Exzerpt:Friday 1997
-- in Bearbeitung von Dominika Kacerova --
Rezensiertes Werk:
Der Autor
Dr. Karl Friday ist Professor der Georgia Universität und Autor von den Werken wie Hired Swords: The Rise of Private Warrior Power in Early Japan (1992), Legacies of the Sword: The Kashima-Shinryu and Samurai Martial Culture (1997) und Samurai, Warfare and the State in Early Medieval Japan (2003).
Rezension: Pushing Beyond the Pale - The Yamato Conquest of the Emishi and Northern Japan
Zum Beginn des 8. Jahrhundert lag der nordöstliche Teil der japanischen Hauptinsel Honshū immer noch außerhalb der zentralen Macht des Yamato-Staates. Dieser große Bereich an der Peripherie wurde als michi no oku („der hintere Teil der Wege“) bezeichnet und wurde von einem Volk, das die Bevölkerung von Yamato emishi nannte, bewohnt. Das 8. Jahrhundert wird von dem Bestreben des kaiserlichen Staates geprägt, diesen Bereich und seine Bewohner in das zentrale Reich zu integrieren. Dieser Artikel untersucht die entspechenden Eroberungsfeldzüge von 774 – 811. Der Autor untersucht in erster Linie die relevanten Passagen und Edikte aus dieser Zeit im Shoku Nihongi.
Emishi und der Nordwesten
Die Bereiche im Nordosten (später Provinzen Dewa und Mutsu) lagen außerhalb der Kontrolle des zentralen Staates und unterlagen nicht der staatlichen Rechtsordnung. Die Verfassung des kaiserlichen Staates bezeichnet diese Territorien an der Peripherie als kyōgai („außerhalb der Grenze“) oder kegai (die „Nicht-Umgeformten“, d.h. außerhalb der staatlichen Kontrolle). Im Nihon shoki werden die Völker dieser Bereichen als tierartige barbarische Wesen dargestellt.
Es gibt aber archäologische Beweise, dass sich die agrarische Yayoi-Kultur (300 v.u.Z.-300 u.Z.) ein bis zwei Jahrhunderte, nachdem sie in Westjapan entstand, bis in die nördlichste Teile Honshūs verbreitete. Die meisten Forscher sind sich einig, dass zur Zeit der Entstehung des Nihon shoki der Grad der „Zivilisation“ der Bevölkerung von nordöstlichen Bereichen (emishi) mit der der Bevölkerung von Yamato vergleichbar war. Andererseits unterschieden sich die Bewohner dieser Gebiete ganz offenbar durch ihre Ernährungsweise (obwohl sie Reis angebaut haben, blieb Fleisch ein wesentlicher Teil ihrer Nahrung) und durch ihre gesellschaftliche Organisation.
Die kulturellen Differenzen führten zur Theorie, dass die emishi eine eigene Ethnie und Vorfahren der heutigen Ainu waren. Diese Theorie entstand bereits im 14. Jahrhundert und wird von den Übereinstimmungen von archäologischen Funden in Nord-Honshū und Hokkaidō, etymologischen Ähnlichkeiten der Ortsnamen sowie der Tatsache, dass Ainu in der Edo Zeit als emishi beziehungsweise ezō bezeichnet wurden, unterstützt.
Die skeptischeren Forscher argumentieren aber dagegen, weil es auch Übereinstimmungen zwischen archäologischen Funden in Nord-Honshū und Zentral-Honshū gibt. Als ein weiteres Gegenargument wird die Bezeichnung für die einheimischen „barbarischen“ Sippen in der Provinz Echigo, den kateki, die sich ähnlich wie emishi von der klassischen chinesischen Orthografie ableiten lässt, angeführt. Die Etymologie der beiden Begriffe weist eher auf eine räumliche Distanz (ihre Lage im Bezug zum Zentrum, der kaiserliche Hauptstadt) als auf ethnische Differenz hin. In Quellen der Heian-Zeit (784-1185) findet man weiter keine Erwähnung von physiologischen Unterschieden zwischen den emishi und den Bewohnern von Zentral-Honshū.
Die frühen Interaktionen zwischen Yamato und den emishi
Kulturelle, politische und ökonomische Interaktion zwischen der Peripherie im Nordosten der Japanischen Hauptinsel gibt es seit der prähistorischen Zeit, aber Yamato begann sich erst in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts, nach der Etablierung des zentralen Staates, ernsthaft zu bemühen die Bewohner dieses Bereiches in ihr Reich aufzunehmen. Dazu nutzte Yamato grundsätzlich drei Strategien: formale Deklaration, Kolonisation und Kooptierung.
Am Beginn der Heian-Zeit drang der zentrale Staat nach Nordwesten vor und begann in den Provinzen von Eichigo, Dewa und Mutsu systematisch Einfriedungen ki zu errichten. Diese Einfriedungen funktionierten in erster Linie nicht als Militärbasen, sondern als Zentren der staatlichen Administration an den Grenzgebieten. Auch Größe und Aufbau der ki weisen offensichtliche Ähnlichkeit mit den Gebäuden der regionalen Behörden kokuga und der Bezirksämter gunga auf.
