Inzest und Wiedergeburt: Unterschied zwischen den Versionen
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Im ''[[Kojiki]]'' wird die mythologische Urmutter [[Izanami]] 伊邪那美 als ''imo'' 妹 bezeichnet, was im alten Japanisch sowohl „Ehefrau“ als auch „jüngere Schwester“ bedeuten kann. Demnach können die Urgötter Izanami und [[Izanagi]] 伊邪那岐 entweder Geschwister, ein Ehepaar oder gar beides sein. | Im ''[[Kojiki]]'' wird die mythologische Urmutter [[Izanami]] 伊邪那美 als ''imo'' 妹 bezeichnet, was im alten Japanisch sowohl „Ehefrau“ als auch „jüngere Schwester“ bedeuten kann. Demnach können die Urgötter Izanami und [[Izanagi]] 伊邪那岐 entweder Geschwister, ein Ehepaar oder gar beides sein. | ||
− | Geschwisterheirat bzw. geschwisterliche Zeugung von Kindern gibt es in den Mythen auch im Fall von [[Amaterasu]] und [[Susanoo]] sowie im Fall von [[Ōkuninushi]] und Suserihime, die beide Kinder oder Nachfahren von Susanoo sind. Die Häufigkeit dieses Motivs mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass die Ehe zwischen Halbgeschwistern — gleicher Vater, verschiedene Mütter — mehr oder weniger die Regel in der Dynastie der ''[[tennō]]'', vor allem vom 6. bis 8. Jahrhundert, war. <ref>Ooms 2009, S. 14ff</ref> | + | Geschwisterheirat bzw. geschwisterliche Zeugung von Kindern gibt es in den Mythen auch im Fall von [[Amaterasu]] und [[Susanoo]] sowie im Fall von [[Ōkuninushi]] und Suserihime, die beide Kinder oder Nachfahren von Susanoo sind. Die Häufigkeit dieses Motivs mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass die Ehe zwischen Halbgeschwistern — gleicher Vater, verschiedene Mütter — mehr oder weniger die Regel in der Dynastie der ''[[tennō]]'', vor allem vom 6. bis 8. Jahrhundert, war.<ref>Ooms 2009, S. 14ff</ref> |
==Izanami und Izanagi als Geschwisterpaar== | ==Izanami und Izanagi als Geschwisterpaar== |
Version vom 28. September 2014, 18:28 Uhr
Im Kojiki wird die mythologische Urmutter Izanami 伊邪那美 als imo 妹 bezeichnet, was im alten Japanisch sowohl „Ehefrau“ als auch „jüngere Schwester“ bedeuten kann. Demnach können die Urgötter Izanami und Izanagi 伊邪那岐 entweder Geschwister, ein Ehepaar oder gar beides sein.
Geschwisterheirat bzw. geschwisterliche Zeugung von Kindern gibt es in den Mythen auch im Fall von Amaterasu und Susanoo sowie im Fall von Ōkuninushi und Suserihime, die beide Kinder oder Nachfahren von Susanoo sind. Die Häufigkeit dieses Motivs mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass die Ehe zwischen Halbgeschwistern — gleicher Vater, verschiedene Mütter — mehr oder weniger die Regel in der Dynastie der tennō, vor allem vom 6. bis 8. Jahrhundert, war.[1]
Izanami und Izanagi als Geschwisterpaar
Pro
Nach Oka Masao basiert die Geschichte um Izanami und Izanagi auf einem Mythos, welcher im südost-asiatischen Raum, Zentral-Indien und anderen asiatischen Regionen verbreitet ist und sich um die inzestuöse Vereinigung eines Geschwisterpaares dreht, aus der die Menschen hervor gehen.
Saigo Nobotsuna, welcher das Wort imo im Man'yōshū 万葉集 untersucht hat, hat festgestellt, dass imo nur vom Ehemann benutzt wird, wenn er seine Frau anspricht. Da im Kojiki jedoch imo nur im narrativen Teil verwendet wird, ist Saigo der Meinung, dass es sich um Geschwister handelt.
