Reichsgründungsmythen: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Als mythologischer Zeitpunkt der Reichsgründung wird in Japan die Inbesitznahme des Palastes in Kashihara 橿原の宮 durch Kamu-Yamato Ihare-biko (posthum [[Jinmu Tennō]] 神武天皇) angesehen. Diese erfolgte am „ersten Tag des Jahres Kanoto Tori, dem 58. im Sechzig-Jahre-Zyklus“ (Naumann 1996, S. 270), was dem Jahr 660 v. Chr. entspricht. Mit ihm endet die „Götterzeit“ der Mythen und die Zeit der Menschenkaiser beginnt. | ||
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− | Naumann geht davon aus, dass die Ursache für diese Übertragung der politischen Umstände der Entstehungszeit von ''Kojiki'' und ''Nihongi'' auf vorgeschichtliche Zeit, mit in der Funktion der Berichte zur Legitimierung des Herrscherhauses zu sehen ist. Besonders das ''Kojiki'' verfolgt demnach das Ziel die Herrschaft abzusichern und die ununterbrochene Erbfolge nachzuweisen. Von daher ist es besonders wichtig mit welchen Gottheiten die Ahnen des Kaiserhauses in Verbindung stehen und von wem sie ihre Macht zugesprochen bekommen (Bsp. Bericht über den Herrschaftsauftrag, den Susanoo Ohokuni-nushi erteilt, damit dieser später berechtigt seine Macht an [[Ninigi no mikoto|Ninigi]] abtreten kann ( | + | Dieser offiziellen Reichsgründung geht eine Reihe von Eroberungsfeldzuge voraus, in der die Nachkommen des Himmelsenkels [[Ninigi]], zum Teil mit Unterstützung der Götter, verschiedene Landstriche erobern und sich ihr Reich aufbauen (vgl. Naumann 1996, S. 249–258). Das entscheidende Merkmal, dass die Herrschaft [[Ninigi no mikoto|Ninigi no Mikotos]] 邇邇芸/瓊瓊杵 über die Mittellande von der Herrschaft des Kamu-Yamato Ihare-biko unterscheidet, ist die Errichtung einer Hauptstadt. Ein gewisser Anachronismus ist dabei der Umstand, dass zum Ende des 7. Jd. /Anfang des 8. Jd. von einer wirklichen, statischen Hauptstadt nicht die Rede sein kann, da der Sitz des Herrschers mit jedem Regierungswechsel verlegt wurde (aus Angst vor Verunreinigung durch den Tod). Erst 694 n. Chr. wurde mit Fujiwara-kyō 藤原京 erstmals eine Hauptstadt nach chinesischem Vorbild angelegt. |
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+ | Naumann geht davon aus, dass die Ursache für diese Übertragung der politischen Umstände der Entstehungszeit von ''Kojiki'' 古事記 und ''Nihongi'' 日本紀 auf vorgeschichtliche Zeit, mit in der Funktion der Berichte zur Legitimierung des Herrscherhauses zu sehen ist. Besonders das ''Kojiki'' verfolgt demnach das Ziel die Herrschaft abzusichern und die ununterbrochene Erbfolge nachzuweisen. Von daher ist es besonders wichtig mit welchen Gottheiten die Ahnen des Kaiserhauses in Verbindung stehen und von wem sie ihre Macht zugesprochen bekommen (Bsp. Bericht über den Herrschaftsauftrag, den Susanoo 須佐之男 Ohokuni-nushi 大国主 erteilt, damit dieser später berechtigt seine Macht an [[Ninigi no mikoto|Ninigi]] abtreten kann (Naumann 1996, S. 185–193, 271). | ||
==Korea== | ==Korea== | ||
===Reichsgründung durch Dangun=== | ===Reichsgründung durch Dangun=== | ||
+ | Dangun 단군 war der Enkel des Himmelsherrn Hwanin 흰인 . Dieser hatte einen Sohn namens Hwanung 흰웅, der auf der Erde leben wollte. Hwanin wählte den Berg Taebaek 태백산 als Wohnort für ihn aus und sandte ihn sodann mit 3000 Gefolgsleuten auf die Erde hinab. Hwanung stieg herab auf den Gipfel des Berges und begab sich unter einen heiligen ''paktal''-Baum (= Sandelholzbaum) und nannte den Ort Sinsi, 'die Stadt Gottes'. Er gab sich den Titel Hwanung Cheonwang, himmlischer König. Zusammen mit den Göttern von Wind, Regen und Wolken gab Hwanung den Menschen Gesetze, Moral, Kultur, Medizin und Landwirtschaft. | ||
