Bergglück und Meerglück: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 18. Oktober 2021, 15:22 Uhr

Seiten-Infobox
ThemengruppeErzählung (Mythos, Legende, Märchen, etc.)
Schlagworte Bergglück, Meerglück, Kiki記紀, Kojiki 古事記
ProtagonistenHoori no Mikoto 火遠理命, Hoderi no Mikoto 火照命
Diese Seite entstand im Kontext des Seminars Kogo shūi.

Bergglück, yama no sachi 山の幸, und Meerglück, umi no sachi 海の幸, beschreibt die Qualitäten zweier von Ninigis 邇邇芸 Söhnen, dem Protagonisten Hoori 火遠理命[1] no Mikoto 火遠理命 und seinem älteren Bruder Hoderi no Mikoto 火照命, Erfolg auf der Jagd bzw. beim Fischfang zu haben. Der Bergglück und Meerglück Mythos stellt die Überleitung vom mythologischen Zeitalter der Götter zum Beginn der Periode irdischer Herrscher dar.[2]

Resümee der Kojiki-Version

Der Austausch der Glückswerkzeuge

Shiotsuchi no Oji stattet dem über den Verlust des Angelhakens klagenden Yamasachi-hiko einen Besuch ab [Abb. 1]

Hoderi, der Meerglückprinz und Hoori,[3] der Bergglückprinz, wollen ihre Fähigkeiten tauschen. Hoderi hat aber kein Glück bei der Jagd nach den Bergtieren, Hoori fängt keine Fische und verliert überdies den Angelhaken seines Bruders im Meer. Er versucht als Entschädigung selbst Angelhaken anzufertigen. Hoderi ist darüber sehr erzürnt, nimmt die Angelhaken nicht an und verlangt von seinem Bruder, den eigenen wieder zu beschaffen.

Der Palast des Meergottes

Entmutigt klagt Hoori am Strand darüber, als ihm Shiotsuchi no Oji 塩土老翁 erscheint. Dieser beruhigt den Bergglückprinzen und flechtet ihm einen "Korb ohne Augen" (ohne Zwischenräume im Flechtwerk), der Hoori als eine Art Unterseeboot für die Reise in das Reich des Meergottes Watatsumi 綿津見 dient. Am Meerespalast angekommen, entdeckt eine junge Frau[4] voller Erstaunen Hoori beim Brunnen vor dem Eingangstor und kehrt rasch in den Palast zurück, um sich mit dem Regenten über den ungewöhnlichen Gast[5] zu beraten. Schließlich gewährt Watatsumi Hoori Audienz und ist derart begeistert von seinem Gast, dass er in Hooris Ehren ein großes Festmahl anrichten lässt und ihm seine Tochter Toyotama-hime 豊玉姫/豊玉毘売 zur Frau anbietet.

Hoori auf dem Wani (Meiji-Zeit) [Abb. 2]

Hoori willigt ein, denn er verliebte sich in Toyotama-hime und sie erwiderte seine Liebe. Daraufhin bleibt Hoori drei Jahre lang im Meerespalast. Der Gedanke an seine Heimat und den eigentlichen Grund seines Besuchs lassen ihn immer öfter aufseufzen, doch wendet er sich nicht an Watatsumi. Erst nachdem Toyotama-hime bemerkt, dass ihr Gatte betrübt ist, spricht sie ihren Vater darauf an. Watatsumi ruft Hoori zu sich und erkundigt sich nach der Ursache seiner Qual. Also erzählt Hoori ihm die Geschichte über den verlorenen Angelhaken, worauf Watatsumi alle Meeresbewohner herbeiruft. Nur einer kam nicht. Der rote Tahi Fisch,[6] die sich am Mund verletzt hat als sie einen spitzen metallischen Gegenstand verschlucken wollte. Watatsumi ordert also die rote Frau zu sich her, die im Besitz besagten Hakens ist.

