Shinran

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Shinran.jpg
Seiten-Infobox
Themengruppe Personen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen)
Name Shinran 親鸞
Lebenszeit geb. 1173, gest. 1263 in Kyōto (Heian 平安時代 / Kamakura 鎌倉時代)
Sonstige Namen Matsuwaka-maru 松若丸, Gutoku Shinran 愚禿親鸞, Zenshin, Shakkū, Han'en, Kenshin Daishi
Verwandtschaft Sohn des Hino Arinori 日野有範 der Fujiwara-Familie, Ehemann der Nonne Eshin'ni 恵信尼
Funktion, Amt Buddhistischer Mönch
Bemerkung Gründerfigur der Jōdo Shinshū 浄土真宗

Shinran Shōnin 親鸞聖人 (1173 - 1263) war ein buddhistischer Mönch und Reformer, sowie die Gründerfigur der Wahren Reines Land - Schule, die auf seiner eigenen Interpretation und Weiterentwicklung der Lehren des Hōnen 法然 beruht. Seit Jahrhunderten ist Shinrans Lehre das Fundament eine der größten buddhistischen Schulen in Japan. Er war eine vergleichsweise irrelevante Persönlichkeit in seiner Lebenszeit; heute wird er als großer Denker geschätzt. [1]

Kindheit

Shinran wurde im Jahr 1173 als ältester von vier oder fünf Brüdern geboren. Sein Vater war ein adeliger Hofbeamter namens Hino Arinori 日野有範 aus dem Fujiwara-Clan 藤原氏 (Fujiwara-shi); die Identität seiner Mutter kann nicht sicher festgestellt werden. Traditionelle Quellen besagen sie sei Kikkō 吉光 gewesen, Tochter des Minamoto Yoshichika 源義親. [2] Wahrscheinlich ist sie früh verstorben. Shinrans Geburtsname war Matsuwaka-maru 松若丸.

Zum Zeitpunkt seiner Geburt hatte der Taira-Clan 平氏 (Hei-shi) und hier insbesondere sein Oberhaupt Taira Kiyomori 平清盛 die Fujiwara bereits machtpolitisch übertroffen und aus diesem Grund wird von Shinrans Vater angenommen, dass er irgendwann seine Stellung am Hof verließ und einen ähnlichen spirituellen Weg wie sein Sohn einschlug. [3] Er soll als Mönch Erwähnung in der Honganji 本願寺 – Genealogie unter dem Namen Mimurodo Daishin Nyūdō 三室戸大進入道 finden. Entgegen einiger Legenden beweist dies, dass Shinran nicht Waisenkind war und von anderen Verwandten großgezogen wurde. Zwei seiner Brüder lebten ebenfalls als Mönche. [4] Shinran selbst hatte bereits im Alter von neun Jahren sein weltliches Leben hinter sich gelassen, und lebte fortan als Mönch der Tendai-Schule 天台宗 (Tendai-shū) am Berg Hiei 比叡山 (Hiei-zan). Auch die Gründe für diesen Schritt können nicht endgültig geklärt werden. [5] Laut Honganji no Shōnin Shinran den'e 本願寺の聖人親鸞伝絵 (auch Godenshō 御伝鈔 genannt) war er bestimmt, die Stellung seines Vaters am kaiserlichen Hof zu übernehmen, was er allerdings ablehnte, weil er sein Leben dazu nutzen wollte, zur Erlösung aller Lebewesen beizutragen. Im Alter von neun Jahren soll er einen seiner Onkel gebeten haben, ihn zum Kloster zu begleiten. In einer späteren Schrift heißt es, die Erfahrung des Todes seiner Eltern habe ihn dazu motiviert. Des Weiteren kursiert die Erzählung, es wäre der letzte Wunsch seiner Mutter gewesen. [6]