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Als eine Bärin und eine Tigerin davon hörten, beteten sie zum göttlichen Hwanung und baten darum, in menschliche Wesen verwandelt zu werden. Hwanung sagte ihnen, dass sie zuvor 100 Tage lang in einer dunklen Höhle bleiben und sich nur von Beifuß und zwanzig Stück Knoblauch ernähren sollten. Die Tigerin gab bereits frühzeitig auf, doch die Bärin hielt bis zum Schluss durch und verwandelte sich dann in eine Frau, mit Namen Ungnyeo 웅녀. Da sie keinen Ehemann finden konnte, betete sie unter einem Sandelholzbaum um ein Kind. | Als eine Bärin und eine Tigerin davon hörten, beteten sie zum göttlichen Hwanung und baten darum, in menschliche Wesen verwandelt zu werden. Hwanung sagte ihnen, dass sie zuvor 100 Tage lang in einer dunklen Höhle bleiben und sich nur von Beifuß und zwanzig Stück Knoblauch ernähren sollten. Die Tigerin gab bereits frühzeitig auf, doch die Bärin hielt bis zum Schluss durch und verwandelte sich dann in eine Frau, mit Namen Ungnyeo 웅녀. Da sie keinen Ehemann finden konnte, betete sie unter einem Sandelholzbaum um ein Kind. | ||
− | Hwanung erhörte sie, nahm vorübergehend menschliche Gestalt an und zeugte mit ihr einen Sohn: Dangun Wanggeom 단군왕검, König des Sandelholzes. <ref>Quelle: Ilyeon, Samguk Yusa: Legenden & Wundergeschichten aus den Drei Königreichen Koreas, aus dem Chinesischen übersetzt von Beckers-Kim Young-ja unter Mitarb. von Rainer E. Zimmermann, 2. überarb. Aufl., Hamburg-Schenefeld 2008, I, 1 (S. 34f.)</ref> | + | Hwanung erhörte sie, nahm vorübergehend menschliche Gestalt an und zeugte mit ihr einen Sohn: Dangun Wanggeom 단군왕검, König des Sandelholzes.<ref>Quelle: Ilyeon, Samguk Yusa: Legenden & Wundergeschichten aus den Drei Königreichen Koreas, aus dem Chinesischen übersetzt von Beckers-Kim Young-ja unter Mitarb. von Rainer E. Zimmermann, 2. überarb. Aufl., Hamburg-Schenefeld 2008, I, 1 (S. 34f.)</ref> |
Nach dem Samyuk Yusa errichtete Dangun im 50. Regierungsjahr von Kaiser Yao in Pyeongyang (heute Sogyeong) seine Residenz und gab seinem Reich den Namen Joseon. Später verlegte er seine Haupstadt nach Asadal auf den Berg Taebaek, wo er 1500 Jahre lang regierte. Er verlor jedoch Joseon und kehrte nach Asadal zurück, wo er dann im Alter von 1908 Jahren zum Berggott wurde. | Nach dem Samyuk Yusa errichtete Dangun im 50. Regierungsjahr von Kaiser Yao in Pyeongyang (heute Sogyeong) seine Residenz und gab seinem Reich den Namen Joseon. Später verlegte er seine Haupstadt nach Asadal auf den Berg Taebaek, wo er 1500 Jahre lang regierte. Er verlor jedoch Joseon und kehrte nach Asadal zurück, wo er dann im Alter von 1908 Jahren zum Berggott wurde. | ||
− | Nach der noch heute in weiten Kreisen Koreas anzutreffenden Geschichtsschreibung gründete Dangun mit Kojoseon 고조선 den ersten koreanischen Staat; das geschah angeblich im Jahre 2333 v.Chr. Zum Verständnis dieser Legende empfiehlt sich zunächst ein Blick in den geschichtlichen Kontext, in dem der seon [= Zen]-buddhistische Mönch Ilyeon ( | + | Nach der noch heute in weiten Kreisen Koreas anzutreffenden Geschichtsschreibung gründete Dangun mit Kojoseon 고조선 den ersten koreanischen Staat; das geschah angeblich im Jahre 2333 v. Chr. Zum Verständnis dieser Legende empfiehlt sich zunächst ein Blick in den geschichtlichen Kontext, in dem der seon [= Zen]-buddhistische Mönch Ilyeon (1206–1289) die Reichsgründung niederschrieb. Das Reich Goryeo 고려 (918–1392) hatte im 13. Jh. zwei große