Hoderis Unterwerfung

Watatsumi übergibt Hoori den Angelhaken und unterrichtet ihn, wie er diesen an seinen Bruder zurückgeben soll. Zudem gibt ihm das Flutsteige- und Flutsinke Juwel. Ein Meeresungeheuer transportiert Hoori an die Oberfläche, wo er auf seinen Bruder Hoderi trifft. Hoori quält seinen älteren Bruder, indem er ihn mithilfe der Juwelen des Meergottes zuerst fast ertrinken lässt und ihn schließlich rettet. Der ältere Bruder unterwirft sich und verspricht, Hoori als Leibwächter (in manchen Versionen auch als Possenreißer oder als „Wachhund“) zu dienen. Eine Nebenvariante der Erzählung im Nihon shoki identifiziert Hodori außerdem als Ahnherrn der Hayato 隼人, eines teils loyalen, teils rebellischen Volksstamms in Kyūshū.[7]

Die Niederkunft der Toyotama-hime

Hoori beobachtet heimlich seine Frau Toyotama-hime in ihrer wahren Gestalt bei der Geburt von Hiko Nagisatake Ugayafukiahezu no Mikoto [Abb. 3]

Nach diesen Begebenheiten kommt Toyotama-hime an den Strand, weil sie schwanger ist und nicht will, dass ihr Sohn im Meer geboren wird. Sie baut eine Gebärhütte[8] aus Kormoranfedern, die zum Zeitpunkt der Geburt aber noch nicht ganz vollendet ist. So bittet sie Hoori, sie beim Gebären nicht zu beobachten. Dieser späht dennoch hinein und erkennt, dass sie ein Meeresungeheuer ist. Beschämt kehrt sie zurück ins Meer und lässt ihr Kind am Strand zurück. Dessen Name — Amatsuhiko-hiko Nagisatake Ugayafukiahezu no Mikoto 天津彦彦波瀲武鸕鶿草葺不合尊, „Sohn des himmlischen Prinzen Kormoran[feder]-Bedeckung ist unfertig“ — erinnert an die Begebenheiten seiner Geburt.

Der Sohn des Hoori heiratet schließlich seine Tante, Tamayori-hime, die ebenfalls dem Meer entstammt. Weder Kojiki 古事記 (712) noch Nihon shoki geben eine genaue Auskunft über die Nachkommen. Insgesamt haben sie vier Söhne, einer davon, Waka-mikenu bzw. Toyo-mikenu oder Kamu-Yamato Ihare-hiko 神日本磐余彦 (Jinmu Tennō 神武天皇) wird Reichsgründer. Mit ihm endet das Götterzeitalter und es beginnt das Zeitalter der irdischen Kaiser.

Abweichungen in den Kiki

Die verschiedenen Versionen dieses Mythos unterscheiden sich vor allem durch die Abweichungen in der Beschaffenheit von den magischen Gegenständen einzelner vorkommender Charaktere sowie der Namen der zwei Brüder.

Namensunterschiede beim Protagonisten (jüngerer Bruder) und Antagonisten (älterer Bruder) in den Kiki 記紀:[9]

Version älterer Bruder jüngerer Bruder
Kojiki Hoderi Honoori
Nihon shoki - Haupttext Honosusori Hiko Hohodemi
Nihon shoki - Variante 1 Honosusori Hiko Hohodemi
Nihon shoki - Variante 2 Honosusori Hiko Hohodemi
Nihon shoki - Variante 3 Honosusori Hiko Hohodemi
Nihon shoki - Variante 4 Honosusori Honoori

Die magischen Gegenstände in den verschiedenen Kiki-Varianten:[10]

Magischer Gegenstand Kojiki Nihon shoki - Haupttext Nihon shoki - Variante 1 Nihon shoki - Variante 2 Nihon shoki - Variante 3 Nihon shoki - Variante 4
Hook of poverty O O O
Origin of poverty O
Beginning of famine O
Fountain of pain O
Hook of desolation O
Hook of destruction O
Plain hook O O
Hook of chaos O O
Hook of stupidity O O
Hook of penurious poverty O
Hi-Low Tide Jewels O O O

Die Nihon shoki-Versionen dieser Erzählung stellen im Vergleich zum Kojiki detailliertere Schilderungen bestimmter Ereignisse dar. Obwohl sich die magischen Gegenstände, die der jüngere Bruder nutzt, unterscheiden, erfolgt der Ablauf der Geschichte in jeder Version auf dieselbe Weise.