In der frühen Phase des Bemühens, emishi in den Zentralstaat zu integrieren, erklärte man die Territorien im Nordwesten für einen Teil der kaiserlichen Jurisdiktion und begann die Anführer von einzelnen emishi-Sippen für eigene Zwecke einzusetzen. Im Austausch für ihren Tribut wurden den emishi Geschenke oder Standestitel (kabane) sowie Beamtenränge angeboten. Emishi, die mit diesem Vorgehen einverstanden waren, erhielten die Bezeichnung fushū („Barbaren, die kapitulierten“). Dieser Status stellte sie irgendwo in die Mitte zwischen den Bürgern von Yamato und anderen Außerstehenden, da sie der neuen Landverteilung, der lokalen Administrationsstruktur und der ritsuryō-Rechtsordnung nicht unterlagen. Von 720 oder vielleicht bereits früher begann die kaiserliche Regierung große Gruppen von fushū nach Zentraljapan (in fast jede Provinz) zu verlegen um ihre Integration zu beschleunigen.
Die Feldzüge vor der „großen Unterwerfungs-Ära“
Das Eindringen und die Errichtung von Einfriedungen und Kolonien des zentralen Staates in den Territorien der emishi verursachte Spannung und Feindseligkeit zwischen den beiden Gruppen. Auch die Tatsache, dass emishi als lokale Beamte des Staates eingesetzt wurden, während sie ihren Status und Autorität als Sippenanführer bewahrten, verschärfte das Problem, als dass es eine bessere politische Organisation der einzelnen Stämme ermöglichte. Die Situation blieb mehrere Dekaden (709-770) über problematisch und erste Hinweise kann man in einem kaiserlichen Edikt im Shoku Nihongi vom Jahre 709 erkennen.
Die Regierung zögerte zuerst militärisch einzugreifen. Die Ermordung von regionalen Beamten in der Provinz Mutsu wurde aber zum Katalysator für die militärische Intervention in Gestalt der Feldzüge von 720 und 724. Den am besten dokumentierten Feldzug in dieser frühen Phase unternahm im Jahre 737 der Gouverneur von Mutsu, General Ōno no Azumabito mit der Absicht, eine bessere Straße zwischen den Provinzen Mutsu, Dewa und Taga zu bauen. Ursprünglich hatte er vor, ein Dorf Okachi, das sich in dem feindlichen Territorium befand, zu überfallen und dort eine Einfriedung zu errichten. Ein Bote kam aber mit der Nachricht, dass sich das Dorf der kaiserlichen Macht freiwillig unterwerfen möchte, um die Okkupation zu vermeiden. Azumabito blieb skeptisch, aber der Bote argumentierte, dass seine Rolle in der Aufklärung der Barbaren, Errichtung von Einfriedungen und Siedlungen und nicht in der Zerstörung der barbarischen Sippen liegt, worauf Azumabito seine Absicht änderte.
Diese Episode zeigt ganz offenbar, dass der Staat in erster Linie die Aufrechterhaltung der Ordnung in diesen Regionen, und nicht die Eroberung von neuen Territorien im Sinn hatte. Bis auf eine kryptische Meldung aus dem Jahr 759, dass man im Osten Soldaten bereitstellen soll, falls das die Situation in Mutsu verlangen würde, sowie Erwähnungen von neu errichteten Einfriedungen erzählen die Quellen von keinen weiteren militärischen Feldzügen in den darauffolgenden vier Dekaden.
Die Unterwerfungsfeldzüge
Ein kaiserliches Edikt im Shoku Nihongi aus dem Jahre 774 markiert einen politischen Kurswechsel. Aus dem Edikt geht klar hervor, dass die unerfolgreiche und langsame Expansion ohne militärischen Einsatz im Nordosten, die Yamato-Regierung nicht zufrieden stellte. Es ist unklar, was diesen Kurswechsel verursachte, aber ein Anzeichen von Problemen zeigt eine im Shoku Nihongi vermerkte Episode aus dem Jahre 770, wo ein emishi-Anführer namens Ukanume Ukutsunamio mit seinen Nachfolgern in der Wildnis verschwand, nachdem er seine Absicht, eine Koalition mit anderen emishi-Sippen zu formen und Yamatos Einfriedungen anzugreifen, klar machte.
Zwei Tage nach dem Erlass dieses Edikts überfielen die emishi in Mutsu die Mononō Einfriedung, worauf Yamatos Truppen unter Ōtomo no Surugamaro das Dorf Tōyama einnahmen und die feindlichen emishi vernichteten. Laut Shoku Nihongi kam es zwischen den Jahren 704 und 811 zu mindestens zehn Feldzügen, die zu gleichen Teilen in Siegen und Niederlagen der Yamato Truppen endeten.