Exzerpt:Isomae 2009

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Besprochenes Werk:

  • Isomae Jun'ichi 2009
    Japanese mythology: Hermeneutics on scripture. London: Equinox 2009. (Ü. von Mukund Subramanian, Exzerpt.)

Autor

...

Inhalt

Der Kanon und Varianten: Eine Untersuchung der Susanowo Mythologie (Kapitel 2)

Bis zum heutigen Tag wurden zahlreiche Untersuchungen über das Kojiki und das Nihon shoki durchgeführt. Allgemein werden die beiden Werke zueinander in Beziehung gestellt und zwar meist in der Form, dass die Einfachheit des Kojiki zu der Verfassung des Nihon shoki veranlasst habe (37). Lediglich einzelne Wissenschaftler_innen (z.B. Kōnoshi Takamitsu) behandeln Kojiki und Nihon shoki getrennt voneinander, als, aufgrund unterschiedlicher Form und Kontexte, eigenständige Werke. So will auch Isomae die beiden Werke nicht direkt vergleichen oder kontrastieren. Vielmehr ist ihm daran gelegen zu untersuchen woher die Unterschiede kommen, die Schnittpunkte zu beleuchten und auf diese Weise strukturelle Charakteristika der Mythen herauszufinden.

Varianten der Mythen: Kojiki und Nihon shoki würden sich sowohl das ideologische Element der Rechtfertigung der Yamato Herrschaft (ca. 250-710) als auch (einige) mythologische Motive teilen (z.B. die Geschichte vom achtköpfigen und achtschwänzigen Drachen, das Gelöbnis zwischen Amaterasu und Susanowo u.Ä.). Allerdings würden diese Motive, je nach logischer Struktur der Texte, unterschiedlich ausgeführt (Bsp.: Geschichte der Erschaffung der Japanischen Inseln) (38). Varianten der Mythen: Allgemein würde angenommen, dass die Kiki-Mythen auf eine gemeinsame ursprüngliche Quelle zurück gingen (40). In der gesamten Zeit des Yamato Reiches hätten jedoch zahlreiche unterschiedliche Varianten von Mythen nebeneinander existiert. Diese seien in der langen Geschichte der Kiki Interpretationen allerdings nicht berücksichtigt worden. Aus diesem Grund betrachtet Isomae solche Varianten, die vor der Entstehung des Kojiki und des Nihon shoki, im 8. Jahrhundert, existierten. Besonderes Augenmerk legt er hier auf zwei Werke oder Werkgruppen namens teiki und kuji, die in Tenmu Tennōs Zitaten im Vorwort zum Kojiki erwähnt werden. Dort heißt es, dass diese Werke bereits fehlerhaft seien. Zudem identifiziert Isomae diese beiden Texte als die einzigen konkreten Bespiele für die sogenannten „alleged books´ records“ - den Berichten neben dem Haupttext des Nihon shoki. Teiki und kuji gingen auf die einzelnen Klans zurück, die durch eine Genealogie ihren sozialen Status stärken und ihre Rolle am kaiserlichen Hof klären wollten (41).

Im Folgenden vergleicht Isomae die Geschichte des Gelöbnisses zwischen Amaterasu und Susanowo im Kojiki, dem Haupttext des Nihon shoki und in den Varianten des Nihon shoki, den „alleged books´ records“ (6.1 bis 6.3 und 7.3). Er geht dabei davon aus, dass die mythologischen Motive von der Region und den jeweiligen Personen, die die Geschichte hervorgebracht haben, abhingen (Bezug auf Lévi-Strauss´ Strukturalismus). Er stellt als strukturelle Gemeinsamkeiten heraus, dass in allen fünf Berichten die ältere Schwester Amaterasu und ihr jüngerer Bruder Susanowo die Hauptcharaktere seien. Inhaltlich ginge es überall um die Infragestellung der Wahrheit, die davon abhängt, ob Susanowo reinen Herzens gegenüber Amaterasu ist (ihr die Herrschaft des Himmels entreißen will) oder nicht. Wahrheit oder Täuschung würde durch die Erzeugung von Göttern durch das Geschwisterpaar entschieden. Hierzu existierten dann aber wiederum fünf unterschiedliche Varianten. – Sind die erzeugten Götter je männlich oder weiblich? Welches Geschlecht der Kinder Susanowos wird als Zeichen der Reinheit seines Herzens gedeutet? Wird Susanowo schlussendlich also als bösartig, oder als ehrlich herausgestellt? – Isomae kommt zu dem Schluss, dass die verschiedenen Berichte zwar mythologische Motive gemeinsam haben, aber jeweils in einem eigenen Kontext stehen (46). Außerdem fallen ihm auch Unterschiede im Bereich der Wörter auf (z.B. bei Namen von Gottheiten, ihrer Anzahl, der Art und Weise der Ausführung des Gelöbnisses u.Ä.) (47). Daraus schließt Isomae, dass Mythen ein inhärentes Potenzial hätten, durch Abänderung des Kontextes und der Wörter verschiedene Varianten zu bilden. Kojiki und Nihon shoki sieht er folglich als Teil der bestehenden Varianten der japanischen Mythologie.

