung notwendig, um alle Verbindungen zu der alten Regierung abzuschaffen und den neuen Staat zu legitimieren.

Alle buddhistischen Mönche wurden angefordert, zum Laienleben zurückzukehren. Einige wurden zu Shinto Priestern, diese Änderung wurde aber im Laufe der Meiji-Zeit untersagt. Buddhistische Namen von shintoistischen kami wurden ebenfalls verboten. Die Regierung untersagt weiters auch alle buddhistischen Zeremonien und Dienstleistungen. Die schwerwiegendsten Folgen waren die Konfiskation von Tempel Gelände und somit verloren die Tempel die Mehrheit ihrer Einnahmen. Die Registrierung der Einwohner über die Tempel wurde auf die Schreine übertragen. Die Folge war der Verlust der Kontrolle über die Bevölkerung.

Shinbutsu bunri resultierte in einer aggressive Bewegung gegen Buddhismus, bekannt unter dem Begriff haibutsu kishaku 廃仏毀釈. Shinto Priester die gezwungen wurden, unter den buddhistischen Tempeln zu arbeiten, konnten jetzt ihr Ärger öffentlich zeigen und unterstützten die Zerstörung der Symbole, die durch die Bevölkerung durchgeführt wurde. Während dieser Bewegung wurden die meisten buddhistischen Artefakte und Gebäuden zerstört. 40.000 Tempel wurden Opfer von haibutsu kishaku. Dies gilt als eine der schlimmsten Verfolgungen des Buddhismus in der japanischen Geschichte.

Auswirkung der Veränderungen auf die Schreine

Die Veränderungen, die von der neuen Regierung der Meiji-Zeit implementiert wurden, stellten Einschnitte in alle Aspekte der Organisation der Schreine, und Tempel, dar. Durch die neue Organisation und strengere Kontrolle des Besitzes und Tätigkeit der Schreine blieben kaum Möglichkeiten unbeachtet von den Behörden zu bleiben. Reguliert wurde die Größe des Vermögens, Grundbesitzes und Gehälter der Priester. Einige Schreine konnten von diesen Änderungen profitieren, während kleinere Schreine, die nicht zu den kansha gehörten, mussten um ihre Existenz kämpfen. Im weiteren werden diese Auswirkungen beschrieben und anhand einigen Beispielen erklärt.

Finanzierung der Schreine

Die Schreine verfügten auch während der Edo-Zeit über religiösen Einnahmen. Diese wurden in der Form von Opfern, Spenden oder Amuletten gewonnen. Schreine profitierten nicht ausschließlich von diesen Einnahmequellen, sondern die wichtigste finanzielle Quelle stellte Grundbesitz dar.

Diese Situation änderte sich im Jahr 1869. Schreine und Tempel verloren ihre Rechte, die mit dem Landbesitz verbunden waren, wozu die Ernennung der Dorfbeamten gehörte. Sie durften die Steuer weiterhin einziehen, diese wurden aber von den Daimyaten festgestellt. Vorerst verloren die Schreine und Tempel ihr Besitz nicht.

Im Jahr 1871 wurden Tempel und Schreine aufgefordert, ihr Landbesitz an den Staat zurückzugeben. Von dieser Verordnung wurden die engeren Gelände und Privatbesitz ausgenommen. Alle Geldstiftungen wurden ersatzlos aufgehoben und eine staatliche Unterstützung angekündigt.

Die Feststellung der finanziellen Unterstützung durch die Regierung zeigte sich als kompliziert. Die Schreine wurden nach Durchschnittseinnahmen der letzten sechse Jahren befragt. Diese umfangreiche Voruntersuchung, von der die staatliche Unterstützung berechnet werden sollte, zeigte sich nur wenig effektiv. Die Schreine erhielten einen umfangreichen Fragebogen, in dem sie ihre Einnahmen nach Zeremonien, Steuern, Schreinunterhalt und Priestergehälter spezifizierten. Die staatliche Hilfe wurde durch diesen komplizierten Prozess verzögert und eine Übergangslösung wurde notwendig. In dieser Lösung erhielten die Schreine und Tempel die Hälfte der Einnahmen vom Jahr 1871. Durch die Rückgabe des Landesbesitzes gab es einen deutlichen Verfall an Einnahmen von Steuern. Weil die Einnahmen von Steuern aus dem Landesbesitz die wichtigste Quelle waren, war diese finanzielle Hilfe deutlich niedriger als die Einnahmen aus den Jahren davor.