mongolische Invasionen über sich ergehen lassen müssen; mongolische Besatzer drangen bis zur Insel Jeju vor. In dieser Zeit politischer Unterdrückung durch die mongolische Yuan-Dynastie entstand zwischen 1281 und 1289 die Chronik. Das Datum von 2333 v. Chr. für die Reichsgründung entspricht dem Regierungsantritt des legendären chinesischen Kaisers Yao. Der „Berggott“ wiederum ist in der genuinen Religion Koreas (mu 무 巫 oder mugyo 무교 巫教) Sanshin 산신, der – zusammen mit dem Tiger – fester Bestandteil der koreanischen Religion ist. Es gibt in Südkorea kaum einen buddhistischen Tempel ohne Sanshin. Der Dangun-Mythos hat also zunächst eine identitätsstiftende Funktion: Das Volk von Goryeo kann auf eine Geschichte zurückblicken, die der chinesischen ebenbürtig ist. Die göttliche Herkunft des Reichsgründers, der als Sanshin in der Welt verbleibt, zeichnet auch sein Volk aus.Das koreanische Volk ist also den mongolischen Invasoren überlegen. |
− | Alle Versuche, aus dem fiktiven mythischen Ahnherrn Rückschlüsse auf die Vorgeschichte des koreanischen Volkes und seine Religion zu ziehen, sind aus historischer Sicht abwegig. Die moderne archäologische Forschung ist sich heute dahingehend einig, dass es aus der neolithischen Zeit ( | + | Alle Versuche, aus dem fiktiven mythischen Ahnherrn Rückschlüsse auf die Vorgeschichte des koreanischen Volkes und seine Religion zu ziehen, sind aus historischer Sicht abwegig. Die moderne archäologische Forschung ist sich heute dahingehend einig, dass es aus der neolithischen Zeit (2000–1500 v. Chr) nur wenig Daten über die koreanischen Stämme gibt. Wenige oder gar keine archäologischen Daten gibt es dagegen für Glaubensvorstellungen oder religiöse Praktiken.<ref> Choi Mong-Lyong/Rhee Song-nai, Korean Archaeology for the 21st Century: From Prehistory to State Formation, in: Seoul Journal of Korean Studies 14(2001) S. 128f.</ref> |
− | <ref> Choi Mong-Lyong/Rhee Song-nai, Korean Archaeology for the 21st Century: From Prehistory to State Formation, in: Seoul Journal of Korean Studies 14(2001) S. 128f.</ref> | + | Ilyeons Niederschrift erfolgte also aus nationalistischen Gründen, wie auch die von ihm benutzte Vorlage des einflussreichen buddhistischen Mönchs Myo Cheong (gest. 1136), die sich gegen die Jürchen richtete. Nach John Jorgensen liegt dem Dangun-Mythus also wahrscheinlich ein esoterisch-buddhistisches Werk zugrunde, dessen buddhistischer Charakter unter dem Einfluss eines erstarkenden Konfuzianismus mehr oder minder weichen musste.<ref> John Jorgensen, Who was the Author of the Tan’gun Myth?, in: Sang-Oak Lee and Duk-Soo Park, eds., Perspectives on Korea, Sydney 1998, S. 222–255 </ref> |
− | Ilyeons Niederschrift erfolgte also aus nationalistischen Gründen, wie auch die von ihm benutzte Vorlage des einflussreichen buddhistischen Mönchs Myo Cheong (gest. 1136), die sich gegen die Jürchen richtete. Nach John Jorgensen liegt dem Dangun-Mythus also wahrscheinlich ein esoterisch-buddhistisches Werk zugrunde, dessen buddhistischer Charakter unter dem Einfluss eines erstarkenden Konfuzianismus mehr oder minder weichen musste. | ||
− | <ref> John Jorgensen, Who was the Author of the Tan’gun Myth?, in: Sang-Oak Lee and Duk-Soo Park, eds., Perspectives on Korea, Sydney 1998, S. | ||
(Fortsetzung folgt!) | (Fortsetzung folgt!) | ||