Kanonisierung: Desweiteren bliebe aber die Frage zu stellen, warum die Mythen im 8. Jahrhundert auf diese beiden Texte limitiert wurden? – Die Intention bei der Verfassung von Kojiki und Nihon shoki sei der Anspruch einer authentischen Darbietung der Berichte als Standard für spätere Generationen gewesen. Unter dem regierenden König (Tenmu) habe also eine Zentralisation der Erzählungen, eine Kanonisierung stattgefunden (50). Isomae versucht diese Tatsache vor dem damaligen politischen Hintergrund zu erklären. Solange die einzelnen Klans eine konstituierende Rolle für den gesamten Staat spielten, mussten unterschiedliche (mythologische) Interpretationen vermieden werden. Als dann die traditionellen Klan-Systeme zunehmend negiert und das Staatssystem etabliert wurde, konnten diese Tendenzen im Kojiki und Nihon shoki reflektiert werden (54).

In der frühen Heian-Zeit (794-1185) sei das Nihon shoki dann zum Kanon des Staates geworden, während das Kojiki als private Schrift und damit unter dem Nihon shoki eingestuft worden sei (58). Aber auch in späteren Zeiten habe man sich auf die höchste Autorität des Haupttextes dieses Werkes berufen und versucht ein neues Verständnis davon herbeizuführen (60). Die Kanonisierung sei also folglich kein Einzelevent, sondern kehre immer wieder. Denn ein Kanon funktioniere nur so lange er mit der sozialen Struktur einer Gesellschaft korrespondiere.

Schlussfolgerung: Isomae geht schließlich davon aus, dass Kojiki und Nihon shoki zwar gleichzeitig verfasst worden seien, das Kojiki, als letzte Variante der „Klan-Mythologie“, dann aber ausschied und der (staatliche) Kanon im Nihon shoki etabliert wurde. Aus dieser Annahme schlussfolgert Isomae, dass man nicht auf einzelnes Verstehen der Mythen beharren sollte. Jeder einzelne könne stattdessen durch sein jeweiliges Verständnis über die Vergangenheit eine neue Interpretation hervorbringen. Auf diese Weise würden neue Verstehensmöglichkeiten (der Geschichte) eröffnet werden. Er bezieht sich hierbei auf Jan Assmann, der feststellte, dass die Kommentare in dem Moment, in dem ein Kanon festgesetzt wird, die Aufgabe bekommen diesen Kanon am Leben zu halten.[1]

Mythos in Metamorphose: Antike und Mittelalter Versionen der Yamatotakeru Legende(Kapitel 3)

Im dritten Kapitel befasst sich Isomae ausschließlich mit den verschiedenen Versionen der Legende von Yamatotakeru, dem Sohn des 12. Kaisers, der mit Hilfe des Kusangi, die Grenzen des Landes erweitert.

„Frühe Versionen der Yamatotakeru Legende: Das Kojiki, Nihon Shoki und Fudoki“

In den Kikis wird beschrieben wie Yamatotakeru von seinem Vater, dem Kaiser Kaikō, zwei Aufträge bekommt, um dem Land Frieden zu bringen und Landesgrenze zu erweitern. Die erste Expedition geht in den Westen nach Süd-Kyushu und die zweite nach Osten zu den Emishi. Durch diese Aufträge werden die japanischen Inseln unter die Yamato-Herrschaft gebracht. Isomae nennt diese Leistung einen Schlüsselwendepunkt in Erzählung und nationaler Geschichte. Auf seiner Reise bekommt er von seiner Tante Yamatohime, das Schwert Kusanagi aus dem Ise Schrein. Ohne das Schwert in der Hand begegnet er der Gottheit Mt. Ibuki und stirbt bei dieser Begegnung.

Diese Grundgeschichte bleibt eigentlich bei allen vergleichenden Texten von Isomae gleich. Jedoch weißt jede Schrift unterschiedliche Schwerpunkt auf.

Im Gegensatz zu dem Haupttext des Nihon Shoki, wird im Kojiki und in Nebentexten des Nihon Shoki die Geschichte aufgegriffen, durch die das Schwert zu seinem Namen kam. Ein Feind versuchte Yamatotakeru zu umzingeln und zündete das Gras um ihn herum an. Doch Yamatotakeru nahm sein Schwert und zerschnitt das Gras. Kusnagi: Der Graszerschneider(Frei Übersetzt).

Der nächste Unterschied wird in der Beschreibung von Yamatotakeru deutlich. Im Nihon Shoki, ist er DER Kronprinz,im Kojiki einer von drei Anwärtern auf den Thron, außerdem wird er hier als Trickster umschrieben.

Im Kojiki heißt es, dass Yamatotakeru einen Bemerkung des Vaters falsch versteht und seinen Bruder zu unrecht zerreist. Woraufhin der Kaiser Kaikō ihn auf besagte Expeditionen schickt.Yamatotakeru glaubt,der Vater will seinen Tod. Seine Tante kommt ihm zu Hilfe und begleitet ihn auf seinen Reisen,die Vertrauensbasis zwischen ihnen wird hier sehr deutlich. Sie gibt ihm weibliche Kleidung, Feuersteine und Kusangi. Jedes dieser Gegenstände verwendet er gegen seinen Feind Kumaso. Jedoch ist er so zerstreut auf Grund der zerstörten Beziehung zwischen ihm und deinem Vater, dass er das Schwert vergisst und den Tod findet. Im Nihon Shoki fehlt, diese Geschichte, hier wird er auf die Reise geschickt um danach den Thron zu besteigen,außerdem wird hier die Vertaruensbasis zwischen Vater und Sohn hervorgehoben. Seine Tante übergibt ihm hier nur das Schwert und begleitet ihn nicht. Er geht freiwillig in den Westen und wird nicht vom Vater dorthin geschickt. Den Tod findet er hier durch seinen Übermut, durch den er Kusangi vergisst.