Die kanpeisha waren in diesem Fall die privilegierte Gruppe. Das Finanzministerium deckte die Kosten für Schrein-Neubau, wenn es die Tradition des Schreines war, laufende Kosten für Reparaturen, Ausgaben für Feste und Zeremonien und alle sonstigen Aufgaben.

Im Falle von kokuheisha, trugen die Kosten für alle öffentlichen Aufgaben und offiziellen Feste die Haushalte. Bei den sonstigen Schreinen, konnte die Unterstützung für Bauten und Reparaturen, sofern das Landbesitz an den Staat zurückgegeben wurde, bei der Regierung beantragt werden.

Fall von Konpira

Bis 1868 war Konpira 金毘羅 ein religiöser Komplex, der Shintoismus und Buddhismus verband. Konpira war fähig sich an die Veränderungen der letzten Jahrhunderte zu adaptieren und wurde zu einem der wichtigsten Ziele der Pilgerfahrten. Als die Armee aus Tosa das Land, das im Besitz von Konpira war, im Jahr 1868 besetzte, versuchten die Mönche und Priester ihre Ansprüche auf das Land zu beweisen. Sie nutzten dafür offizielle Dokumente als Beweis und spendeten großen Mengen an Geld.

Konpira war im Besitz von vier Dörfern und der Stadt Konpira, den Berg Zōzu sowie zahlreiche Außenposten in größeren Städten in Japan. Dieser Besitzt wurde nur auf den Berg und die Konpira Stadt am Berg reduziert. So wie anderen Tempel während der Meiji-Zeit, wurden die Einnahmen von den Steuern verloren. Aus diesem Grund transformierte der Konpira von einem Tempel in einen Schrein, um zu überleben.

Das Ziel des damaligen Oberpriesters Yamashita Morita war, eigenen Einfluss und Kontrolle über den Berg und dessen Einnahmen zu sichern und die Sicherung des höchsten Status unter der neuen Regierung. Würde Yamashita dem Buddhismus treu bleiben, könnte Konpira nur schwer von den neuen Regeln profitieren. Unter Druck wurde er zum shintoistischen Priester, weil keine Zukunft in einer buddhistischen Idetität von Konpira mehr sehen konnte. Yamashita beantragte daher eine Annerkennung von Konpira als shintoistischer Schrein. Er veränderte den Namen von Konpira zu Kotohira 金刀比羅, wobei er die Schriftweise von Konpira nur unwesentlich veränderte. Auch Yamashita selbst legte seinen buddhistischen Namen ab und nannte sich von nun an Kotooka Hirotsune. Die Gottheit, die im Schrein verehrt wurde, war Ōmononushi und im Berg Zōzu wurde die Seele des Kaisers Sutoku verehrt.

Die Armee von Tosa vernichtete die Versuche, die Kontrolle über das Land zu behalten, indem sie in die Konpira Stadt einmarschierte und die Stadt übernahm. Somit verlor Kotohira auch diese letzte Einnahmequelle. Letztlich wurde Kotohira zu einem „mittleren Landesschrein“ (kokuhei chūsha 国弊中社) ernannt, womit der Schrein finanzielle Unterstützung durch die Regierung erwarb.