Erwähnung im Kogo shūi

Der Verfasser des Kogo shūi 古語拾遺 (807) Inbe no Hironari 斎部広成 erwähnt den Bergglück und Meerglück Mythos nur beiläufig in einem Absatz. Für Hironari ist in diesem Zusammenhang nur die Geburtsszene von Bedeutung, da an dieser Stelle die Gottheit Ame no Oshihito no Mikoto 天忍人命 auftritt, eine Gottheit, die in den Kiki gar nicht vorkommt. Ame no Oshihito legt Matten in der unfertigen Gebärhütte aus und hindert Krebse mit seinem Besen daran, in das Innere der Hütte einzudringen. Mit dieser Aktion wird auf die Tätigkeit der Kanimori 掃部 Hofbeamten aus der Heian-Zeit 平安時代 (794–1185) hingedeutet, die unter anderem für die Reinigung des kaiserlichen Hofes zuständigen waren.

Verwandte Mythologeme innerhalb der japanischen Mythologie

Ein im Bergglück und Meerglück Mythos wiederkehrendes mythologisches Element ist der Tabubruch. Ähnlich dem Vergehen durch Izanagi 伊邪那岐命, Izanami 伊邪那美命 in der Unterwelt nicht anzublicken, um sie retten zu können,[11] unterliegt auch Hoori der Versuchung, als er trotz der Bitte seiner Frau einen heimlichen Blick auf sie wirft und dadurch die Verbindung zwischen Meeresgefilde und Schilfgefilde[12] unterbrochen wird.

Eine weitere narrative Parallele, die man in dieser Erzählungen findet, ist das Motiv vom brüderlichen Konflikt und dem Triumph des jüngeren Bruders über den älteren (basshi seikō tan 末子成功譚).

Verwandte Mythologeme in der universalen Mythologie

Melusine (europ. Mittelalter) [Abb. 4]
  • Melusine. Ein nixenartiges Zwitterwesen der europäischen Mythologie, halb Mensch, halb Schlange, die von ihrem Mann getrennt wird, sobald er heimlich ihre wahre Gestalt erspäht. Davon ausgehend auch die Geschichte der kleinen Seejungfrau.

Verweise

Literatur

  • William George Aston (Ü.) 1896
    Nihongi: Chronicles of Japan from the earliest times to a.d. 697. London: Kegan Paul 1896. (Zahlreiche Neuauflagen, JHTI Onlineversion, Onlineversion (Wiki-Source).)
  • John R. Bentley 2006
    The authenticity of Sendai kuji hongi: A new examination of texts, with a translation and commentary. Leiden: Brill 2006.
  • Karl Florenz 1919
    Die historischen Quellen der Shinto-Religion. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1919. (Übersetzungen von Kojiki und Nihon shoki [in Auszügen] sowie Kogo shūi [ganz].)
  • Nelly Naumann 1996
    Die Mythen des alten Japan. München: Beck 1996. (Exzerpt.)