Zeit als Tendai-Mönch

Ab seinem neunten Lebensjahr verbrachte Shinran die nächsten 20 Jahre als Tendai-Mönch am Berg Hiei, wo er sich der strengen Doktrin folgend in Meditation und Askese übte und so versuchte, durch eigene Leistung die Erleuchtung zu erlangen [7] (jiriki 自力 – das Prinzip durch eigene Anstrengung zur Erlösung zu kommen [8]). Zu seinen anderen Aktivitäten während dieser Zeit gibt es kaum Informationen, allerdings schrieb Shinrans spätere Ehefrau Eshin’ni 恵信尼 in einem ihrer Briefe, dass er unter anderem als Dōsō 堂僧 - ein Priester von vergleichbar geringem Status - tätig war. [9] Als solcher war er dafür zuständig, in einer speziell dafür bestimmten Halle (Jōgyōdō 常行堂) die nenbutsu 念仏-Übung durchzuführen. Diese dauerte 90 Tage und beschäftigte sich zwar bereits mit dem Buddha Amida 阿弥陀; allerdings beruhte sie als Disziplin der Tendai-Schule auf dem Konzept jiriki. In seiner restlichen Zeit wird er höchstwahrscheinlich verschiedenste religiöse Schriftgüter und Werke studiert haben. [10]

Statue von Shinran in New York

Die Lehre der Jōdo Shū, der er sich später gänzlich zuwenden sollte, könnte einen direkten Einfluss auf Shinrans religiöse Unzufriedenheit ausgeübt haben. In der Reines Land-Schule gibt es ein starkes Bewusstsein bezüglich des schlechten Charakters der Menschheit und des Zeitalters. Nebenbei wurde er wahrscheinlich oft mit dem Tode konfrontiert, da die nenbutsu-Rezitation oft für Menschen in ihren letzten Tagen in Auftrag gegeben wurde. Shinran studierte am Yogawa Ryōgon 横川楞厳 - das bringt ihn in Verbindung mit anderen Geistlichen der Reines Land-Schule wie Genshin 源信, Ryōnin 良忍 (er war auch ein Dōsō) und Hōnen. Besonders Genshin soll schon während seiner Zeit am Hiei einen signifikanten Einfluss auf Shinran ausgeübt haben. Traditionelle Quellen behaupten, Shinran hatte große Weisheit am Berg erreicht und die Lehre der Tendai-Schule ganzheitlich begriffen. Obwohl diese Quellen naturgemäß dazu dienen, die behandelte Persönlichkeit in bestem Licht darzustellen, suggerieren seine Schriften durchaus, dass er sich tiefgehend mit der Materie auseinandersetzte und ein gewisses Verständnis vorweisen konnte. Wieviele dieser Werke bereits in seiner Phase als Tendai-Mönch entstanden sind, ist nicht klar; allerdings hätte er Zugang zu zahlreichen Aufzeichnungen gehabt. [11]

Diese oben genannte Philosophie der extremen Disziplin und Askese als Weg zu Erleuchtung und Erlösung (also zum Nirvana) brachte Shinran aber nicht zu Zufriedenheit und Glück, sondern versetzte ihn vielmehr in eine existenzielle Krise. Neben der Erfahrung von Korruption und Machtkämpfen am Berg hatte er das Gefühl, als Geistlicher nicht zu genügen, seine eigenen fleischlichen Impulse nicht unter Kontrolle bekommen zu können und so auch nicht effektiv meditieren zu können. Er verließ den Berg Hiei schließlich. [12] Das Bewusstsein seiner eigenen Sündhaftigkeit löste immer größer werdende Unruhe bei Shinran aus. Er war der Meinung, aufgrund ihrer ohnehin für die Hölle bestimmt zu sein. [13]

Vision im Rokkakudō

Rokkakudō

In einem ihrer Briefe beschrieb Shinrans Ehefrau Eshin'ni seine Phase der Abkapselung nachdem er den Berg Hiei verlassen hatte. Er soll 100 Tage in völliger Isolation beim Rokkakudō 六角堂 verbracht und dort über sein nächstes Leben meditiert und gebetet haben. In der Dämmerung des 95. Tages sei ihm Shōtoku Taishi 聖徳太子 erschienen, woraufhin er sich sofort auf den Weg machte, um eine karmische Verbindung zu etablieren, die ihn im nächsten Leben retten sollte. So traf er auf Hōnen. [14]