Nun geht Isomae auf die Fudoki, Berichte der Hitachi und Hizen Provinz, ein. Yamatotekaru wird als jemand beschrieben, der Rebellen bekämpft. Isomae bezieht sich direkt auf das Ende der hier geschriebenen Legende. Es wird erzählt, wie Yamatotakeru das Mädchen Miyazuhime in der Owari Provinz kennenlernt und Nachts sieht, wie Kusangi leuchtet, er denkt, eine Gottheit befindet sich darin und bittet das Mädchen, das Schwert in den Atsuta-Schrein zu bringen. Womit das Schwert seinen endgültigen Aufenthaltsort erlangt.

Nach Isomae gibt es 4 Gründe warum die Beamten die Fudoki Berichte in Auftrag gegeben wurden: (1) Namen für Städte und Umgebung (2) Nahrungsquellen aufzeigen (3) Berichte über die Bodenbeschaffenheit und Namen von Flüssen, Bergen etc. (4) Berichte über Ereignisse der Elderbäume

„Die Yamatotakeru Legende in der Heian-Epoche“ (800-1120)

In diesem Unterkapitel ist zu erst das Sendai kuji hongi, indem die Ergebnisse der Ost und West Expeditionen genannt werden. Es orientiert sich an den Teilen des Nihon Shokis. Isomae unterstellt den Verfassen des Sendai kuji hongi wichtige Details, der Ost-Expedition und des Kusangi auszulassen und dafür Dinge dazu zu erfinden, wie z.B. das Yamatotekaru, sich in der Owari-Provinz niedergelassen hat. Yamatotakeru hat einen Sohn, der das Thronerbe antritt,nachdem er sich Owari niederlässt. Hier wird er nicht als typischer Held dargestellt, sondern als erfolgreicher Kriegsführer, dem sogar Gedichte gewidmet werden und als Vorbild für alle Heerführer gilt.

Darauf folgt die Auseinandersetzung von Isoame mit dem Kugoshūi, indem 3 Passagen im Bezug auf Yamatotakeru und das Kusangi auftauchen. Allerdings steht das Kusangi deutlich im Mittelpunkt nicht Yamatotakeru (1) Susanowos Gewinn des Schwertes. Hier heißt es nicht Ame-no-Murakomo(=Sammlung der Himmelswolken). (2) Im Gegensatz zu den Nihon Shoki Texten, wird die Ost-Expedition nicht zu Kaiser Keikō in Beziehung gesetzt, sondern es wird einfach nur von Yamatotakerus Ost-Reise gesprochen. Er erlangt das Schwert von Yamatohime mit dem Hinweis „Be cautious,and yet not remmiss“. Nach seier Ost-Expedition bricht seine Weiterreise ab und bleibt bei Miyazuhime, wo er durch giftige Dämpfe stirbt und Kusangi auf diesen Weg im Atsuta-Schrein bleibt.(3) Das Schwert wird zur Insignie des Kaisers erhoben. Und zwar um seiner Selbstwillen und seines magischen Kraft, unabhängig vom Träger Yamatotakeru.

Isomae weißt darauf hin, dass das Kogoshūi als Instrument von Inbe Hironari verwendet wurde um seinen Klan-Status zu verbessern, da dieser durch diese Schrift legitimiert und historisch nachgewiesen werden könnte. Fazit: Nach Isomae, werden Schriften oft zu zusammengeschrieben und zusammengestellt, dass sie einen eigennützigen Zweck erfüllen. Daher sollte man sich in Acht nehmen eine Version als wahr und eine andere als Falsch zu bezeichnen.


„Die Yamatotakeru Legende in der Mittelalter-Epoche“

In dieser Epoche entsteht ein Spagat zwischen der Monarchie und der Aristokratie und das Nihon Shoki wird nicht mehr vorrangig als Instruement der sozialen Ordnung verwendet.

Nun wird das Yamatohime no mikoto seiki in den Fokus gestellt. Wir der Name schon sagt, geht es hier vorrangig um das Leben der Yamatohime. Der Teil der Verleihung des Kusangi stammt aus dem Haupttext des Nihon Shokis, der Grasfeuer-Teil aus dessen Nebentexte und der Tod des Yamatotakeru aus dem Kogoshūi. Auffällig ist hier die schönere Schreibweise der Legende. Die diese vom Haupttext hervorhebt. Es wird Wert darauf gelegt,dass klar ist, dass Kusangi aus sich selbst heraus handelt und absolut im Vordergrund steht.Und das das Schwert wichtig ist und nicht der Träger, wird die Wächterin Yamatohime und der Ise Schrein für wichtiger als in allen anderen Texten empfunden. Zusätzlich kommt nur hier die 8-Spännige Weberhalle im Ise Schrein vor. Dort erlangt Yamatotakeru einen 8-Spännigen Stachel einer Stechpalme. Das ist wohl eine Abänderung des Kojiki indem Yamatotakeru einen Stachel von seinem Vater erhält.