− | + | Die mythische Gründung Koreas durch Dangun wird heute in Südkorea mit dem Feiertag Gaecheonjeol gefeiert.<ref> Die Geschichte von der Reichsgründung durch Dangun ist Bestandteil des ''Samguk-Yusa'' bzw. 'Memorabilien der drei Königreiche'. Hierbei handelt es sich um eine Textsammlung, die Legenden, volkstümliche Erzählungen und und historische Darstellungen der Drei Königreiche Koreas (Goguryeo, Baekje und Silla) umfasst. Es werden aber auch Zeiten und Staaten vor, während und nach den Drei Reichen behandelt. | |
− | Die mythische Gründung Koreas durch Dangun wird heute in Südkorea mit dem Feiertag Gaecheonjeol gefeiert. | + | Verfasst wurde der Text in klassischem Chinesisch, wie es zur damaligen Zeit üblich war. Er wurde Ende des 13. Jahrhunderts zumindest teilweise vom buddhistischen Mönch Il-yeon (1206–1289) zusammengestellt. Quelle: „[https://www.newworldencyclopedia.org/entry/Samguk_Yusa Samguk Yusa]“, ''New World Encyclopedia'' (Stand: 2021/08/21) </ref> |
− | <ref> Die Geschichte von der Reichsgründung durch Dangun ist Bestandteil des ''Samguk-Yusa'' bzw. 'Memorabilien der drei Königreiche'. Hierbei handelt es sich um eine Textsammlung, die Legenden, volkstümliche Erzählungen und und historische Darstellungen der Drei Königreiche Koreas (Goguryeo, Baekje und Silla) umfasst. Es werden aber auch Zeiten und Staaten vor, während und nach den Drei Reichen behandelt. | ||
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==Südamerika== | ==Südamerika== | ||
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Der Mythos wurde unter anderem in den Kommentaren zum Reich der Inka des peruanisch-spanischen Chronisten Garcilaso Inca de la Vega (1539–1616) aufgezeichnet. Er ist einer von mehreren Schöpfungsmythen der Inka und zugleich der jüngste. Er gewann im 15. Jahrhundert besonderen Einfluss. Teile des Mythos, wie die Gründung der Stadt Qusqu mit dem goldenen Stab, werden noch heute in Südperu als Teil eines anderen Mythos erzählt. | Der Mythos wurde unter anderem in den Kommentaren zum Reich der Inka des peruanisch-spanischen Chronisten Garcilaso Inca de la Vega (1539–1616) aufgezeichnet. Er ist einer von mehreren Schöpfungsmythen der Inka und zugleich der jüngste. Er gewann im 15. Jahrhundert besonderen Einfluss. Teile des Mythos, wie die Gründung der Stadt Qusqu mit dem goldenen Stab, werden noch heute in Südperu als Teil eines anderen Mythos erzählt. | ||
− | Manco Cápac soll zudem auch der Vater des ihm folgenden zweiten Inkaherrschers Sinchi Roca gewesen sein. | + | Manco Cápac soll zudem auch der Vater des ihm folgenden zweiten Inkaherrschers Sinchi Roca gewesen sein.<ref> „[http://www.lai.fu-berlin.de/forschung/lehrforschung/symbolische_repraesentationen/inkaportraits/die_historische_person_inkaherrscher/manco_capac_mama_ocllo/ Manco Capac/Mama Ocllo - Ein Ursprungsmythos]“, ''Freie Universität Berlin'' (Stand: 2021/08/21)</ref> |
− | <ref> [http://www.lai.fu-berlin.de/forschung/lehrforschung/symbolische_repraesentationen/inkaportraits/die_historische_person_inkaherrscher/manco_capac_mama_ocllo/ | ||
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Aktuelle Version vom 18. Oktober 2021, 15:24 Uhr
Themengruppe | Erzählung (Mythos, Legende, Märchen, etc.) |
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Protagonisten | Bergglück und Meerglück, Jinmu Tennō 神武天皇, Kojiki 古事記, Nihon shoki 日本書, Ninigi |
Japan
Als mythologischer Zeitpunkt der Reichsgründung wird in Japan die Inbesitznahme des Palastes in Kashihara 橿原の宮 durch Kamu-Yamato Ihare-biko (posthum Jinmu Tennō 神武天皇) angesehen. Diese erfolgte am „ersten Tag des Jahres Kanoto Tori, dem 58. im Sechzig-Jahre-Zyklus“ (Naumann 1996, S. 270), was dem Jahr 660 v. Chr. entspricht. Mit ihm endet die „Götterzeit“ der Mythen und die Zeit der Menschenkaiser beginnt.