Kontra
Hattori Asaka sieht drei wesentliche Unterschiede zum Bruder-Schwester-Mythos, wobei zwei davon besonders relevant sind: Für Hattori gibt es keinen klaren Hinweis, dass es sich bei Izanami und Izanagi tatsächlich um Bruder und Schwester handelt. Der zweite relevante Unterschied ist, dass es sich im Kojiki um die Geburt des Landes dreht, wohingegen der andere Mythos die Geburt der Menschen behandelt.
Nishimiya Kazutami stimmt nicht mit Saigo überein, da er meint, dass Beispiele aus dem Man'yōshū nicht zwingend auf das Kojiki zutreffen.
Wiedergeburt
Yanagita Kunio, der die Wiedergeburt von den Seelen der Ahnen untersucht hat nimmt an, dass Japaner früher daran geglaubt haben könnten, dass die Großeltern als ihre Enkel wiedergeboren werden. Diese Vermutung stammt von einem Brauch in Okinawa ab, nachdem die erstgeborene Enkelin den Namen ihre Großmutter erhielten und der erstgeborene Enkel den Namen seines Großvaters. Allerdings ist die Spanne zwischen den Generation zu kurz, da die Großeltern oft noch am Leben sind, wenn ihre Enkel geboren werden. Daher verweist Yanagita auf das daijosai-Ritual 大嘗祭, welches zur Krönung eines neuen Kaisers abgehalten wird und in welchem symbolisch seinen Tod und seine Wiedergeburt darstellt um Amaterasus Seele zu empfangen. Nach Yanagita legt dies nahe, dass die Japaner früher vielleicht davon ausgegangen sein könnten, dass die Enkel durch eine Zeremonie dazu in der Lage waren, die Seelen ihrer Großeltern in sich aufzunehmen.
Im Kontext mit dem Kojiki kann es folgendermaßen ausgelegt werden: Amaterasu wird auch als kōsoshin 皇祖神 bezeichnet, also die erste Ahnengottheit des Kaisers, wobei vor ihr ihre Eltern Izanagi und Izanami existierten, welche aber nicht kōsoshin genannt werden. Tsuda erklärt, dass Izanami und Izanagi benötigt wurden, um Amaterasu als Vorfahrin der kaiserlichen Familie und Susanoo als Ahnen der Izumo-Linie zu produzieren. Bedenkt man nun den Glauben an die Wiedergeburt der Großeltern in den Enkeln, so nimmt Amaterasu die Seele ihrer Mutter, der Mutter von Izanami und Izanagi in sich auf und wird somit ihrer Rolle als kōsoshin durchaus gerecht. Murakami erkennt den Moment, indem Amaterasu die Seele ihrer Großmutter aufnimmt in der Episode, in der sie sich in die Höhle zurückzieht. Die eigentliche Amaterasu stirbt und wird mit der Seele ihrer Großmutter wiedergeboren.
Dieses Inzest- und Wiedergeburtenschema erklärt auch, warum Ninigi 番能爾爾芸命 eher als Herrscher geeignet ist, als sein Vater Oshihomimi 天忍穂耳命, obwohl dieser der Sohn von Amaterasu und Susanoo ist. Die Mutter seines Sohnes Ninigi ist Toyoakitsushihime 豊秋津師比売命, welche die Tochter von Takamimusubi ist. Ihre Mutter ist Amaterasu, allerdings die Ur-Amaterasu, da die Eigentliche in der Höhle stirbt und die Seele ihrer Großmutter aufnimmt. Demnach begehen Oshihomimi und Toyoakitsushihime Inzest und Amaterasu kann in ihrem Enkel Ninigi wiedergeboren werden.
Verweise
Anmerkungen
- ↑ Ooms 2009, S. 14ff
Quellen
- Basil Hall Chamberlain (Ü.) 1932Kojiki: Records of ancient matters. Kobe: J. L. Thompson & Co 1932. (Erste Auflage 1919, JHTI Onlineversion, Onlineversion.)
- Herman Ooms 2009Imperial politics and symbolics in ancient Japan: The Tenmu dynasty, 650 - 800. Honolulu: University of Hawai'i Press 2009.
Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Schwesterprojekt Fudokipedia verfasst.