1285 wird ein neues Werk zusammengestellt, das Ise nisho kōtai jingū shinmei hisho,indem die Legende des Kusanigi und des 8-Spannigen Stachels aufgenommen wird. Es ist eine Mischung aus Kojiki und dem Yamatohime no mikoto seiki. Und die Macht des Ise Schreins wird hier hervorgehoben.

Im Shaku Nihongi wird ebenfalls das Schwert in den Vordergrund gestellt und die Geschichte des Grasfeuers, die Hauptquelle ist das Nihon Shoki.Sein Verfasser Urabe Kanekata hat auch Einfluss auf das Kojiki uragaki genommen. Dort ist Kokiji die Hauptquelle der Legende.

Das Owari no kuni Atsuta daijingū engi bringt zum ersten Mal etwas hervor, das noch nicht so dagewesen ist. Yamatotakeru wird als ein romantischer Held dargestellt. In dieser Schrift sind viele verschiedene Elemente der vorhergegangenen Text wiederzufinden. Die Neuheit dieser Version der Legende liegt darin, dass Yamatotakeru das Schwert Miyazuhime als Liebesbeweis überreicht. Sie soll von Kusangi beschützt werden. Außerdem wird der Satz den Yamatohime zu Yamatotakeru sagt verändert, hier lautet er: „ Be sure never to let go of this Kusangi sword from your side“. Zusätzlich tauchen Gedichte auf, die das Liebespaar sich gegenseitig geschrieben haben sollen. Und Miyazuhime hat einen Bruder, der sonst keiner Schrift erwähnt wird.

Isomae erwähnt nich kurz das Jinnō shōtōki udn das Yoshida Shintō in denen die Einzigartigkeit darin liegt, dass Yamatotekaru als einfacher aber fehlerfreier Mensch dargestellt wird. Außerdem wird im letzt genannten erwähnt, das er nach seinem Tod ein Wächtergott in den Bergen wird.

Schlusssatz: Alles in allem versucht Isomae in diesem Kapitel aufzuzeigen welche Elemente sich in den Jahren verändert haben. Und das alle Schriften auf vorhergehende Schriften zurückzuführen sind.


Kapitel 5: Mythen und Nationalismus: Motoori Norinagas Schöpfungs-/Gründungsmythen (S. 108 -125)

Ein eigenes Verständnis des Mythologischen (S. 108-110)

Isomae befasst sich im fünften Kapitel mit Motoori Norinagas (1730-1801) Kiki-Interpretation, welcher damit das Fundament für unser heutiges Verständnis der japanischen Mythen festlegte. Isomae will zeigen wie Motooris Theorien und seine Bevorzugung des Kojiki vor dem Nihon Shoki, die seine Theorie von mono no aware (ästhet. und empath. Gefühl gegenüber den Dingen) widerspiegeln, bis heute unsere Interpretation und Wahrnehmung der Kiki-Texte beeinflussen. Er möchte weiterhin das Verständnis der Mythen in der frühmodernen und modernen Periode aufzeigen anhand einer Erörterung von Motooris Theorie des „Alten Wegs“ (Kodoron). Motoori belegt seine Theorie des mono no aware u.a. an einer Kojiki-Passage, in welcher Yamatotakeru trauert, da er die echten Gefühle seines Vaters verstanden hat, der ihm den Tod wünscht. Aber da er tapfer und aufrichtig ist, schwankte er trotzdem nicht, sondern erfüllte die Siegeserwartungen seines Vaters. Er ärgerte sich über das, was es zum ärgern gab, beklagte, was es zu beklagen gab. So zeigte er laut Motoori wahre menschliche Gefühle, also seinen Sinn für mono no aware Im Alterum teilten Takerus Heldentaten in Kojiki und Nihon Shoki viele gleiche Motive, wobei die Geschichte als Ganzes unterschiedlich strukturiert war: Im Nihon Shoki erfährt er das beständige Vertrauen seines Vaters, im Kojiki wird er der tragische Held, der vom Vater verstoßen wird. Motoori entschied sich für das Kojiki als Argumentationsgrundlage, weil die Textstruktur es ihm ermöglichte seinen eigenen Ansatz von Emotionalität bzw. des mono no aware vorzustellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Kojiki selbst als tragische Geschichte aufgebaut wurde, sondern nur durch die Vermittlung des Lesers ändert sich der Erfahrungshorizont einer Arbeit konstant. Man muss unterscheiden zwischen dem Text selbst und den dazugehörigen Kommentaren Was wir von einer Interpretation verstehen, ist letztendlich weniger über den Text selbst, sondern mehr über die Weltsicht des Interpreten. Der Interpret wählt einen Text aus, der ihm die Projektion der eigenen Weltsicht darauf ermöglicht. Heute fühlen die Menschen eine Affinität zum Kojiki und fühlen sich vom Nihon shoki distanziert, weil sie das Kojiki als emotionale Erzählung lesen in Übereinstimmung mit Motooris mono no aware-Theorie. Im Gegensatz dazu fühlen wir uns distanziert, wenn wir Takerus Geschichte im Nihon Shoki lesen. Es wäre aber ein Missbrauch unserer Autorität, wenn wir deshalb unterstellen würden, ihm würde der literarische Charakter fehlen. Stattdessen bestätigen Interpreten unbewusst ihre eigenen Werte und Normen, wenn sie versuchen einen Sinn aus der Vergangenheit herauszulesen. Von seiner Zusammenstellung als nationale Geschichte in der Nara-Periode bis zum ersten Teil der Edo-Periode wurde das Nihon shoki als Kanon angesehen. Wenn wir uns heute unwohl mit dem Text fühlen, liegt es nicht an fehlender literarischer Qualität oder anderen Defiziten, sondern an unserem eigenen Verständnis, das sich von demjenigen der Mythen im Altertum unterscheidet.