Dieser offiziellen Reichsgründung geht eine Reihe von Eroberungsfeldzuge voraus, in der die Nachkommen des Himmelsenkels Ninigi, zum Teil mit Unterstützung der Götter, verschiedene Landstriche erobern und sich ihr Reich aufbauen (vgl. Naumann 1996, S. 249–258). Das entscheidende Merkmal, dass die Herrschaft Ninigi no Mikotos 邇邇芸/瓊瓊杵 über die Mittellande von der Herrschaft des Kamu-Yamato Ihare-biko unterscheidet, ist die Errichtung einer Hauptstadt. Ein gewisser Anachronismus ist dabei der Umstand, dass zum Ende des 7. Jd. /Anfang des 8. Jd. von einer wirklichen, statischen Hauptstadt nicht die Rede sein kann, da der Sitz des Herrschers mit jedem Regierungswechsel verlegt wurde (aus Angst vor Verunreinigung durch den Tod). Erst 694 n. Chr. wurde mit Fujiwara-kyō 藤原京 erstmals eine Hauptstadt nach chinesischem Vorbild angelegt.
Naumann geht davon aus, dass die Ursache für diese Übertragung der politischen Umstände der Entstehungszeit von Kojiki 古事記 und Nihongi 日本紀 auf vorgeschichtliche Zeit, mit in der Funktion der Berichte zur Legitimierung des Herrscherhauses zu sehen ist. Besonders das Kojiki verfolgt demnach das Ziel die Herrschaft abzusichern und die ununterbrochene Erbfolge nachzuweisen. Von daher ist es besonders wichtig mit welchen Gottheiten die Ahnen des Kaiserhauses in Verbindung stehen und von wem sie ihre Macht zugesprochen bekommen (Bsp. Bericht über den Herrschaftsauftrag, den Susanoo 須佐之男 Ohokuni-nushi 大国主 erteilt, damit dieser später berechtigt seine Macht an Ninigi abtreten kann (Naumann 1996, S. 185–193, 271).
Korea
Reichsgründung durch Dangun
Dangun 단군 war der Enkel des Himmelsherrn Hwanin 흰인 . Dieser hatte einen Sohn namens Hwanung 흰웅, der auf der Erde leben wollte. Hwanin wählte den Berg Taebaek 태백산 als Wohnort für ihn aus und sandte ihn sodann mit 3000 Gefolgsleuten auf die Erde hinab. Hwanung stieg herab auf den Gipfel des Berges und begab sich unter einen heiligen paktal-Baum (= Sandelholzbaum) und nannte den Ort Sinsi, 'die Stadt Gottes'. Er gab sich den Titel Hwanung Cheonwang, himmlischer König. Zusammen mit den Göttern von Wind, Regen und Wolken gab Hwanung den Menschen Gesetze, Moral, Kultur, Medizin und Landwirtschaft.