Das Godenshō erzählt das Ereignis anhand eines Traumes, den Shinran gehabt haben soll. Der weltrettende Bodhisattva Kannon (er wird religiös als eng mit Shōtoku Taishi in Verbindung stehend angesehen[15]) erschien ihm in Form eines Mönches. Er war ganz in weiß gekleidet und saß auf einem riesigen weißen Lotus. Er sprach zu Shinran, sollte er jemals aufgrund von Karma seiner vorherigen Existenzen den Drang verspüren, mit einer Frau zu schlafen, so werde er als eine solche inkarnieren. Darüberhinaus werde er ihn nach seinem Tode ins Reine Land führen. Dieses Versprechen solle Shinran der ganzen Welt verkünden. Der Traum bedeutete, dass er Pflichten des geistlichen Lebens wie das Zölibat hinter sich lassen konnte, ohne seine Wiedergeburt im Reinen Land aufs Spiel zu setzen und steht in vollkommenem Einklang mit Shinrans Erfahrungen der Enttäuschung und Ernüchterung als Tendai-Mönch und seinem daraus resultierenden Selbstbild, dass er aufgrund seiner Natur ohnehin für die Hölle bestimmt wäre. Diese Einstellung des Nicht-Genügens suggeriert eine große Selbstkritik Shinrans und sollte die größte Inspiration für seine eigenen Ansichten werden. [16]

Lehre bei Hōnen

Nachdem er den Rokkakudō hinter sich gelassen hatte, lebte Shinran in der Eremitengemeinschaft des Hōnen in Yoshimizu 吉水. Diese Phase war wohl die entscheidenste für die Entwicklung Shinrans eigener religiösen Glaubensansichten. Durch die Begegnung mit Hōnen ließ Shinran die strengen Praktiken, wie sie am Berg Hiei praktiziert wurden, im Jahre 1201 (laut einem seiner eigenen Schriftwerke, dem Kyōgyōshinshō 教行信証) hinter sich. Nach Hōnens Vorstellungen konnten Menschen durch die Rezitation des Namens von Amida Buddha und dank dessen Erbarmen trotz ihrer Sündhaftigkeit das Reine Land erreichen (das Prinzip durch Hilfe einer äußeren Macht zur Erlösung zu kommen, tariki 他力[17]). Shinran war überzeugt, dass es keine Möglichkeit zur Erlösung gab, falls Hōnens Lehren falsch seien. Er verschrieb sich dem Studium der Schriften seines Lehrers, der seinen Schüler sehr zu schätzen schien, da er ihm erlaubte, das Senjakushū 選択集 zu kopieren und ein Portrait von ihm anzufertigen. Shinran betrachtete dies als Zeichen dafür, dass er spirituell am richtigen Weg war und er sicher im Reinen Land seine Wiedergeburt erleben würde.

In der Shinshū-Tradition kursieren einige Legenden, die Shinran als rechtmäßigen Repräsentanten der Lehren des Hōnen und später von Shinran selbst entwickelte Gedanken als die seines Lehrers darstellen. Neben jenen ist auch eine Legende zu erwähnen, laut der Shinran auf Anweisung eine Ehe eingegangen sein soll. Nach der ersten Version der Geschichte hatte Shinran die Vision im Rokkakudō, nachdem er ein Schüler Hōnens geworden war. Im Jahre 1201 soll dann Regent Kanezane 兼実 Yoshimizu besucht haben. Jener verlangte von Hōnen, einen seiner Anhänger zu verheiraten, um ein Beispiel für die Wiedergeburt von Laien im Reinen Land zu setzen. Die Wahl fiel auf Shinran und so heiratete er die siebte Tochter des Regenten. Ob diese Legende tatsächlich wahr ist, bleibt ungeklärt. Es gibt Briefe, die als Hinweise gehandelt werden, dass er geheiratet haben könnte, allerdings werden sie nicht als Beweise akzeptiert, da die involvierten Personen zu unbekannt sind. Ein wichtiges Indiz gegen die Legende ist, dass Shinran im Jahre 1207 (also einige Zeit nach der Angeblichen Hochzeit) ein 7-Punkte-Gelöbnis unterschrieb, in dem ersichtlich wird, dass Hōnen versicherte, seine Anhänger würden sich an klösterliche Vorschriften halten. [18]