Motoori Norinagas Darstellung des „Alten Wegs“ (S. 110 - 111)

Wenn man die intellektuelle Einstellung einer Person untersucht, darf man diese nicht in Fragmente aufteilen, sondern muss die Logik des Diskurses untersuchen, durch die jeweiligen Argumente konstruiert und die Weltsicht hergestellt werden. Motooris Arbeiten über den „Alten Weg“ kann in drei Kategorien aufgeteilt werden: 1. Motooris Kommentar über die Japanischen Klassiker, das Kojikiden 2. Shinto Schriften wie z.B. Tamakushige 3. Die Zusammenstellung Kamiyo no masagoto

Der Weg der Aufrichtigkeit/Ernsthaftigkeit (S. 111 - 112)

Dies kann auch als „Alter Weg“ bzw. eine Art selbstlose Attitüde verstanden werden und meint dass beide, Herrschende und einfache Leute sich mit dem Kaiser identifizierten, den kaiserl. Hof respektierten und dessen Befehlen gehorchten. So sind die Menschen „oben und die unten“ in Harmonie, das Reich wird glücklich regiert und Ordnung in der Welt hergestellt. Grundlage dieser Ordnung ist der Kaiser. In diesem Zeitalter beruht die Existenz des Reichs und seiner Bewohner auf der Güte vom Amaterasu Omikami, es kann keine individuelle Herrschaft geben. Der Kaiser ist mythisch bestimmt als alleiniger Herrscher und selbstloser Vollstrecker des göttlichen Willens. Die mythologische Basis für den kaiserlichen Status sieht Motoori in den Schöpfungsmythen und in der Mythe vom Herabsteigen des kaiserlichen Enkels. „Himmel und Erde, alle Götter und Phänomene wurden durch den schöpferischen Geist der beiden Götter Takami-musuhi-no-kami und Kami-musushi-no-kami, zur Existenz gebracht, auch die Existenz der Menschen und aller Dinge resultiert hieraus. Die Kreativität dieser beiden Götter versetzte Izanami und Izanagi dazu Land zu schaffen, Götter und alle Dinge. Dies ist der Beginn des Götterzeitalters:“ Amaterasu vertraut die Kontrolle über das Land ihrem Enkel an, der den Auftrag annimmt und zur Erde herabsteigt. Diese Geschichte fundiert laut Motoori die ungebrochene Kontinuität der kaiserlichen Linie, wie sie Amaterasu voraussagte. Motoori bezieht sich dabei hauptsächlich auf das Kojiki, setzt aber Textvarianten des Nihon shoki als Verbindungsstellen ein und transformiert die Mythe in eine verbindliche Abmachung: die sichtbare Welt geht an Ninigi und die unsichtbare an Okuninushi-no-mikoto. Motoori fokussierte sich dabei auf das Kojiki und flocht Varianten des Nihon shoki mit ein, um seine eigene Interpretation auf den geschriebenen Text zu übertragen, nämlich dass der kaiserliche Hof als höchste Existenzform in der menschlichen Welt ewig bestehen würde. Sein Interesse liegt also allgemein darin, mythologische Geschichten zu benutzen, um die Attitüde der Selbstlosigkeit bzw. den „alten Weg“ zu legitimieren. Für ihn ist Bestimmung des Kaisers als Herrscher über Japan genealogisch festgelegt durch die Schöpfergottheiten. Aber trotzdem sah er den Kaiser nicht als historische Gestalt, sondern als Sinnbild der Selbstlosigkeit, der die selbstlose Natur des japanischen Volkes symbolisierte.

Mono no aware (S.112 - 114)

Motooris Innovation ist nicht die Betonung des Regierungswegs des Herrschers, sondern die Begründung des alten Weges. Der Weg der Aufrichtigkeit wird gestützt durch mono no aware. Das Verständnis davon bezieht sich sowohl auf auf die Art sich selbst zu „regieren“ als auch das Land. Wenn der Kaiser sich mit den Mühen und Leiden der Bevölkerung sympathisiert, dann wird er kein übelwollender Herrscher sein und wenn Leute eine Sensibilität für mono-no-aware haben, werden sie ganz natürlich Empathie für andere empfinden und sich um sie sorgen. So wird Harmonie in die Gesellschaft gebracht. Mono no aware erkennt die Bewegungen des Herzens und des Geistes an ohne sie zu unterdrücken und bedeutet, von den Dingen bewegt zu sein. Nicht was das Gefühl auslöst ist wichtig, sondern die Tiefe des Gefühls. In seinem Kommentar über The Tale fo Genji beschreibt er dies wie folgt: „Vor langer Zeit wurde jede Bewegung des Herzens, egal ob erfreulich oder traurig, wahrgenommen bzw. anerkannt. Diese Sensibilität für Gefühle war ein fundamentales Charakteristikum der Menschen in ihrer ursprünglichen Form. In alten Zeit waren die Herzen der Leute naiv und noch nicht verfälscht durch Lehren aus anderen Ländern [...].“ Er kritisiert zudem scharf die konfuzianische Haltung, die Gefühle unterdrücke, da sie es als „nicht als gut erachtet, an etwas erfreulichem Freude zu haben, über etwas schlimmes zu klagen[...].“ Als Proto-Typ einer mono-no-aware-Traurigkeit benennt er das Scheiden von Izanami/Izangi im Kojiki. Eine Welt, die von den Gefühlen der Einzelnen geordnet ist, war also die Basis seiner Studien des „Alten Wegs“. Masao fasst dies wie folgt zusammen: „Motoori erhöhte den Sinn von mono-no-aware: von der Essenz japanischer Poesie hin zur Essenz des Shinto selbst.“ Es kommt zu einer Politisierung der Literatur. Das Prinzip der Literatur wird zum politischen Prinzip.“ Laut Isomae ist dies ein Grund dafür, warum wir bis heute von Motooris Erklärungen der Mythen gefesselt sind. Das Innenleben und die Emotionen, die er in die Protagonisten von Kojiki und Nihon Shoki hineinliest, könnte ebenso einer modernen Novelle entstammen.