Internetquellen

Letzte Überprüfung der Linkadressen: 2021/08/14

Fußnoten

  1. Nach der historischen Kana-Ortographie (rekishiteki kanazukai 歴史的仮名遣い) als Howori transkribiert.
  2. Dennoch finden sich auch im späteren Verlauf des historischen Zeitalters mytho-historische Elemente, insbesondere bei sagenumwobenen Persönlichkeiten wie Yamato Takeru 日本武 oder Jingū Kōgō 神功皇后.
  3. auch Hikohohodemi genannt
  4. Je nach Version handelt es sich entweder um die Tochter des Meergottes oder eine Maid.
  5. Gemeint ist hier Hooris Wesen als himmlischer Ahn. Florenz führt an, dass Hoori eine Art Mischwesen ist, dass weder göttlich noch irdisch zu sein scheint. Die Meeresbewohner bezeichnen Hoori deshalb als Sora tsu Hidaka (Des Luftraums Himmelshoher) oder Ama tsu Hidaka (Himmels Sonnenhoher).
  6. In Varianten des Nihon shoki ist wird dieser Fisch rote Frau akame 赤女 oder Mundfrau kuchime 口女 genannt. Letzterer Name ist auf die durch das Verschlucken des Angelhakens zugefügte Verletzung am Mund zurückzuführen. Florenz merkt an, dass das Verschlucken des Hakens als Missetat verstanden wurde und daher dieser Fisch niemals dem Tennō vorzusetzen ist.
  7. Nihon shoki 2/NV 2, Aston 1972, Bd. I, S. 100. Die Hayato hatten sich im 5. Jahrhundert mehr oder weniger dem Yamato-Staat unterworfen, behielten allerdings ihre ethnische Eigenständigkeit. Sie wurden teilweise zu Wachtdiensten herangezogen und im 8. Jahrhundert Teil einer staatlichen Behörde, die mit Wachdiensten befasst war. Diese Episode zeigt den Versuch des Yamato-Hofes, die Hayato in den Herrschaftsbereich der Yamato einzubinden und ihre Unterwerfung mythologisch zu fixieren (Naumann 1996, S. 174). Die Hauptvariante des Nihon shoki identifiziert Hoderi übrigens als den Ahnherren der Obashi in Ata (Aston 1972, I, S. 94).
  8. Nach einer anderen Version aus dem Nihon shoki 日本書紀 (720) lässt sie diese von ihrem Ehemann bauen.
  9. Bentley 2006, S. 91
  10. Bentley 2006, S. 91
  11. Auch außerhalb der japanischen Mythologie findet sich dieses Mythologem, so etwa in der griechischen Orpheus Sage. Als Orpheus seine Frau Eurydike aus dem Hades befreit und sich während ihrer Rückkehr nach ihr umblickt, woraufhin Eurydike wieder in die Unterwelt zurückkehren muss.
  12. Mit anderen Worten das Land Japan.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:

  1. Yamasachihiko und der Angelhaken.jpg
    Yamasachihiko und der Angelhaken Illustration (Papier, bemalt), Detail; Donge Tempel, Kyōto
    Bild © 日本神話. (Letzter Zugriff: 2021/9/9)
    Yamasachihiko 山幸彦 klagt über den verloren gegangenen Angelhaken seines älteren Bruders Umisachihiko 海幸彦. Der Gott der Seefahrt Shiotsuchinokami 塩椎神 taucht daraufhin auf und weist Yamasachihiko den Weg zum Palast des Meeresgottes.
  2. Hikohohodemi.jpg
    Hikohohodemi no Mikoto Hängerollbild (Seide, Tusche) von Kobayashi Kiyochika 小林清親 (1847-1915). Meiji-Zeit; Ferenc Hopp Museum, BudapestHikohohodemi reitet auf einem Wani durchs Meer.
  3. Die wahre Gestalt der Toyotama-hime.jpg
    Die wahre Gestalt der Toyotama-hime (Toyotama-hime no hontai 豊玉姫の本軆) Buchillustration von Katsushika Hokusai (1760-1849). Edo-Zeit, 1836; aus Wakan Ehon Sakigake 和漢絵本魁 (Bilderbuch der Vorreiter)
    Bild © The Metropolitan Museum of Art. (Letzter Zugriff: 2021/08/23)
    Toyotama-hime nimmt in der aus Kormoranfedern gefertigten Geburtshütte ihre wahre Gestalt an, um ihren Sohn Hiko Nagisatake Ugayafukiahezu no Mikoto zu gebären. Hikohohodemi no Mikoto, der Vater, bricht sein Versprechen an Toyotama-hime, sie während der Geburt nicht anzusehen, und riskiert einen neugierigen Blick.
  4. Melusine.jpg
    Melusine wird entdeckt Buchillustration (Pergament, Farbe) von dem sog. Meister von Guillebert de Mets. 2. Hälfte 15. Jh.; aus Le Roman de Mélusine; Bibliothèque nationale de France
    Bild © Wikimedia Commons. (Letzter Zugriff: 2014/8/28)
    Melusine ist eine mythische Sagengestalt des europäischen Mittelalters. Im Erzählkern handelt die Sage davon, dass Melusine einen Ritter unter der Bedingung eines speziellen Betrachtungstabus heiratet, wodurch er sie an einem bestimmten Tag nicht in ihrer wahren Gestalt sehen soll: der einer Wasserfee, meist mit Schlangenleib. Melusine wird zur Quelle seines Ansehens und Reichtums, bis der Ritter das Tabu bricht.