Als eine Bärin und eine Tigerin davon hörten, beteten sie zum göttlichen Hwanung und baten darum, in menschliche Wesen verwandelt zu werden. Hwanung sagte ihnen, dass sie zuvor 100 Tage lang in einer dunklen Höhle bleiben und sich nur von Beifuß und zwanzig Stück Knoblauch ernähren sollten. Die Tigerin gab bereits frühzeitig auf, doch die Bärin hielt bis zum Schluss durch und verwandelte sich dann in eine Frau, mit Namen Ungnyeo 웅녀. Da sie keinen Ehemann finden konnte, betete sie unter einem Sandelholzbaum um ein Kind. Hwanung erhörte sie, nahm vorübergehend menschliche Gestalt an und zeugte mit ihr einen Sohn: Dangun Wanggeom 단군왕검, König des Sandelholzes.[1]
Nach dem Samyuk Yusa errichtete Dangun im 50. Regierungsjahr von Kaiser Yao in Pyeongyang (heute Sogyeong) seine Residenz und gab seinem Reich den Namen Joseon. Später verlegte er seine Haupstadt nach Asadal auf den Berg Taebaek, wo er 1500 Jahre lang regierte. Er verlor jedoch Joseon und kehrte nach Asadal zurück, wo er dann im Alter von 1908 Jahren zum Berggott wurde. Nach der noch heute in weiten Kreisen Koreas anzutreffenden Geschichtsschreibung gründete Dangun mit Kojoseon 고조선 den ersten koreanischen Staat; das geschah angeblich im Jahre 2333 v. Chr. Zum Verständnis dieser Legende empfiehlt sich zunächst ein Blick in den geschichtlichen Kontext, in dem der seon [= Zen]-buddhistische Mönch Ilyeon (1206–1289) die Reichsgründung niederschrieb. Das Reich Goryeo 고려 (918–1392) hatte im 13. Jh. zwei große mongolische Invasionen über sich ergehen lassen müssen; mongolische Besatzer drangen bis zur Insel Jeju vor. In dieser Zeit politischer Unterdrückung durch die mongolische Yuan-Dynastie entstand zwischen 1281 und 1289 die Chronik. Das Datum von 2333 v. Chr. für die Reichsgründung entspricht dem Regierungsantritt des legendären chinesischen Kaisers Yao. Der „Berggott“ wiederum ist in der genuinen Religion Koreas (mu 무 巫 oder mugyo 무교 巫教) Sanshin 산신, der – zusammen mit dem Tiger – fester Bestandteil der koreanischen Religion ist. Es gibt in Südkorea kaum einen buddhistischen Tempel ohne Sanshin. Der Dangun-Mythos hat also zunächst eine identitätsstiftende Funktion: Das Volk von Goryeo kann auf eine Geschichte zurückblicken, die der chinesischen ebenbürtig ist. Die göttliche Herkunft des Reichsgründers, der als Sanshin in der Welt verbleibt, zeichnet auch sein Volk aus.Das koreanische Volk ist also den mongolischen Invasoren überlegen. Alle Versuche, aus dem fiktiven mythischen Ahnherrn Rückschlüsse auf die Vorgeschichte des koreanischen Volkes und seine Religion zu ziehen, sind aus historischer Sicht abwegig. Die moderne archäologische Forschung ist sich heute dahingehend einig, dass es aus der neolithischen Zeit (2000–1500 v. Chr) nur wenig Daten über die koreanischen Stämme gibt. Wenige oder gar keine archäologischen Daten gibt es dagegen für Glaubensvorstellungen oder religiöse Praktiken.[2] Ilyeons Niederschrift erfolgte also aus nationalistischen Gründen, wie auch die von ihm benutzte Vorlage des einflussreichen buddhistischen Mönchs Myo Cheong (gest. 1136), die sich gegen die Jürchen richtete. Nach John Jorgensen liegt dem Dangun-Mythus also wahrscheinlich ein esoterisch-buddhistisches Werk zugrunde, dessen buddhistischer Charakter unter dem Einfluss eines erstarkenden Konfuzianismus mehr oder minder weichen musste.[3]
(Fortsetzung folgt!)
Die mythische Gründung Koreas durch Dangun wird heute in Südkorea mit dem Feiertag Gaecheonjeol gefeiert.[4]
Südamerika
Gründung des Inkareiches durch Manco Cápac
Manco Cápac war der erste, mythische Herrscher der Inka.
Nach den mythologischen Vorstellungen der Inka war er der Sohn des Sonnengottes Inti, der ihn aus dem Schaum des Titicacasees erschuf. Von dieser Gottheit sei er dann gemeinsam mit seiner Schwester Mama Ocllo auf die Erde gesandt worden, um dort die Welt zu verbessern. Dabei gab Inti ihnen einen goldenen Stab mit auf den Weg, der an einem fruchtbaren Ort in den Boden sinken würde, an dem sie dann eine Stadt zu gründen hätten.
Manco Capac und Mama Ocllo entstiegen dem Titicacasee und schlugen den Weg nach Norden ein. Dabei diente ihnen der Stab des Sonnengottes zum Auffinden des idealen Ortes, um ihr Imperium zu gründen. Schließlich trennten sie sich. Manco Capac ging nach Norden, Mama Ocllo nach Süden. Sie riefen die Einwohner in der Talregion zwischen Pisaq und Ollantaytambo, dem Tal von Qusqu (dem heutigen Cusco), zusammen und wurden sofort als übermenschliche Wesen anerkannt. Dort versank der Stab schließlich im Boden und sie gründeten die Stadt Qusqu, was später den Beginn des Inkareiches markierte.