Die Weltsicht der nicht-herrschenden Schicht (S.114-116)

Die Basis für mono-no-aware liegt in den Joruri (Gesungene Geschichten/Erzählungen des tradi. japan. Puppentheaters) und anderen kulturellen Ausdrucksformen der nicht-herrschenden Schicht. Motooris Weltsicht basiert also auf der volkstümlichen Kultur und nicht in der Ethik der herrschenden Klasse, die dem Konfuzianismus zugetan war. Seine Theorie ist besonders heraus stechend aufgrund ihrer Haltung zur Selbst-Kritik. Er verwendet mono-no-aware nicht nur um Sentimentalität zu glorifizieren, sondern u.a. auch um den Konfuzianismus als blinden Glauben in die Vernunft zu kritisieren, da er die Sensibilität der Menschen ignoriert. Motoori verstand die mono-no-aware-Sensibilität als natürliche Kraft, die Härte wegfegt. Da alle Existenz von dieser Kraft beeinflusst ist, setzt er eine einzelne kreative Gottheit (Musuhi-no-kami) an den Beginn seiner Mytheninterpretation. „Die Menschen verdanken dies (dass sie wissen, wie sie leben sollen) der Kraft dieses Gottes. Von allen lebenden Kreaturen sind die Menschen besonders, und aufgrund dieser höheren Begabung, wissen wir, was wir wissen und tun sollen.“ Die Menschen seien von Geburt an mit diesem Sinn ausgestattet. Am Anfang des Kojiki werden Schöpfergottheiten genannt, man kann aber nicht sagen, dass die Schöpfergottheit, die Motoori annimmt, der Passage im Kojiki entspricht. In Kojiki werden drei Namen von Gottheiten genannt, die zusammen auftreten. Motoori liest diese als eine einzige: Musuhi-no-kami. Das Kojiki beginnt die Geschichte an dem Punkt, wo Himmel und Erde schon getrennt sind. Motoori verwendet hier den Haupttext des Nihon shoki und gibt der Schöpfergottheit Musuhi-no-kami eine Existenz, die der Trennung von Himmel und Erde vorausgeht. Zu Beginn des Kojiki sind Musuhi und die anderen Gottheiten aber nicht mehr als bloße Aufzählungen, ihnen fehlt eine Konkretion im Götterzeitalter. Er bringt hier seine eigene Interpretation ein, indem er Musuhi-no-kami als Quelle allen Daseins sieht, die schon vor der Schaffung von Himmel/Erde existierte, also eine einzige fundamentale Gottheit durch die alle Dinge „in die Welt geboren wurden“. So werden auch Werte/Normen, die er in die Mythen hineinliest als natürlich und gottgegeben interpretiert, da vom Schöpfer gegeben. Bis heute folgen Theorien über die Schöpfung seiner These über Musuhi-no-kami als Quelle allen Daseins. Motooris Theorie unterscheidet sich jedoch von den alten Mythen selbst. Die Signifikanz, die er so heraufbeschwor leitet sich nicht vom Kojiki allein ab. Er zitiert zwar immer wieder Passagen aus dem Kojiki, aber hat schließlich selbst seinen eigenen maßgeblichen Text Kamiyo no masagoto (Die wahre Sprache des göttl. Zeitalters) geschrieben, worin er auch Varianten und alternative Passagen des Nihon shoki einbindet. Er verfasste diesen Text, um in die Mythen von Kojiki und Nihon Shoki eine Welt hineinzulesen, die auf Basis von mono-no-aware ausgerichtet ist und stellte sich das kaiserliche Reich als alle Menschen Japans umfassend vor, von den Herrschenden bis zu den einfachen Leuten. Dieser Ansatz verband Kojiki und Nihon shoki eng mit der nicht-herrschenden Schicht und war bahnbrechend für seine Zeit.