Ōmiwa jinja

Die Trennung des Buddhismus von Shintoismus hatte starken Einfluss auch auf die jingūji (Tempel, die Elemente des Buddhismus und Shintoismus tragen) auf dem Berg Miwa, in der Nara Präfektur. Miwa hatte drei solche jingūji- konkret Daigorin-ji, Jōgan-ji und Byōdō-ji. Von diesen drei jingū-ji existiert nur noch Daigorin-ji und wurde Teil des Ōmiwa jinja Komplexes. Daigorin-ji wurde im Jahr 1868 als Ōtataneko no mikoto Schrein unbenannt.

Die Mönche mussten als kannushi oder shajin in neutraler weißer Kleidung tätig sein. Ebenfalls im Jahr 1868 wurde das Besitz des Tempels beschlagnahmt, allerdings konnten die wichtigsten Schätzen, unter deren auch die Statue von jūichimen kannon (11-Gesichter Kannon), gerettet werden. Jūichimen kannon wurde durch den Tempel Shōrin-ji übernommen. Dass diese Statue aus Miwa stammt ist aber in den Dokumenten des Tempels nicht erwähnt.

Als das Jahr 1868 voranschreitete wurde die Behandlung von Daigorin-ji noch strenger - alle Gebäuden (3-stöckige Pagoda und gomandō) ausgenommen honden, wurden komplett zerstört. Im Jahr 1869 wurde die neue Kami eingeweiht und das Gebäude wurde in einen Schrein, der zum Zweigschrein von Ōmiwa-jinja wurde, umgebaut. Ōmiwa Schrein war ein kanpeitaisha. Daigorin-ji und die anderen Tempel-schreine wurden nie wieder erwähnt. Jōgan-ji und Byōdō-ji wurden komplett auseinander gebaut. Was von Jōgan-ji übrig blieb ist nur der Name im Jōgan Inari Jinja, der auch Teil des Ōmiwa Jinja Komplexes ist. Jōgan-ji war einst Sitz von buddhistischen Nonnen. Interessanterweise war Byōdō-ji das größte Tempelkomplex, wurde aber völlig zerstört.


Verweise

Literatur

  • Klaus Antoni 1995
    „The "separation of gods and Buddhas" at Ōmiwa shrine in Meiji Japan.“ Japanese Journal of Religious Studies 22/1-2 (1995), S. 139-159.
  • Richard Bowring (Hg.) 2017
    In search of the way: Thought and religion in the early-modern Japan, 1582-1860. Oxford: Oxford University Press 2017.
  • Hirata Takuya 平田 卓也, Fumihiko Sunamoto 砂本 文彦 2013
    „A study in transformation of buddhism facilities during anti-buddhist movement in the Meiji Era: A case study on the 88 places of pilgrimage in Kochi clan.“ 廃仏毀釈による寺院の転用について : 高知藩内の四国霊場を事例として. Journal of Architecture and Planning 78/692 (2013), S. 2213-2221.
  • Hotta Chisato 2012
    „Japan’s modernization and the persecution of Buddhism.“ Hiroshimakeizaidaigaku keizai gakkai Hiroshimakeizaidaigaku kenkyū ronshū 広島経済大学経済学会 広島経済大学研究論集 HUE Journal of Humanities, Social and Natural Science, 35/1 (2012), S. 61-73.
  • Ernst Lokowandt 1976
    Die rechtliche Entwicklung des Staat-Shinto in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit (1868-1890). Bonn: Diss. Rheinische Friedrich-Wilhems-Universität 1976.
  • Bernhard Scheid (Hg.) 2013
    Kami Ways in Nationalist Territory: Shinto Studies in Prewar Japan and the West. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2013.
  • Sarah Thal 2000
    „Sacred sites and the dynamics of identity.“ Early Modern Japan 8/2 (2000), S. 28-37.
  • Sarah Thal 2002
    „Redefining the gods: Politics and survival in the creation of modern kami.“ Japanese Journal of Religious Studies 29/3 (2002), S. 397-404.
  • Sarah Thal 2005
    Rearranging the landscape of the gods: The politics of a pilgrimage site in Japan, 1573–1912. Chicago: University of Chicago Press 2005.

Internetquellen