Manco Capac befahl seinem Gefolge, sich im Hochtal niederzulassen, welches fortan Hanan-Cusco hieß. Mama Ocllo dagegen befahl ihrem Gefolge, sich im Tal niederzulassen, welches von nun an Hurin-Cusco genannt wurde. Manco Capac brachte den Männern bei, das Land zu bearbeiten und Bewässerungskanäle zu bauen. Mama Ocllo lehrte die Frauen zu nähen, zu kochen und Stoffe zu weben.
Der Mythos wurde unter anderem in den Kommentaren zum Reich der Inka des peruanisch-spanischen Chronisten Garcilaso Inca de la Vega (1539–1616) aufgezeichnet. Er ist einer von mehreren Schöpfungsmythen der Inka und zugleich der jüngste. Er gewann im 15. Jahrhundert besonderen Einfluss. Teile des Mythos, wie die Gründung der Stadt Qusqu mit dem goldenen Stab, werden noch heute in Südperu als Teil eines anderen Mythos erzählt.
Manco Cápac soll zudem auch der Vater des ihm folgenden zweiten Inkaherrschers Sinchi Roca gewesen sein.[5]
Verweise
Literatur
- Young-ja Beckers-Kim (Ü.) 2008Samguk-yusa: Legenden & Wundergeschichten aus den drei Königreichen Koreas. Schenefeld: EB-Verl. 2008. (2. überarb. Aufl.)
- Mong-Lyong Choi, Song-nai Rhee 2001„Korean archaeology for the 21st century: from prehistory to state formation.“ Seoul Journal of Korean Studies, Vol.14 (2001), S. 117-147.
Internetquellen
- Wikipedia – Die freie Enzyklopädie (Wikimedia Foundation, seit 2001).
- „Manco Cápac“
- „Dangun“
- Freie Universität Berlin
- New World Encyclopedia
Fußnoten
- ↑ Quelle: Ilyeon, Samguk Yusa: Legenden & Wundergeschichten aus den Drei Königreichen Koreas, aus dem Chinesischen übersetzt von Beckers-Kim Young-ja unter Mitarb. von Rainer E. Zimmermann, 2. überarb. Aufl., Hamburg-Schenefeld 2008, I, 1 (S. 34f.)
- ↑ Choi Mong-Lyong/Rhee Song-nai, Korean Archaeology for the 21st Century: From Prehistory to State Formation, in: Seoul Journal of Korean Studies 14(2001) S. 128f.
- ↑ John Jorgensen, Who was the Author of the Tan’gun Myth?, in: Sang-Oak Lee and Duk-Soo Park, eds., Perspectives on Korea, Sydney 1998, S. 222–255
- ↑ Die Geschichte von der Reichsgründung durch Dangun ist Bestandteil des Samguk-Yusa bzw. 'Memorabilien der drei Königreiche'. Hierbei handelt es sich um eine Textsammlung, die Legenden, volkstümliche Erzählungen und und historische Darstellungen der Drei Königreiche Koreas (Goguryeo, Baekje und Silla) umfasst. Es werden aber auch Zeiten und Staaten vor, während und nach den Drei Reichen behandelt. Verfasst wurde der Text in klassischem Chinesisch, wie es zur damaligen Zeit üblich war. Er wurde Ende des 13. Jahrhunderts zumindest teilweise vom buddhistischen Mönch Il-yeon (1206–1289) zusammengestellt. Quelle: „Samguk Yusa“, New World Encyclopedia (Stand: 2021/08/21)
- ↑ „Manco Capac/Mama Ocllo - Ein Ursprungsmythos“, Freie Universität Berlin (Stand: 2021/08/21)
Bilder
Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:
- ↑ Jinmu Tennō Blockdruck von Tsukioka Yoshitoshi 月岡芳年 (1839–1892). Meiji-Zeit; aus der Serie Dainippon meishō-kan 大日本名将鑑 (Sammlung großer Generäle Japans), 1876–82
Bild © Wikimedia Commons. (Letzter Zugriff: 2014/9/9) - ↑
Dangun Postkarte
Bild © San-Shin. (Letzter Zugriff: 2013/9/9)