Interpretationsphasen (S.116-117) Interpreten seit Motoori haben sich traditionell der Schaffung und Kompilation eines einzelnen autoritativen Textes verschrieben, primär mit dem Ziel die Diskrepanzen zwischen Kojiki und Nihon Shoki, wie auch zwischen Haupttext und Varianten des Nihon Shoki, in Einklang zu bringen. Egal ob ein klassischer Text oder ein Kommentar dazu, jeder Text wird als Ausdruck einer für sich stehenden Weltsicht angesehen. E.J. Hobsbawm: „Der Bedarf (Motooris) eine so alte Vergangenheit wiederherzustellen/zu kreiieren, die so entfernt ist, das sie kaum Relevanz für die Gegenwart hat, gleicht/entspricht einer totalen Neuerung/Innovation.“

Motoori Norinaga und das Altertum (S. 117-121)

Für den antiken Japaner wie auch für Motoori war die Absicht der Mythen die Schöpfung der japanischen Inseln und die Geburt ihrer Herrscher zu erklären. Hierhin unterscheidet sich das antike Verständnis zunächst nicht von dem Motooris. In der Antike wurde der Personenkreis, der die Mythen bezeichnet und durch sie bezeichnet wird, nur als der Yamato-Hof gesehen. Die königlichen Mythen der Zeit umfassten zwei Textsorten: Geschichten des Kaiserhauses (teiki und kuji) und Klan-Geschichten (ujibumi). Erstere waren orthodoxe Texte, die die Macht des Hofes bekräftigen sollten. Im Gegensatz dazu stehen die Klan-Geschichten: Jeder Klan erklärte dort jeweils seine eigenen Beziehungen zum Hof. So konnte er seine Dienste dort legitimieren. Indem man seine Klan-Geschichte mit den Geschichten des Kaiserhauses verband, bekamen die Mythen politisch Funktion, indem sie die Klans, die die jeweiligen Mythen geschaffen hatten in die Sphäre der Autorität einbanden. Die Leute damals sahen die Mythen der Kiki nicht als Schilderung der Ursprünge der Menschheit an, sondern im Kontrast zu Motooris Interpretation tauchten die einfache Leuten nur als Objekte der Herrschaft des Yamato-Hofes auf. Als Ergebnis ihrer politischen Funktionen wurden die Mythen exklusiv vom Hof „besessen“. Isomae meint, dass Motooris Vorstellung einer Beziehung zwischen Menschen und Mythen vor diesem Hintergrund betrachtet noch offensichtlicher als unpolitisches Ideal zu erkennen sei, dem das Verständnis für die gesellschaftlichen Beschränkungen der Zeit fehlt. Im Mittelalter wurde das antike politische System mit dem Herrscher als direktes Symbol von Autorität schwächer und in der frühmodernen Periode hatte der Hof seine politische Macht endgültig verloren. Die duale Struktur zwischen Klangeschichte und Kiki existierte nicht mehr, die noch vorhandenen verloren ihre ursprüngliche Funktion und wurden stattdessen als alternative Versionen des Kojiki/Nihon shoki gesehen. Die Mythen wurden so unpolitisch und zwanglos. Frei von politischen Beschränkungen wurden die Kikimythen bedeutsam für eine größeren Bereich sozialer Klassen, der alle Menschen des japanischen Archipels umfasste, aber die Ahnen der neuen angesprochenen Gruppe waren nicht definiert, nichts ähnliches wie die Klan-Geschichten existierte in den Mythen für sie. Verglichen mit dem Altertum tat sich so eine Lücke auf zwischen den Mythen und dem angesprochenen Personenkreis. Dies kann als Befreiung der beherrschten Klasse begriffen werden. Die Kikimythen erklärten zwar nicht direkt ihre Herkunft, aber es existierte die Geschichte von der Schaffung der japanischen Inseln, wo solche Leute ja lebten. So wurde es für sie möglich sich mit den Kiki-Mythen zu verbinden. Da die Mythen keine direkte Referenz herstellten, konnte jeder Teil von ihnen werden, einfach indem er in Japan lebte. Die fortschreitende Technologie in der Kan´ ei Ära half dabei, die Mythen mit den einfachen Leuten zu verbinden. Die Ausbreitung der Mythentexte war bis dahin erheblich eingeschränkt durch handschriftliche Kopien und den „Block-Druck“. Mit Entwicklung des Holzblock-Drucks wurde die großflächige Produktion von Texten möglich. Die Kiki wurde ab 1667 schnell verbreitet und unzählige Kommentare über sie zirkulierten in den Städten. Die klassischen Texte der aristokratischen Gesellschaft begannen sich so zu verändern hin zu Klassikern des einfachen Volkes, eine „Befreiung der Klassiker“ fand statt. Es kam zu einer sozialen und geographischen Ausbreitung und kulturellen Rezeption in noch nie dagewesenen Ausmaß. Isomae folgert, dass unser Mythenverständnis als unpolitisch und beschränkt auf das japanische Volk ein Produkt Motooris und der nachfolgenden Periode sind.