Shinrans Zeit in Yoshimizu sollte nicht lange anhalten, als er 1207 ins nördliche Japan, genauer in die heutige Präfektur Niigata 新潟, verbannt wurde und den Namen Fujii Yoshizane 藤井善信 bekam. Gleichzeitig brach auch der Kontakt zu Hōnen ab, der gezwungen war, nach Tosa 土佐 ins Exil zu gehen. [19] Vor diesem prägenden Ereignis stieg die Kritik aus Nara 奈良 und vom Berg Hiei aus stetig an. Bereits im Jahre 1204 gab es Beschwerden vom Berg, die Anhänger des Hōnen würden sich nicht religiös benehmen und den Ruf nach einer Auflösung der Gemeinschaft, die den Shintō-Göttern keinen Respekt zollten. Das oben erwähnte 7-Punkte-Gelöbnis entstand einzig und allein, um die Stimmen der Kritik zu besänftigen. Die Doktrin des Hōnen seinerseits bemängelte alle buddhistischen Schulen der Zeit und so machte er sich nicht nur die Mitglieder der Tendai-Denkschulen zu Feinden, sondern 1205 auch die Priester des Kōfuku-ji 興福寺 in Nara, die vor Gericht gingen. Sie beschuldigten den Geistlichen unter anderem der illegalen Gründung einer neuen buddhistischen Schule, Rebellion gegen die Götter und Verbreitung einer falschen Botschaft über das Reine Land.

Der Konflikt eskalierte, als zwei Mönche ohne Erlaubnis des Regenten Go-Toba zwei Hofdamen dazu veranlassten, zu konvertieren. Da der Herrscher glaubte, die vier Männer und Frauen hätten ein unmoralisches Verhältnis, ließ er 1207 die beiden Mönche exekutieren und Hōnen und seiner Schüler wurden dem Priesteramt enthoben, damit offiziell zu Laien und dann in verschiedene Richtungen über ganz Japan verbannt. [20]

Verweise

Anmerkungen

  1. Encyclopedia Britannica 2007
  2. Bloom 1968:2-3
  3. Wilhelm 1996:62
  4. Bloom 1968:3-4
  5. Wilhelm 1996:62
  6. Bloom 1968:3
  7. Wilhelm 1996:63
  8. Bellah 1974:7
  9. Wilhelm 1996:63, Dobbins 2004:27, Bloom 1968:6
  10. Wilhelm 1996:63
  11. Bloom 1968:5-6
  12. Wilhelm 1996:63-64
  13. Bloom 1968:7-8
  14. Dobbins 2004:26
  15. Wilhelm 1996:64-65
  16. Dobbins 1990:184-185
  17. Ingram 1973:184
  18. Bloom 1968:8-13
  19. Wilhelm 1996:70
  20. Bloom 1968:14-15

Literatur

  • Robert N. Bellah 1974
    „The contemporary meaning of Kamakura Buddhism.“ Journal of the American Academy of Religion 42/1 (1974), S. 3-17.
  • Alfred Bloom 1968
    „The life of Shinran Shonin: The journey to self-acceptance.“ Numen 15/1 (1968), S. 1-62.
  • James C. Dobbins 1990
    „The biography of Shinran: Apotheosis of a Japanese Buddhist visionary.“ History of Religions 30/2 (1990), S. 179-196. (Exzerpt.)
  • James C. Dobbins 2004
    Letters of the Nun Eshinni: Images of Pure Land Buddhism in medieval Japan. Honolulu: University of Hawai'i Press 2004.
  • Paul O. Ingram 1973
    „The Zen critique of Pure Land Buddhism.“ Journal of the American Academy of Religion 41/2 (1973), S. 184-200.
  • Claudia Wilhelm 1996
    Shinrans Vorstellung von der Rettung der Menschheit: eine Untersuchung seiner Hauptwerke. Wiesbaden: Harrassowitz 1996.

Externe Links