Betreten der modernen Periode (S. 121-122)

Motooris Interpretation der Kiki eröffnete also neuen Horizont für moderne Interpretationen. Am Ende des Tokugawa-Shogunats dringt der Nativismus tiefer in die nicht-herrschende Klassen ein und ist nicht länger Domäne von einzelnen Intellektuellen, sondern zieht Verbindungen zum täglichen Leben der lokalen Gemeinschaften. Durch Hirata Atsutane (1776-1843), einen Motoori-Schüler, wird der Nativismus am Ende der Edo-Periode ein „Basis“-Phänomen. Motoori problematisiert zudem die Tiefe von Emotionen. Seine Theorie entstand im Spannungsverhältnis zu konfuzianischen Studien, die zu dieser Zeit die soziale Ethik dominierten. Motoori: „Alles menschliche Wissen ist beschränkt. Da das Prinzip der Aufrichtigkeit nicht intellektuell erfasst werden kann, sollte man nicht rücksichtslos versuchen Dinge, die die Götter betreffen zu beurteilen und kommentieren.“ Folglich kann zwar die Realität durch den Verstand, bemessen werden, aber Werturteile über die Realität werden kritisch gesehen, da sie die Menschen dazu bringen die Autorität der Götter zu überschreiten. Die nativistische Interpretation des Kiki wurde schließlich ins tägliche Leben der Menschen eingebettet und von Motooris Kritik am eigenen Bewusstsein losgelöst. Ähnlich ist dies bei Hirata. Mythologie wurde auf die gleiche Art wie auch eine Novelle behandelt und verstanden. Ismoae bezeichnet dies als eine „I-novelized-myth“. Von der späten Edo-Periode bis zur Meji-Periode wurden Sammelbände von Motooris Kommentaren veröffentlicht. Viele Leute waren zu dieser Zeit fasziniert von den Kiki. Ihr Verständnis davon war aber oft oberflächlich. Sie lasen in Motooris Aussagen darüber auch nur das hinein, was ihnen als zugehörig zu ihrem eigenen Leben erschien.

Die Autorität der Vergangenheit (S.122 - 124)

Schlussendlich liegt Motooris größte Leistung in der Geschichte der Kiki-Interpretation darin, die auf der herrschenden Klasse basierenden Traditionen in Übereinstimmung mit den Normen der nicht-herrschenden zu bringen. So wie er dafür die Kiki benutzte, haben es Leute in den vormodernen Gesellschaften auf der ganzen Welt gemacht. Sie nahmen traditionelle klassische Erzählungen für die Entwicklung ihrer eigenen Philosophien, denn indem diese Texte schon soziale Autorität besaßen, wurde es auch für die nicht-herrschenden Klassen möglich ihre soziale Basis gegen die herrschende Klasse zu verteidigen. Motoori sah das Kojiki als authentischer für die Japaner an als das Nihon Shoki, weil es in Japanisch und Chinesisch geschrieben war. Mehr noch, das klassische Chinesisch war den emotionalen Ausdrücken, die Motoori anstrebte nicht dienlich. Indem er das Kojiki als die ursprüngliche Tradition Japans bestimmte, setzte er zugleich die kulturellen Traditionen aus China und der Herrscherklasse herab. Als das kaiserliche System in der Moderne wieder politisiert und durch die neue Regierung systematisiert wurde, begannen auch die nativistischen Kommentare erneut die Quelle der Kultur zu repräsentieren. Motooris Wieder-Lesen (Re-reading) der Mythen war zwangsläufig gebunden an das Konzept der neuen Leserschaft, das die Japaner dazu brachte, den kaiserlichen Staat zu akzeptieren.

Intellektuelle Geschichte der Perspektiven (S. 124-125)

Die Praktik eine Beziehung zu einer ursprünglichen Vergangenheit zu suchen, um so die eigene Weltsicht zu legitimieren, findet sich in der gesamten Geschichte. Eine solche Vergangenheit, die ein ideologisches Fundament bereitstellt, das geeignet ist, um die Existenz von Menschen und Universum zu garantieren sowie seine Stabilität und Beständigkeit, gewährleistet die Authentizität der historischen Ursprünge. Die Mythen versagen darin, auf neue Umstände zu passen, wenn sie nicht Wieder-Gelesen werden, und so ihre neue Bedeutung hinsichtlich eines individuellen oder soziopolitischen Standpunkts aus festlegt wird. Dieser Prozess umfasst sowohl die Neuinterpretation der Mythen als auch die Beziehung zwischen Menschen und Mythen. Wenn man von diesem Standpunkt aus die Geschichte der Kiki-Interpretation betrachtet, sieht man, dass Interpreten oft in die Falle tappen, nach einer ursprünglichen Vergangenheit zu suchen. Eine solch unbewusste Orientierung an einer angeblich ursprünglichen Vergangenheit verdeckt jedoch eine Lücke in unserer zeitgemäßen Interpretation des Originaltextes und den inhärenten Dogmatismus, der darin liegt, ein eine Sache mit unserem eigenen Blick zu definieren. Eine neue Bewegung berücksichtigt heutzutage stattdessen, dass die Geschichte der Kiki-Interpretation betrachtet werden sollte, als eine die bestimmte Weltsichten behandelt, die durch die selbst auf die Texte projiziert wurden. Es besteht laut Isomae bei modernen Interpretationen der antiken Weltsicht die Gefahr, die Kiki nur im Hinblick auf eine bestimmte Periode zu interpretieren. Trotz verschiedener Weltansichten muss man sich aber stets fragen, warum die Menschen immer wieder auf die Kiki zurückgegriffen haben, um sich selbst zu legitimieren und wie es heute möglich ist, die ursprüngliche Intention dahinter zu erkennen. Isomae betont abschließend, dass eine Herangehensweise nötig ist, welche die Einstellung des Interpreten und seine spezifische Art sich in die Mythen einzuarbeiten, beleuchtet, quasi eine Art meta-intellektuelle Geschichte, die so die Perspektiven der Interpreten enträtselt.


Anmerkungen

  1. Isomae 2009, S. 35-66.

Litertur, Links